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6.

Auf dem Weg zum Indischen Ozean hatte sich auf der „Isabella VIII.“ nicht viel ereignet.

Der schlanke dreimastige Rahsegler hatte die Straße von Malakka hinter sich gelassen und steuerte jetzt die Andamanen-See an.

Hasard ließ auf Westkurs gehen, und da der Wind aus Nordost wehte, konnten sie mit Steuerbordhalsen auf Backbordbug prächtig segeln.

Im Bauch der „Isabella“ ruhten unermeßliche Schätze. Sie hatten sich noch vermehrt, seit sie den „Tiger von Malakka“ kennengelernt hatten, jenen Mann aus Kra, der es sich zum Ziel gesetzt hatte, die Gewässer in der Nähe von ausbeuterischen Spaniern und Piraten zu säubern.

Der Schatz in der Bangkalis-Bucht, den sie gehoben hatten, bestand zum größten Teil aus Diamanten. Ein großer Teil davon ruhte jetzt im Schiffsbauch neben den anderen Schätzen.

„Hast du den neuen Kurs eingetragen, Dan?“ fragte der schwarzhaarige Philipp Hasard Killigrew.

Dan O’Flynn nickte mit gerunzelter Stirn, aber er war so auf seine Kurskarten konzentriert, daß er keine Antwort gab.

Hasard hatte diese Roteiros, wie Spanier und Portugiesen sie nannten, seit ihrer Rückkehr vom Land des Großen Chan anfertigen lassen. Dabei war er peinlich darauf bedacht, daß nichts vergessen wurde. Diese Kurskarten hatten schon ganze Mannschaften vor einem erbärmlichen Tod gerettet, wenn sie genau angelegt wurden.

Dan O’Flynn hatte sich dabei ganz besonders hervorgetan. Er beherrschte die Navigation bereits besser als Ben Brighton und lernte täglich dazu, seit er sich in diese Aufgabe verbissen hatte.

Der leidige „Mastglotzerei“ war er überdrüssig geworden, wie er versicherte.

Von einigen wurde das lebhaft bedauert, denn obwohl auch die anderen scharfe Augen hatten, reichte doch keiner an Dan heran, ausgenommen ein Seeadler vielleicht oder ein Wanderfalke.

Hasard jedoch wollte das ehemalige Bürschchen gern in der Schiffsführung haben, ihn weiter ausbilden, ihn etwas Besonderes in der Navigation werden lassen, und Dan hatte mit Freuden zugestimmt.

Der einzige, der wieder einmal was zu grummeln hatte, war Dans Vater, das alte Rauhbein Donegal Daniel O’Flynn, der hinter Dan stand, mit seinem Holzbein auf die Planken pochte und seinen Ableger leicht anstieß.

„Früher konntest du nur ein einziges Wort schreiben“, sagte er, „und das war noch ein ganz übles. Heute schmierst du Papier voll wie einer dieser Dichterlinge.“

„Ich habe eben was gelernt – im Gegensatz zu dir“, sagte Dan und grinste vor sich hin.

„Ha, gelernt, daß ich nicht lache! Alles, was du kannst, hast du von mir gelernt. Deshalb bist du so ein guter Seemann geworden.“

„Gelernt habe ich bei Hasard“, sagte Dan, der seinen Alten nicht unnötig reizen wollte, weil der immer gleich explodierte. „Bei dir habe ich meist nur die Hucke vollgekriegt und gelernt, wie dein Holzbein auf meinem Rücken tanzte.“

„Eine lausige Jugend ist das heute“, murmelte der Alte. „Kein Respekt mehr da, rotzig, frech und aufsässig. Du hättest mal auf der ‚Empreß of Sea‘ fahren sollen, Sohn, da hätten sie dir deine Rotznasigkeit schon ausgeprügelt.“

Old O’Flynn meinte es nicht immer so, wie er es sagte. Er war eben ein Rauhbein, ein hagerer Block aus Granit, der früher als Schiffsjunge mehr Prügel als Essen gekriegt hatte. Wahrscheinlich hielt er diese Methode noch immer für die beste. Aber wenn er wieder mit seiner lausigen „Empreß of Sea“ anfing, hielt Dan sich am liebsten die Ohren zu, weil die Geschichten immer so maßlos übertrieben waren, daß jeder grinste, der sie hörte.

Zum Glück rief der Schiffszimmermann Ferris Tucker nach dem alten O’Flynn, und der beeilte sich sofort, seinem Ruf zu folgen, so daß sich Dan ungestört seinen Karten widmen konnte.

Ab und zu ließ er Tiefe loten, peilte nach der Sanduhr, trug die Windrichtung ein und bestimmte den Standort.

Diese Aufgabe brachte ihm Spaß, und dem Seewolf lieferten Dans Rechenkünste genauere und bessere Roteiros, als die Spanier sie besaßen. Wenn es sie irgendwann einmal wieder in diesen Teil der Welt verschlug, war die Navigation kein Problem, dann konnten ihn selbst die Kompaßabweichungen nicht mehr erschüttern. Ganz genau würden sie den Weg wiederfinden.

Jetzt zum Beispiel, überlegte der Seewolf, hatten sie wieder eine Strecke vor sich, bei der sie nicht ganz sicher waren, wohin sie führte. Sie hatten zwar Kartenmaterial, aber das reichte nicht bis in den Indischen Ozean hinein.

Den Weg, der um den halben Erdball herum nach England oder in den Norden führte, den mußten sie sich selbst suchen, denn die Vorstellung von dem südlichen Kontinent war nur sehr vage.

Philip Hasard Killigrew hatte diese Route noch nie befahren.

Aus dem Großmars meldete Bob Grey plötzlich Land. Drei Inseln waren es, wie er versicherte.

Dan war sogleich bei der Arbeit und trug die Inseln in seine Kurskarten ein.

„Den anderen Karten nach gibt es hier viele Inseln“, sagte Edwin Carberry, der auf dem Achterdeck erschienen war, „aber wie wollen wir die jemals finden, wenn wir, nur angenommen, diese Strecke irgendwann einmal zurücksegeln?“

„Wir geben den kleinen Inseln einfach ein paar Namen“, sagte Dan zu des Profos’ großer Verblüffung. „Es ist seit einer Woche wieder mal das erste Land, das wir sichten.“

Sein Vorschlag stieß auf ungeahnte Begeisterung. Jeder der Seewölfe wollte plötzlich „seine“ Insel.

„Dem Kapitän gebührt die Ehre als erstem“, sagte Dan. Doch der Seewolf winkte lachend ab.

„Nein, nein“, beharrte Dan. „Nennen wir die Insel Steuerbord voraus Seewolfs-Island.“

„Hurra, Seewolfs-Island!“ brüllten einige begeistert.

Er trug den Namen auf der Karte ein, wo er die Insel verzeichnet hatte. Natürlich galten diese Bezeichnungen nichts in der übrigen Welt, aber für sie war es ein Orientierungspunkt, weil sie die meisten ohnehin namentlich nicht kannten, und außerdem hatten sie alle ihren Spaß daran.

So ging es weiter. Mitunter wurden winzige kleine Inseln entdeckt. Ben-Brighton-Island, dann die Profos-Inseln. Big-Shane-Land und Ferris-Tucker-Island.

„Was?“ motzte der Profos, als er den winzigen Fleck in der See sah, den Dan gerade eintragen wollte. „Profos-Insel, dieser lausige Misthaufen! Bin ich vielleicht nichts, was, wie? Wer tauscht mit mir?“

Der Bengel Bill meldete sich sofort. Er hatte auch noch keine Insel, und so übergab der Profos sie ihm durch Handschlag, was den Bengel stolzgeschwellt verkünden ließ: „Das wird aber hoffentlich auch eingetragen, oder?“

„Klar“, versprach Dan, „bin schon dabei. Und wie willst du das Atoll nennen?“

„Bill-Moses-Island“, sagte der Bengel, und daraufhin lachten ein paar der rauhen Kerle Tränen.

„Lacht nur!“ rief der Moses. „Eines Tages kehre ich hierher zurück, dann gehört die Insel mir, und ich bin der Große Chan von Bill-Moses-Island.“

Daraufhin lachten die Kerle noch lauter, und der Gambianeger Batuti hing am Schanzkleid und konnte sich kaum beruhigen.

„Ha“, sagte er, „Großes Chan von kleines Insel. Batutti können totlachen, wenn Kaiser von Moses-Island sehen.“

Den Bengel verdroß das nicht. Er lachte mit, und jede neue Insel, die am Horizont auftauchte, wurde getauft, und dabei kamen Namen zustande, die sie sich nie erträumt hatten, denn jeder wollte seiner Insel seinen ganz besonderen Stempel aufdrücken.

Schließlich gab es das Kutscher-Atoll, Schmied-von-Arwenack-Island, die Jeff-Bowie-Lagune, die Insel des Segelmachers, die Sam-Roskill-Bucht und den Batuti-Felsen sowie das Gary-Andrews-Riff. Die anderen mußten noch warten, und der Profos, der sonst immer seine Nase im Wind hatte, wartete geduldig. Er ließ sich keine Insel aufschwatzen, wie er betonte. Dabei hatte er allerdings einen hinterhältigen Gedanken, und er genierte sich auch nicht, ihn Hasard persönlich vorzutragen.

„Bevor wir alles Land hinter uns lassen und in den unbekannten Ozean segeln, fassen wir doch noch einmal Wasser, oder sehe ich das falsch, Sir?“ fragte er.

„Du siehst das ganz richtig“, sagte Hasard lachend, der sich über den kindischen Eifer seiner Seewölfe köstlich amüsierte. „Und ich sehe das bestimmt auch richtig, denn die Insel, die wir anlaufen, soll vermutlich Profos-Insel heißen, oder Seeheld-Ed-Carberry-Land, was?“

„So ähnlich“, sagte Carberry ernst. „Weißt du, Sir, ich will diese Insel, die dann meinen Namen trägt, auch wirklich betreten, das ist dann doch ganz anders, als wenn man nur daran vorbeisegelt, nehme ich an.“

„Ja, das muß ein erhebendes Gefühl sein“, gab Hasard zu. „Aber vergieße bitte vor lauter Rührung keine Tränen, Ed!“

„Meine Insel wird jedenfalls ‚Empreß of Sea‘ heißen“, sagte Old O’Flynn dazwischen, und wieder gab es Gelächter.

Smoky und Blacky fanden diese Namensgebung anfangs zwar ausgesprochen dämlich, aber jetzt, als die meisten ihre Insel hatten, wollten sie auch daran teilhaben und schauten sich die Augen aus.

Die „Seewolfs-Inseln“ verschwanden langsam am Horizont, und erst am dritten Tag tauchte wieder Land auf.

„Es könnte die letzte Insel sein, die wir sichten“, sagte Dan zu Hasard, „ich habe keine weiteren Eintragungen mehr.“

„Dann werden wir dort noch einmal ankern, und hoffentlich finden wir auch Wasser.“

„Glaube ich schon, denn auf der Karte steht das merkwürdige Zeichen bei vielen Inseln dahinter.“

Zuvor ließ Hasard jedoch den Kutscher befragen, der sogleich mit besorgter Miene erschien. Da er immer um das Wohl der Mannschaft besorgt war, konnte er nie genug Vorräte haben und sah es am liebsten, wenn die Vorratskammern aus den Nähten platzten.

Hasard fand das ganz natürlich nach all den üblen Erfahrungen, die sie schon hinter sich hatten. Keiner wollte mehr in die verteufelte Situation geraten, zu verhungern oder zu verdursten, nur weil man darauf vertraute, irgendwo schon wieder etwas zu finden.

„Sieben Wasserfässer sind randvoll“, sagte der Kutscher, „aber da wir nicht wissen, wie lange die Reise dauert, schlage ich vor, wir fassen noch einmal nach. Dann kippen wir das alte Wasser weg und füllen frisches auf. Kokosnüsse könnten auch nicht schaden.“

„Stimmt“, sagte der Seewolf trokken, „ich habe auch noch nicht gehört, daß sie jemand schadeten. Ben“, wandte er sich an den Bootsmann, „wir gehen dort vor Anker, vor der Profos-Insel“, setzte er grinsend hinzu.

„Aye, aye, Sir. Scheint sich um ein malerisches Fleckchen Erde zu handeln. Aber das ist ja kein Wunder bei einer Profos-Insel.“

„Seht ihr meine Insel dort?“ fragte unterdessen Carberry die Seewölfe, die bereit standen, um die erforderlichen Manöver auszuführen.

„Das ist die Profos-Insel! Benehmt euch also so, wie es sich für Gäste gehört, zertrampelt mir nichts, führt euch anständig auf, denn das wird später mal mein Alterssitz, wenn ich als Seemann abgemustert habe.“

Smoky schlug die Hände überm Kopf zusammen und sah Matt Davies an, der dem Profos verwundert nachblickte.

„Jetzt geht es los“, sagte er, „jetzt betreten wir heiliges Land, und der Profos wird uns gleich zehn neue Gebote in die Planken ritzen. Du sollst keine Kokosnüsse von meiner Insel klauen, du darfst nichts stehlen und keine fremden Ziegen melken. Ja, jetzt wird er größenwahnsinnig, der Gute.“

„He, Leute, gleich sind wir Gäste auf der Profos-Insel!“ brüllte Matt Davies und übersah geflissentlich den zornigen Blick, den Ed ihm zuwarf. „Falls einer noch kacken muß, dann soll er es an Bord tun, aber nicht auf des Profos’ Grund und Boden!“

Brüllendes Gelächter begleitete seine Worte, und schließlich grinste auch der Profos. War ja alles nur ein Spaß, mehr oder weniger, aber trotzdem: Es war seine Insel, da biß keine Maus den Faden ab.

Eine weiße Landzunge tauchte auf, an der die „Isabella“ mit gerefften Segeln langsam vorbeiglitt. Ein herrlicher breiter Strand, dahinter Palmen, Dschungel, endlos lange Lianen, die sich um urige Bäume schlangen.

Und davor auf dem weißen Strand lag ein Floß.

Hasard entdeckte das Fahrzeug zuerst. Das Floß bestand aus ein paar Bohlen, über die man eine Gräting gebunden oder genagelt hatte, und es war gerade so klein oder so groß, daß es einem Mann Platz bot.

Wo aber war dieser Mann?

Carberry schob sein Rammkinn vor und beäugte das Floß aus schmalen Augen.

„Ganz allein scheint dir die Insel nicht mehr zu gehören“, sagte Dan neben ihm anzüglich, „aber sie trägt nun einmal deinen Namen, Ed, und dabei soll es auch bleiben.“

„Ein Schiffbrüchiger vielleicht“, meinte Ed. „Oder das Floß ist hier allein angetrieben. Wenn sich jemand darauf befand, werden wir ihn auch finden – oder er uns.“

Nicht weit hinter dem Floß tauchte eine sanftgeschwungene Bucht auf, deren Anblick den meisten Männern unwillkürlich einen Pfiff der Bewunderung entlockte.

„Donnerwetter“, sagte Ben Brighton überrascht, „unser Profos hat eben immer etwas Besonderes zu bieten. Ein Wasserfall, wie er prächtiger nicht sein könnte.“

Sie hatten schon so viele Inseln angelaufen, daß sie sie gar nicht mehr zählen konnten, aber immer wieder gab es dabei eine neue Überraschung.

Die Bucht, die in einem sanften Bogen auslief, wurde von der anderen Seite von steil aufragenden Hügeln begrenzt, die mit sattem Grün bewachsen waren. Zwischen den Bergen schlängelte sich ein Fluß entlang und ergoß sich unten am Strand als Wasserfall auf kleinere Felsen, inmitten der Lichtung einer typischen Urwaldlandschaft. Den weißen Strand säumten hohe schlanke Palmen, die ihre dunkelgrünen Wedel neigten und sich miteinander zu unterhalten schienen, so jedenfalls erweckte es den Eindruck.

Carberry vergaß fast, das Kommando zum Ankersetzen zu geben, bis der Decksälteste Smoky ihn sanft fragte: „Segeln wir gleich durch den Wasserfall, Ed, oder gehen wir noch in der Bucht vor Anker?“

Der Profos riß seinen verträumten Blick von „seiner“ Insel los und deutete mit dem breiten Daumen nach unten.

Die Segel hingen im Gei, der Anker rauschte aus, die Trosse fauchte und zischte durch die Klüse, und der Moses meldete viereinhalb Faden Wassertiefe und Sand an der Lotspeise.

Fast hatten sie bei dem prächtigen Anblick schon wieder das einsame Floß vergessen. Von hier aus sah man es allerdings auch nicht mehr, es lag hinter der kleinen Landzunge.

Auch der Kutscher klatschte begeistert in die Hände, als er den Wasserfall sah.

„So einer müßte auf jeder Insel Vorschrift sein“, sagte er und riß sich das verschwitzte Hemd vom Leib. „Wenn der Seewolf es erlaubt, werde ich mich drei Tage lang darunter stellen und pausenlos berieseln lassen.“

Smoky konnte die Hänselei nicht lassen.

„Da mußt du schon Ed fragen“, sagte er grinsend, „denn immerhin ist es ja sein Wasserfall.“

Die „Isabella“ schwoite noch leicht in der Bucht, als suche sie sich eine besonders günstige Stelle zum Liegen.

Die Hänseleien nahmen kein Ende. Sie alle überboten sich.

„Kriege ich auch eine Kokosnuß, Ed?“ fragte Blacky.

„Dürfen wir in der Bucht Fische fangen, Ed, oder Feuer am Strand entzünden?“

„Hört jetzt auf damit!“ schrie Ed. „Sonst werde ich euch Feuer unter euren Affenärschen anzünden, und keiner geht an Land. Fiert endlich das Boot ab, ihr verlausten Kanalratten.“

Deutlich war das Rauschen des Wassers zu hören. Den Männern klang es wie Musik in den Ohren. Einmal richtig in Süßwasser baden, dachten sie alle, das war schon etwas, hundertmal besser, als sich ständig die Salzbrühe über den Körper zu gießen, bei der immer eine weißliche Schicht zurückblieb.

Das Boot wurde zu Wasser gelassen, und der Seewolf erschien auf dem Vorschiff. Auch er blickte verlangend an Land.

„Wir wissen nicht, ob diese Insel bewohnt ist,“, sagte er, „daher lassen wir allergrößte Vorsicht walten, wenn wir an Land gehen. Zuerst wird das Trinkwasser gewechselt, werden Früchte und nach des Kutschers Anweisungen Kräuter gesammelt. Das Vergnügen gibt es später.“

Alle Köpfe fuhren herum, als es deutlich hörbar im angrenzenden Urwald krachte. Zweige bewegten sich, es raschelte.

„Eine Sau!“ schrie der Kutscher und riß die Arme hoch.

Er rannte los, um eine Muskete zu holen, doch da war das verhältnismäßig große Borstenvieh auch schon wieder verschwunden und trabte in Richtung Wasserfall, wie man deutlich an dem sich bewegenden Unterholz erkennen konnte.

Die Freude war groß. Ganz sicher hatte irgendein Schiff diese Tiere hier ausgesetzt, und unter den idealen Bedingungen hatten sie sich bestimmt kräftig vermehrt. Das war ein Geschenk des Himmels.

Den Seewolf beschäftigte in Gedanken immer noch das Floß, das einsam und verlassen auf dem weißen Strand lag. Er fragte sich, ob sich hier eine menschliche Tragödie abgespielt hatte oder das Floß eben doch nur angetrieben war.

Der Kutscher murmelte etwas von Mittagessen und fragte bescheiden an, ob jemand Hunger habe oder er das Essen auf später verschieben solle.

„Verschiebe es auf Neujahr“, sagte Ferris Tucker. „Bei dem Anblick vergeht doch jedem der Appetit.“

„Was soll denn das heißen, he?“ fragte Ed düster. „Die Profos-Insel ist dir wohl nicht gut genug?“

„Ich meinte, da denkt man nicht an Hunger“, rechtfertigte sich Ferris verwirrt.

Der Profos war wieder besänftigt, und Hasard sagte ihm, er möge einen Trupp zusammenstellen, bestehend aus etwa sechs oder sieben Leuten.

Carberry stellte sich zuerst auf, indem er mit dem Daumen an seine riesige Brust tippte. Erst dann folgten die anderen.

Waffen wurden ausgegeben, die Stückpforten hochgezogen und die Culverinen überprüft.

Sie dachten noch mit Unbehagen an die Rieseninsel Kalimantan, wo sie eine so höllische Überraschung erlebt hatten. Man wußte vom bloßen Anblick einer Insel schließlich nicht, ob sie bewohnt war oder nicht. Das war eine reine Vorsichtsmaßnahme, wenn sie sich daher stark bewaffneten und auch das Schiff gefechtsbereit hielten.

Acht Leute waren es schließlich, die in dem Boot Platz nahmen und zum nahen Strand pullten, der, weiß und glitzernd in der Sonne schimmerte, über den ab und zu träge eine Schildkröte dahinkroch, oder kleine Kebse wie Dwarsläufer eilig in ihren gebuddelten Löchern verschwanden.

Als das Boot knirschend auf den Sand lief, verschwand eine besonders träge Schildkröte plötzlich eilig ins rettende Wasser.

Das Boot wurde ein kleines Stück höher an Land gezogen, die Fässer ausgeladen und in den Sand gestellt.

„Dan und ich gehen zu dem Floß, um es zu untersuchen“, sagte der Seewolf, „ihr anderen sorgt dafür, daß die Fässer gefüllt werden. Einer bewacht die Männer, die Wasser schöpfen, und paßt auf, daß sich niemand anschleicht.“

Hasard hatte sich die Stiefel schon an Bord ausgezogen und die Hose bis zu den Waden hochgekrempelt. Ein Hemd trug er bei dieser Hitze nicht, niemand trug eins, es war überflüssiger Ballast, nur der Kutscher bildete da meist eine Ausnahme. Aber der hatte ja schließlich auch bei Sir Freemont gedient, wo man immer Hemden trug, zu jeder Zeit. Jetzt rannte auch er mit nackter Brust herum.

Die beiden Männer gingen dicht am Wasser entlang in Richtung der kleinen Landzunge, die sie vorhin gerundet hatten.

Es war nicht weit. Sie erreichten die Landzunge und sahen das Floß auf dem Strand liegen.

Der Seewolf suchte nach Fußspuren, doch er fand keine, und auch Dans scharfe Augen bemerkten nichts Verdächtiges.

„Vielleicht hat die auflaufende Flut die Spuren verwischt“, sagte Hasard und untersuchte das Floß.

Das Holz war rissig und ausgetrocknet, das Alter des Floßes ließ sich kaum abschätzen.

„Drehen wir es einmal um, Dan!“

Die Unterseite war grün und veralgt, ein paar winzige Muscheln hatten sich an das Holz geheftet.

„Sehr lange kann es noch nicht in der See treiben“, urteilte Hasard. „Sonst wäre der Bewuchs stärker. Aber es kann schon eine ganze Weile hier liegen.“

„Wenn jemand mit diesem Floß die Profos-Insel erreicht hat, müßte er uns sehen“, sagte Dan. „Die Möglichkeit, fremde Schiffe zu entdecken, ist hier direkt ideal.“

Er deutete mit der Hand auf die umliegenden Berge und bewachsenen Hügel.

„Die besten Aussichtspunkte, die es gibt. Von ihnen aus kann man die gesamte Insel und das Meer überblikken. Das heißt also“, faßte er zusammen, „daß der Mann nicht mehr am Leben ist.“

„Oder daß das Floß wirklich unbemannt war“, ergänzte Hasard.

Dan starrrte das Ding an. Es erinnerte ihn an das Floß, auf dem sie damals seinen Vater gefunden hatten, nur war dies hier stabiler gebaut.

Sie sprachen noch ein paar Möglichkeiten durch. Daß es sich um einen Ausgesetzten handeln konnte, daß der Mann sie vielleicht sogar beobachtete und sich nicht herantraute, weil er Angst hatte, oder daß er sie für Spanier hielt.

Sie suchten auch den Strand weiter nördlich nach Spuren ab, doch im Sand fanden sich keine.

Dan entdeckte jedoch an einer Stelle abgeknickte Blätter und ein paar kleine Zweige.

„Das könnte von den wilden Schweinen stammen, Fußspuren lassen sich jedenfalls nicht feststellen.“

„Wenn es hier einen Mann gibt und er ein gutes Gewissen hat, wird er sich melden“, sagte Hasard abschließend, und damit gaben sie die Suche auf. Die Insel war viel zu groß, um sie zu durchsuchen.

Als sie den Rückweg antraten, dröhnte ein Schuß auf, der die Ruhe der Insel zerriß, und dessen Knall sich laut an den Hügeln brach und als Echo fortpflanzte.

„Schnell!“ rief Hasard. „Da ist etwas passiert.“

Sie liefen los, bis sie die Landzunge erreichten und in die Bucht blicken konnten.

Sechs Männer standen in der Nähe des Wasserfalles und redeten aufeinander ein. Vor ihnen, zwischen Steinen und Pflanzen nur schlecht erkennbar, bewegte sich etwas auf dem Boden.

Hasard sah, wie der Profos sich darauf stürzte, dann richtete er sich auf und warf sein Messer in den Sand.

Der Kutscher hüpfte von einem Bein auf das andere und benahm sich, als hätte er einen Sonnenstich.

Gleich darauf waren sie bei der Gruppe angelangt, und der Seewolf stieß erleichtert die Luft aus, als er sah, daß es kein Eingeborener war, der sie überrascht hatte.

Auf dem Boden lag ein Schwein von beachtlichem Gewicht.

„Hab ich eben selbst geschossen, Sir“, verkündete der Kutscher stolz und warf sich in die Brust. „Hier laufen unzählige von den Biestern herum, und sie sehen genau so aus wie das liebe Borstenvieh bei uns in England.“

„Dann bin ich ja beruhigt“, sagte Hasard und berichtete von dem Floß und davon, daß sie keine menschlichen Spuren gefunden hätten.

„Los, an Bord mit den ersten Fässern“, sagte Ed. „Nachher werden wir uns vergnügen. Wie lange bleiben wir, Sir?“ wandte er sich fragend an Hasard.

„Wir verlieren nichts, wenn wir zwei Tage hier liegenbleiben und die Insel ein wenig erkunden. Nichts treibt uns, wir haben Zeit. Allerdings sollten sich zwei Mann auf jenen Hügel dort begeben und die Gegend absuchen. Der Ausblick ist besser als vom Großmars der ‚Isabella‘ aus. Die beiden Männer können sich alle Stunde ablösen lassen.“

Matt Davies und Smoky erklärten sich als erste bereit und suchten sich einen Weg an dem Wasserfall vorbei.

„Eßt keine Früchte, die ihr nicht kennt!“ rief der Kutscher ihnen noch nach, dann begaben sich die beiden an den Aufstieg.

Zwei Wasserfässer und das Schwein, das der Kutscher und Bob Grey gleich ausschlachteten, wurden an Bord gebracht.

Eine Stunde später kehrten die beiden Posten zurück.

„Weit und breit nichts zu entdekken, keine Menschenseele, keine Hütte“, sagte Smoky. „Wir scheinen tatsächlich ganz allein auf der Profos-Insel zu sein.“

Ein weiterer Trupp durfte an Land, und am Nachmittag wurden zwei Schweine erlegt und zwei große Säcke voll Kokosnüsse von dem Gambianeger Batuti geerntet.

Batuti erklomm die Palmen so schnell wie Arwenack, der auch mit an Land durfte und überall herumstreifte. Etwas später löste sich von der Großrah auch Sir John und strich laut krächzend über ihre Köpfe dahin, bis der Aracanga-Papagei schließlich irgendwo zeternd im angrenzenden Urwald verschwand.

„Der kehrt nicht wieder zurück“, prophezeite Bill düster.

„Der kehrt zurück, verlaß dich darauf“, erwiderte Blacky.

Tatsächlich war der Papagei kurz darauf wieder da, umflatterte sie in einem weiten Bogen, wie um nachzusehen, ob alle noch da waren, und segelte wieder davon.

In der Bucht wurde geangelt, der Kutscher sammelte wie ein Besessener Kräuter, die nur er kannte, und kleine rote Beeren für medizinische Zwecke, wie er verriet.

Danach wurde Holz gesammelt, in kleinere Stücke geschlagen und am Strand aufgeschichtet.

Der Kutscher baute aus dem dürren Holz einen kunstvollen Meiler und zündete ihn schließlich an. Als der Holzstoß brannte, wurde er vorsichtig mit Sand und Erde bedeckt, bis er unter geringer Luftzufuhr zu qualmen begann.

„Holzkohle haben wir nicht mehr viel“, sagte er erklärend. „Bis morgen nachmittag haben wir genügend Nachschub. Wir werden gleich einen zweiten Stoß aufrichten.“

Nach und nach füllten sich die Wasserfässer, wurden an Bord gebracht mit herrlich klarem Frischwasser, und Kokosnüsse und andere Früchte häuften sich an Bord.

Erst dann folgte das Vergnügen. Die verschwitzten Männer stürzten sich in den Wasserfall, erklommen die glatten Steine, rissen sich die Hosen vom Leib und brüllten vor Freude.

In dieser Hitze war das eisig kalte Wasser eine Erfrischung, wie sie nicht einmal das Meer bot.

„Paßt auf, die Steine sind verflucht glatt“, warnte Carberry seine Gefährten. „Wer da hinfällt, kann sich ein schönes Loch in der Rübe holen.“

In dem Tosen der Wassermassen war seine Stimme kaum zu hören.

Carberry drehte sich um und versuchte, durch den Schleier aus kristallklarem Wasser etwas zu erkennen. Doch da befand sich nur ein riesiger dichter wildwuchernder Vorhang aus Lianen, der das Gestein von oben bis unten bedeckte.

Ausgelassen tollten sie herum, doch nach einer Weile schien das Wasser immer kälter zu werden, und einer nach dem anderen trat unter der Riesendusche heraus, bibberte ein wenig und ließ sich in den warmen Sand fallen.

Jetzt standen nur noch Hasard, Dan, Carberry und Matt Davies unter dem brausenden und tosenden Vorhang, in dem sich tausendfach das Licht der Sonne brach und einen Regenbogen nach dem anderen zauberte.

Plötzlich verschwand der Profos, als hätte ihn der Erdboden verschluckt, doch noch bemerkte es niemand.

Hasard trat unter dem Wasserfall hervor, ihm folgten Dan und schließlich Matt Davies. Die Männer schüttelten sich.

„Ed hält es wieder mal am längsten aus“, sagte Smoky, „kein Wunder bei seinem dicken Fell.“

Sie sahen zu der Stelle hin, wo Carberry noch eben mitten unter ihnen gestanden hatte, aber dort toste nur der Wasserschleier herunter, der Profos war nicht mehr da.

Hasard, Dan und Matt sahen zwischen den Steinen nach, aber da war er auch nicht.

Fassungslos und höchst beunruhigt blickten sie sich an. Das Schweigen begann unerträglich zu werden.

„Carberry!“ schrie der Seewolf, „Profos, wo steckst du? Melde dich gefälligst!“

Keine Antwort, nur das Rauschen war zu hören.

Entschlossen kletterte der Seewolf erneut auf die Steine, hielt sich die Hände über den Kopf, damit er in dem Regenschleier besser sehen konnte und spähte durch den natürlichen Vorhang aus Wasser.

Er sah den Profos nicht, er blickte nur auf die dichte grüne Wand aus Hunderten von Lianen, die den Felsen dahinter bedeckten.

Er ließ sich nach vorn fallen, griff in nasse, schmierige Pflanzen und dahinter auf nackten Fels.

Enttäuscht stieß er sich wieder ab, versuchte die Balance zu halten und schaffte es nicht. Er geriet zwischen zwei größere Steine und kriegte kaum noch Luft, als die Wassermassen auf ihn prasselten.

Fluchend kroch er zwischen den Felsen hervor und sah sich verstört nach allen Seiten um.

Seine Männer standen sprachlos da und begriffen nicht, weshalb Ed so plötzlich verschwunden war. Das gab es doch gar nicht, eben noch hatte er sich mitten unter ihnen befunden!

„Großer Zauber“, stammelte Batuti, „Insel sein vielleicht von große Zauber verhext und alle weg.“

Niemand hatte eine andere Erklärung.

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