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2. Psychologie als Wissenschaft

In diesem Kapitel erläutern wir, was es bedeutet, psychologische Erkenntnisse als wissenschaftliche Erkenntnisse zu betrachten.

Zu diesem Zweck berichten wir zunächst, wie Psychologie als Wissenschaft zustande kam und sich entwickelt hat (2.1.). Im Verlauf dieser Geschichte hat sich die Psychologie in Spezialgebiete ausdifferenziert, die wir anschließend vorstellen (2.2.). Den Prozess der Erkenntnis psychologischen Wissens beschreiben wir in allgemeiner Weise (2.3.). Darüber, wie der Wissenschaftscharakter der Psychologie zu bestimmen ist, gibt es durchaus unterschiedliche Auffassungen. Die wichtigsten stellen wir in Abschnitt 2.4. vor. Psychologische Erkenntnis unterscheidet sich vom »gesunden Menschenverstand« u. a. durch das transparente, nachvollziehbare methodische Vorgehen. Zwei Methoden psychologischer Erkenntnisgewinnung stellen wir in Abschnitt 2.5. vor: Experiment und Feldforschung. Durch solche Methoden werden Daten gewonnen, deren Interpretation keineswegs selbstverständlich ist. Innerhalb der Psychologie gibt es eine Reihe von Standards, mit denen Daten interpretiert und verarbeitet werden können, um auf dieser Grundlage zu empirisch gesicherten psychologischen Erkenntnissen kommen zu können (2.6.).

2.1. Psychologie in Europa: Lange Vergangenheit, kurze Geschichte

von Elisabeth Baumgartner

»Die Psychologie hat zwar eine lange Vergangenheit, aber eine kurze Geschichte.« Dieser, von dem Gedächtnisforscher Hermann Ebbinghaus (1850 – 1909) auf dem vierten Internationalen Kongress für Psychologie in Paris im Jahre 1900 vorgetragene Satz ist wohl der meistzitierte in der Geschichtsschreibung der Psychologie.

Was wollte Ebbinghaus damit zum Ausdruck bringen? – Er beschreibt die Situation der akademischen Psychologie um die Jahrhundertwende, die bestrebt war – besser gesagt, einige ihrer Fachvertreter waren es – sich von der Philosophie, innerhalb derer die Psychologie traditionsgemäß angesiedelt war, zu lösen.

Altertum

Die Philosophie war seit ihren Anfängen im Altertum die Wissenschaft, die sich mit psychologischen Fragen auseinander setzte. Beispielsweise befassten sich schon die vorsokratischen Eleaten ebenso wie Heraklit mit dem Problem des Denkens und seiner Übereinstimmung mit der Wirklichkeit. Platons (427 – 347 v. Chr.) Dialoge sind, wie wir heute sagen würden, Meisterwerke »psychologischer Gesprächsführung«. Er postulierte, die wahre Wirklichkeit liege in der Welt der Ideen, nicht in der Welt der Sinne und Empfindungen. Diese Hochschätzung des Begrifflichen hatte und hat großen Einfluss auf die abendländische Tradition (vgl. Müller 1971, S. 1).

Aristoteles

Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) ist die Hauptquelle der Psychologie, teilweise bis in die Neuzeit, geblieben. In seiner Schrift »Über die Seele« beschreibt er die Seele (Psyche), die sich als wirkendes Prinzip auf dreierlei Weise äußere:

als Vitalseele (belebend, ernährend);

als Animalseele (empfindend, fühlend, sinnlich begehrend);

als Geistseele (denkend und wollend).

Diese Einteilung hat die Psychologie lange geprägt. Die Beschreibung der »Seelenkräfte«, des »Seelenvermögens« oder der »psychischen Kräfte und Funktionen« entsprechend der Einteilung des Seelenbegriffs beschäftigte die Philosophen aller folgenden Jahrhunderte.

Bezug zur Gegenwart

Auch die heutige wissenschaftliche Psychologie greift auf dieses Modell zurück: die Allgemeine Psychologie mit ihren Klassifikationen des Psychischen in Emotion, Kognition und Motivation (vgl. Pongratz 1967, S. 70); Richtungen der Persönlichkeitspsychologie, die an Schichttheorien orientiert sind; in besonderer Weise aber die Psychoanalyse. Schönpflug (2000, S. 72) meint gar, dass in der Bestimmung des Aristoteles »eine Vielfalt von Domänen [...] für Forschungsprogramme vorweggenommen« sei.

Die abendländische Beschäftigung mit der Psyche führt also, soweit schriftlich nachgewiesen, ins 3. und 4. Jahrhundert v. Chr. zurück. Auch in Asien, in Indien und China existierten Seelenlehren innerhalb des Buddhismus, des Taoismus und des Konfuzianismus, die im Sinne von praktischer Ethik als Wegweiser der Lebensführung dienten. Sie hatten für die abendländische Psychologie in ihrer wissenschaftlichen Ausrichtung wenig Bedeutung. Als Techniken der Entspannung und Meditation fanden jedoch einige Ansätze Eingang in Therapieformen der Klinischen Psychologie.

Augustinus

Im Zuge der Christianisierung des Abendlandes wird auch die Philosophie »getauft«, ja schließlich als »ancilla theologiae«, als Magd der Theologie aufgefasst. Die altgriechischen Seelenvorstellungen werden im Licht des neuen Glaubens gesehen. Die Seele wird als göttliche Einhauchung verstanden; als nicht dem Körper zugehörig, wohl aber von ihm, seinen Bedürfnissen und Strebungen beeinflusst. Augustinus (354 – 430) beschreibt in seinen »Confessiones«, in »Selbstgespräche« und in »Über die Größe der Seele« die neue Auffassung, die Platonismus und christliche Glaubenslehre zu vereinbaren versucht. Gewissensforschung und Selbstbeschreibung sind seine Methoden. Die seelischen Funktionen sieht er (nach Hehlmann 1982, S. 33) als »wohl verbunden mit den äußeren Sinnen und ihren Organen... Daneben aber stehe der innere Sinn mit den bewahrenden und beziehenden Funktionen des Gedächtnisses, des Denkens, des Wollens. Sie seien spezifisch menschlich. Sie entsprechen der Trinität Gottes und repräsentieren gleichzeitig die Einheit in der Mannigfaltigkeit. Von der niederen Form der Vernunft, die sich an die Sinneserkenntnisse knüpft, unterscheidet Augustin die höheren Seelenvermögen. Mit ihrer Hilfe könne der Mensch zur Schau der ewigen Ideen aufsteigen. Diese seien jedoch nicht, wie Platon meinte, Erinnerungen aus einem früheren Leben im Ideenreiche. Der Mensch habe sie durch ›göttliche Erleuchtung‹ erhalten, und in ihnen besitze er zugleich das Werkzeug, ständig aus dem Leben im Vergänglichen aufzusteigen, um an der unveränderlichen Wahrheit teilzunehmen.«

Mittelalter

Die letzte Erkenntnis wird also nicht aus den Sinneserfahrungen gewonnen, sondern sie ist als Innewerden unveränderlicher Wahrheit göttlichen Ursprungs. Der Gedanke, dass der inneren Erfahrung einzig Gewissheit zukomme, dass ich an allem zweifeln könne, nur nicht daran, dass ich denke, nimmt das »cogito ergo sum« des Descartes (1596 – 1650) vorweg. Im 19. Jahrhundert greift Franz Brentano (1838 – 1917) mit seiner Bestimmung der »Intentionalität« des Psychischen wieder darauf zurück. Die Psychologie des Augustinus war bestimmend für das Mittelalter. Sie wurde weiter ausgeformt von Thomas von Aquin (1225 – 1274), den vor allem das Leib-Seele-Problem interessierte, also die Frage, wie Leib und Seele aufeinander wirken, wie die Verknüpfung vorgestellt werden kann, ob jeder Teil des Körpers beseelt sei.

Gegen Ende des Mittelalters (bzw. der Scholastik) wendet sich das Interesse von der bis dahin vorherrschenden Beschäftigung mit den Möglichkeiten des Erkennens dem Phänomen des Wollens zu. Duns Scotus (vor 1270 – 1308) und Wilhelm von Occam (um 1300 – 1349) betonen: Der Mensch ist in erster Linie ein wollendes Wesen. Wollen ist »radikale Spontaneität« (nach Hehlmann 1982, S. 55).

Neuzeit

Damit ist der Übergang zur Neuzeit eingeleitet, zur Renaissance, in der nun der »ganze Mensch« im Mittelpunkt des Interesses stand. Von psychologischem Interesse sind nun die Individualität, der Einzelmensch, die Charaktererfassung. Die Leidenschaften und Affekte werden nicht mehr als »niedrige Regungen«, die es zu unterdrücken gilt – wie im theologischen Kontext des Mittelalters – aufgefasst, sondern auch sie werden untersucht. Gelehrte Ärzte verfassen Abhandlungen zur Psychologie, so Paracelsus (1493 – 1541), der den Dualismus von Leib und Seele ablehnt und den Menschen als ganzheitliches Wesen, als Mikrokosmos betrachtet. Praktischen Fragestellungen (im heutigen Sinne) widmete sich schon Juan Huarte (um 1520 – 1589). In seinen Untersuchungen über die »Prüfung der Anlagen für die Wissenschaft« findet er humorale, klimatische und zerebrale Bedingungen für die Unterschiede in Begabung und Intelligenz und schließt pädagogische und eugenische Ratschläge an.

Die Zeit der Renaissance kann als Zeit der großen Horizonterweiterung betrachtet werden. Es war eine Zeit geographischer Entdeckungen, der Umwälzungen im Wirtschaftssystem (Einführung der Geldwirtschaft), der (eingeschränkten) sozialen Mobilität, des Aufblühens der Naturwissenschaften (Galilei, Newton), die in die Aufklärung mündete. Hier standen die Rechte des Individuums, vor allem in politischer Hinsicht, im Mittelpunkt des kämpferischen Interesses der Philosophen. Wieder geht es um die Erkenntnisfähigkeiten des Menschen, nun aber nicht mit Blick auf die Erkenntnismöglichkeit Gottes durch den Menschen, sondern auf seine Emanzipation und seine Freiheit. Die englischen Empiristen (Locke, Berkeley, Hume) betonen (im Anschluss an Aristoteles) den Primat der Erfahrung (nihil est in intellectu, quod non prius fuerit in sensu; nichts findet sich im Intellekt, was nicht vorher in den Sinnen war). Der Intellekt wird als »tabula rasa« beschrieben, der erst durch Sinneserfahrungen, Nachdenken (»Reflexion«) und durch Lernen gebildet wird.

19. Jahrhundert

Der Weg zur Psychologie, wie sie sich heute darstellt, wurde entscheidend geprägt durch das im Jahre 1871 erschienene Buch »Über die Abstammung des Menschen« von Charles Darwin (1809 – 1882). Der Mensch wird nun ganz und gar als Naturwesen gesehen. Damit scheinen auch alle seine Funktionen, Reaktionen und Erlebnisweisen mit den Methoden und Mitteln der Naturwissenschaften grundsätzlich erfassbar. Die »Seele« erweist sich als überflüssige Annahme. Dementsprechend propagiert C. G. Lange (1834 – 1900) eine »Psychologie ohne Seele«, ein mutiges Unterfangen, bedeutet »Psychologie« dem Wortsinne nach doch »Lehre von der Seele«.

experimentalpsychologische Schule

Im 19. Jahrhundert gibt es eine Fülle von psychologischen Ansätzen. An den Universitäten immer noch von Inhabern von Lehrstühlen der Philosophie vertreten, teilen sich die Interessen in traditionell geisteswissenschaftliche und experimentelle Psychologien. Die sich herausbildende experimentalpsychologische Schule lässt sich als physiologisch, evolutionär, atomistisch und quantifizierend beschreiben (vgl. Wertheimer 1970, S. 35). Ihre institutionelle 1879: Leipzig, erstes psychologisches Laboratorium W. Wundt Verankerung erfolgte im Jahre 1879, als Wilhelm Wundt (1832 – 1920) in Leipzig das erste experimentalpsychologische Laboratorium an einer deutschen Universität begründete (im gleichen Jahr wurde an der Harvard University durch William James das erste amerikanische Laboratorium eingerichtet, 1889 folgte die Sorbonne in Paris, 1894 das psychologische Institut in Graz, eingerichtet durch A. Meinong).

Auf diese Daten bezieht sich der eingangs zitierte Satz von Ebbinghaus. Philosophische Fragen wurden damals jedoch nicht ausgeklammert, wofür Wundt wie Brentano als Zeugen dienen können. Franz Brentano hatte 1874 seine Schrift »Psychologie vom empirischen Standpunkte« veröffentlicht, in der er seine These »Die Methode der Psychologie sei die der Naturwissenschaft mit Erfahrung als Grundlage« exemplifizierte. Er versuchte, der Psychologie ihren vollen Zuständigkeitsbereich zu retten, indem er zwei Teildisziplinen vorschlug: deskriptive und genetische Psychologie. Die genetische Psychologie sollte auf experimentellem Wege »das Seelenleben zergliedern«, die deskriptive Psychologie auf deduktivem Wege zu Theorien gelangen und die Ergebnisse allgemeingültig formulieren. Wundt dagegen wollte die experimentelle Methode nur auf elementare psychische Prozesse (etwa Messung von Empfindungsstärken) anwenden, »höhere« psychische Prozesse sind seiner Meinung nach der experimentellen Prüfung nicht zugänglich. Sie bedürften zur Erklärung hermeneutischer (geisteswissenschaftlicher) Verfahren.

Konsequenterweise wandten sich deshalb Wundts Schüler der experimentellen Forschung »einfacher Vorgänge« hauptsächlich aus dem Bereich der Sinnespsychologie zu. Unter Wundts Schülern gab es auch eine Reihe von Amerikanern, wovon der berühmteste E.B. Titchener (1867 – 1927) wurde, der die Wundtsche Psychologie in den USA bekannt machte.

Göttingen

Weitere Zentren entstanden in Göttingen, wo G.E. Müller (1850 – 1935) psychophysische Forschungen betrieb (er vertrat die Ansicht, dass jedem Berlin Psychischen ein Physisches entspreche) und in Berlin, wo H. Ebbinghaus seine bekannten Gedächtnisstudien betrieb. Ebbinghaus versuchte, die Länge der Gedächtnisspanne und die Gesetzmäßigkeiten beim Vergessen zu bestimmen, wozu er sich sinnarmer Silben als Material bediente.

Würzburger Schule

Eine erste große Kontroverse unter den »neuen« Psychologien entstand, als der Wundt-Schüler Oswald Külpe (1862 – 1915) mit seiner »Würzburger Schule« auch das Denken experimenteller Prüfung unterzog. Der herausragende Forscher dort war Karl Bühler (1879 – 1963), der der Frage nachging, »was erleben wir, wenn wir denken?« und seine Versuchspersonen anwies, in Selbstbeobachtung ihre Erlebnisse während der Lösung von Denkaufgaben genau zu beschreiben. Aufgrund der Auswertung der Ergebnisse kam Bühler zu dem Schluss, dass nicht mechanische Assoziationen (Verknüpfungen) von Vorstellungsinhalten das Denken ausmachen, sondern »reine Gedanken«, die unanschaulich sind. Die Problemlösung tritt als spezifisches »Aha-Erlebnis« auf (vgl. Bühler 1907). Wundt und seine Schule hielten diese Vorgehensweise für einen Missbrauch des Experiments (vgl. Ash/Geuter 1985, S. 51).

Am Rande soll noch vermerkt werden, dass es bei den damaligen Kontroversen nicht nur um sachliche oder methodische Fragen ging, sondern dass auch standes- und wissenschaftspolitische Interessen eine Rolle spielten. Die Philosophen fürchteten, dass durch die Zunahme an experimentalpsychologischer Ausrichtung die »eigentlichen« philosophischen Disziplinen wie Metaphysik, Erkenntnistheorie, Logik und Ethik in den Hintergrund gedrängt würden, dass »die großen Lebensfragen, die politischen, religiösen und sozialen Fragen« nicht mit Hilfe von Experimentalpsychologie zu lösen seien (Windelband zit. n. Ash/Geuter 1985, S. 52). Der Einwand war sicher nicht unberechtigt; letztlich förderte der Protest der Philosophen die institutionelle Trennung der Psychologie als eigene Disziplin von der Philiosophie.

Gestaltpsychologie

Als dritte bedeutsame Schule ist die Gestaltpsychologie zu nennen. Ihr Ausgangspunkt waren wahrnehmungspsychologische Untersuchungen und die Untersuchung von »Denkgestalten«. Hauptvertreter waren Ch. von Ehrenfels (1859 – 1932), Max Wertheimer (1880 – 1943), Kurt Koffka (1886 – 1941), Wolfgang Köhler (1887 – 1967) und Kurt Lewin (1890 – 1947). Das kennzeichnende Schlagwort für die Gestaltpsychologie lautet »Das Ganze (oder die Gestalt) ist mehr als die Summe seiner (ihrer) Teile«. Charakterisiert werden die Gestalten durch die Ehrenfels-Kriterien »Transponierbarkeit« und »Übersummativität«. Als Beispiel dient die Melodie: Ich erkenne sie auch in einer anderen Tonart. Ich höre nicht nur einzelne Töne, sondern eine »Gestalt«. In der Wahrnehmungslehre wandten sich die Gestaltpsychologen gegen die Auffassung, Wahrnehmungsgebilde seien aus atomhaften Empfindungen zusammengesetzt, also gegen den Atomismus und die »Elementenpsychologie«. Ebenso lehnten sie eine Vorstellungsmechanik (Gedanken als nur mechanisch-summative Verknüpfung von Vorstellungen) ab und wurden so zu Verbündeten der Würzburger Schule gegen die Assoziationstheorie (vgl. Müller 1971, S. 9).

Bedeutsam ist, dass »Gestalten« in einem »Feld« (einer Umgebung) eingebettet sind, das die Wahrnehmung beeinflusst, wie an einer Vielzahl von optischen Täuschungen nachgewiesen wurde.

Als kleines Beispiel diene die 9-Punkte-Aufgabe von Wertheimer.


● ● ●Diese 9 Punkte sind durch vier gerade Linien so zu verbinden, dass jeder Punkt getroffen wird. Der Bleistift ist nicht abzusetzen.
● ● ●
● ● ●

Die Lösung gelingt, sobald die »Gestalt« des Quadrats durchbrochen wird.

Problemlösen, Denken, und Lernen sind also Produkte einer »Umstrukturierung« des Feldes. Nicht »trial and error«, Versuch und Irrtum im Sinne von Probieren führen zur Lösung, sondern Um-Organisation von Gestalten. Wolfgang Köhler postulierte denn auch ein »Lernen durch Einsicht«, das er den Affen in seinen Tierexperimenten zuschrieb, die Gegenstände ihrer Umgebung als Hilfsmittel benutzten, um an Futter zu gelangen, das Feld also im Sinne einer »guten Gestalt« (der Lösung der Aufgabe) umstrukturierten.

Anwendungen

Neben den mehr akademisch-theoretisch ausgerichteten Schulen etablierten sich in den 20er und 30er Jahren einige Institute, die sich auch praktischen Fragen zuwandten. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang:

William Stern

Hamburg, wo ab 1920 William Stern (1889 – 1953) entwicklungspsychologische Studien betrieb (er gilt als »Erfinder« des Intelligenzquotienten; sein mit seiner Frau Clara herausgegebenes Buch über die Kindersprache, in dem die Beobachtungen an den eigenen Kindern Grundlage waren, war weit verbreitet).

Wilhelm Peters

Jena, wo mit Wilhelm Peters (1880 – 1963) ein Entwicklungspsychologe Lehrstuhlinhaber wurde, der sich besonders der Lehrerausbildung widmete und zusammen mit Lehrern zahlreiche Testverfahren erprobte, und

Charlotte und Karl Bühler

Wien, wo Karl Bühler (1879 – 1963) und besonders seine Frau Charlotte Bühler (1893 – 1974) entwicklungspsychologische Forschung und pädagogische Erprobung in enger Zusammenarbeit mit pädagogischen Institutionen der Stadt praktizierten. Dabei entstand u. a. der noch heute teilweise verwendete Bühler-Hetzer-Entwicklungstest für Kinder.

1933

Für die deutsche Psychologie bedeutete die Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahre 1933 einen verheerenden Einschnitt. Teils mit Berufsverbot belegt, teils verfolgt, mussten die meisten der angesehenen Psychologieprofessoren ihre Lehrstühle räumen. Einige waren Juden, andere in politischer Opposition. Die meisten konnten emigrieren, nach den USA, Schweden oder England. Otto Selz, der letzte Vertreter der Würzburger Schule, ein Külpe-Schüler, entkam zunächst nach Holland und wurde von dort nach Auschwitz deportiert. Wenige der Emigrierten konnten ihre früheren Forschungsarbeiten fortsetzen, sie arbeiteten dort, wo man ihnen eine Stelle anbot. Eine neue Karriere starten konnten Charlotte Bühler, die sich der Therapie widmete und in den USA zu den Mitbegründern der Humanistischen Psychologie wurde, und Kurt Lewin (1890 – 1947), der die später sehr beachteten Experimente zur Wirkung von Erziehungsstilen auf das Gruppenverhalten von Kindern durchführte und sich sozialpsychologischen Fragen zuwandte.

Nach 1933 widmete sich die Psychologie in Deutschland, den gesellschaftlichen Umständen angepasst, vor allem den Feldern Typologie, Erbpsychologie und Rassenpsychologie. Eine Diskussion über diese Zeit hat erst spät begonnen. »Die Debatten an den Universitäten in den 60er Jahren zum Verhältnis der verschiedenen Disziplinen zum Nationalismus gingen an der Psychologie vorbei. Nichts wurde nach dem Krieg diskutiert, klammheimlich steckte man vielmehr Bereiche der Vergangenheit beiseite« (Ash/Geuter 1985, S. 173). In den Kriegsjahren wurden die psychologischen Institute geschlossen, ihre Mitarbeiter teils eingezogen, teils als Wehrmachtspsychologen (für Tauglichkeitsprüfungen und zur Auslese von Offiziersanwärtern) verwendet.

Neuanfang

Die Wiedereröffnung der Universitäten nach Kriegsende zeigte bei der Professorenschaft der Psychologie wenig Veränderung: Die meisten der vor dem Krieg Tätigen wurden übernommen, nur bekannt begeisterte Parteigänger wurden ausgeschlossen. Oswald Kroh (1887 – 1950), Philipp Lersch (1898 – 1972), Wilhelm Arnold (1911 – 1983) waren Vertreter der traditionellen Entwicklungs- und Persönlichkeitspsychologie, wie sie bereits vor dem Kriege gelehrt wurde. Nach den Erfahrungen des »kollektiven Massenwahns« scheint es auch verständlich, dass die Pflege des Individuellen und die Würde der Person als Lehr- und Forschungsgegenstände populär wurden.

Rezeption internationaler Forschung

Ab 1950 etwa setzte sich ein neuer Trend durch, den man als die »Amerikanisierung« der Psychologie in der Bundesrepublik bezeichnen kann. Es war eine Zeit der Rezeption von Ideen, Methoden und Ansätzen, von denen die meisten zum Zeitpunkt ihrer Rezeption bereits zwei bis drei Jahrzehnte alt und in den USA längst sozial anerkannt waren. Doch waren diese Forschungen in Deutschland nicht bekannt gewesen. Erst durch jüngere Wissenschaftler, die als Stipendiaten in den USA studieren konnten und durch wenige, zögernd zurückkehrende Emigranten bekam man davon Kenntnis. Zudem sorgten von den Besatzungsmächten zur Verfügung gestellte Quellen (Bücher, Fachzeitschriften) für die Verbreitung vorher hier nicht bekannter Forschungsansätze.

Die Lernpsychologie, die Sozialpsychologie und die Klinische Psychologie (vorher weitgehend den Psychiatern überlassen) wurden übernommen. Die Forschungen wurden teilweise repliziert. Vor allem entstand ein großes Anwendungsfeld, in dem Beratungsstellen, Schulpsychologische Dienste und Therapiezentren eingerichtet wurden.

Obwohl man inzwischen von einer Internationalisierung der psychologischen Forschung sprechen kann, blieb die akademische Psychologie an den USA orientiert. Neben den Inhalten waren es vor allem die Methoden, die anfangs noch gegen den Widerstand der »Alten« übernommen wurden. Zum einen ging es um die Dominanz der Experimentalverfahren. Dass darüber gestritten wurde, so 1956 zwischen Peter R. Hofstätter (1913 – 1994), einem USA-Rückkehrer, und Albert Wellek (1904 – 1972), einem der dienst-ältesten deutschen Professoren damals, der auf »Intuition« als der wahren Methode zur Gewinnung psychologischer Erkenntnisse bestand, muss einen mit der Geschichte Vertrauten eigentlich wundern, waren doch die berühmten deutschen Schulen vor 1933 bereits sehr stark experimentell orientiert gewesen. Zum zweiten ging es in diesem Streit um den Wert statistischer Verfahren.

kognitive Wende

Die Hochschätzung quantitativer Verfahren setzte sich durch, institutionell festzumachen an der ersten Tagung experimentell arbeitender Psychologen 1959 in Marburg. Die Ausklammerung des Subjekts aus der Psychologie, die Vermeidung mentalistischer Begriffe wie beispielsweise »Intentionalität«, konnte allerdings nicht durchgehalten werden. Die kognitive Wende oder gar kognitive Revolution, wie Herzog (1984) sagt, hat eine Neuorientierung bewirkt. Dies soll anhand der Motivationspsychologie illustriert werden.

Begriffe wie Wille oder Wollen waren zu Zeiten behavioristisch orientierter Forschung verpönt, zum einen, weil sie introspektiv zu erfassende Vorgänge darstellten, die mit der Methode der Fremdbeobachtung nicht zugänglich zu machen sind. Zum zweiten, weil der Wille den Aspekt der freien Entscheidung beinhaltet. Der sich frei entscheidende, der »autonome Mensch« war jedoch von Skinner zur Fiktion erklärt worden.

Miller, Galanter und Pribram veröffentlichten 1960 ihr Buch über »Plans and the structure of behavior«, in dem sie den Begriff »intention« als »unvollständige Teile eines Planes, dessen Ausführung gerade begonnen hat« einführten (Miller/Galanter/Pribram 1960, S. 61, Übers. d. Verf.). Handlung entsteht aus dem Zusammenwirken von »plans«, zu deren Bestandteilen »intentions« und »images« gehören, die als interne Repräsentationen charakterisiert werden (S. 7).

Attributionstheorie

Weitere Impulse erhielt die kognitionspsychologische Richtung durch die Attributionstheorie. Ausgangspunkt war 1958 Fritz Heiders Buch »The Psychology of Interpersonal Relations« (deutsch 1977), in dem er den Alltagsmenschen zum Gegenstand der Psychologie machte. Seine Erforschung sogenannter naiver Konzepte und Erklärungsmodelle wies in eine neue Richtung, die sich in Deutschland beispielsweise im »Forschungsprogramm Subjektive Theorien« (Groeben/Wahl/Schlee/Scheele 1988) durchgesetzt hat.

Heider

Heider, der bei Meinong in Graz promoviert hatte, in Berlin bei Stern Assistent gewesen war, dort mit Kurt Lewin und Max Wertheimer, später in den USA wieder mit Lewin zusammengearbeitet hatte, ist den gestalt- und feldtheoretischen Ansätzen verbunden. Sein Ansatzpunkt geht jedoch über Lewin hinaus. Erklärte Lewin Verhalten als Funktion von Person und Umwelt, so verändert Heider den Aspekt. Anders als Lewin bezieht er sich nicht auf die tatsächlichen, auf eine Person einwirkenden psychologischen Kräfte und Verhaltensdeterminanten, sondern auf die wahrgenommenen Ursachen von Verhalten; die wahren und die wahrgenommenen Verhaltensursachen müssen keineswegs identisch sein. Mit der Betonung der »wahrgenommenen« Ursachen spricht Heider nichts anderes an als den Vorgang der »inneren Wahrnehmung« im Sinne von Meinong und Brentano. So lässt sich also für diese Zeit (dem allmählichen Aufkommen der Kognitionspsychologie) mit Pinker (1998, S. 110) feststellen:

»Bevor Newell und Simon sowie die Psychologen George Miller und Donald Broadbent in den fünfziger und sechziger Jahren Ideen aus der Computertechnik aufgriffen, war die Psychologie nur langweilig. Ihr Studiengang bestand aus physiologischer Psychologie (das heißt Reflexe) und Wahrnehmung (das heißt Piepser), Lernen (das heißt Ratten), Gedächtnis (das heißt sinnlose Silben), Intelligenz (das heißt IQ) und Persönlichkeit (das heißt Tests). Seitdem hat die Psychologie viele Fragen der klügsten Denker der Menschheitsgeschichte ins Labor geholt und Tausende von Entdeckungen gemacht, die alle Aspekte des Geistes betreffen.« Kluwe (2001, S. 1) hält diese Einschätzung »bezüglich der Entwicklung nach 1960 auch für den deutschsprachigen Raum für zutreffend.«

Neben der Kognitionspsychologie, die Wissen und Denken, Sprache und Textverarbeitung, Motivation und Handlung untersuchte, etablierten sich die Biologische Psychologie (Pinel/Pauli 2007) und die Neuropsychologie, denn die Kognitionswissenschaft ist mit ihrem Modell vom Menschen als Informationsverarbeiter analog zum Computer wiederum an Grenzen gestoßen (man denke an die Rolle von Emotionen und von genetischen Einflüssen).

Neue technische Geräte und Analyseverfahren bieten in der Hirnforschung bisher unbekannte Zugangsweisen.

Die Forschungs- und Anwendungsbereiche der Psychologie in Deutschland vom Ende des vorletzten Jahrhunderts bis heute lassen sich gut nachvollziehen anhand der Berichte, die die jeweiligen Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Psychologie »Zur Lage der Psychologie« im zweijährigen Turnus anlässlich der Kongresse der Gesellschaft vorlegen. Begonnen hat diese Tradition Carl F. Graumann im Jahre 1970 (Graumann 1973, S. 19 – 37).

Zunächst hat sich die Zahl der Psychologischen Institute deutlich erhöht: von 18 im Jahre 1961 auf 49 im Jahre 2013; die Anzahl der Professoren stieg in diesem Zeitraum von 17 auf 719, die der Studierenden von 2500 auf 44 000.

Bemerkenswert ist die Steigerung des Frauenanteils unter den Studierenden auf 82 % (2010), geschuldet z. T. der NC-Regelung als Zugangsvoraussetzung. Bei Promotionen (68,2 %) und Habilitationen (45,2 %) wird der Effekt wieder nivelliert. (Frensch 2013)

Eine zeitgeschichtliche Besonderheit stellte die Vereinigung Deutschlands dar. In der Psychologie wurde, wie in vielen anderen akademischen Disziplinen, die Forschungs- und Ausbildungsrichtung der Bundesrepublik exportiert. Eigenständige Traditionen der DDR, auf die hier nicht eingegangen werden kann, (Bredenkamp 1993, S. 17f.; Sprung/Sprung 1999, S. 135; Ettrich 2005) wurden abgelöst.

2.2. Was ist eigentlich Psychologie?

2.2.1. Eine Annäherung

Spätestens nach der geschichtlichen Beschreibung der Psychologie wird bei manchem Leser oder mancher Leserin eine Frage (wieder) auftauchen, die bisher zurückgestellt wurde: »Was ist Psychologie eigentlich für eine Wissenschaft?« Leider ist die Antwort nicht so selbstverständlich wie die Frage.

Eine mögliche Antwort könnte aus dem geschichtlichen Rückblick gewonnen werden. Dieser zeigt jedoch, dass der Gegenstand der Psychologie zu keiner Zeit einheitlich war. Das, was Psychologie als Wissenschaft ist, war stets von den vorherrschenden Menschenbildern abhängig. Diese verändern sich im Laufe der gesellschaftlich-geschichtlichen Entwicklung. Die Antwort müsste lauten: Psychologie selbst ist veränderlich und lässt sich nicht festlegen.

Man könnte eine Antwort aber auch durch das Studium anerkannter Lehrbücher für Psychologen (z. B. Schönpflug 2006, Gerrig/Zimbardo 2008) finden. Schließlich müssen Psychologen selbst doch wissen, was Psychologie ist oder sein soll. Psychologie ist dann einfach das, was in anerkannten Lehrbüchern steht.

Für jemanden, der gerade beginnt, sich in ein neues Wissensgebiet einzuarbeiten, klingen diese beiden Antworten wohl nicht sehr ermutigend. Vollends zynisch muss es dem Laien vorkommen, wenn ihm mit Hinweis auf sein »falsches« Verständnis von Wissenschaft die Antwort einfach verweigert wird (z. B. Groeben/Westmeyer 1981, S. 13).

Allgemeine Definition

Im Sinne einer Annäherung ist eine vorläufige, allgemeine Charakterisierung sinnvoll, um einen Einstieg in eine genauere Beschäftigung mit dem Wissenschaftsgebiet Psychologie zu erleichtern:

Psychologie versteht sich als Wissenschaft, die alle Phänomene des Erlebens und Handelns von Menschen zu beschreiben, zu erklären, zu verstehen und zu beeinflussen sucht.

Psychologie versteht sich primär als empirische Wissenschaft, d. h. als eine Wissenschaft, die ihre Erkenntnisse auf der Grundlage systematisch gewonnener Erfahrungen formuliert.

Dies ist eine sehr allgemeine Charakterisierung. Diese Zielsetzung kann je nach dem speziellen Wissenschaftsverständnis und Tätigkeitsbereich unterschiedlich akzentuiert sein. So kann der Schwerpunkt psychologischer Tätigkeit auf

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