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7.

In dieser Nacht lief die „Black Pearl“ auf Grund.

Es gab an Bord des englischen Rahseglers nur noch den Captain Ellen, den ersten Offizier Wintham, den Rudergänger Hentrop und den Bootsmann Blake.

Die anderen waren gestorben.

Ob das versaute Bilgewasser daran schuld war, oder ob die Ratten die Pest mit sich herumschleppten, wußte niemand zu sagen.

Sie starben schnell und leise, die meisten in ihren Kojen, der Seemann, den Blake aus der Koje geholt hatte, an Deck. Er hatte sich erbrochen, war danach umgefallen und nicht mehr aufgestanden.

Auch ihn hatten sie der See übergeben.

Jetzt waren sie nur noch zu viert, zu wenig Leute, um ein Schiff dieser Größe zu segeln, zumal sie alle von schwerer Krankheit gezeichnet waren, Skorbut hatten, mit eitrigen Geschwüren bedeckt waren oder Fieber hatten.

Nach England würden sie nie mehr zurückkehren, diese vier vom Tode gezeichneten Männer, die sich nur noch mühsam auf den Beinen hielten, die nichts mehr zu essen und zu trinken hatten, die dem Tod näher waren als dem Leben.

Erwischten sie eine Ratte, war das ein Glückstag, und unter den geschwächten Männern begann eine Prügelei. Tranken sie das brackige Wasser aus der Bilge, wurde ihnen übel. Sie kriegten schmerzhafte Magenkrämpfe und torkelten schreiend an Deck herum.

Ihr Schiff konnten sie getrost als Wrack bezeichnen, es trug nur noch ein einziges Segel und lenzte dahin, von keinem Rudergänger mehr bedient. Sie ließen es einfach treiben, niemand brachte mehr die Kraft auf, zu arbeiten, sich um die Navigation oder um die Stellung des Segels zu kümmern.

Sie wollten auch nicht mehr, sie warteten insgeheim nur noch auf ein Wunder.

Der einzige, der sich noch einigermaßen auf den Beinen hielt, war der Bootsmann Blake, der ab und zu wie ein unruhiger Geist durch das Schiff strich, die Toten in ihren Kojen betrachtete und jedes Mal, von Grauen geschüttelt, wieder an Deck zurückkehrte.

Allein konnte er sie nicht herausholen, dazu reichten seine Kräfte nicht aus, und von den drei anderen half niemand, konnte niemand mehr helfen.

Der Geruch aus dem Vorschiff begann unerträglich zu werden.

Blake schlief wie immer in dieser Nacht an Deck, während die „Black Pearl“ mit dem leichten Wind dahintrieb. Außer Stan Ellen schliefen alle an Deck, er selbst lag in seiner Kammer auf dem Achterschiff und ließ sich kaum noch blicken.

Halb im Fieberwahn döste er dahin. Er schlief nicht richtig, er war bei dem leisesten Geräusch sofort immer hellwach, denn er fürchtete sich vor den Toten im Vorschiff, die nachts als irrlichternde Leuchterscheinungen umgingen und höhnisch lachten.

Gestern nacht hatte er sie auch gesehen, da waren sie schweigend, abgemagert und mit Totenköpfen auf den Schultern, lautlos über das Vorschiff bis zum Achterkastell gewandert, hatten dort an Ellens Schott mit den Fäusten geklopft und ihn laut verflucht.

Vor seinen toten Kameraden hatte er daher entsetzliche Angst. Sie wollten sich an der Schiffsführung rächen, und zu der gehörte er als Bootsmann ja ebenfalls.

Ein unglaublich harter Ruck ließ ihn schreiend hochfahren. Er schlitterte über Deck und hörte gleich darauf ein entsetzliches Krachen und Bersten, das nicht mehr aufhörte.

Holz zersplitterte, etwas wirbelte über Deck und polterte an ihm vorbei, ein Regen aus Holztrümmern folgte.

Blake sah nichts, nur unerreichbar fern, hoch über ihm, funkelten ein paar kleine Lichter – die Seelen seiner verstorbenen Kameraden, die zornig auf ihn herunterblickten.

Nach dem harten Ruck und dem entsetzlichen Poltern herrschte geisterhafte Stille.

Er hörte Winthams schwache Stimme und auch die des Rudergängers, die sich ängstlich etwas zuriefen.

„Was ist passiert?“ schrie Wintham heiser. „Blake! Melde dich, was ist geschehen?“

„Ich weiß nicht, ich bin in der Kuhl.“

„Ich glaube, der Topp ist abgebrochen und eine Rah an Deck gefallen“, sagte Wintham kläglich. „Hast du Licht?“

„Nein, ich habe keins.“

„Dann zünde eins an!“

Blakes Stimme wurde etwas fester. „Den Teufel werde ich. Geh du nach vorn!“

Aber auch Wintham und Hentrop rührten sich nicht. Als er sie erneut anrief, gaben sie keine Antwort. Wahrscheinlich hatten sie sich irgendwo verkrochen.

Mit laut klopfendem Herzen schlich Blake unter die Nagelbank und streckte sich aus.

Eine innere Stimme sagte ihm, daß seine toten Kameraden es waren, die diesen Lärm verursacht hatten, und daß sie jetzt das Schiff aus Rache kurz und klein schlugen. Aber da war noch eine andere Stimme, und die sagte ihm, daß die „Black Pearl“ irgendwo auf Grund gelaufen war und der plötzliche Ruck das Herunterfallen der Rah ausgelöst hatte.

Blake traute sich nicht mehr, etwas zu sagen, denn er hörte lieber auf die erste Stimme, und so verhielt er sich mucksmäuschenstill, um nicht aufzufallen.

Vielleicht wußten sie nicht, daß er unter der Nagelbank lag, und ließen ihn in Ruhe.

So dämmerte und fieberte er dem neuen Tag entgegen, und als er die Augen öffnete und sich über das Schanzkleid lehnte, traf ihn fast der Schlag.

Greifbar nahe vor ihnen lag eine kleine Insel.

„Land! Land! Land!“ schrie er, so laut er konnte.

Niemand schien mehr krank oder dem Tode nahe zu sein. Plötzlich erschien Ellen an Deck, waren Wintham und Hentrop da und starrten auf das unglaubliche Wunder, das sich ihren sehnsüchtigen Blicken offenbarte.

Ellen liefen Tränen über das Gesicht, Wintham schloß den Rudergänger in die Arme, und Blake warf sich zwischen die beiden, schluchzend, wie ein Irrer immer wieder schreiend.

„Jetzt fangen wir an zu leben“, sagte Ellen krächzend. „Seht nur den Strand, seht die Palmen mit den Nüssen dran und seht das saftige Grün. Wir sind soeben geboren worden.“

Wie im Fieber sprach er weiter, erzählte, gestikulierte wild mit glänzenden Augen, stieg auf das Schanzkleid und sprang mit hoch erhobenen Armen über Bord.

Es störte ihn nicht, daß er sich gehörig die Knochen in dem flachen Wasser zusammenstauchte. Er sah nur noch die Palmen, das Grün und wußte, daß sie gerettet waren.

Selbstdisziplin gab es unter ihnen nicht mehr, sie waren wandelnde Tote, die nur noch animalischen Instinkten gehorchten.

„Und das Schiff?“ fragte Wintham, als auch Hentrop über das Schanzkleid sprang und wie in Trance auf den Strand zuging.

„Scheiß auf das Schiff!“

Blake sprang hinterher, und auch der Erste folgte.

Scheiß auf das Schiff, dachte er, was sollten sie noch damit? Es war nicht anderes als ein schwimmender Sarg.

Hier war Land, hier war das Leben, und wenn sie auch noch Wasser fanden, würde er den Teufel tun, noch einmal auf das Schiff zurückzukehren. Mochte der Kahn vergammeln, verfaulen oder absaufen, was scherte sie das!

Und wenn es das Schiff der Königin von England war, zum Teufel damit, dann sollte sie es sich an den Hut stecken oder ein neues bauen und Kerle suchen, die dumm genug waren, so einen Eimer überhaupt zu betreten.

Am Strand gebärdeten sie sich wie toll, warfen mit den Händen Sand hoch in die Luft und ließen sich berieseln.

Ein Tag wie im Paradies begann für die bärtigen Männer. Als sie einigermaßen bei Besinnung waren, konnten sie auch wieder klar denken und wurden normaler.

Hentrop und Wintham kletterten an Bord und ließen auf Ellens Befehl hin den Anker aus der Klüse rauschen.

Die „Black Pearl“ lag nicht fest, sie war nur bei Ebbe aufgelaufen und begann sich jetzt langsam um ihre Achse zu drehen. Und nicht lange, dann würde sie abdriften.

Das sahen sie alle ein. Wenn sie das Schiff auch nicht mehr haben wollten oder keine Sehnsucht danach hatten, dann ließ es sich immer noch ausschlachten, um an Land Hütten zu bauen. Außerdem befand sich Werkzeug an Bord.

Die beiden Männer kehrten mit einer Säge zurück. Wie besessen fällten sie eine Kokospalme, um die Früchte zu kriegen, die sie trug, die Früchte, die neues Leben verhießen.

Die Palme legte sich ächzend in den Sand, und wie Tiere fielen sie über ihre Beute her, zerschlugen die Nüsse, tranken die Milch und aßen gierig das Fleisch.

Blake fand, daß er wieder ganz normal war, und auch von den anderen ausgemergelten Gestalten dachte er das gleiche. Die Rettung vor Augen, Land, das hatte ihre Kräfte noch einmal mobilisiert und jetzt, nach dem Genuß der Kokosnüsse, fühlten sie schlagartig neue Kräfte in sich aufsteigen.

„Wir werden die Insel erkunden“, sagte Ellen, „und wenn wir Trinkwasser finden, bleiben wir hier. Dann schlachten wir das Schiff aus und bauen uns eine Hütte aus dem Holz. Oder will einer von euch noch weitersegeln?“

„Ich habe die Schnauze voll“, sagte Hentrop. „Mir wird schon schlecht, wenn ich an die See denke.“

„Mir reicht es auch“, sagte Wintham.

Blake grinste müde. Seine Augen waren klein und zugeschwollen.

„Wir bleiben hier“, sagte er. „Schließlich ist es völlig egal, ob wir hier verrecken oder auf See. Ich will lieber an Land verhungern als auf dem Wasser.“

Der Meinung schlossen sich alle an. Die Seefahrt hatte ein Ende für sie, sie wollten nicht mehr.

Wieder fielen sie gierig über die Nüsse her, bis Wintham sich in den Sand legte und am ganzen Körper zuckte.

„Was ist mit ihm?“ fragte Blake.

Der Kapitän zuckte mit den Schultern.

„Überfressen“, meinte er, „das hält ja auch kein Mensch aus, tagelang zu hungern und sich dann den Bauch vollzuschlagen. Da rebelliert der Magen und einem wird schlecht.“

Es dauerte lange, bis Wintham sich erhob und schwankend mit schmerzverzogenem Gesicht auf den Beinen stand. Erst nach und nach schien es ihm besserzugehen.

Hentrop starrte geistesabwesend auf das Schiff und schüttelte immer wieder den Kopf.

„Seht nur“, sagte er so leise, daß sie ihn kaum verstanden, „wie Trauben sehen sie aus.“

„Was sieht wie Trauben aus?“ fragte Ellen.

„Na – die Ratten. Seht ihr das nicht?“

Niemand, außer dem Rudergänger, hatte dem Schiff einen Blick zugeworfen, doch als sie jetzt hinblickten, überfiel sie ein gelindes Grauen.

Die Ratten gingen von Bord!

Sie waren innen am Schanzkleid hochgeklettert, ein ganzes Rudel, und jetzt turnten sie auf dem Handlauf entlang, suchten dort Halt, wo sich außen die Versteifungen der Wanten befanden, und hingen senkrecht an der Bordwand.

„Hoffentlich ersaufen die Mistviecher“, sagte Hentrop.

„Die ersaufen nicht“, meinte Ellen erbittert, „die haben das Land gewittert. Sie treibt einzig allein der Hunger aus dem Schiff.“

„Oder das Schiff wird sinken“, murmelte Wintham. „Wenn die Ratten von Bord gehen, säuft der Kasten meistens ab, das habe ich schon oft gehört.“

In einem plötzlichen Entschluß suchte er nach einem Stein.

„Wollen wir die Früchte etwa mit den Biestern teilen?“ schrie er. „Die haben uns schon genug Proviant weggefressen und sind schuld daran, daß viele starben. Los, tut etwas! Nehmt einen Ast oder einen Knüppel und schlagt sie tot, wenn sie wirklich an Land schwimmen.“

„So viele Ratten können wir unmöglich an Bord gehabt haben“, sagte Hentrop. „Das sind ja mehr als drei Dutzend!“ Angeekelt schüttelte er sich, als die graubraunen räudigen Nager jetzt die Wasseroberfläche erreicht hatten.

Die erste Ratte sprang. Ihr folgten gleich darauf die anderen. Die erste, eine alte Tante mit langen gelben Zähnen und einem Fell, das sie nur noch stückweise bedeckte, schien die Anführerin der unheimlichen Schar zu sein.

Im Wasser sah sie sich nach ihren Artgenossen um und schwamm dann los, die Schnauze spitz nach oben gereckt.

Drei Dutzend andere folgten in Kiellinie.

„Die sind disziplinierter als wir“, bemerkte Ellen sarkastisch. „Die springen nicht wahllos über Bord. Sie gehen geordnet vor, um das Land zu erobern.“

Die Männer hatten sich inzwischen mit verdorrten Ästen aus dem Buschwerk, Steinen und der Säge bewaffnet.

Sie waren nicht bereit, das neu entdeckte Land von den grauen Nagern in Besitz nehmen zu lassen. Wenn die hier etwas zu fressen entdeckten, vermehrten sie sich unglaublich schnell, und dann blieb für die Männer nichts mehr übrig.

„Disziplin“, sagte Wintham verächtlich über die Schulter zu dem Kapitän, „was heißt das schon? Ich entsinne mich, daß du selbst als erster blindlings über Bord gesprungen bist!“

Ellen schluckte den Seitenhieb, ohne Antwort zu geben. Er warf dem Ersten nur einen drohenden Blick zu.

Die Ratten waren gewitzt und mit allen Wassern gewaschen, wie sie erkennen mußten.

Sie hatten den Mensch, ihren Todfeind entdeckt und dachten nicht daran, ihm in die Arme zu schwimmen.

Vier, fünf Yards, bevor sie den Strand erreichten, hatten sie die Männer gewittert, und jetzt konnten Ellen, Wintham, Hentrop und Blake ein seltsames Phänomen beobachten.

Die schwimmende Kolonne drehte ab und teilte sich in kleine Gruppen auf. Sie schwammen wieder aufs Meer hinaus, drehten dann erneut ab und versuchten den Strand von mehrere Seiten zu erreichen.

Brüllend liefen die Männer durcheinander.

„Laßt sie nicht an Land!“ schrie Wintham. „Keine einzige darf uns entwischen.“

Sein Haß auf die Ratten verlieh ihm neue Kräfte. Seine Magenschmerzen waren vergessen, er hatte zwei Steine in der Hand und warf den ersten nach dem kleinen Rudel ins Wasser.

Hentrop stürzte sich mit einem Knüppel auf die schwimmende Horde und schlug auf sie ein, gellende Schreie der Wut ausstoßend.

Zwei der Ratten erschlug er, die anderen drehten wieder ab, eine flitzte zwischen seinen Beinen hindurch und rannte schwerfällig und tropfend in das Gebüsch am Land.

Die vier Männer gebärdeten sich wie die Irren.

Heulend und schreiend jagten sie über den Sand, warfen mit Steinen und schlugen mit Knüppeln.

Sieben oder acht Ratten blieben auf der Strecke, mehr erwischten sie nicht. Ein paar von ihnen schwammen noch im Wasser und dachten nicht daran, an den Strand zu schwimmen.

Einigen anderen gelang die Flucht an Land an weiter entfernten Stellen.

Es war sinnlos, jetzt nach ihnen zu suchen, sie hatten sich längst in dem Gebüsch versteckt. Später würden sie anfangen, Löcher und Gänge zu buddeln, und damit waren sie in Sicherheit und konnten sich ungehindert vermehren.

Ellen warf den Knüppel weg, hockte sich in den Sand und grübelte vor sich hin.

Sie hatten den Kampf gegen die verfluchten Nager verloren!

„Wer fühlt sich stark genug, die Insel zu erkunden?“ fragte er matt. „Was wir dringend brauchen, ist Wasser. Die Insel scheint nicht groß zu sein, man sieht es an dem Strand, es gibt nirgendwo lange Ufer.“

„Und wer bleibt bei dem Schiff?“ fragte Hentrop.

„Keiner, ich jedenfalls nicht“, erwiderte Ellen: „Die See ist ruhig, es geht kaum Wind, und der Kahn liegt vor Anker. Was soll da schon passieren?“

Er wunderte sich, wie leichtfertig er dachte. Früher war er ein hart durchgreifender, pflichtbewußter und energischer Kapitän gewesen. Heute scherte es ihn nicht mehr. Er war gleichgültig und fast apathisch geworden, und es störte ihn auch nicht im geringsten, daß er es wußte. Es ließ ihn einfach kalt.

Er fühlte sich nicht mehr länger als Führer dieser Gruppe, die sowieso nur noch aus Halbtoten bestand. Er war jetzt wie sie, einer von denen, die überlebt hatten. Nach den harten Entbehrungen wurde man ein anderer Mensch. England war weit weg und so unwirklich wie ein Märchen. Und was vor ihnen lag, wußte keiner.

„Vielleicht ist es gar keine Insel, sondern nur eine vorgeschobene Landzunge“, meinte Blake.

„Das werden wir ja sehen. Je zwei Leute gehen in entgegengesetzter Richtung los. Haben wir uns noch nicht getroffen, wenn die Sonne senkrecht über uns steht, dann kehrt jede Gruppe wieder an den Ausgangspunkt zurück. So einfach ist das!“

„Dabei sollten wir aber immer wieder Abstecher ins Innere unternehmen“, sagte Blake. „Am Strand finden wir höchstens Seewasser und nichts anderes.“

„Was wir vorhaben, ist schlicht gesagt verrückt“, meinte der Rudergänger. „Wir haben keine Waffen dabei. Ich schlage vor, wir schwimmen an Bord zurück, lassen das Boot zu Wasser, und jeder bewaffnet sich mit einer Pistole.“

Hentrops Vorschlag klang einleuchtend, Ellen wollte allerdings zuerst Wasser suchen, aber er wurde einfach überstimmt, und so schwammen sie etwas später mürrisch an Bord zurück, wo ihnen der Gestank aus dem Vorschiff entgegenschlug, der sich wie ein Pesthauch, der aus offenen Gräbern weht, über das Schiff gelegt hatte.

Wintham krempelte sich schon wieder der Magen um. Ängstlich vermied er, einen Blick nach vorn zu werfen. Er wußte schließlich, wie es da aussah.

Als sie das Boot abfierten, lachte Ellen bitter auf. Mit der Hand zeigte er ins Wasser.

„Damit gelangen wir nicht einmal an den Strand“, sagte er.

Durch die Ritzen sprudelte Wasser. Der Boden ähnelte einem Faß, dessen Dauben weit auseinanderstanden.

„Beeilt euch“, sagte Wintham, „ich halte es hier nicht mehr aus, es stinkt wie die Pest.“

Die Verwüstungen an Bord störten niemand. Das Deck sah aus, als hätten die Vandalen gehaust und alles kurz und klein geschlagen.

Sie warfen ein paar Äxte in das Boot, nahmen ein Fäßchen Pulver mit, Flintenstein, Stahl und Lunten und steckten die Pistolen in den Hosenbund.

Danach kletterten sie ins Boot, aus dessen Ritzen unaufhörlich Wasser sprudelte und den Kahn immer schwerer werden ließ.

Als sie den Strand erreichten, war das Boot bereits halbvoll.

„Es dichtet sich mit der Zeit von selbst ab“, sagte Ellen. „Dann brauchen wir es nur noch auszuschöpfen, falls die Sonne uns nicht auch diese Arbeit abnimmt.“

Am Strand verteilten sie sich. Blake und Ellen gingen in Richtung Westen, Wintham und Hentrop marschierten nach Osten. Ab und zu sollten Abstecher ins Innere der Insel unternommen werden, wie man sich gegenseitig versicherte.

Schon bald hatten Ellen und Blake die beiden anderen aus den Augen verloren.

Die beiden Männer schwitzten. Es war heiß und stickig, und es wurde immer heißer, bis sich die Luft beklemmend auf die Lungen legte und das Atmen zur Qual werden ließ.

Erschöpft blieben sie stehen, um im Schatten eines großen Strauches auszuruhen.

Ellen saß da wie ein Geist. Er war bis zum Skelett abgemagert und fühlte sich hundeelend. Er wurde das Gefühl nicht los, daß er bald sterben würde, egal, ob sie Wasser fanden oder nicht. Es würde nicht mehr viel daran ändern.

„Was ist das?“ fragte er und deutete mit dem Kopf auf einen mannshohen Strauch, der zwischen Farnen und Pflanzen mit unwahrscheinlich breiten Blättern wuchs.

„Eine Frucht“, erwiderte Blake. „Sie sieht so ähnlich aus wie die Bananen, die wir in Afrika fanden.“

Er stand auf, griff danach und riß sie ab. An dem Strauch wuchsen noch mehr Früchte. Sie ähnelten einem Mittelding zwischen einer Gurke und einer Banane und hatten eine weiche Schale.

Blake zerteilte sie mit den Fingern. Süßlich riechender Saft floß erhaus und benetzte seine Finger.

Vorsichtig leckte er daran und verspürte einen süßen Geschmack auf der Zunge, angenehm und frisch.

Er wußte nicht, ob diese Frucht giftig war, doch plötzlich übermannte ihn die Gier, und er biß hinein. Gierig begann er das saftige Fruchtfleisch zu kauen.

Als Ellen das sah, sprang er ebenfalls auf und riß zwei Früchte von dem Strauch.

„Hoffentlich sind sie nicht giftig“, sagte Blake besorgt. „Aber ich konnte mich nicht zurückhalten.“

Der Kapitän hörte gar nicht hin. Er mampfte und schluckte, warf die Schale fort und aß die nächste Frucht.

Danach pflückte er den Strauch leer und legte die Früchte dicht am Wasser in den Sand, damit sie später nicht daran vorbeiliefen.

„Sie schmecken herrlich“, schwärmte er, „und sie löschen den Durst. Wenn sie giftig sind, ist es mir auch egal.“

Schweigend gingen sie weiter. Es kostete sie eine ungeheure Überwindung, nicht auch die anderen Früchte zu verzehren, aber sie wußten, was danach geschah.

Man kriegte Magenkrämpfe, furchtbare Schmerzen und erbrach sich anschließend. Das hatte sie etwas vorsichtiger werden lassen.

„Es ist ganz sicher eine Insel“, sagte Blake, „und sie ist nicht sehr groß. Wir gehen jetzt schon in Richtung Süden, wenn mich nicht alles täuscht.“

Ein natürlicher Pfad ließ sie verharren. Er führte vom Strand durch Büsche und krüppelartige Palmen, die keine Wedel mehr hatten. Der Untergrund bestand teilweise aus Gras, dann wieder wurde der Boden kahl und sandig, und es wuchsen nur noch vereinzelt Sträucher.

Zweimal fanden sie an Sträuchern die süße Frucht und markierten den Weg, indem sie die Früchte auslegten.

Nur Wasser fanden sie nicht. Die Vegetation war auf den spärlichen Regen angewiesen, und der Boden saugte das bißchen Wasser wahrscheinlich schnell und gierig auf.

Enttäuscht sahen sie sich an.

„Die anderen können Wasser gefunden haben“, sagte Ellen, aber er glaubte selbst nicht so recht daran, denn dann hätten die beiden anderen vor lauter Freude ganz sicher ihre Waffen abgefeuert, um damit ihre Aufmerksamkeit zu erregen.

„Hoffen wir es“, antwortete Blake kurz.

Sie drangen weiter ins Innere vor. Ein paar kleine Hügel tauchten vor ihnen auf, kahl, ohne Vegetation. Hinter den Hügeln war das Gras verdorrt, der Boden sandig und hell. Große Steinbrocken lagen herum, als hätte sie jemand planlos auf dem Boden verstreut.

Blake erklomm einen kleinen Hügel und sah sich um. Er lachte bitter und stieß einen leisen Fluch aus.

„Von da oben aus kann man das Meer im Süden sehen“, sagte er zu Ellen, der ihn enttäuscht anblickte. „Die Vergetation sieht überall gleich aus, aber im Süden stehen einige Kokospalmen.“

„Dann gehen wir weiter, bis wir auf der anderen Seite wieder an den Strand gelangen“, murmelte Ellen niedergeschlagen.

Es dauerte nicht lange, bis sie wieder den Strand und damit das Meer erreichten. Schweigend und erschöpft gingen sie weiter am Strand entlang, und Blake fand etwas später eine Seeschildkröte, die sich gerade anschickte in ihr Element zurückzukehren. Aber immer wieder blieb sie erschöpft liegen.

Der Bootsmann begann zu laufen, Ellen folgte ihm träge.

Er warf sich auf das Tier und drehte es auf den Rücken.

„Die holen wir uns nachher, Ellen, das gibt ein Essen, das hält uns tagelang am Leben.“

„Ich glaube, ein oder zwei Wochen werden wir es aushalten“, sagte der Captain. „Dann sind die Nüsse gegessen und die Früchte ebenfalls. Dann ist diese Insel kahl und leer, und wir können unseren morschen Kahn besteigen und weitersegeln.“

„Ich denke, wir bleiben hier.“

„Das dachte ich auch, aber was tun wir, wenn wir nichts mehr haben? Sollen wir warten, bis die Früchte nachwachsen?“

Er setzte sich wieder in den Sand und überlegte laut.

„Auf den Roteiros ist diese Insel nicht verzeichnet“, sagte er dann. „Meist sind aber da, wo eine Insel ist, noch andere. Wir müßten nur den Kurs ändern und weiter nach Süden laufen.“

„Aber ohne mich“, sagte Blake entschlossen. „Ich werde nicht mehr weitersegeln, das steht fest. Ich habe mich entschlossen, hier zu bleiben, und hier werde ich auch verrecken.“

„Wir werden alle verrecken, so oder so, Blake!“

„Ich gehe nicht mehr auf das Leichenschiff!“

Die Sonne hatte ihren höchsten Stand noch nicht erreicht, da trafen die beiden Gruppen wieder zusammen.

„Scheißinsel“, sagte Wintham. Sein Gesicht leuchtete grünlich, er stieß den Atem heftig aus und schnappte gleich darauf wieder gierig nach Luft.

„Kein Wasser, oder habt ihr welches entdeckt?“

„Nein“, klang es einsilbig. „Es gibt kein Wasser auf dieser lausigen Insel. Wir haben nur ein paar Früchte gefunden, gelbe, faustgroß, sie schmecken wie …“

„Haben wir auch entdeckt“, sagte Hentrop. „Und drei Kokospalmen, die ganz voll hängen. Ein paar Tage oder Wochen werden wir es schon aushalten, dann fährt vielleicht ein Schiff vorbei und nimmt uns an Bord!“

Wintham bohrte ihm den Zeigefinger an die Stirn.

„Du Spinner“, sagte er, „ein Schiff, was? Hier, am Arsch der Welt, segeln nicht einmal solche Idioten wie wir entlang. Das Schiff kannst du vergessen!“

„Streitet euch nicht, wir müssen zusammenhalten“, sagte Ellen. Unsagbar müde setzte er sich wieder in den Sand. Wintham folgte seinem Beispiel und streckte sich der Länge nach aus.

Blake berichtete von der Schildkröte, und beim Sprechen merkte er, wie sich ein feiner Nebelschleier vor seine Augen legte. Kleine dunkle Ringe tanzten darin, und ab und zu erschien in dem Nebelgespinst ein roter Ring, der sich rasend schnell näherte und vor seinen Augen lautlos explodierte.

Dann war es wieder vorbei und er konnte klarer denken.

„Wie kriegen wir sie hierher?“ fragte Hentrop. „Die Schildkröten sind doch verdammt schwer. Ist sie groß?“

„Weshalb sollen wie sie tragen?“ fragte Blake zurück. „Gehen wir doch hin. Trockenes Holz gibt es genug, wir entzünden es und rösten sie. Na los“, spornte er die anderen an, die träge im Sand hockten und zu faul waren, um aufzustehen.

Wintham hatte die Augen geschlossen und reagierte nicht.

Er träumte, er würde irgendwo auf sanften Wellen schaukeln, die ihn forttrugen in ein unbekanntes Land, über riesige Meere hinweg, in einen dunklen Abgrund, in den die Wellen ihn trieben.

Es dauerte endlos lange, bis sie ihn auf den Beinen hatten. Beim Gehen taumelte er und fiel immer wieder hin.

Dann fanden sie die Schildkröte, und etwas später brannte am Strand ein kleines Feuer.

Außer dem Panzer blieb nichts übrig. Die Männer fühlten sich übersättigt und ihnen war übel.

Was immer sie auch taten, sie packten es falsch an, sie aßen zuviel, sie überschätzten ihre Körper.

Die Folge waren Durchfall, Schmerzen und Übelkeit.

Erst am späten Nachmittag kehrten sie zu jener Stelle zurück, wo gespenstisch, wie aus einer anderen Welt, die „Black Pearl“ lag. Sie hatte wieder Grundberührung und lag leicht auf der Seite.

Niemand ging an Bord, sie alle zogen es vor, im Freien zu nächtigen, wo des Nachts keine Geister umgingen, wo keine Blöcke, Taljen und Taue ächzten, und wo man das Knistern des Holzes nicht hörte.

Sie warteten auf den morgigen Tag und was er bringen würde.

Als die Sonne über dem Meer aufging, erwachte Blake. Er hatte Kopfschmerzen, stand auf und suchte Abkühlung im Meer, wo es noch angenehm kühl war.

Nicht weit vor ihm ragten die Aufbauten des Schiffes in den morgendlichen Himmel. Der zerfetzte Mast stach wie der Finger eines verwundeten Riesen vorwurfsvoll in die Luft.

Blake spuckte aus. Er haßte die „Black Pearl“, er haßte das Schiff aus ganzem Herzen, und wenn er an die stummen Gestalten im Vordeck dachte, kriegte er eine Gänsehaut.

Er schwamm mühsam ein paar Runden und kehrte zu seinen Gefährten zurück, die alle noch schliefen.

Grübelnd ließ er sich in dem kleinen Kreis nieder und starrte in den Sand, der an seinen Beinen haftete. Dann drehte er sich um und sah Wintham an, der mit offenen Augen in das Azurblau des Himmels blickte.

„Ich dachte, du schläfst noch, Erster“, sagte er.

Wintham gab keine Antwort, und Blake hatte eigentlich auch keine erwartet, aber dann sah er noch einmal hin und fühlte, wie eine kalte Hand sein Herz umklammerte.

„Wintham!“ schrie er laut und riß damit die anderen beiden blitzartig aus dem Schlaf.

Der Erste rührte sich immer noch nicht, und Ellen beschwerte sich lautstark über das Gebrüll.

Als Blake den Ersten rüttelte, wußte er, weshalb Wintham keine Antwort mehr gab.

Er war tot, sein Körper fühlte sich steif und kalt an.

Niemand brachte ein Wort heraus. Erst nach einer Weile vergrub Hentrop das Gesicht in den Händen und schluchzte. Dabei schüttelte sich sein Körper wie im Fieber.

Jetzt waren sie nur noch zu dritt!

Drei Halbtote auf einer Insel, von der die Ratten Besitz ergriffen hatten.

Schon jetzt stand fest, wer die besseren Überlebenschancen hatte. Die drei Männer jedenfalls nicht.

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