Читать книгу: «Seewölfe Paket 7», страница 27

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Harte Fäuste stießen Thornton nach vorn. Er sah in steinerne Gesichter, aber er sah auch unauslöschlichen Haß in den Augen der abgezehrten Männer lodern, einen Haß, der ihn frösteln ließ und der ihm sagte, daß von nun an keiner mehr das geringste Mitleid mit ihm haben würde.

Fast alle hatten sich an Deck versammelt, wie er sah.

Harte, eiskalte Kerle, die ihn innerhalb kürzester Zeit erbarmungslos an die Rah hängen würden. Vielleicht hätten sie Nachsicht mit ihm gehabt, aber nach dem, was er sich gerade geleistet hatte, war das vorbei.

Er mußte seinen letzten Weg antreten.

Das Grinsen verging ihm, er spürte Hitzewellen durch seinen Körper jagen, entsetzliche Angst kroch in ihm hoch, als sie ihn in den Kreis der schweigenden Männer trieben.

Stan Ellen sah ihn kalt an, aus seinen grauen Augen loderte verhaltene Wut.

„Fassen wir uns kurz“, sagte er knapp. „Thorntons Verfehlungen sind jedem bekannt. Sie haben die Kameraden bestohlen, Thornton, Sie klauen Wasser und Proviant, sie haben durch Ihre Anwesenheit die Atmosphäre dieses Schiffes tödlich vergiftet. Wir können nicht mehr auf engem Raum mit Ihnen zusammenleben.“

„Sie können einen Gottesmann nicht hängen lassen“, ächzte der Reverend, „das wird Sie Ihr Leben lang begleiten.“

„Fast bezweifle ich, daß Sie Reverend sind, Thornton.“

„Aber – meine Soutane!“ rief Thornton. „Sie ist gerettet worden, sie trieb auf dem Wasser, und – und sie paßt mir.“

„Das beweist gar nichts. Ihr Name war weder mir noch einem meiner Leute bekannt. Ihren Händen nach zu urteilen, sind Sie Decksmann.“

„Weil ich immer geholfen habe“, verteidigte sich Thornton. „Ich konnte nicht mitansehen, wenn andere arbeiten und ich nur so herumstand.“

„Aber hier konnten Sie das. Hier haben Sie nie einen Finger gerührt, wenn die anderen schufteten. Genug jetzt, das tut nichts zur Sache, verhandeln wir weiter, und stimmen wir ab.“

Thornton sah sich gehetzt nach allen Seiten um. Der einzige Fluchtweg, der ihm blieb, war das Wasser. Darin jedoch schwammen dunkle Schatten, große Leiber.

Haie, die sich den Teufel darum scherten, ob er nun Reverend war oder nicht.

„Er soll hängen!“ riefen die meisten.

Ein paar andere enthielten sich der Stimme. Einen Reverend hängt man nicht, meinten sie, das war ihnen suggeriert worden, sie würden damit ein Tabu verletzen.

Es ging hin und her. Ein Teil der Crew wollte ihn an der Rah baumeln sehen, ein anderer Teil war dagegen, und zwei oder drei Männer hatten keine Meinung. Sie plädierten dafür, daß man ihn auspeitschen oder kielholen solle.

Für Stan Ellen, der ohne weiteres als Kapitän seinen Tod beschließen konnte, war es nicht einfach, sich zu entscheiden.

Ein Mann, der an der Rah baumelte, trug nicht gerade zur Verzierung des Schiffes bei. Seit hier unsichtbar Skorbut und Fieber an Bord wüteten, wollte er die Gemüter nicht noch mehr mit einer Leiche im Großmast belasten. Sie hatten so schon genug Tote zu beklagen.

„Thornton wird ausgesetzt“, entschied er nach einer Weile. „Seine Chancen, irgendwo Land zu erreichen, sind so groß wie unsere Aussichten, zu überleben.“

Fast alle stimmten ihm augenblicklich zu und wirkten sichtlich erleichtert.

„Zehn Hiebe und dann ab mit ihm!“ schrie einer.

„Aussetzung ist eine harte Strafe“, belehrte Ellen den Sprecher. „Da braucht es der Schläge nicht mehr. Er ist gesund und kräftig, und er hat eine Chance. Zehn Hiebe können ihn schwer verwunden, und ich will ihn nicht unnötig quälen. Mit der Aussetzung ist er genug bestraft. Ende der Diskussion!“

Der Kapitän rief den Schiffszimmermann und erteilte ihm genaue Anweisungen.

Thornton, der sich bisher mit keiner Silbe geäußert hatte, wurde für den Rest der Nacht zurück in die Piek gebracht, wo sie ihn anketteten.

2.

Am anderen Morgen hatte sich immer noch nichts geändert. Es war wie in den vergangenen Tagen auch. Die Sonne stieg aus dem Meer und begann alles zu versengen.

Der Zimmermann und zwei Seeleute hatten ein kleines Floß gezimmert und es über Bord gehievt. Ellen hatte darauf bestanden, daß das Floß ein kleines Segel erhielt. Als Ruder befand sich eine kleine Pinne auf dem Floß.

„Man sollte dem Kerl nichts zu saufen geben“, sagte einer der Seeleute, die fürs Hängen plädiert hatten. „Der Kerl hat doch genug auf Vorrat gesoffen und gefressen.“

„Er kriegt das, was ihm zusteht, also auch Wasser und Proviant“, sagte der Kapitän. „Wir sind Christen und keine Mörder, verstanden?“

Sie holten Thornton aus der Piek. Als er in der Kuhl stand, sah er schluckend auf das kleine Floß, das winzige Wasserfäßchen und den Beutel mit Proviant.

Er nahm es ziemlich gelassen hin. Lieber wollte er auf dem Floß hokken, als oben an der Rah hängen.

Jemand brachte seine Klamotten und warf ihm das Bündel vor die Füße.

„Das ist alles, was wir von dem Schiff gerettet haben“, sagte er verächtlich. „Deine Dienstkleidung, deine angebliche, und einen Stiefel. Den kannst du dir einmal links und einmal rechts anziehen, ganz wie du willst.“

Der Kapitän trat auf ihn zu und sah ihn ruhig an.

„Sie werden jetzt aus unserem Gesichtskreis verschwinden“, sagte er kalt. „Mit der Pinne bewegen Sie sich so schnell wie möglich von uns fort. Sollten Sie in einer Stunde nicht aus unserer Nähe verschwunden sein, werde ich mit Musketen auf Sie feuern lassen, Thornton.“

Der Reverend gab keine Antwort. Verbissen starrte er auf das winzige Ding im Wasser.

„Das Wasser reicht nicht einmal drei Tage“, murmelte er nach einer Weile.

„Unser Wasser reicht auch nicht länger. Verschwinden Sie jetzt, die Leute werden schon ungeduldig.“

Ellen zog ein Messer aus seinem Gürtel und schleuderte es auf das Floß. Im Holz blieb es stecken.

Thorntons Haß auf die Crew und ihren Kapitän wuchs ins Unermeßliche. Er hatte hektische rote Flecken im Gesicht, als er über das Schanzkleid kletterte und auf das bedrohlich schwankende Floß stieg. Vorsichtig balancierte er es aus, dann griff er nach der kleinen Pinne und wandte den Männern das Gesicht zu.

„Fluch über euch, ihr Kanalratten!“ schrie er. „Der Teufel persönlich soll euch in die Tiefe ziehen!“

Er schrie und geiferte in ohnmächtiger Wut, drohte mit der Pinne und spie ins Wasser. Seine Flüche hallten über das totenstille Meer. Er paddelte davon, obszöne Verwünschungen ausstoßend, fluchend wie ein Kutscher. Und immer wieder hob er die Pinne und drohte herüber.

Da krachte ein Musketenschuß.

Der Erste hatte ihn abgefeuert, und man sah deutlich die kleine Fontäne aus dem Wasser steigen, knapp einen Yard vom Floß entfernt.

Von da an schwieg der Reverend verängstigt, zog das Genick ein und paddelte das leichte Floß wie ein Wilder voran.

„Wenn das ein Reverend ist“, sagte der Erste, „dann bin ich die Königin von England.“

Sie standen am Schanzkleid und starrten dem Mann nach, den sie alle haßten, und doch fragte sich fast jeder insgeheim beklommen, wie Thornton wohl zumute sein mochte – allein auf einem winzigen Floß, inmitten eines schier unermeßlichen Meeres, in totaler Kalme. Nein, er hatte keine Chance, Land zu erreichen, sie selbst hatten wahrscheinlich auch keine mehr.

Noch am Mittag sahen sie ihn als winzigen Punkt, der sich nicht mehr bewegte und auf dem Meer wie festgenagelt schien.

Auch Thornton starrte zu dem Schiff hinüber. Das lächerlich kleine Segel hing schlaff an dem kleinen Mast. Um ihn herum herrschte eine Hitze wie in einem Backofen. Er stierte auf das Wasserfaß, verkniff es sich aber, davon zu trinken. Er wollte so lange warten, bis er es vor Durst nicht mehr aushielt. Das hier war sein eigenes Wasser, und damit mußte er sparen. Hier konnte er nicht heimlich trinken und es auf andere schieben oder jede Schuld entrüstet von sich weisen.

Verflucht, ich habe keinen Kompaß, dachte er, ich muß mich also am Stand der Sonne orientieren und die Himmelsrichtungen bestimmen.

Wenn wirklich wieder einmal der Wind blies, mußte er sich mit dem Wind treiben lassen, entweder immer weiter aufs Meer hinaus oder vielleicht einer Insel entgegen.

Er sah in dem Proviantbeutel nach. Darin befand sich ein knochenhartes Stück Schiffszwieback, in dem die Maden bohrten, dann zwei Händevoll harter Bohnen und ein Stück Salzfleisch. Das war alles, was der Beutel enthielt.

Thornton streckte sich auf dem Floß aus und legte seinen Kopf unter das kleine Segel. Er lag auf dem Trockenen, aber bei der kleinsten Bewegung des Wassers würde ihn die Salzbrühe von allen Seiten umspülen, wenn das Wasser durch die Ritzen quoll.

Ein paarmal schlief er ein und stöhnte laut im Schlaf. Wenn er aufschrak und trübe übers Meer blinzelte, sah er die „Black Pearl“ nur noch als verschwommenen Schatten auf dem Wasser.

Mit einem Ruck richtete er sich auf. Hatte sich die Luft bewegt, oder war das eine Täuschung?

Ein heißer Lufthauch streifte ihn von neuem, und wilde Hoffnung keimte in ihm auf.

Er konnte sich das nicht erklären, aber er war deutlich von der Galeone abgetrieben worden, ohne daß er sich mit der Pinne vorwärtsbewegt hätte.

Gab es hier eine leichte Strömung, die das kleine Floß langsam forttrug?

Er rieb sich die Hände und lachte leise. Sollten die da drüben vor die Hunde gehen. Bald schon hatte er sie aus den Augen verloren, wenn die Strömung ihn weitertrug.

Oder war es umgekehrt? Bewegte eine Strömung die Galeone fort, und er selbst blieb immer an derselben Stelle?

Er wußte es nicht, döste wieder und wachte auf, als es feucht in seinem Kreuz wurde.

Die Schatten waren länger geworden, und er befand sich allein auf dem Meer. Von dem Schiff war nichts mehr zu sehen, keine Spur, selbst am dunstigen Horizont war das Schiff nicht mehr zu erkennen.

Jetzt erfüllte ihn wilde Freude, denn er sah, daß das Segel nicht mehr wie ein trockener Lappen am Mast hing, sondern sich ganz leicht bewegte. Und das Wasser, das ihm ins Kreuz gedrungen war, stammte von winzigen kleinen Wellen, die der schwache Luftstrom erzeugte.

Er nahm einen Schluck Wasser, denn seine Kehle war ausgedörrt, und die Zunge hing ihm wie ein trokkener Schwamm im Mund. Er nahm nur soviel, um sich den Mund zu spülen, die Lippen zu benetzen und sich ein wenig zu erfrischen.

Danach suchte er sehr aufmerksam die Umgebung ab und hielt Ausschau nach weiteren Anzeichen von Wind oder Wolken.

Es dauerte nochmals bis zum späten Nachmittag, bis sich das Segel leicht bauschte und sein plumpes Fahrzeug vorantrieb.

Zwei Tage und zwei Nächte trieb der Reverend Thornton auf dem Meer, vegetierte auf seinem kleinen Floß dahin, trank ab und zu einen Schluck Wasser, das ihm Übelkeit bescherte, und aß von dem knochenharten Zwieback. Das Salzfleisch rührte er nicht an, sein Genuß würde nur noch mehr Durst hervorrufen.

Am dritten Tag flog ihm ein handlanger Fisch aufs Floß. Er schnellte aus dem Wasser, fiel auf das Floß, zappelte und blieb liegen.

Thornton packte ihn gierig, zerriß ihn mit zitternden Fingern und aß ihn roh auf.

Etwas später fühlte er sich hundeelend und glaubte, seinen eigenen Augen nicht mehr zu trauen.

Nixen stiegen aus dem Wasser, mit Seetang behangene Gestalten tauchten auf und grinsten ihn an.

Mitunter stand das Wasser kopf, dann war der Himmel tief unter ihm, und das Meer befand sich in unerreichbaren Höhen. Er glaubte, sich dort hoch oben entlangsegeln zu sehen.

Den Anfall wurde er erst gegen Mittag los, da klärten sich seine Gedanken, und die Welt schien wieder in Ordnung zu sein.

Doch etwas später begann es von neuem. Thornton sah ein Schiff, einen spanischen Zweidecker, der den Kurs änderte und auf ihn zulief.

Das ist die Rettung, dachte er, oder es ist wieder ein Trugbild, das sich auflösen wird.

Doch das Schiff löste sich nicht auf. Es segelte ihm beharrlich entgegen, ging etwas später in den Wind und braßte vierkant.

Thorntons Herz klopfte vor Erwartung. Gleich würde er Wasser kriegen, Verpflegung, vielleicht in einer Koje schlafen können.

Und die Leute von der „Black Pearl“ konnte er auch noch in die Pfanne hauen, wenn er den Spaniern eine rührselige Geschichte erzählte.

Sie warfen ihm einen Tampen hinunter, banden das Floß fest und ließen ihn über die Jakobsleiter aufentern.

Thornton sprach schlecht spanisch, aber zur Verständigung reichte es.

„Meine Retter“, murmelte er erschöpft und ließ sich auf die Planken sinken.

Der Kapitän, ein kleiner dicklicher Mann mit wäßrigen Augen, sah ihn verächtlich an.

„Ein Engländer“, sagte er abfällig. „Hat man dich ausgesetzt, Amigo?“

Teufel, dachte Thornton, vor dem Burschen muß ich mich in acht nehmen, der hat mich anscheinend gleich durchschaut, dem kann ich nicht allzuviel vorflunkern. Auf das gespielte Theater vom total erschöpften Mann schien der auch nicht hereinzufallen.

Blitzschnell erfand er eine haarsträubende Geschichte.

„Ich bin Priester“, sagte er schwach. „Gott segne euch, er soll auch die nicht verdammen, die mich ausgesetzt haben. Ja, man hat mich ausgesetzt“, sagte er klagend. „Ausgesetzt, weil ich das Morden und Töten nicht länger mit ansehen konnte. Ich schäme mich für meine Landsleute, Capitan.“

„Wer hat wen getötet und warum?“ fragte der dickliche Mann kühl.

„Ich war auf der ‚Black Pearl‘, einem englischen Schiff. Sie hatte den Auftrag, spanische Schatzschiffe zu überfallen, doch das erfuhr ich erst, als wir unterwegs waren. Nie hätte ich die Planken dieses Schiffes betreten, ich schwöre es.“

Daß er Priester war, hinterließ bei diesen Leuten nicht den geringsten Eindruck.

„Kann ich einen Schluck Wasser haben?“ fragte er schnell.

„Bringt ihm Wasser!“ befahl der Capitan. „Erzählen Sie weiter, Amigo!“

Eine Muck Wasser wurde ihm gereicht, die er gierig an die Lippen setzte und austrank. Dann berichtete er weiter.

„Unser Kapitän brachte zwei Spanier auf und kaperte sie. Die Mannschaft ließ er elendiglich ersaufen, als das Schiff sank. Zuvor stahl er noch den größten Teil der Ladung.“

Der Capitan verzog nicht einmal das Gesicht.

„Wie hieß das Schiff?“ fragte er schnell.

„‚Black Pearl‘, Capitan.“

„Ich meine den Spanier!“

„Ah, ich habe mir das furchtbare Gemetzel nicht mit ansehen können, ich bin gleich unter Deck gegangen und habe gebetet für die armen Seelen.“

„So, so, Sie haben gebetet, und den Namen kennen Sie nicht?“

„Er fing, glaube ich, mit Nuestra an oder so ähnlich.“

Wieder zeigte sich keine Regung im Gesicht des Spaniers.

„Und wie war das mit dem anderen Schiff?“

„Unser Kapitän ließ es entern, nachdem die Seeleute es zusammengeschossen hatten. Sie luden Gold- und Silberbarren auf die ‚Black Pearl‘ und segelten davon, ohne sich um das sinkende Schiff und die Männer zu kümmern. Daraufhin sprach ich mit dem Kapitän und bin wohl etwas ausfallend geworden in meinem gerechten Zorn. Ich sagte, daß er zumindest die Verantwortung für die spanischen Leute hätte und sie nicht umkommen lassen dürfe. Er lachte nur, er lachte mich aus“, sagte Thornton bitter mit gesenktem Kopf.

„Welchen Kurs lief das englische Schiff?“

„Auf Ostkurs, aber wir waren in einer Kalme.“

„Wie viele Kanonen?“

„Sechs auf jeder Seite und vorn und achtern eine.“

„Was geschah weiter?“

„Der Kapitän ließ mich aussetzen, er könne meine Vorwürfe nicht mehr mitanhören, denn die anderen seien doch nur dreckige Spanier, so sagte er wörtlich.“

„Sie, einen Priester, hat man also ausgesetzt“, sagte der Capitan kopfschüttelnd. „Das ist eine harte Strafe, Mann Gottes, eine sehr harte sogar. Das muß ich unbedingt einmal meinen Leuten demonstrieren, denn einige werden aufsässig. Würden Sie mir dabei helfen, Amigo?“

„Sehr gern, Capitan.“

Der Spanier ließ seine Leute zusammenrufen. Fünfundzwanzig Mann nahmen am Schanzkleid Aufstellung.

„So hat ein englischer Kapitän einen Priester ausgesetzt“, sagte der Capitan laut. „Zeigen Sie es den Kerlen einmal, steigen Sie über die Jakobsleiter auf Ihr Floß!“

Thornton grinste sich eins. Jetzt bedauerten sie ihn alle sehr, das las er in ihren Gesichtern, und er freute sich, daß er es demonstrieren durfte.

So schnitt er ein unsagbar wehleidiges Gesicht, winkte noch einmal abschiednehmend und stieg mit traurigen Augen auf sein Floß.

„Könnt ihr euch jetzt vorstellen, wie dem Mann zumute ist?“ fragte der Capitan laut.

„Si, Senor!“ tönte es im Chor zurück.

Thornton wollte nach der Leiter greifen, um wieder aufzuentern, doch die hing nicht mehr da.

Der spanische Capitan sah ihn ausdruckslos an, griff nach einem Messer und durchtrennte blitzschnell das Tau, das das Floß mit der Galeone verband.

Im ersten Augenblick begriff Thornton gar nichts. Sprachlos stand er auf seiner wackligen Unterlage und starrte nach oben.

„Ihr Besuch war mir eine Ehre, Amigo“, sagte der Spanier feierlich ernst und verbeugte sich. „Segeln Sie in Gottes Namen weiter, Amigo, wir haben Sie schon viel zu lange aufgehalten!“

Er verbeugte sich noch einmal, lüftete seine Kopfbedeckung wie ein spanischer Grande und wandte sich ab.

Reverend Thornton stand da, als hätte ihn der Blitz getroffen. So richtig kapierte er es immer noch nicht.

Ist das alles etwa immer noch auf den Genuß des Fisches zurückzuführen, dachte er betäubt. Ist das alles nur ein Spuk?

Nein, es war kein Spuk. Schon standen auf der Galeone wieder die Segel, wurden Kommandos gebrüllt, das Schiff nahm langsam Fahrt auf und ging auf Westkurs.

Als es an Reverend Thornton vorüberzog, winkte der Spanier noch einmal lässig mit der Hand, gnädig, herablassend, und die lausigen Kerle, die am Schanzkleid standen, grinsten und spien ins Wasser.

„Bastarde!“ kreischte Thornton, den es innerlich vor Zorn, Wut und Enttäuschung fast zerriß. „Spanische Dreckfresser, Kakerlaken, Hurenböcke!“ brüllte er. Seine Stimme ging in ein Schluchzen über, unterbrochen von pausenlosen Flüchen.

„Ihr verlausten Rattenpisser, puta madre santissimo, absaufen sollt ihr mit eurem Mistkahn, ihr Schneckenfresser!“

Thornton tobte selbst dann noch, als das Schiff bereits am Horizont verschwand.

Gebrochen an Leib und Seele legte er sich nieder. Sie haben mir kein Wort geglaubt, keine einzige Silbe, dachte er.

Die Kerle würden sich totlachen, und diese schmähliche Niederlage stachelte seinen Zorn nur noch mehr an. Um ein Haar wäre er bei seinem Tobsuchtsanfall ins Wasser gekippt.

Nein, das gab es einfach nicht, sagte er sich immer wieder. Sie konnten keinen Schiffbrüchigen einsam ohne Wasser und Verpflegung seinem Schicksal überlassen. Ganz sicher hatten sie sich nur einen Scherz mit ihm erlaubt und würden wieder umkehren, um ihn an Bord zu nehmen.

Doch sie dachten nicht daran, umzukehren, sie waren auch nicht mehr zu sehen. Er mußte versuchen, die übelste Niederlage seines Lebens zu überwinden, ohne an seinem eigenen Haß zu ersticken.

Und diesen verfluchten Bastarden hatte er auch noch den Kurs der „Black Pearl“ verraten! Nun, schade war es um die Kerle nicht, sollten sie sich gegenseitig die Schädel einschlagen, wenn sie sich begegneten.

Der Wind blies jetzt etwas stärker, und er ließ sich mit dem Floß in die Richtung treiben, in die er blies. Viel mehr konnte er nicht tun.

Irgendwann wurde es dunkel, und er schlief wieder ein. Winzige Wellen überspülten sein Floß, aber er merkte es nicht. Das Wasser war warm und angenehm, und so schlief er weiter.

3.

Auf der „Black Pearl“ wurde gegen Morgen die spanische, etwas dickbauchige Galeone gesichtet.

Stan Ellen überblickte seine Crew und gelangte zu dem Schluß, daß sie nur noch aus einem abgezehrten Häuflein bestand, das wegen Skorbut nicht mal in der Lage war, die Schiffsgeschütze zu bedienen.

Wintham, der Erste, pfiff die Männer an.

„Ein Spanier!“ schrie er. „Er hält auf uns zu! Hoch, ihr faulen Hunde, oder sollen wir uns zusammenschießen lassen!“

Er lief nach unten, vom Befehl des Alten getrieben, und versuchte, die halbtoten Männer nach oben zu zerren. Doch das erwies sich größtenteils als aussichtslos. Einige waren nicht mehr in der Lage, aufzustehen. Sie hatten bereits mit dem Leben abgeschlossen und begriffen überhaupt nicht, was der Erste von ihnen wollte.

Die Situation war zum Verzweifeln.

Captain Stan Ellen, Blake, Fisher und zwei Seeleute hatten bereits die Kanonen geladen. Eine Handvoll Männer, die von der gesamten Crew noch einigermaßen auf den Beinen war.

Dabei sahen sie selbst aus wie Gespenster.

„Sie haben es auf uns abgesehen“, sagte Ellen. „Sonst hätten sie nicht den Kurs geändert. Wir feuern, sobald wir sicher sind, daß unsere Kugeln auch treffen. Leider haben wir kaum eine Chance, um zu bestehen“, setzte er leise hinzu.

„Und wenn wir einmal nicht die Helden spielen und einfach vor ihnen auskneifen, Sir?“ fragte der Erste.

Ellen schüttelte den Kopf.

„Vor einem Don davonlaufen?“ sagte er gedehnt. „Das würde ich mir mein ganzes Leben lang nicht verzeihen – und Sie vermutlich auch nicht, Mister Wintham.“

„Allerdings nicht“ gab der Erste zu. „Wir sind zwar schneller als der Don, aber Sie haben recht, Sir: Ich würde mich vor mir selbst schämen. Ich hatte dabei auch nur an die Kranken und Halbtoten gedacht.“

Blake sagte gar nichts. Er hatte die Augen zusammengekniffen und musterte den auf Gegenkurs heransegelnden Spanier.

Beide Schiffe bewegten sich nur langsam, ihre Chancen standen gleich gut, denn jeder hatte genau denselben Wind. Der blies jetzt ganz schwach aus Norden. Während die „Black Pearl“ auf Ostkurs lief, segelte der Spanier nach Westen. Niemand war dadurch im Vorteil oder Nachteil.

„Wir müssen den Don unbedingt in Luv fassen“, sagte der Kapitän, „aber so schlau ist der natürlich auch.“

Er sah den Rudergänger durchdringend an.

„Und wenn du ihm die ‚Black Pearl‘ genau in den Bug knallst“, sagte er hart, „und wenn wir zusammenknallen und verrecken, du wirst nicht ausweichen, Hentrop. Ist das klar!“

„Aye, Sir, ganz klar. Lieber saufen wir ab, als dem lausigen Don Luv zu überlassen.“

„So ist es richtig. Wir riskieren einen Rammstoß! Außerdem gehen wir so hoch an den Wind wie nur möglich.“

Blake wußte, daß sie auf verlorenem Posten standen. Der Kampf war unausweichlich. Ausgerechnet jetzt verspürte er wieder diese harten Schmerzen im Magen, die ihn fast um den Verstand brachten. Die Folge war, daß er gleich darauf Blut spuckte und auf die besorgten Blicke des Kapitäns zu fluchen begann.

„Ich kann nichts dafür, die anderen sind auch nicht besser dran“, sagte er grollend.

Der Kapitän wandte sich achselzuckend ab. Ihm ging es nicht anders. Der einzige, der bei bester Gesundheit war, war der ausgesetzte Reverend, der heimlich dafür gesorgt hatte, daß es ihm an nichts mangelte.

Hentrop hielt genau auf den Spanier zu und rechnete sich im stillen die Chance aus, die Luvposition zu gewinnen. Ging er jetzt weiter nach Backbord, würde der Wind ihn stoppen, denn so hoch dran konnten sie nicht mehr segeln. Der Spanier natürlich auch nicht, der außerdem plumper gebaut und deshalb nicht so beweglich war. Darin lag ihr einziger kleiner Vorteil.

Hentrop schielte zu dem Kapitän, doch der sah ihn nicht an. Normalerweise wäre sein Platz auf dem Achterdeck gewesen, wo der Kapitän während eines Gefechtes hingehörte, doch diesmal waren die Umstände anders, sie waren nicht mal mehr eine halbe Mannschaft, und der Kapitän dachte gar nicht daran, seinen Platz an den Kanonen zu verlassen.

Hentrop sah die glimmenden Lunten, die sie in den Fäusten hielten, die steinernen Züge, die zusammengekniffenen Augen und die schmalen Lippen in den mit Stoppelbärten übersäten Gesichtern.

Er schwitzte Blut und Wasser, sah in die Takelage, dann wieder auf den heransegelnden Spanier und fluchte unterdrückt, weil sie bei einem Ausweichmanöver niemanden hatten, der Brassen oder Schoten klarierte.

Jetzt kam es darauf an, wer die besseren Nerven hatte, sie oder die Spanier, und so hielt er weiterhin genau auf den Bug des anderen zu, ein hartes Grinsen in seinem aufgedunsenen Gesicht.

Es erwies sich, daß Hentrop doch die besseren Nerven hatte.

Stur und unbeirrt hielt er Kurs, bis er die Männer an Deck erkennen konnte. Dabei flatterte alles an ihm vor Nervosität.

Buchstäblich im allerletzten Augenblick drehte der Spanier leicht nach Backbord ab, als er sah, daß ein Rammstoß unvermeidbar wurde.

Hentrop entblößte seine Zähne wie ein angreifendes Raubtier. Seine Fäuste umkrampften das Ruder, salziger Schweiß rann ihm in die Augen.

Er zuckte zusammen, als es dumpf aufbrüllte, das Deck erzitterte und Holz in einem Splitterregen davonflog.

Wieder donnerte es dumpf, ein peitschender Knall folgte. Ohne nach dem Kapitän zu sehen, legte er das Ruder leicht nach Steuerbord.

Auf dem Spanier schlug es zweimal hintereinander ein. Rauch stieg auf, ein Mast schwankte bedrohlich, in dem Großsegel erschien ein langer gezackter Riß.

Hentrop hörte Männer schreien, Holz splittern, Musketen krachen und das Stöhnen zu Tode getroffener Männer.

Wieder krachte es ein paarmal hintereinander, und dann erwischte es den Besan. Ein Teil des oberen Mastes wirbelte davon und krachte auf Deck.

Gleich darauf herrschte tiefe Stille, so unnatürlich, als wäre nach dem letzten Donnerschlag die ganze Welt untergegangen.

Der Rudergänger sah sich um. Die beiden Schiffe strebten schon wieder voneinander fort, nachdem sich ihre Geschütze todbringend entladen hatten.

Allerdings beschrieb der Spanier ein Manöver, das allen Regeln der Schiffsführung widersprach. Er schwang immer weiter herum, bis er den Wind achterlich hatte, und begann dann aufzugeien.

Ist der Kerl verrückt geworden? fragte sich Hentrop.

In der Kuhl und auf dem Vordeck erkannte er Ellen, Blake und Wintham. Fisher hing verkrümmt am Schanzkleid und versuchte sich hochzuziehen, aber ein anderer war tot. Er lag auf dem Rücken in der Kuhl, und unter seinem Körper breitete sich eine große Lache von Blut aus.

Ellen lief nach achtern.

„Verfolgen!“ schrie er laut. „Wir haben ihm das Ruder zerschossen, los herum, Mann, hopp, hopp!“

Fünf Männer bedienten die Brassen, Ellen griff selbst mit zu. Dann erkannte er, weshalb der Spanier aufgeite. Der Großmast hing bedrohlich schief, und die Last der Segel drohte ihn jeden Augenblick umkippen zu lassen. Das wollte der Don nicht riskieren, denn dann gab es ein Chaos an Deck.

Auf dem Spanier arbeiteten sie wie besessen mit Äxten, Beilen und schweren Schiffshauern, bis der schwere Mast endlich, von allem Beiwerk befreit, über Bord ging.

Blake verpaßte dem angeschlagenen Don einen Siebzehnpfünder direkt ins Heck. Ein Teil der Galerie flog unter ohrenbetäubendem Krachen auseinander, und eine schwere Drehbasse löste sich. Mit Getöse verschwand sie in dem unteren Deck.

Ellen gab seinem Rudergänger mit den Händen Befehle. Sie durften nicht in den Bereich seiner Breitseite segeln, und so ging die „Black Pearl“ wieder in den Wind.

Es wurden lange und zeitraubende Manöver, den Havaristen immer wieder anzusegeln, aber es lohnte sich für sie.

Jeder Schuß saß, meist im Heck, in das jetzt schwallartig Wasser einbrach und sich ins Innere ergoß.

Nach knapp zwei Stunden war der Spanier achterlastig und begann sich hilflos zu drehen.

Ellens Restmannschaft schuftete wie verrückt. Verbissen, wütend voller Zorn hieben sie ihre todbringenden Zähne immer und immer wieder in den Spanier, der langsam tiefer sackte.

Pulverschleim hatte sich auf ihre schweißtriefenden Gesichter gelegt und ließ sie schwarz und rußig erscheinen. Die Knochen taten ihnen weh, sie waren kaputt und fertig, aber sie gaben nicht auf. Ellen hatte sich vorgenommen, diesen Spanier zu versenken, und so half er beim Mannen der Kugeln, schleppte selbst Pulver herbei, bediente die Wischer, gab zwischendurch Kommandos und beharkte den Spanier immer wieder aus den günstigsten Positionen.

Er war allerdings so fair, nicht weiterzufeuern, als er sah, wie drüben ein großes Boot zu Wasser gelassen wurde.

Er stand nur neben der verrußten Kanone und grinste. Dabei sah er schrecklich aus mit seinem ausgemergelten Gesicht, den kaum noch sichtbaren Augen und der blutenden Wange.

Die Spanier gaben auf, nachdem sich der Kampf fast vier Stunden in die Länge gezogen hatte.

Bevor etwa sechzehn Männer in das Boot gingen, jagte einer von ihnen ein Faß mit Schießpulver in die Luft. Danach sprang er ins Boot, das mit achterlichem Wind in Richtung Süden davonsegelte.

Das spanische Schiff brannte jetzt und lag achterlastig immer weiter absackend in der ruhigen See.

„Diese Schweine“, sagte Blake gepreßt. „Sie haben den Kahn nur in Brand gesteckt, damit wir nichts mehr holen können. Man sollte ihnen eins in das verdammte Boot jagen.“

„Ja, zu holen gibt es nichts mehr“, sagte Ellen, „Proviant, Wasser, alles geht mit dem Kahn unter. Dabei hätten wir es so dringend brauchen können. Aber sie werden uns ihre verdammten Roteiros aushändigen, sonst, bei Gott, schieße ich die Dons restlos zusammen. Wintham spricht doch Spanisch, oder?“

„Ja, sehr gut sogar.“

Kurz darauf lief die „Black Pearl“ an dem sinkenden Spanier vorbei, ging auf Südkurs und nahm die Verfolgung des Bootes auf.

Hinter ihnen stiegen schwarze Qualmwolken in den blauen Himmel. Es war unmöglich geworden, das Deck des brennenden Spaniers auch nur zu betreten. Außerdem ging er jetzt auf Tiefe und verschwand langsam und majestätisch in den Fluten.

Nicht lange, und sie hatten das große Beiboot eingeholt. Die Stückpforten waren immer noch hoch, und die schwarzen Schlünde der Siebzehnpfünder drohten auf das kleine Boot, das sich wie verloren in der Weite des Meeres ausnahm.

Ellen sah, daß fünf oder sechs Dons ihre Musketen hoben. Sofort ließ er zur Warnung einen Schuß dicht über ihre Köpfe abfeuern. Da senkten sie die Waffen.

Wintham stand furchtlos am Schanzkleid und zeigte mit dem Finger auf den spanischen Kapitän.

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