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2 Malerin mit Mut und Talent: Elisabeth Poppe-Lüderitz

Am Anfang waren wir lediglich auf der Suche nach Informationen über den Berliner Arzt Dr. Carl Ferdinand Lüderitz. Aber bei einer solchen Recherche sind natürlich auch die engsten Familienangehörigen von biografischer Bedeutung, insbesondere wenn es sich dabei um einen kaiserlichen Oberbuchhalter der Reichsbank (Albert Lüderitz), einen Diplomaten im Dienst des Deutschen Reiches in Casablanca (Hermann Lüderitz) und eine aufstrebende junge Künstlerin (Elisabeth Lüderitz) handelte.

Während die beiden späteren Akademiker Carl und Hermann noch relativ leicht zu finden waren, gestaltete sich die Suche nach Elisabeth wesentlich schwieriger. Es gab zwar in Berlin bereits seit 1824 eine Mädchenschule, genannt „Höhere Töchterschule“. Daraus wurde die Königliche Elisabethschule, nachdem 1828 Königin Elisabeth, die Ehefrau des preußischen Königs Friedrich Wilhelm, das Protektorat übernommen hatte. Bereits viele Jahre vorher, seit 1747, fand Mädchenbildung in gemischten Klassen statt. Diese kam vor allem der ärmeren Bevölkerung zugute, die hier ihre Kinder gratis unterrichten lassen konnte.

Der Unterricht der Mädchen sah dabei „neben den Elementarfächern Christentum, Lesen, Schreiben, Rechnen ... allerhand weibliche Arbeiten wie Nähen, Stricken, Plätten, Blumen- und Wachsfrüchte machen, u.s.w., ferner Zeichnen, die Anfangsgründe des Französischen und sogar Geographie und Historie“ vor (1).

Die Mädchenschule war zusammen mit dem Friedrich-Wilhelms-Realgymnasium und seit 1811 mit dem Friedrich-Wilhelms-Gymnasium in einem Schulhaus in der Friedrichstadt untergebracht (Ecke Friedrichstraße / Kochstraße) und lag nur wenige hundert Meter vom Haus der Lüderitz-Familie entfernt. Sie wies, wie das Gymnasium selbst, einen beeindruckenden Zuwachs an Schülerinnen auf: von etwa 100 vor 1825 bis auf mehr als 500 im Jahr 1850 (2). Dabei blieb es bis zur Jahrhundertwende – zusätzlich zu den etwa 600 Gymnasiasten, 600 Realschülern und 400 Jungen und Mädchen in den Volksschulklassen – insgesamt also bei mehr als 2100 Schülern in insgesamt 42 Klassen (–> folgende Tabelle).


Als Kathinka Dorothea Elisabeth (* 1858 in Berlin) mit sieben Jahren schulreif wurde, schickte man sie wahrscheinlich zunächst in diese Volksschule. Wir können einigermaßen sicher annehmen, dass sie anschließend die Elisabethschule besucht hat. Allerdings konnte sie dort, anders als am Gymnasium, keinen Abschluss (Abitur) machen (Prüfungen waren 1827 an der Mädchenschule abgeschafft worden), dazu war der Unterricht der Mädchen zu sehr auf eine zukünftige Rolle als Hausfrau und Mutter geeicht (2).

Elisabeth mag dort aber ihre Liebe zur Kunst und zum Malen entdeckt haben. Der Weg in die Akademie der Künste wäre ihr sowieso versperrt gewesen, da diese erst nach dem Ersten Weltkrieg und unter politischem Druck auch Frauen aufnahm (ab 1919). Zu Zeiten Elisabeths wurde dies mit zum Teil fadenscheinigen Gründen wie z. B. moralische Bedenken wegen des Unterrichts im Aktzeichnen verwehrt.

Auf dem Weg zur Künstlerin

So wählte Elisabeth, offensichtlich mit Unterstützung ihrer Familie, den Weg, den viele kunstbeflissene Dilettantinnen (= Amateurinnen) ihrer Zeit gingen, und nahm privaten Unterricht. Sie lernte u. a. bei Prof. Carl Gussow (1843 – 1904), dem der akademische Malbetrieb zuwider war und der für einige Jahre eine private Malschule betrieb, bevor er sich 1892 fortschrittlicheren Akademien (München) zuwandte. Auch besuchte sie die Malschule für Frauen, die der Verein der Künstlerinnen und Kunstfreundinnen zu Berlin (VdKKB von 1867) unterhielt.

Zeitweilig studierten in Berlin bis zu 800 „Malweiber“ auf diese Weise Kunst – auch das illegale Aktzeichnen – im Vergleich zu den ca. nur 250 Studienplätzen, die an der Akademie der Künste zur Verfügung standen. Allerdings war dort das Studium subventioniert und kostete nur 120 Mark pro Jahr, während privater Unterricht bis zu 800 Mark pro Jahr und mehr kosten konnte. Carl Gussow war Portrait- und Genremaler, so lernte Elisabeth Lüderitz ebenfalls die Portrait- und Genremalerei.

Und sie muss gut gewesen sein: Nach ihren eigenen Angaben stellte sie seit 1880 regelmäßig Portraits für die jährliche Ausstellung der Königlichen Akademie der Künste (1880 – 1884) und beteiligte sich 1881 mit drei Bildern an der 39. Ausstellung des Kunstvereins Kassel.

Sie war 1891, 1893 und 1894 auf der Großen Berliner Kunstausstellung, 1892 auf der 63. Ausstellung der Akademie und 1893 auf der Weltausstellung in Chicago mit jeweils einem Bild vertreten. Bei der Großen Berliner Kunstausstellung 1895 war sie zum letzten Mal mit einem Portrait präsent. Bei der Internationalen Kunstausstellung Berlin ein Jahr später findet man sie zwar auf der Liste der in Berlin ausgezeichneten Maler, nicht aber als Ausstellerin. Nur eines der Bilder hat den Weg in die Kataloge gefunden, und das war „Mars und Venus“, gezeigt 1893 in Chicago (3).

Bild 2-1: Foto des Gemäldes „Mars und Venus“ von Elisabeth Lüderitz, gemalt vor 1893, gezeigt auf der Weltausstellung Chicago 1893; Quelle (3)

Elisabeth bekam viel Lob und auch Ehrungen:

Ihre besten Bilder waren Portraits, aber auch Darstellungen griechischer Mythologie, wie z.B. Sappho und Euphrosine, wurden gelobt (4).

 „Es ist ihr gelungen, die altgriechische Dichterin (Sappho) ... durch Schönheit und Bedeutung fesselnd darzustellen“ (Neue Bahnen 1896)

 „... ein ernst und tüchtig durchgeführtes Männerbildnis ...“ (Vossische Zeitung 1892)

 „... organisiert von den deutschen Malern der Ausstellung, ist mit Abstand das beste Werk der Cornelia Paczka, geb. Wagner ... Außerdem die wichtigsten Einsendungen der Damen Elisabeth Poppe-Lüderitz, Berta Albin, Paula Monje ...“ (De Groene Amsterdamer 1896)

 „Endlich ist noch hervorzuheben, dass in diesem Jahre auch zwei Damen mit großen Erfolgen in die Reihe der Porträtmaler getreten sind: Frau Elisabeth Poppe-Lüderitz mit dem Porträt einer Dame und ihrem mit Holbeinscher Delikatesse und Wahrheitsliebe durchgeführten Selbstbildnis ...“ (Zeitschrift für bildende Kunst, 1892).

Im Jahre 1891 – noch als Elisabeth Lüderitz – erhielt sie als erst zweite Frau eine ehrenvolle Erwähnung des Senats der Akademie der Künste. 1892 wurde ihr die dieselbe Auszeichnung zuteil, diesmal als Elisabeth Poppe-Lüderitz.

Wie sie sich selbst sah, beschreibt sie in einer Künstler-Enzyklopädie: „Meiner äußerlich stillen Entwicklung im Familienkreise gemäß beschränkte ich mich im Wesentlichen auf Staffeleibilder ... Meine Zugehörigkeit zur französischen Kolonie, meine Kunstreisen nach Paris, Italien und Wien, mein sonstiger Bildungsgang erzogen mich zu einer Lebensanschauung, die auf der Bewunderung der Antike und der Renaissance (Michelangelo, Venedig, Rembrandt) beruht, die weit abliegt von jener Modernität, für die Sophokles, Voltaire, Goethe nicht da sind. ...“ (5).

Elisabeth war bis 1896 Mitglied im Verein Berliner Künstlerinnen, dokumentiert lediglich durch ihre Ausstellungsaktivitäten, da das Archiv des Vereins weitgehend zerstört wurde. Danach verschwand sie vollständig von der Bildfläche. Sie findet sich auch nicht im Katalog der ersten drei Ausstellungen der Berliner Sezession (1898 – 1901), war dort auch nicht Mitglied. Dazu war ihre Kunst zu traditionell. Falls sie weiterhin gemalt hat, so tat sie dies zumindest nicht für die Öffentlichkeit.

Rätselhaftes Verschwinden

Am 8. September 1891 heiratete sie den Rechtsanwalt und (ab 1907) Justizrat Rudolf Poppe (1857 – 1937), war vermutlich dadurch finanziell abgesichert. Gleichzeitig bedeutet dies, dass sie als Person hinter ihrem Mann, dem Haushaltsvorstand, verschwand, da nur dieser im Adressbuch der Stadt Berlin dokumentiert war. Seit 1891 hatte die Familie, so es denn eine war (Kinder sind uns nicht bekannt), verschiedene Adressen in Berlin, die darauf schließen lassen, dass es ihnen – zumindest anfangs – finanziell gut ging.

Es ist nicht auszuschließen, dass die Inflation die Reserven für ihren Lebensabend aufgezehrt hat. 1927 ist Rudolf Poppe im Adressbuch auf derselben Seite sowohl als Pensionär als auch mittels einer Anzeige als praktizierender Anwalt mit neuer Adresse ausgewiesen; da war er bereits 70 Jahre alt. Die letzte Adresse, ab 1928, („3. Hof“) lässt nicht darauf schließen, dass sein Neustart von Erfolg gekrönt war.

Für uns drei Autoren blieb dieses Verschwinden ein Rätsel. Auf der Suche nach ihrem Verbleib haben wir verschiedene Hypothesen getestet und wieder verworfen:

 Das Paar könnte versucht haben, Kinder zu bekommen, Mutter (oder Kind oder beide) könnten dabei gestorben sein. Immerhin lag 1896 die Kindersterblichkeit bis zum Erreichen des fünften Lebensjahres noch bei 20 %, und die Müttersterblichkeit war infolge von Kindbettfieber mit bis zu 1 % so hoch wie heute in vielen Entwicklungsländern. Aber in den Sterberegistern der verschiedenen Berliner Standesämter fand sich kein entsprechender Eintrag.

 Elisabeth könnte auch zur Ausstellung nach Chicago (1893) gereist und in den USA geblieben sein. Aber sie fand sich nicht auf den Passagierlisten der Ozeandampfer jener Jahre. Und da die Familie Lüderitz viele ihrer Familiennachrichten im Friedenauer Anzeigenblatt veröffentlichte (Tod der Mutter 1900, Tod des Konsuls 1909, Pensionierung des Reichsbank-Buchhalters 1918), wurden auch alle Ausgaben dieser Wochenzeitung für die Jahre 1895 bis 1898 durchgeschaut – jedoch vergeblich.

Hoffnung gab für kurze Zeit Folgendes: In einer Internetnotiz fand sich der Hinweis, dass im Juni 2001 das Werk „Bildnis einer jungen Frau in Pelzmütze“ von Elisabeth Poppe-Lüderitz bei einer Versteigerung des Auktionshauses Peretz & Ball in Saarbrücken zum Kauf angeboten worden war. Leider ist das Auktionshaus seit vielen Jahren nicht mehr existent, und der Katalog konnte bislang nicht gefunden werden. Einlieferer und Käufer blieben unbekannt, somit konnte auch die Frage, ob es Nachkommen gibt, die vielleicht noch im Besitz von Bildern sind, nicht beantwortet werden.

Immerhin: Nachdem wir den Tod Rudolf Poppes am 28. Mai 1937 im Sterberegister des Standesamtes des letzten Wohnsitzes (Standesamt Berlin IX - Spandau) bestätigt gefunden hatten und dieser darin als Witwer bezeichnet wurde, war zumindest die rückwärts gerichtete Suche im gleichen Register erfolgreich: Elisabeth Poppe-Lüderitz starb am 17. Februar 1930 in Berlin im Alter von 71 Jahren. Todesursache: Grippe und Entkräftung. Damit hat sie nach Beendigung ihrer offiziellen Maltätigkeit noch 35 Jahre gelebt. Diese Information ersetzt immerhin die Fragezeichen in den biografischen Angaben der Kunstlexika, wie zum Beispiel im „Allgemeinen Künstlerlexikon (AKL)“ (6).

Um die Geschichte weitererzählen zu können, müssen wir noch mal an den Anfang zurückkehren, zu unserer Suche nach Informationen über Dr. Carl Lüderitz. Die Mütter von Carl Lüderitz und Hermann Nothnagel, Lucie und Ottilie Neider, waren Schwestern und Töchter eines Kaufmanns aus Güstebiese, einem kleinen Ort am anderen Ufer der Oder (im heutigen Polen), nur ca. 50 km von Berlin entfernt. Während Carl in Jena Medizin studierte, trafen die Vettern oft beruflich zusammen und waren auch familiär verbunden. Die Geschwister Lüderitz waren oft zu Gast bei den Nothnagels, auch als Hermann Nothnagel seine große Liebe – Marie Teubner (1848 – 1880) – gefunden und geheiratet hatte. Nach der Geburt ihres vierten Kindes starb Marie am 23. Juli 1880 im Wochenbett. Als Hermann Nothnagel 1882 in tiefer Trauer Jena verließ, um eine Professur in Wien anzunehmen, kehrte Carl Lüderitz zurück nach Berlin.

Als Nothnagel 1905 überraschend starb, beauftragte die Wiener Medizinische Fakultät den amtierenden Direktor des Instituts für Medizingeschichte, Prof. Max Neuburger (1868 – 1955), mit einer Nothnagel-Biografie (7). Diese wurde nicht zuletzt wegen des Ersten Weltkriegs erst 1922 veröffentlicht. Neuburger verwertete darin einen Teil der privaten Korrespondenz von Hermann Nothnagel; viele dieser Briefe sind zumindest teilweise im Buch abgedruckt. Mit Datum vom 21. September 1880 finden sich in einem Brief Nothnagels an seinen Kollegen und besten Freund Vincenz Czerny (1842 – 1916) in Heidelberg die folgenden Sätze: „Ich sitze täglich 4, 5 Stunden und arbeite in der Klinik; zu Hause sehe ich meiner Cousine zu, welche mir zur Zerstreuung das lebensgroße Ölbild meiner Kinder malt, als Gegenstück zu Marie. So gehen wenigstens die Stunden hin ...“.

So lag die Vermutung nahe, dass es sich dabei um das „Bildnis der Kinder des Dr. L.“ handeln könnte, das Elisabeth 1893 auf der Großen Berliner Kunstausstellung gezeigt hatte und durch seinen irreführenden Titel die Kinder ungenannt beließ. Diese neue Spur veranlasste uns, die Noth­nagel-Nachfahren zu suchen.

Die Suche war erfolgreich, so dass wir bei den Nachfahren in der dritten Generation – der Familie Strasburger – anfragen konnten, ob im Nothnagel-Nachlass zum einen Informationen über den Verbleib dieses Bildes, zum anderen Informationen über Carl Lüderitz enthalten seien. Immerhin waren wir noch auf der Suche nach einem Foto von Carl.

Und wir hatten Glück: In der Chronik der Familie Strasburger fand sich ein Foto des Bildes, das die vier Kinder von Hermann und Marie Nothnagel in Lebensgröße zeigt. Dabei handelt es sich um eine eindrucksvolle Komposition mit bemerkenswertem Detailreichtum, so dass man fast auf ein hochaufgelöstes Foto zu blicken glaubt.

Bild 2-2: Die Kinder von Prof. Nothnagel, gemalt 1880 von Elisabeth Lüderitz. Foto aus der Familienchronik der Familie Leyde-Strasburger, freundlichst zur Verfügung gestellt von Hans Strasburger, München

Der Verbleib des Bildes, das wegen seiner schieren Größe schließlich auf den Dachboden verbannt wurde, ist ungewiss. Und noch eine Überraschung bereitete uns die Familie Strasburger: Sie schickte uns das Farbfoto eines Portraits der Uroma Marie, das noch im Original vorhanden und auf dessen Rückseite die Signatur „Elisabeth Lüderitz 1879“ vermerkt ist. Dabei handelt es sich um das von Hermann als „Gegenstück“ bezeichnete Bild, das ein Jahr vor Maries Tod entstanden ist. Ein Foto von 1915 zeigt die ursprüngliche, lebensgroße Darstellung der Marie Nothnagel geb. Teubner als Gemälde im Haushalt der Strasburgers.

Bild 2-3: Portrait der Marie Nothnagel geb. Teubner (1848 – 1880), gemalt von Elisabeth Lüderitz 1879. Unten eingeklinkt ist der auf der Rückseite des Bildes befestigte Abschnitt mit der Signatur. Freundlichst zur Verfügung gestellt von Hans Strasburger, München

Für die drei Autoren dieser Geschichte wäre dies zumindest ein angemessener Abschluss gewesen, selbst wenn die Frage nach dem Grund der Mal-Abstinenz offengeblieben wäre. Aber wir wurden noch einmal überrascht. Auch dazu kehren wir wieder an den Ausgangspunkt der Geschichte, der Recherche über Carl Lüderitz, zurück.

Bild 2-4: Fotografie von Marie-Edith Strasburger, Tochter von Hermann Nothnagel (das jüngste Kind auf Bild Nr. 2-2) mit ihren drei Söhnen und einer Tochter in Frankfurt 1915. Das Gemälde an der Wand ist ein Portrait von Marie Nothnagel geb. Teubner, aus dem das Bild 2-3 ausgeschnitten wurde. Freundlichst zur Verfügung gestellt von Hans Strasburger, München
Bilderfunde und des Rätsels Lösung

Carl Lüderitz hatte sich 1906 in Waldsieversdorf im Märkischen Oderkreis zur Ruhe gesetzt, wo er 1930 starb. Das Haus, das er dort gekauft und bewohnt hatte, erbte nach seinem Tod seine Haushälterin Ida Kreutzfeld. Nach deren Tod ging das Haus 1970 an eine Marie Lüderitz geb. Beymel, die mit einem Neffen von Carl Lüderitz, Georg Lüderitz, jüngster Sohn seines älteren Bruders Albert, verheiratet gewesen war.

Bild 2-5: Unsigniertes Gemälde, wahrscheinlich von Elisabeth Lüderitz, das die Malerin beim Schachspiel mit Bruder Carl zeigt
Bild 2-6: Selbstportrait der Elisabeth Lüderitz mit Weißfleckenkrankheit (Vitiligo), undatiert, gezeigt auf der Großen Berliner Kunstausstellung 1892

Georg war 1955 verstorben, so dass seine Frau das Erbe übernahm. Sie starb 1977 und vererbte Haus und Grundstück an eine Renate Ehrlich. Diese verkaufte es 1993 weiter, wie aus den Unterlagen des Katasteramtes Strausberg entnommen werden konnte. Familie Beymel wohnte seit 1905 am Friedrich-Wilhelm-Platz 7 in Berlin-Friedenau.

Am Samstag, den 19. Januar 2019 fuhr Paul, der Berliner unter uns, gegen Mittag am Friedrich-Wilhelm-Platz vorbei, um Fotos vom Haus Nr. 7 zu machen. In einer E-Mail an die anderen Autoren am gleichen Abend schildert er das so:

„Ich habe das Haus fotografiert, das Zigarrengeschäft der Beymels ist jetzt Gemeindecafé der Kirche direkt gegenüber ... Ich will schon wieder wegfahren, da spricht mich eine junge Frau an und fragt (freundlich), warum ich fotografiert habe (sie hatte auch gesehen, dass ich das Klingelbrett fotografiert hatte), und als ich ihr erkläre, dass hier vor mehr als 50 Jahren eine Familie Beymel gewohnt habe, die mit den Lüderitz verwandt seien, sagt die alte Dame neben ihr (die ich bis dahin kaum bemerkt hatte): ,Das bin ich‘. Eine etwa 80 Jahre alte, sehr gepflegt aussehende Dame, die sich als Renate Ehrlich, Tochter der Maria Lüderitz vorstellt, und die in dem Haus unter dem Namen Ehrlich/Zander wohnt. Ich war sprachlos.“

Wir haben seitdem Renate Ehrlich mehrfach interviewt und viele bis dahin unbekannte Informationen erhalten. Aber vor allem haben wir Bilder – sowohl Fotos als auch Gemälde – entdeckt: ein Bildnis einer ca. 35-jährigen Frau und das Genrebild einer jungen Frau und eines jungen Mannes beim Schachspiel (–> Bild 2-6; Bild 2-5).

Eines der Bilder ist signiert und datiert (8. Oktober 1892), und es sei, erklärte Renate Ehrlich, ein Selbstbildnis der Malerin: Elisabeth Poppe-Lüderitz. Auffällig sind große weiße Flecken auf der Haut, wobei es sich nicht um Farbeffekte auf dem Ölbild, sondern um die Weißfleckenkrankheit (Vitiligo, Scheckhaut) – eine Pigmentstörung aufgrund einer immunologischen Fehlfunktion – handelt.

Dass diese Krankheit nicht ansteckend ist, wusste man mit Sicherheit noch nicht im Jahre 1880 (8). Es erklärt womöglich den vollständigen Rückzug der Malerin aus der Öffentlichkeit und auch den Kommentar zu ihrem 1892 gezeigten Selbstbildnis auf der 63. Ausstellung der Akademie: „... und ihrem mit Holbeinscher Delikatesse und Wahrheitsliebe durchgeführten Selbstbildnis ...“ (9).

Bild 2-7: Portrait vermutlich von Hermann oder Carl Lüderitz, gemalt von Elisabeth Lüderitz, undatiert
Bild 2-8: Foto von Elisabeth Poppe-Lüderitz, 1909
Neueste Entdeckungen und Erkenntnisse

 Juni 2019 Ein weiterer Dachboden – bei Matthias Lüderitz, einem Urgroßneffen der Malerin – brachte zwei weitere Bilder zutage, darunter das bislang schönste Werk. Es zeigt, signiert und datiert auf 1888, Carls Mutter Lucie mit ihren vier Kindern Albert, Carl, Elisabeth und Hermann (–> Titelbild) beim Familienrat. Das andere Bild ist das Portrait eines jungen Mannes, der sowohl Carl als auch sein jüngerer Bruder Hermann sein könnte. Es ist signiert mit „E. Lüderitz“, daher vor 1891 entstanden (–> Bild 2-7). Die drei Autoren können sich nicht einigen, wen der beiden Brüder das Bild darstellt und schwanken zwischen Wissenschaftlichkeit, Ehrlichkeit und Wunschdenken: „Es müsste Carl sein, dann hätten wir endlich das Bild, das wir seit Langem suchen.“ Ein Argument für Carl: Der Abgebildete trägt eine Uhrkette, und eine Uhr mit Kette hatte Carl in seinem Testament seinem Neffen vermacht; Hermann, geboren 1864, war dafür vielleicht noch zu jung. Aber auch Experten des Bayerischen Landeskriminalamtes konnten beim Vergleich des Familienbildes und des Porträts kein eindeutiges Urteil abgeben.

 Januar 2020 Ein weiterer Besuch bei Renate Ehrlich zaubert ein Foto von 1909 hervor (–> Bild 2-8), das die 51-jährige Elisabeth zeigt, jedoch ohne einen Hinweis auf die Weißfleckenkrankheit. Da digitale Bildbearbeitung zu jener Zeit noch kein Thema war, war hier entweder Retusche oder Kosmetik am Werk. Das Retuschieren war bereits 1855 erfunden worden. Und auf die Frage, ob es vor 100 Jahren schon Kosmetik gegeben habe, ist die Antwort vom Historiker: „Kosmetik hatten die Frauen schon erfunden, als die Männer noch über die Erfindung des Rads nachdachten.“

 August 2020 Auf einer Auktion bei E-Bay im November 2019 werden zwei Portraits angeboten, signiert von Elisabeth Poppe-Lüderitz und datiert auf 1898/1899. Herkunft und Verbleib dieser Bilder sind bislang unbekannt, aber sie zeigen, dass die Künstlerin weiterhin gemalt, aber nicht mehr öffentlich ausgestellt hat.

1 439,60 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
26 мая 2021
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440 стр. 85 иллюстраций
ISBN:
9783873222984
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