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Es ist 17.45 Uhr. Noch eine Viertelstunde bis Magnus endlich nach Hause darf. Er kauert über einem Stapel Indogermanisch-Bücher. Eine Seite Übersetzung hat er hinbekommen, jetzt schwirren die Silben in seinem Kopf wild umher wie die Buchstaben in einer Buchstabensuppe.

Magnus wirft einen Blick zur Seite.

Sheris Finger fliegen über die Seiten. Sie hat fünf Bücher gleichzeitig geöffnet. Mit ihrer freien Hand schreibt sie. Magnus bildet sich ein, zu sehen, wie Rauch über dem Stift aufsteigt.

„Und trotzdem bekommt sie vor jedem Test eine Panikattacke“, denkt er. „Sie ist die Jahrgangsbeste und glaubt trotzdem jedes Mal, eine Sechs zu schreiben. Ich wäre gerne so klug wie sie.“

Gino hat sich Tommaso auf das Gesicht gesetzt. Das ist der Name seines Chamäleons. Während das Reptil Gino sanft die Wangen wärmt und mit seinen Verwandlungskünsten dafür sorgt, dass Magnus‘ schnarchender Freund nicht auffliegt, fischt es gelangweilt Staubflusen aus der Luft.

„Herr Revo, ich weigere mich auch nur noch eine von Herr Samsons Aufgaben zu erledigen! Seine Strafe war total überzogen. Glauben Sie mir, wenn mein Papa davon erfährt, wird er sich sofort bei Herrn Feynmann beschweren. Eigentlich sollte ich gar nicht hier sein. Das ist alles seine Schuld!“

Cosima deutet mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf Magnus. Magnus zeigt ihr die Zunge. Herr Revos Augen und Nase schweben einen Moment über seiner Zeitung. Sein Blick springt von Magnus zu Cosima. Danach verschwinden die Augen des Werk-Lehrers wieder hinter der Wand aus Recyclingpapier.

„Ja gut, Sie wollten es ja so!“, schnaubt Cosima und schmollt. Sie ist den Tränen nahe. Ihr raucht genauso die Rübe wie Magnus. Sie legt ihre Astrochemie-Aufgaben zur Seite und widmet sich ihrem Skizzenblock. Sie malt irgendetwas mit Aquarellstiften hinein.

Magnus guckt auf die Uhr. 17.47 Uhr.

Waaaaaas? Das kann nicht sein!

Er überlegt, wie sich Zeit totschlagen lässt und gelangt zum Schluss, dass er es seinem Freund gleichtun sollte.

Hokus Visus!“, flüstert Magnus und berührt dazu den Zauberstab in seiner Hosentasche. Eine Brille erscheint auf Magnus‘ Nase, die ihn aussehen lässt, als hätte er die Augen offen. An Tommasos Raffinesse kommt die Brille nicht heran.

Kurze Zeit später schläft Magnus ein.

Im Traum sieht er einen schwarzen Edelstein. Ein geschliffenes Juwel in der Form eines Brillanten. Es schillert in tausend Farben. Der Edelstein ist der Stern des Osiris und er ist zum Greifen nahe. Zahlreiche dunkle und enge Gänge liegen hinter Magnus. Er ist im Herzen eines altägyptischen Tempels. Den Stein will Magnus Opal zum Geschenk machen. Er will sie mit seinen schillernden Farben beeindrucken.

Der Edelstein steckt in einem Steinrelief. Magnus stolpert auf den Stein zu. Er hat heißen Wüstensand in den Schuhen, aber auch in Mund und Nase. Er streckt seine Hand aus und berührt den Stern des Osiris. Als Magnus‘ Finger den Stein streifen, sendet das Juwel purpurviolettes Licht aus. Schwarzer Nebel dringt aus dem Stein, umströmt Magnus und verschluckt ihn.

Magnus schnappt keuchend nach Luft. Köpfe schnellen in seine Richtung.

„Entschuldigung!“, sagt er. „Mir ist nur eingefallen, dass ich heute noch für einen Test lernen muss.“

Tatsächlich hat Magnus davon geträumt, wie sein Vater den Stern des Osiris geborgen hat.

Sheri seufzt, Cosima schaut panisch drein („Welcher Test?“, steht ihr ins Gesicht geschrieben), Gino schnarcht ungestört weiter. Herr Revos Kopf erscheint erneut über seiner Zeitung und verschwindet genauso schnell wieder.

„Es ist nur ein Traum gewesen!“, beruhigt sich Magnus.

Er sieht auf die Uhr. Es ist 17.49 Uhr.

„Argh! Das kann nicht waaaahr sein!“, schreit er innerlich auf.

„Hey, du, pscht!“

Die Stimme kommt aus der letzten Reihe.

„Bist du wegen Samson hier?“, fragt Kozak. Er hat von Magnus‘ neustem Streich offenbar noch nichts gehört. Kein Wunder. Kozak ist der Kopf hinter unzähligen Verschwörungstheorien. In der Freizeit strickt er sich Mützen aus Stahlwolle, um sich vor Gedankenkontrolle durch Radiowellen zu schützen. Er hält Handys für die Erfindung einer geheimen Regierung, die die Gehirne ihrer Bürger kontrollieren will. Kozak und seine Eltern besitzen keinen Fernseher, kein Radio, nicht einmal einen Elektroherd. Zu groß ist seine Angst vor Einflussnahme durch geheimnisvolle Kräfte. Zu seinen Mitschülern hält Kozak Abstand. Oder sie zu ihm. Den neuen Schülern macht er auch schon mal Angst. Kozak sieht mit seinem kreidebleichen Gesicht und den schwarzen Augenringen aus wie ein Panda.

„Nein, Frau Demir-Magislav hat mich zum Nachsitzen verdonnert“, antwortet Magnus und fügt nach einer kurzen Pause an: „Lange Geschichte.“

„Achso…“, sagt Kozak und ergänzt nach einer Unterbrechung seinerseits: „Hast du schon gehört, dass Herr Samson der Anführer einer geheimen Sekte namens »Purpura Effodiant Corvi« – oder kurz PEC – sein soll?“

Purpur Fondant Korfu?“

„»Purpura Effodiant Corvi« oder zu deutsch: »die purpurnen Raben«.“

„Habe ich noch nie gehört, sorry“, antwortet Magnus. „Über Herrn Samson gibt es die wildesten Gerüchte. Keiner weiß, weshalb er diese Maske trägt.“

Kozak seufzt.

„Oh, doch, ich!“, widerspricht Kozak. „Weil er den purpurnen Raben angehört. Das ist die Wahrheit. Und überhaupt: Es ist seltsam, dass ausgerechnet du nicht über PEC Bescheid weißt.“

„Wieso?“, fragt Magnus. Es gibt angenehmere Dinge, als sich mit Kozak zu unterhalten. Auf der anderen Seite warten Dutzende Seiten Indogermanisch darauf, vom jungen Zauberer übersetzt zu werden.

„Na, weil sie eine Vereinigung krimineller Magier sind, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die stärksten magischen Artefakte der Welt zu sammeln!“

Jetzt ist Magnus ganz Ohr.

„Das Buch von Babel haben sie sich bereits unter den Nagel gerissen, genauso wie der Stab von Avalon. Was ihnen noch fehlt, ist der Stern des Osiris. Dein Vater hatte ihn doch, als er verschwunden ist, oder?“

„Ja, er hat ihn mitgenommen…“, bleibt Magnus absichtlich vage.

„Nein, nein, nein, das ist alles Schwachsinn!“, denkt Magnus.

„Ist dir schon aufgefallen, dass seit neuestem die seltsamsten Dinge verschwinden?“, setzt Kozak nach. „Paul Pechs Chemiekasten mit allen 118 Elementen. Tim de Baals Glücks-Schweißband und Astras dreihundertjährige Bratsche, die angeblich Theobald Süßgrund höchstpersönlich gehört haben soll – dem talentiertesten Komponisten des 17. Jahrhunderts.“ Kozak deutet, um seine Behauptung zu bekräftigen, auf Cosima, Astras Schwester. „Das stinkt doch zum Himmel. Ich bin mir sicher, dass PEC ebenfalls hinter diesen Diebstählen steckt. Angeblich soll es hier an der Schule ein ebenso mächtiges Artefakt geben wie das Buch von Babel oder den Stab von Avalon.“

„Woher willst du das wissen?“, fragt Magnus nach.

„Ich habe recherchiert. Über die Geschichte unserer Schule. Das Schlösschen, in dem sie sich befindet, hat eine lange Geschichte. Angefangen hat sie als Reitstall für die Pferde irgendeines Königs, danach ist sie als Gästehaus für Reisende aus aller Welt, dann als Kirche und schließlich als Kuhstall verwendet worden. Ein berühmter Arzt aus dem 18. Jahrhundert hatte hier ein halbes Jahrhundert lang seine Praxis, und im Krieg ist sie ein Krankenhaus für Verletzte gewesen. Bevor das Schlösschen zur Schule für Kinder mit besonderen Begabungen geworden ist, war sie ein geschichtliches Museum. Kann es da nicht sein, dass irgendein Artefakt hier versteckt ist?“

„Das klingt alles sehr… interessant“, antwortet Magnus. „Aber hätte Professor Feynmann nicht schon längst nach dem Artefakt suchen lassen?“

„Was ist, wenn er mit PEC unter einer Decke steckt?“

„PFT!“ Magnus prustet. „Ganz bestimmt nicht. Ich kenne Professor Feynmann schon mein Leben lang. Er ist ein guter Freund meiner Eltern. Er ist sicherlich kein Bösewicht!“

„Wenn du meinst“, sagt Kozak und richtet seinen Oberkörper auf. „Du wirst schon sehen. Hier stinkt irgendwas zum Himmel. Früher oder später wirst du mir glauben!“

Damit steckt Kozak seine Nase tief in sein Astrochemie-Buch. Magnus legt den Kopf auf den Tisch und denkt: „So ein Spinner!“ Dennoch nimmt er sich vor, seine Mutter nach Purpur Fondant Korfu zu befragen. Vielleicht ist an der Sache doch etwas dran.

Dann endlich. Der erlösende Gong.

„So, raus mit euch!“, drängt Herr Revo. Er hat seine Sachen schon eingepackt und sich Mantel und Schal angezogen. Seine Hände stecken in den Hosentaschen.

Gino schreckt hoch. Tommaso hüpft ihm in den Schoß. Damit sieht es so aus, als ob Ginos Wampe Augen hätte. Herr Revo scheint das nicht zu kümmern. Cosima bricht dafür in schallendes Gelächter aus. Das Chamäleon erschrickt dermaßen, dass es Cosima ins Gesicht springt, die daraufhin kreischend aus dem Zimmer rennt. Gino schultert sich seinen waschmaschinengroßen Rucksack um und läuft (noch bedröppelt) Tommaso hinterher.

„Hey, Tommaso, stehen bleiben!“, hört man Gino aus dem Gang rufen.

Kozak schlendert an Sheri und Magnus vorbei, ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Beim Hinausgehen wirft er Magnus einen letzten verschwörerischen Blick zu.

„Indogermanisch ist ziemlich einfach gewesen, findest du nicht auch?“, fragt Sheri.

„Ich hab‘ nicht mal eine Seite geschafft“, schnaubt Magnus. „Das gibt am Montag Stress mit Frau Demir-Magislav!“

„Du kannst abschreiben, wenn du willst.“

Um die Perfektion von Sheris Übersetzung und seinen eigenen Fähigkeiten wissend, lehnt Magnus dankend ab. Der Schwindel würde sofort auffliegen.

„Ich setz mich am Wochenende mit Mama hin…“

„Was wollte Kozak denn von dir?“, fragt Sheri.

„Er hat mir Gruselgeschichten über die Schule und Herr Samson erzählt…“

„Glaubst du, da ist irgendwas dran?“

„Ich weiß es nicht…“, meint Magnus und bemerkt dann, dass sein Zauberstab aus der Hosentasche verschwunden ist.

5

Magnus und seine Mutter Opal sitzen gemeinsam am Esszimmer-Tisch. Opal hat vor sich eine Tasse Granatapfel-Tee stehen, in den sie mit einer Zange ein violettes Stück Kandis-Zucker gibt. Den Salbeizucker hat sie auf einem Markt in einem kleinen Städtchen in der Türkei gekauft. Wie so viele Dinge, die Opal besitzt, hat sie ihn vor allem seiner Farbe wegen erstanden.

Magnus trinkt Kakao und schmollt. Trotz einer intensiven Suche, bei der er den halben Werkraum auf den Kopf gestellt und zu der er sogar Herr Revo überredet hat mitzuhelfen, ist sein Zauberstab nicht wiederaufgetaucht. Aber nicht nur das. Neben Magnus‘ Stab ist Sheris neuste Erfindung verschwunden: Der Prototyp eines Materiegenerators, der mithilfe von Magnus‘ Magie die Grenze zwischen Zauberei und Technik hätte sprengen können.

„Was ist heute nur mit dir losgewesen?“, fragt Opal ihren Sohn.

„Frau Demir-Magislav ist gemein zu mir gewesen“, antwortet Magnus und kann dabei seiner Mutter nicht in die Augen sehen.

„Du musst endlich aufhören, die Fehler immer bei anderen zu suchen, Magnus. Du bist für dein eigenes Handeln verantwortlich. Roland scherzt nicht. Sollte sich dein Verhalten nicht bessern, wird er dich von der Schule werfen!“

„Ich weiß“, gibt Magnus kleinlaut zu.

„Und das, obwohl du sehr genau weißt, dass wir uns nur wegen deines Stipendiums den Schulbesuch überhaupt leisten können. Was würde Papa sagen, wenn er davon erfährt?“

„Papa ist nicht da!“, antwortet Magnus.

„Nein, das ist er nicht…“

„Was weißt du über Purpur Fondant Korfu?“

„NEIN, NEIN, NEIN, DAS IST SO NICHT richtig!“, denkt Magnus.

„Ich meine Purpura Effodiant Corvi.“

Opal stutzt.

„Du fragst nach den purpurnen Raben?“

Magnus ist baff.

„Woher weißt du von ihnen?“, fragt seine Mutter.

„Ein Mitschüler hat gemeint, sie könnten etwas mit Papas Verschwinden zu tun haben.“

„Das bezweifle ich…“, antwortet Opal. „PEC ist eine Organisation von Möchtegern-Zauberern. Melefer hat das ein oder andere Mal ihren Weg gekreuzt. Er hat sie aber niemals als wirkliche Bedrohung angesehen. Er ist schon gegen ganz andere Kaliber von Magiern angetreten.“ Opal stupst ihrem Sohn auf die Nase. „Gegen die Fähigkeiten deines Vaters kommt niemand an!“

„Und jetzt habe ich seinen Zauberstab verloren…“, wirft Magnus ein.

„Der taucht schon wieder auf“, sagt Opal und nippt an ihrem Salbeitee. „Als Papa ihn dir geschenkt hat, hat er dafür gesorgt, dass er immer den Weg zurück in deine Hände findet, selbst wenn er verloren geht.“

„Das sagst du so leicht!“

„Ich vertraue den Versprechen deines Vaters.“

„Kommt er irgendwann zurück?“

„Spürst du es denn nicht?“, fragt Opal.

„Was denn?“

„Dass dein Vater auf dich Acht gibt. Ich spüre, dass er an uns denkt.“

Nach einer Weile sagt Magnus: „Ja, kann sein.“

„Mach dir wegen dem Stab keinen Kopf. Du solltest dich jetzt lieber vor deine Indogermanisch-Hausaufgaben klemmen. Nicht, dass Frau Demir-Magislav am Montag schon wieder die Geduld mit dir verliert.“

Magnus seufzt. Seine Mutter hat einen Turm Indogermanisch-Bücher neben sich aufgebaut. „Und morgen kaufst du Frau Demir-Magislav die teuerste Tafel Schokolade, die du finden kannst. Natürlich von deinem Taschengeld!“

„Das ist unfair!“, protestiert Magnus. „Ich muss wegen ihr schon die ganze Woche nachsitzen!“

„Für seine Fehler muss man geradestehen“, meint Opal, trinkt ihren Tee aus, küsst ihren Sohn auf die Stirn und überlässt ihn seinen Hausaufgaben.

6

Frau Demir-Magislav fällt Magnus um den Hals. Die Orangen-Schokolade mit Krokantsplittern, die er für knapp 15€ im »Fais de Beaux Rêves« gekauft hat, ist zufällig ihre Lieblingssorte.

„Noch nie hat mir ein Schüler Schokolade geschenkt!“, jauchzt sie.

Frau Demir-Magislav gibt Magnus einen dicken Schmatzer auf die Wange. Er bemüht sich, den blauen Lippenstift sofort mit dem Daumen abzureiben, hat damit aber seine Schwierigkeiten. Da seine Wange nun knallrot ist, sieht niemand, wie heiß in Wirklichkeit seine Ohren sind.

„Gern geschehen“, sagt er. „Und entschuldigen Sie bitte nochmal den Vorfall letzte Woche. Ich wollte Ihnen nicht den Rock wegzaubern.“

„Ach, das ist vergeben und vergessen!“, sagt Frau Demir-Magislav und legt die Tafel Schokolade auf ihr Pult. Sie schiebt die Tafel so lange mit dem Zeigefinger umher, bis die Kanten der Tafel parallel zu denen des Tisches ausgerichtet sind.

„Hier sind noch die Sachen, die ich nachgearbeitet habe“, sagt Magnus und türmt einen Stapel Hefte und Bücher auf Frau Demir-Magislavs Pult auf. Am Schluss ist Magnus hinter dem Turm nicht mehr zu erahnen.

„Wie ich sehe, ist es dir ernst.“

Dass er nur die Hälfte der angeforderten Aufgaben erledigt hat, verschweigt Magnus seiner Indogermanisch-Lehrerin. Sie wird es schon merken und dann hat sie die Schokolade, um ihr Gemüt zu besänftigen.

„Ist dein Zauberstab noch aufgetaucht?“, will Sheri wissen.

„Nein, und dein Prototyp?“

„Nein, auch nicht. Ich bin noch nicht dazu gekommen, einen GPS-Sender einzubauen.“

„Hey, vermisst ihr auch etwas?“, mischt sich Gino ein. Er sitzt in der Reihe vor den beiden. Um Frau Demir-Magislavs Zorn nicht auf sich zu ziehen, dreht er nur leicht den Kopf nach hinten.

„Meine Trillerpfeife ist seit Freitag weg“, murmelt Gino. „Seither gehorcht mir keines meiner Tiere mehr. Weil ich das Futter vergessen haben, hätte mich Davino in der Vorstellung am Samstag fast aufgefressen.“

Davino ist der weiße Löwe, den Ginos Vater Mercurio in Afrika vor Wilderern gerettet hat. Ginos Familie betreibt einen weltbekannten Zirkus. An den Wochenenden tritt Gino in den Shows auf.

Magnus fällt das Gespräch mit Kozak wieder ein. Er berichtet seinen Freunden, was ihn der Verschwörungstheoretiker beim Nachsitzen über die verschwundenen Gegenstände von Tim de Baal, Paul Pech und Astra Wendigo erzählt hat.

„Hm, das scheinen mir ein paar Zufälle zu viel zu sein“, meint Sheri. „Sollen wir der Sache auf den Grund gehen?“

„Bin dafür“, stimmt Magnus zu. Ein wenig missmutig fügt er hinzu: „Das verspricht, spannend zu werden.“

In der Mittagspause flehen die drei Herr Revo an, dass er ihnen den Werkraum aufsperrt.

„Bitte, wir haben am Freitag etwas sehr Wichtiges darin vergessen“, jammern Magnus und Gino unisono.

„Ach, habt ihr das?“, fragt Herr Revo. Eine dicke Augenbraue verschwindet in seinen schwarzengrauen Locken. „Nach der ganzen Suchaktion?“

„Ja, bitte, Herr Revo! Sperren Sie uns bitte auf!“

Sheris Rehaugen zeigen Wirkung.

„Hier, aber ihr bringt mir den Schlüssel vor halb 2 zurück!“ Es ist 13.15 Uhr.

Herr Revo händigt Sheri etwas aus, das man kaum als Schlüsselbund bezeichnen kann. An Ende einer dünnen Eisenkette hängen dermaßen viele Anhänger und Schlüssel, dass man den Schlüsselbund für einen Magneten halten könnte, der in einen Behälter voller Metallschrott gefallen ist.

„Vielen Dank, Herr Revo!“, bedankt sich Sheri und schenkt ihm ein zuckersüßes Lächeln.

„Ja, danke!“, sagen Magnus und Gino.

Damit schließt Herr Revo die Tür zum Lehrerzimmer.

Im Werkraum ist von den verlorenen Gegenständen keine Spur. Magnus kriecht auf dem Boden. Gino lässt eine seiner zahmen Taranteln nach den Sachen suchen. Sheri scannt das Zimmer mit einem Gerät, das wie eine Mischung aus Radar und einem Besen aussieht.

Um 13.27 Uhr lautet das abschließende Urteil: „Hier ist nichts!“ Die Enttäuschung wiegt schwer.

Magnus will aufstehen und sich die dreckigen Hände ausklopfen, da pikst ihn etwas in die Handfläche.

„Aua!“, schreit er und zieht sich den Spreißel aus der Haut. Nur, dass es kein Spreißel ist.

„Hey, seht euch das an!“, ruft Magnus seine Freunde zusammen.

In Magnus‘ Hand liegt ein kleiner Gegenstand in der Form eines Gitarren-Spielblättchens. Er ist durchsichtig und wenn man ihn gegen das Licht hält, schimmert er in Regenbogenfarben. Das Ding ist außerdem ziemlich hart.

„Gib‘ mal her!“, sagt Gino und schnappt sich Magnus‘ Fund.

„Hm, das ist eine Schuppe“, sagt er, nimmt sie in den Mund und beißt zu. „Könnte eine Fisch- oder eine Reptilschuppe sein, vielleicht sogar von einem Armadillo.“

„Ist das ein Hinweis?“, fragt Magnus.

„Dazu bedarf es einer genaueren Analyse“, antwortet Sheri, nimmt Gino die Schuppe ab und wischt sie an ihrem Pullover ab. Danach steckt sie sie in einem kleinen Glaszylinder, den sie aus ihrer Tasche holt. „Eine Untersuchung der molekularen Zusammensetzung wird uns mehr sagen.“

„Und jetzt?“, fragt Magnus.

„Wir sollten uns umhören“, meint Sheri. „Wenn Kozak Recht hat, haben möglicherweise Tim, Paul oder Astra einen Tipp für uns.“

Tim de Baal knöpfen sich die Freunde als Ersten vor. Nachdem sie Herrn Revos Schlüssel zurückgebracht haben, machen sich die Drei auf den Weg zur Sporthalle.

Tim de Baal ist beim Aufwärmen. Er ist vom engen Kreis seiner Sportlerfreunde umgeben. Magnus muss sich räuspern, um Tims Aufmerksamkeit zu erregen.

„Hey, Tim! Kommst du mal bitte rüber?“

„Was ist, Hosentaschen-Zauberer?“, raunzt Tim de Baal, dann erinnert er sich an den Vorfall vom Freitag und grinst.

„Man erzählt sich, dass dir dein Glücks-Schweißband abhandengekommen ist! Stimmt das?“, will Magnus wissen.

„Mensch, Klappe zu, Houdini!“, zischt Tim de Baal und schirmt Magnus mit den Armen von den übrigen Sportlern ab. „Wer hat dir das erzählt?“

Magnus ist davon überzeugt, dass es besser ist, seine Quelle fürs Erste geheim zu halten.

„Ja, es stimmt“, gibt Tim de Baal nach einer Weile zu. „Und wehe einer meiner Teamkameraden bekommt Wind davon! Wir haben die letzten drei Spiele gegen mittelklassige Clubs verloren. Wenn jetzt noch herauskommt, dass das Glücks-Schweißband des Starspielers fehlt, ist die Moral im Eimer!“ Tim stupst Magnus auf die Hühnerbrust. „Weißt du etwa, wo es abgeblieben ist?“

„Nein“, antwortet Magnus. „Aber wir gehen der Sache nach. Uns ist auch etwas gestohlen worden.“

„Du glaubst, mein Glücksi wurde gestohlen?“ Tim de Baal macht große Augen.

„Ja, genau wie ein ganzer Haufen anderer Dinge“, ergänzt Gino.

„Also, erzähl uns, wo du dein Glücksi das letzte Mal gesehen hast“, fordert Sheri Tim auf.

„Das war nach dem Duschen am Mittwoch. Ich bin mir sicher, dass ich Glücksi in meinen Spind gelegt habe. Aber nach dem Training war es dort nicht mehr.“

„Ist dir irgendetwas Merkwürdiges aufgefallen?“, fragt Magnus.

„Ehrlich gesagt war bei dem ganzen Dampf nicht viel zu erkennen. Aber jetzt, wo du fragst: Ich habe da im Nebel kurz etwas blitzen sehen. Ungefähr auf Kniehöhe. Knallrot. Könnte aber auch die Akkuanzeige eines Fitnessbandes in der Tasche von jemandem gewesen sein.“

„Sonst ist dir nichts aufgefallen?“, fragt Magnus.

„Nichts außergewöhnliches“, antwortet Tim de Baal. „Aber ich muss jetzt weiter. Ohne mein Glücksi muss ich extra hart trainieren. Morgen ist das nächste Spiel, und wenn wir das auch verlieren, dann macht uns Herr Kwotabeck die Hölle heiß!“ Bevor Tim de Baal zu seinen Kumpanen zurückkehrt, flüstert er Magnus ins Ohr: „Wenn ihr Glücksi findet, gebt mir Bescheid. Aber behandelt die Sache bitte diskret. Du hast dann was gut bei mir, Hoschentaschen-Zauberer!“

„Danke“, sagt Magnus. „Das ist… gut zu wissen.“

Paul Pech erzählt den drei Schnüfflern, dass er dabei war, ein Experiment in Super-Quantenphysik vorzubereiten, als er bemerkt hat, dass sein Chemiekasten mit allen 118 Elementen verschwunden ist.

„Ich habe der Klasse gerade den Hawking-Koeffizenten im Zusammenhang mit der Halbwertszeit ultraleichter Elemente bei der exokinesischen Fusion außerhalb eines astrozerebralen Raumes erklärt und wollte im Anschluss einen Versuch zeigen, der diesen Effekt demonstriert. Als ich mich an den Versuchsaufbau im Rauchabzug machen wollte, musste ich feststellen, dass mein Koffer mit den Elementen plötzlich nicht mehr an seinem angedachten Platz vorzufinden war.“

Paul Pech holt Luft. Er keucht wie ein Marathonläufer. „Natürlich habe ich für das Verschwinden sofort eventuell auftretende Quanteneffekte in Betracht gezogen, musste aber nach fünf Femtosekunden präziser Berechnungen zum Schluss kommen, dass es höchst unwahrscheinlich ist, dass gut 10 Quadrillionen Atome spontan und synchron ihren Quantenzustand wechseln.“

„Verstehe“, sagt Sheri.

„Bitte, was?“, raunzen Magnus und Gino. Die beiden sind während Pauls Vortrag fast eingeschlafen.

„Ich nehme an, du hattest den Versuchsaufbau im Vorfeld deines Experiments bereits vorbereitet?“, fragt Sheri.

„Allerdings!“, antwortet Paul Pech.

„Wieso hat dann niemand bemerkt, dass dein Koffer mit den Elementen abhandengekommen ist?“

„Ich hab‘ da eine These“, meint Magnus und gähnt.

„Was soll das heißen?“, zischt Paul und stupst seine Brille die Nase hoch. Dabei rutscht sie ihm fast aus dem Gesicht.

„Ich hatte bei der Kurzversion schon Probleme, die Augen offen zu halten. Wahrscheinlich hast du deine Mitschüler mit deinem Vortrag eingeschläfert.“

„Also, das ist ja unerhört!“, empört sich Paul. Dann wird er Zeuge davon, wie Gino im Stehen zu schnarchen beginnt. „Ja, gut, vielleicht habe ich ein wenig über die Köpfe der meisten hinweg referiert.“

„Dann haben wir ja schon mal die Erklärung, warum niemand das Verschwinden deines Kastens bemerkt hat“, schlussfolgert Magnus.

„Ist dir denn irgendetwas Verdächtiges aufgefallen?“, fragt Sheri.

„Falls du meinst, ob ich den Dieb gesehen habe? Nein.“

Magnus‘ Gesicht wird lang.

„Aber mir ist durchaus etwas seltsam vorgekommen…“

„Spann uns nicht lange auf die Folter, und sprich!“, fordert Magnus Paul auf.

„Ja, schon gut. Also, es ist folgendes…“ Paul Pech nimmt einen Schluck Wasser aus seiner Flasche. „Zuerst habe ich mir gar keine Gedanken darüber gemacht, wir waren ja schließlich im Chemie-Saal, aber…“

„Was aber? Komm zum Punkt!“, schimpft Magnus.

„Es hat verbrannt gerochen. Im ganzen Chemie-Saal. Und das, obwohl ich mein Experiment noch gar nicht begonnen hatte.“

„Das ist alles?“, fragt Magnus.

„Das ist alles“, bestätigt Paul Pech.

„Dann danke für deine Hilfe!“, sagt Sheri.

„War ich euch denn eine Hilfe?“, fragt Paul.

„Das wird sich zeigen“, antwortet Magnus.

„Gut, gebt mir bitte Bescheid, wenn ihr meinen Chemiekasten gefunden habt! Herr Dedekind hat mir bis nächste Woche Zeit gegeben, um das Referat nachzuholen. Sollte ich bis dahin meinen Koffer nicht zurückhaben, ist meine perfekte Note von 0,9 ernsthaft in Gefahr!“

Paul Pech bückt sich, um seine Tasche aufzuheben. Dabei rutscht ihm die Brille von der Nase, fällt auf den Boden und bricht in der Mitte auseinander.

„Nicht schon wieder!“, jammert Paul. Er schnappt sich die zwei Teile seiner Brille, kramt Klebeband aus seiner Tasche und tastet sich auf dem Weg zum nächsten Kurs an der Wand entlang.

Magnus rempelt Gino mit dem Ellbogen in die Rippen.

„Huh, hab‘ ich was verpasst?“, schreckt der Riese hoch.

„Wir sind immer noch keinen Schritt weiter“, sagt Magnus.

„Wir haben aber auch noch nicht Astra befragt“, meint Sheri.

„Als ob uns einer der Drillinge bei der Sache weiterhelfen könnte“, wirft Magnus ein.

„Astra hat ihre Bratsche verloren. Ich bin mir sicher, dass sie alles tun wird, um sie zurückzubekommen“, antwortet Sheri.

„Wenn du meinst“, sagt Magnus.

„Wisst ihr, eine gute Sache hatten die Diebstähle an unserer Schule aber“, sagt Sheri.

„Und die wäre?“, fragt Gino.

„Hätte Paul Pech sein Experiment wie geplant durchgeführt, dann wäre die gesamte Schule in die Luft geflogen.“

„Ich bin froh, dass meine Bratsche weg ist“, beichtet Astra der erstaunten Gruppe Freunde.

Es sind fünf Minuten bis zum Beginn der letzten Stunde.

„Als ich davon gehört habe, dass Dinge in der Schule auf unerklärliche Weise verschwinden, habe ich meine Bratsche kurz vor dem Nachmittagsunterricht neben eine Bank im Innenhof gestellt. Nach Schulschluss war sie verschwunden.“

„Wieso hast du das gemacht?“, fragt Magnus. Er rauft sich die schwarzen Locken. Er sieht den letzten Hinweis zur Lösung dieses Rätsels wie Sand durch seine Finger rinnen.

„Weil ich meine Bratsche hasse!“, antwortet Astra. „Zuhause hat es deswegen zwar einen Mordsärger gegeben - es ist schließlich eine der Bratschen von Theobald Süßgrund – aber das war es wert.“

Astra friemelt am Saum ihres Pullovers.

„Übrigens möchte ich mich für Cosimas Anfall von letzter Woche entschuldigen. Sie hat sehr unnette Dinge gesagt, die sie nicht so gemeint hat.“

„Ja, das ist schon okay“, sagt Magnus. „Ist dir denn etwas verdächtig vorgekommen, als du nachgeguckt hast, ob deine Bratsche noch da ist?“

„Weißt du, Papa hat wegen der Sache mit Frau Demir-Magislav das Wochenende über im Hotel geschlafen. Das war schon ziemlich schräg. Wie dem auch sei…“ Astra sucht Magnus‘ Blick. „Eigentlich nichts besonderes. Aber an dem Tag hatte es nachmittags geregnet. Es ist keine deutliche Spur gewesen. Ihr könnt sie euch vielleicht noch ansehen, wenn ihr Glück habt. Auf jeden Fall sind auf dem Weg zur Bank und von der Bank weg seltsame Fußabdrücke im Dreck gewesen. Lange schmale Abdrücke wie von Clownsschuhen. Ganz seltsam.“

Magnus‘ Augen leuchten. Es ist bisher die einzige Spur, die die Drei tatsächlich voranbringen könnte.

„Danke!“, sagt Magnus und ist dabei sogar ein wenig überschwänglich. Er nimmt Astra an beiden Händen und schüttelt sie.

Astra läuft rot an. Magnus entgeht das vor lauter Euphorie. Sheri nicht.

„Gern geschehen!“, sagt Astra und fügt an: „Solltet ihr die Bratsche finden, dann tut mir den Gefallen und lasst sie wieder verschwinden, okay? Weil Cosima Bilder malt und Stella Geschichten dazu schreibt, haben meine Eltern gedacht, sie müssten für mich auch ein Hobby suchen, bei dem ich mich kreativ austoben kann. Dabei stricke ich viel lieber.“ Sie holt etwas aus ihrer Tasche. „Hier, die habe ich für euch gemacht!“

Astra überreicht Magnus, Sheri und Gino drei gestrickte Mützen. Eine Pastellgrüne in der Form eines Zylinderhuts für Magnus, eine schwarze für Sheri mit zwei Löchern für ihre Zöpfe und eine, die wie ein orangener Feuerwehrhelm aussieht, für Gino. Die drei Freunde sind überwältigt.

„Du hast echt Talent!“, sagen die Freunde im Chor. Astra kichert.

„Danke, das hört man gern! Vielleicht bringen sie euch Glück bei euren Ermittlungen!“

„Bestimmt!“, sagt Magnus, setzt sich die Mütze auf. Sie passt wie angegossen.

Bevor Magnus seine Strafe bei Silas Gold, dem Hausmeister, antritt und ihm bei der Reparatur des Warmwasserboilers zur Hand geht, machen die drei Freunde einen kurzen Abstecher zum Innenhof der Schule. Sie untersuchen die Bank, von der Astra gesprochen hat, und werden herb enttäuscht.

„Von den Fußabdrücken ist nichts mehr zu sehen, oder?“, fragt Gino. „Ich könnte Maximilio darauf ansetzen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob er noch eine Witterung aufnehmen kann!“

Maximilio ist ein goldener Shiba-Rüde und kommt aus Japan. Er entstammt einer Linie gut ausgebildeter Hunde, die vor 200 Jahren an der Seite der Samurai gekämpft haben.

„Hey, hier, könnte es das nicht sein?“, meint Sheri und deutet auf den Teil eines Fußabdrucks im Boden, zwei Meter von der Bank entfernt, auf der Astra ihre Bratsche einem unbekannten Dieb dargeboten hat. Er ist dünn und schmal, wie der Abdruck eines Clownschuhs.

„Hmmmm!“, meinen Magnus und Gino. Ihre Köpfe schweben über der Fährte.

Als Sheri sich zu den beiden Jungs hinunterbeugt, hat sie ein elektronisches Spielzeug in der Hand. Einen Roboterdackel mit Raupenantrieb. Sheri setzt den Dackel auf den Boden ab. Er fährt über den Fußabdruck und vermisst ihn mit einem grünen Laser. Danach düst der Robo-Hund davon und scannt viele weitere Fußabdrücke.

238,44 ₽
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382 стр. 5 иллюстраций
ISBN:
9783742770035
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