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Masir und der Angriff der Drachenartigen

Pyron und Azan waren nach ihrer kurzen Rast in dem Dorf Wasur bereitwillig zwei Tage durchgeritten, um so schnell als möglich in Masir und zu der Elfenartigen zu gelangen. Mit Azan auf der folgsamen Stute, Pyron auf dem strammen Hengst war die Reise nicht anstrengender, als sie hätte sein müssen, doch kurz vor Masir fingen die Rösser empfindsam zu lahmen an, zu bocken. Zu ihrer Ankunft während der Abenddämmerung in Masir ungeheuer erschöpft, waren die Brüder heilfroh, ihr vorläufiges Ziel erreicht zu haben. Schon Stunden vor der Ortschaft waren düster Nebelschwaden an diesem noch wenige Momente vorher schönen Tag des frühen Herbstes über das Land gekrochen.

Die Stadt Masir war größer als Wasur, auch meinte der Drachenartige, hier und da noch ein nicht erloschenes Licht zu erblicken. Die zwei trieben ihre Pferde bis zum Marktplatz, zäumten ab und noch während Pyron die Stute und den Hengst notdürftig mit getrocknetem Obst und Wasser aus seinem Schlauch versorgte, formulierte er sich gegenüber dem blinden Azan; des Verwandelten Stimme war vor Erschöpfung etwas heiser: „Hier sind wir also, in Masir, der Stadt, dem Ort mit der besagten sehr wichtigen Elfenartigen Anna. Ich schlage vor, dass wir vorerst die Rösser und uns versorgen, eine geruhsame Nacht rasten, um uns zu stärken, bevor wir uns dann auf den Weg machen, sie zu finden. Oder widerspricht eine deiner Sichtungen diesbezüglich?“

Zuerst schwieg Azan teilnahmslos, dann schüttelte er den Kopf, er seufzte etwas, dann sprach er: „Nein, mein Bruder, seit heute Morgen habe ich keinerlei Sichtung mehr empfangen – gar nichts. Vielleicht …“, wollte Azan fortfahren, doch er wurde zügig von seinem Bruder Pyron bereits ergänzt: „ … liegt es an dem magischen Schutz, welcher die Elfenartige umgibt, oder die Götter und Göttinnen haben uns eben nichts Wichtigeres mitzuteilen. Nur zu schade, dass wir uns nicht früher mit magischen Belangen befasst haben und uns demzufolge nicht wirklich mit so was auskennen.“ Azan zuckte ungerührt mit den Achseln.

Mittlerweile war es bereits Nacht und trotzdem konnte Pyron alles hervorragend erkennen – die Pferde hatten sich bereits todmüde zum Schlafen gelegt, ihr warmer Atem kondensierte in der kühlen Luft. Auch dem Verwandelten war die Erschöpfung trotz seiner starken Fassade und seiner Haut aus Schuppen anzusehen. Pyron unterbrach den Moment der Stille: „Verweile hier, Azan – ich suche, uns derweil mit einer Bleibe und die Pferde mit dem Notwendigen zu versorgen.“

Nach wie vor zeigte sich Azan ungewohnt schweigsam. Während sein Bruder sich daranmachte, sich auf den Weg zu begeben, streichelte der Geblendete abwechselnd seine Stute und den Hengst Pyrons. Dieser zog seinen Mantel enger, tastete nach dem mitgeführten Beutel mit den Silberlingen und schon brach er auf zur Suche nach einer angemessenen Bleibe für sie während der Nacht bis zum Morgen. Unterweil der Drachenartige in seinem schlabbrigen, gebundenen Mantel unterwegs war, lehnte sich Azan gegen die seine Stute, welche wie der Hengst bereits lag, genoss die in der kühlen Luft dampfende Wärme des Körpers des Tieres. Der Seher sann fortwährend nach und wie er dieses tat, überkam ihn mit der Wartezeit der Schlaf, in welchem er rege zu träumen begann. Ja, seine Erschöpfung war wirklich groß gewesen.

In den dunklen, nur schwach beleuchteten Straßen von Masir wurde Pyron auf seiner Suche relativ rasch fündig; die Taverne „Zum lachenden Elfen“ schien auf die Bedürfnisse der Brüder und ihrer Pferde zurechtgeschnitten. Nachdem er mit dem dicken Wirt, einem Menschen, der sich über den merkwürdigen Gast zu dieser Zeit offensichtlich nicht wunderte, verhandelte, beschloss der Drachenartige, noch etwas die Pfade der Stadt zu erforschen – erst dann machte Pyron kehrt, selbst sehr erschöpft. Nicht lange und der Verwandelte fand zu seinem tief und fest schlafenden Bruder zurück – er und die Rösser waren glücklicherweise unbehelligt geblieben – und beide machten Einkehr.

Mit dem sonnenbeschienenen Anbruch des nächsten Tages, Pyron und Azan hatten sich und die Pferde gerade ein weiteres Mal mit dem Nötigen versorgt – die Brüder befanden sich in ihrem Quartier in der Taverne –, folgte ihre Lagebesprechung: „Ich werde mich abermals auf die Suche nach Anna machen. Ich vermute, dass es hier nicht allzu viele Elfenartige und Elfen hat, und auch wenn die Stadt recht groß ist, vertraue ich darauf, dass ich fündig werde. Wie du mir bereits zuvor – anlässlich deines nächtlichen Traumes – zugetan, vermutest du, dass sie sich unter dem bettelnden Volk aufhält?“, frug Pyron Azan. Dem starken Verwandelten war die Sorge in seiner Stimme um seinen geblendeten Bruder anzuhören; hatte er jedoch wegen seiner Veränderung weniger Grund, sich zu sorgen?

Beide hatten sie gerade ihr erstes Mahl beendet, der Blinde strich sich die Brotkrümel aus den Mundwinkeln, dann entgegnete er seinem Bruder und der zu erkennenden Besorgnis: „So ist es – ich sah sie unter den Armen Masirs. Ich werde die Gelegenheit zu einer weiteren Rast nutzen; ich werde schon allein zurechtkommen.“

Irgendwie verschmitzt lächelte Azan seinen Bruder Pyron an. Dieser legte ihm seine rechte Hand auf die Schulter, drückte diese in der Absicht, Trost zu stiften. Sowohl in Azan als auch in dem Ältesten der drei keimte der Schmerz über Hyrus’ Verlust, fraß sich Gänge – ebenso die Sorge um Auroria.

Pyron verließ den Gasthof „Zum lachenden Elfen“, trat hinaus in die vom Morgentau bedeckten Straßen und Wege, atmete tief die kühle Luft des erstarkenden Tages und mit einem letzten Blick zurück begab er sich in Richtung des Zentrums von Masir.

„Es wird wohl eine Zeit lang dauern …“, murmelte er, während seine Zunge nach wie vor aus seiner krokodilsartigen Schnauze zückte. Pyron war versunken in Gedanken bei der Elfenartigen, von der er lediglich eine vage Vorstellung hatte, wie sie aussah. Rings um die Gebäude und Gemäuer von Masir fing es an sich zu füllen, erste Kaufleute und Handeltreibende – der eine mehr, der andere weniger mit Gepäck beladen – waren zu sichten. In Erinnerung an den gestrigen Abend, die erste Begegnung mit dieser Örtlichkeit und seinen bis dahin verbliebenen Eindruck beschloss Pyron, dass er sich ohne Umwege zum nicht weit entfernt gelegenen Marktplatz begebe, um dort seine Suche nach der unbekannten Anna von Seron zu beginnen. Der Drachenartige war leicht missmutig, er hatte keinen direkten Ansatzpunkt für seine Suche, außerdem fürchtete er um die Elfenartige und somit zeitgleich um Hyrus … und Auroria, da Anna, laut Azans Worten, der Schlüssel sei. Es mag sein, dass Anna auf der Flucht ist und in Gefahr schwebt, auch ist es bestimmt töricht, mich nach ihr zu erkundigen. Dennoch darf ich keine Möglichkeit ungeachtet lassen … Pyron entsann sich dessen, dass sich die Elfenartige womöglich unter dem bettelnden Gesinde aufhielt – und mit Sicherheit war ein solches Geschöpf leicht von den Menschen zu unterscheiden.

Auch wenn es einige Zeit dauern sollte, fand der Verwandelte tatsächlich schließlich, wonach er gesucht hatte: Auf dem Marktplatz der Stadt trieb sich allerlei verschiedenes Volk herum, eben auch viele Bettelnde. Pyron hatte beständig darauf geachtet, dass sein Gesicht verborgen war, und auch, dass seine Hände nicht so leicht und sofort zu erkennen waren. Weil sich Anna von Seron nicht unter den Armen zum Markte befand, gab er hier und da einen Silberling, erkundigte sich bei einem nach Almosen langenden Mann und einer Alten vorsichtig nach Anna und doch, obwohl ihm niemand und keine helfen konnte oder mochte, sein Glück war ihm hold: Schon war es Mittagszeit und während Pyrons Magen bereits empfindsam knurrte, beschloss dieser, die Suche dennoch eine Zeit lang fortzusetzen, sich erst dann zu seinem Bruder in den Gasthof zurückzubegeben.

Wie der Drachenartige unweit des Marktplatzes in einer abgelegenen, dunklen Gasse angekommen war, kam Pyron zu dem Schluss, es für jetzt bleiben zu lassen, doch just fiel sein Augenmerk auf eine in der Ecke kauernde, vermeintlich alte Bettelfrau. Unbehelligt befand sie sich inmitten einer Traube an Freudenmädchen, welche dort in der Abgeschiedenheit vom Trubel ihre zwielichtigen Dienste feilboten, und der Verwandelte empfand Mitgefühl mit ihr. Gerade, dass er sich behände zu der scheinbar bejahrten Frau begab, um ihr einen Silberling zuzustecken und gegebenenfalls bei ihr sein Glück auf seiner Suche nach der Elfenartigen auszulasten, unterdessen ihn, den Bemäntelten, die Freudenmädchen mit flotten Sprüchen zu gewinnen versuchten, da signalisierten Pyrons Sinne ihm Gefahr und er hielt inne. Der Drachenartige ignorierte das ihn umgebende Gesinde und ihre offenkundigen Bestrebungen und richtete seine Aufmerksamkeit abermals auf das Mütterlein am Ende der Gasse. Hatten seine Augen ihm ein Trugbild aufgesetzt? Die Freudenmädchen waren nach und nach mit ihren Sprüchen verstummt, einige hatten sich zum Teil beim Näherkommen des Drachenmanns angewidert abgewandt, da kam auf einmal Bewegung in die Bettlerin – und sie war in der Tat kein altes Weib. Die Elfenartige erhob sich langsam und Pyron musste feststellen, dass es sich bei ihr um keinen Fall um eine einfache Alte handelte, nein, denn kurz lugten ihre langen, spitzen Ohren unter der schmierigen Kapuze hervor. War dieses Geschöpf die besagte Anna von Seron?

Noch immer spielten seine Sinne verrückt, zeichneten ihm weiterhin Gefahr, und zugleich der Drachenartige meinte, dass die Bettlerin seine Absicht, zu ihr zu gelangen, erkenne, da beschloss dieser, mit offenen Karten zu spielen: Hastig entblößte Pyron sein großes Haupt, indem er seines Mantels Kapuze herunterzog, gab sich zu erkennen – und fing an sich zu sputen. Offensichtlich jedoch scheute sie nicht vor ihm, und während er sah, wie die Elfenartige, von der der Verwandelte vermutete, dass diese Anna von Seron war, sich schickte, sich davonzumachen, bemerkte er, dass er ihre geringste Sorge zu sein schien. An den Hauswänden der Gasse über ihnen krochen gegen das Licht der Sonne schwer zu erkennende, schwarze Schatten entlang, kamen langsam, bedrohlich näher und weiter hinab in das Gasseninnere. In seiner Verzweiflung und Absicht, der Elfenartigen zu helfen, rief er der Bettlerin, welche gerade zu flüchten im Begriffe war, zu: „Mein Name ist Pyron! Ich beabsichtige nicht, dir zu schaden!“

Kurz meinte er zu erkennen, wie die Aufgestandene und sich jetzt zügig Entfernende – Pyron war sich nun gewiss, dass es sich bei ihr um die Gesuchte handelte – kurz stockte und zögerte, sich nach ihm wandte, doch im Angesichte dessen, was die sich bewegenden Schatten, die immer näher kamen, offenbarten, fürchtete er sich augenblicklich selbst: Verwandelte wie ich??, schoss es Pyron fassungslos durch seinen Schäde und wie er die Schatten aus sich verringernder Entfernung betrachten konnte, stellte sich seine Vermutung als tatsächlich wahr heraus: Es waren vier Drachenartige, womöglich Verwandelte wie er, jedoch von einer dunkleren Farbe ihrer Schuppen, und diese machten sich die Fassaden der ihn umgebenden Gebäude kopfüber hinab.

Ich darf diese Frau auf keinen Fall aus den Augen verlieren!, pochte es in ihm und schon beeilte er sich in die Richtung der Flüchtigen. Doch gerade, dass er die ersten Schritte in Richtung der ihm nach wie vor Unbekannten gesetzt hatte, da die Verwandelten längst zum Sprung auf den Gassenboden ansetzten, vernahm der Älteste der drei Brüder eine Stimme. Offensichtlich kommunizierte die fremde Schöne via Telepathie und klar und von freundlichem Klang war ihre Botschaft: „Ja, ich bin Anna von Seron, doch lauf, wenn dir dein Leben lieb ist! Ich komme allein zurecht!“

Pyron kannte das Gerücht und die landläufige Meinung, dass Elfen und vielleicht auch ihre Verwandten, die Elfenartigen, zur Gedankenübertragung befähigt wären, doch jetzt hatte er Wichtigeres zu schaffen, als sich darum zu kümmern, und er rief hastig und lautstark nach der jetzt rennenden Frau: „Anna von Seron! Ich will Euch helfen!“

Flüchtend entblößte sie dadurch ihr Haupt, dass sie ihre schmierige Kapuze herunterzog, wandte sich für einen Sekundenbruchteil nach dem Drachenartigen um und dieser erhaschte kurz einen Blick auf Annas bildhübsches Gesicht.

„Lass ab von mir! Ich komme allein zurecht!“, vernahm er abermals die helle und jetzt nicht mehr ganz so freundliche Stimme, jedoch hatte die Elfenartige ihm dieses Mal die Worte unvermittelt zugerufen.

Unter den Freudenmädchen, unter denjenigen, welchen gewahr wurde, dass über ihnen befremdliche Wesen zum Sprung auf den Gassenboden ansetzten, brach ein fürchterliches Gekreische aus. Anna von Seron, gerade noch fünfzehn Schritte von Pyron entfernt, war um die nächste Ecke gebogen, hinter ihr verschwunden, da vernahm der Drachenartige die Geräusche von hoch oben auf hartem Grund auftreffenden Körpern: Direkt vor ihm landeten zwei der anderen Verwandelten, wiederum zwei weitere dicht hinter ihm. Nun war es so weit, dass Pyrons Sinne bis zum Bersten gespannt waren, und sich hastig nach einer Fluchtmöglichkeit umblickend, wurde sich Pyron mit Entsetzen eines gewahr; vor Furcht schauderte es ihn: Ich bin kein Kämpfer! Wie um alles in der Welt soll ich gegen diese vier bestehen?

Er drehte und wandte sich im Kreise seiner Feinde, bis Pyron möglicherweise unbewusst, vielleicht aber seiner Veränderung wegen ein mittelgroßes Fass in unmittelbarer Reichweite ergriff, es erhob und dieses auf die zwei Drachenartigen vor ihm warf. Rasch drehte der Verwandelte sich, einen letzten Blick in Richtung der fliehenden Elfenartigen Anna von Seron erhaschend, und blindlings hieb er dann mit seinen Pranken nach den zwei Angreifern hinter ihm.

Überraschend ließen die vier allesamt von ihm ab, verschwanden einfach. Zwei von ihnen rannten die Gasse hinauf, weg von der flüchtenden Anna, welche nun endgültig aus Pyrons Blickfeld verschwunden war. Die beiden anderen stahlen sich den Weg hinfort, welchen sie hergekommen waren: Blitzschnell sprangen die beiden Verwandelten die Fassaden entlang, hinauf auf die Pyron umgebenden Dächer der Stadt Masir. Unter den Freudenmädchen, welche noch nicht im Angesichte des gerade stattgefundenen Kampfes die Flucht ergriffen hatten, herrschte ein heilloses Durcheinander, sie versperrten dem Drachenartigen unwillkürlich den Weg zu Anna. Achtlos schubste er die Frauen beiseite, wischte sich vor Erleichterung darüber, dass die vorherige Kampfessituation so glimpflich für ihn verlaufen war, den Schweiß von der geschuppten Stirn. Des Verwandelten Zunge zückte vor Aufregung nun noch viel hastiger hin und her und während dieser sich hinter Anna von Seron sputete, drehte er sich noch einmal um, sich vergewissernd, dass er nicht verfolgt würde, und stürmte das sich ihm eröffnende verwinkelte Geflecht der seitlichen Gassen Masirs entlang.

Ich muss lernen, mich auf meine neuen Sinne zu verlassen – vorher haben sie mich auch nicht verraten, dachte er, während es ihn wähnte, dass er einen feinen Geruch wahrnahm, ihn wiedererkannte – wie zuvor, eben in der Gasse, bevor er auf Anna gestoßen war. Pyron wusste jetzt nicht, wo sich die Elfenartige aufhielt oder wohin sie verschwunden war. Er hielt einen Verweilmoment inne, schloss die Augen und konzentrierte sich, dann sog er die Luft der Umgebung tief durch seine Nüstern, doch: Die Antwort darauf, wo sich Anna womöglich aufhalte oder wie er sie finde, kam von allein: „Wer seid Ihr und was wollt Ihr von mir?!“, hörte Pyron erneut die lichte Stimme in seinem Haupt zu ihm sprechen.

„Fräulein von Seron? Seid Ihr es, Anna von Seron?“, erwiderte Pyron in das Nichts vor ihm, unterdessen gähnende Leere die Gasse vor ihm zeichnete, und nicht einmal ein einziger Mensch, geschweige denn ein Elf oder Zwerg, zu sehen war.

„Ich habe Euch doch schon einmal mitgeteilt, dass ich gut auf mich selbst aufpassen kann!“

Erschrocken drehte sich Pyron um, er fühlte durch einen Atemhauch, dass Anna – oder wer auch immer – hinter ihm aufgetaucht war, und der Drachenmann drehte sich kampfbereit um.

„So seid Ihr mir keine Hilfe!“, sprach die Elfenartige hinter ihm, welche Pyron, nur eine knappe Armlänge von ihm entfernt, eine kurze Klinge direkt unterhalb seiner Schnauze an die Kehle hielt. Stocksteif hielt er inne, mit so einer Begegnung hatte er in der Tat nicht gerechnet. Doch kein Angriff folgte und auch keine Beleidigung, lediglich ein fragender Blick war der hübschen Frau mit dem dreckigen Gesicht unter der Kapuze zu entnehmen. Sich für seine Unvorsichtigkeit mahnend, versuchte Pyron ein Gespräch zu eröffnen, doch das Seine „Verzeiht bitte!“ wurde von einer harschen Gestik Anna von Serons unterbrochen, sie deutete ihm zu schweigen.

„Sprecht! Wer seid Ihr, seid Ihr von Sinnen? Seid Ihr einer von denen?“, platzte es unvermutet aus der blondhaarigen und schmutzigen Maid hervor – und in Erinnerung an den Angriff der Bestien zuvor, schwang Verachtung in ihren Worten mit.

Wie er bemerkte, dass sie eine Antwort erwartete, holte Pyron tief Luft, versuchte sich zu fassen: „Mein Name ist Pyron – ich bin eben auf der Suche nach der Elfenartigen Anna von Seron – Euch! Meine Brüder und ich benötigen Eure Hilfe.“

Verblüfft schaute die Frau ihn an, zögerte kurz, und da ergänzte sich der Drachenartige: „Verzeiht bitte, weder wollte ich Euch erschrecken noch etwas anhaben.“

Die Elfenartige schwieg für die Weile weniger Atemzüge und fasziniert schaute Pyron die junge Anna von Seron an. Er bemerkte, dass sie ihr langes Haar zu einem kunstvollen Zopf geflochten hatte. Wie Anna von Seron nun mahnend ihre Brauen hob, packte sie den Dolch beiseite und sprach mit unterdrückter Wut in der Stimme: „Ich glaube Euch und abermals, ja, mein Name ist Anna von Seron. Doch kümmert Euch um Eure Belange. Ich kann nichts für Euch tun.“ Der Drachenartige vergaß für einen Augenblick das ihn Umgebende und schon machte die Edelblütige auf behändem Fuße kehrt, ward im Begriffe, die Gasse hinab zu verschwinden. Pyron ergriff Anna behutsam am linken Arm, danach strebend, diese festzuhalten und daran zu hindern, zu verschwinden – da begriff er, dass er vermutlich einen Fehler gemacht hatte: Flink griff sie mit ihrer rechten Hand unter ihren Mantel, zückte wieder mal die kunstvoll verzierte, silberfarbene Klinge, hielt sie dem Verwandelten, dem Drachenartigen direkt abermals unter die Kehle.

„Hütet Euch davor, mir nachzustellen!“, sprach sie fest in diesem Moment, und da geschah es: Wie aus heiterem Himmel tauchten die vier anderen Drachenartigen, die Verwandelten, woher auch immer sie kamen, in der Gasse vor und hinter ihnen auf – ein Hinterhalt!

„Verflucht seien Serktat und dessen Umtriebe!“, rief ihnen Anna entgegen und machte sich wie zuvor daran zu flüchten, doch es war bereits zu spät: Von vier dem verwandelten Pyron mindestens ebenbürtigen Feinden umzingelt, verblieb Anna von Seron keine andere Wahl, als just bei Pyron zu verbleiben. Rücken an Rücken standen die zwei augenblicklich da, Anna mit ihrer Klinge in der rechten Hand, Pyron mit seinen zum Kampfe geformten Pranken, bereit, aufs Erbittertste zu kämpfen.

„Haltet Euch an mich! Ich beschütze Euch, koste es, was es wolle!“, hieß er Anna von Seron und dann war es auch schon an seiner Stelle, den Angriff zu beginnen. Fast im Zornesrausche stürmte Pyron mit lautem Gebrüll auf den Angreifer zu seiner Linken, hieb mit seinen Klauen nach diesem, zog tiefe Furchen über dessen baren Brustkorb. Sehr schnell wendete er sich zu dem Angreifer zu seiner Rechten, sprang mit nahezu all der ihm innewohnenden Kraft auf ihn zu, einen letzten Blick zu Anna werfend. Während dieser Verwandelte aber geschickt auswich, gelang es der sehnigen Anna, einem weiteren der angreifenden Drachenartigen die Klinge, der Beschaffenheit nach ähnlich einem Kurzschwert, bis zum Heft in den Bauch hineinzustoßen; dieser Feind brach lautlos tot zusammen. Gegenwärtig hatte sich der Verwandelte mit den Furchen auf seiner Brust erholt, Pyron war bereits in einen Ringkampf mit dem Feind verwickelt, welchen er zuvor angesprungen und verfehlt hatte, da hörte er die in Lumpen gekleidete Anna von Seron schreien: „Helft mir, Pyron!“

Aggressive Knurrlaute waren zu hören und mit einer ihm unbekannten Rage biss Pyron seinen Gegner, der gerade im Begriffe gewesen, Selbiges zu unternehmen, und zwar so tief und fest in dessen linken Arm, dass dieser allein noch von der geschuppten Haut gehalten wurde. Und wie mit einem entsetzlichen Ahnungsschauer zu vergleichen, wurde Pyron gewahr, dass er den Geschmack von Blut liebte … Es war in der Tat ein entsetzlicher Schmerzenslaut, den der Besiegte von sich gab, der Schrei wurde durch den Wind hindurch über die Dächer Masirs getragen, verscheuchte die restlichen Tauben hoch über den Kämpfenden auf den Giebeln der Dächer.

Zwei der üblen Lakaien waren noch kampfbereit und Anna von Seron erwehrte sich tapfer mit Händen und Füßen einem der Verbliebenen, welcher sie niedergerungen hatte und sich anschickte, sie zu töten. Die Elfenartige in derartiger Notlage zu erblicken, ließ Pyron für einen Moment sein Leben und den nun flüchtenden Einarmigen vergessen, erweckte in ihm die Bereitschaft, sich für diese bildhübsche Maid zu opfern. Langsam wurde Pyron sich seiner neuen Kräfte bewusst und er kämpfte wie ein Verderber. Momentan hatte er zum Sprung angesetzt, um denjenigen Drachenartigen zu erreichen, der über Anna war: Doch griff der Verletzte – jener mit der tiefen Fleischwunde durch Pyrons Pranke auf der Brust – nach ihm und fasste ihn durch seinen Mantel hindurch fest an seinen Beinen. Pyron war nun auf allen vieren und strampelte hektisch mit seinen Beinen, und weil er zu Boden gerissen ward, klammerte er sich mit seinen Krallen in den steinigen Untergrund. In der Hoffnung, die lebensbedrohende Gefahr von der Edelblütigen abwenden zu können, griff er den Drachenartigen über ihr selbst an einem Bein und zog daran in der Absicht, Anna von Seron dadurch Luft zu verschaffen. Noch immer kreischte sie um Hilfe, doch waren sie tatsächlich auf sich allein gestellt, hier in der Gasse.

In seiner bitteren Not tastete Pyron blindlings nach irgendeinem Gegenstand, erwischte etwas Scharfkantiges, schnitt sich daran, ließ jedoch nicht davon ab: Zu seiner Verblüffung handelte es sich dabei um Annas Kurzschwert, mit welchem sie zuvor ihren Feind niederstreckte, und Pyron umklammerte den Stahl, wandte sich zu dem nach ihm greifenden Drachenartigen um und stach todesmutig zu. Er traf ihn in seinen dunkel geschuppten Hals und abermals ertönte ein furchtbares Geheul, während ein weiterer Drachenartiger verschied.

Pyron schubste den auf ihm liegenden Getöteten schnellstmöglich von sich runter, drehte sich zu der Elfenartigen und ihrem Peiniger – von demjenigen, welchen Pyron zuvor gebissen hatte, fehlte jede Spur. Anna von Seron hatte es gerade geschafft, der verwandelten Bestie über ihr einen Tritt gegen das Haupt mitzugeben, hatte sich für einen Moment freien Atem verschafft, und flink sprang Pyron auf diese, verwandte den Dolch der Elfenartigen und stieß ihn dem Monstrum in die Seite. Zum letzten Mal an diesem Nachmittag ertönte der Laut einer solchen Kreatur in ihrem Todeskampf und Pyron bot der blondhaarigen Schönheit, nachdem er sich stoßweise atmend Luft verschafft hatte, seine Pranke, verhalf Anna von Seron keuchend auf die Beine.

Mit der ihren Hand in der seinen versuchte der Drachenmann Pyron zu Worten zu kommen, wollte sich nach ihrem Befinden erkunden, doch war sein Atem zu knapp bemessen – und die keuchende Frau deutete ihm, zu schweigen: „Vielen Dank für Eure Hilfe, werter Fremder – Pyron, ich hätte nicht erwartet, dass Ihr gegen Eure eigene Art zu bestehen, zu kämpfen bereit seid“, sprach sie sichtlich erleichtert.

Pyron lockerte den Griff um ihre Hand, welche er noch immer hielt, versuchte sich zu formulieren, stockte, sagte dann aber: „Mein geblendeter Bruder Azan und ich, wir kennen Euch, holde Maid, aus dessen Sehungen. Ich weiß, dass Ihr auf der Flucht, dass Ihr äußerst kostbar seid und wir auf Eure Hilfe angewiesen sind!“

Weiter kam er vorerst nicht, denn Anna mit den spitzen Ohren küsste den hässlichen Pyron, dessen Zunge nach wie vor unkontrollierbar hin und her zuckte, auf die Wange und fuhr fort: „Führt mich zu ihm!“

Wie sie sich auf den Weg machten, starrte Pyron mit einem letzten Blick voller Ehrfurcht und Abscheu auf die Kadaver der getöteten Verwandelten. Wenig später erreichten sie das gemeinsame Quartier und während der geblendete Azan das Gesicht von Anna betastete, hin und wieder befremdlich nickte, so als würde er etwas, das nur er verstünde, bestätigt sehen, versuchte Pyron erneut, sich für die vorangegangenen Missverständnisse zu rechtfertigen.

Doch die elfenartige Frau mahnte ihn ab: „Ich weiß bereits, wer Ihr seid und was es mit Euch zu schaffen hat. Doch kannte ich nicht Euer wahres Aussehen in Gänze, war verunsichert, wollte im Angesichte der Bedrohung kein Risiko eingehenden. Gerne werde ich Euch helfen, Euren Bruder zu erlösen, den Plan und die Absichten der Gottheiten zu erfüllen, Euch beistehen. Doch falls Ihr mir einen Wunsch gestattet“, die immer noch jugendliche Anna lächelte keck, „werde ich Euer vormaliges Hilfeangebot nicht ausschlagen und mich gerne an Rast, Erfrischung und Nahrung erfreuen.“

Die beiden Brüder nickten einvernehmlich.

Dass man Elfen und Elfenartigen ihr Alter ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr ansehen kann, sinnierte Pyron verträumt, dann nickte er wieder zur Bestätigung und wandte sich fragend an seinen Bruder: „Azan, weißt du etwas Neues?“

Dieser wog nachdenklich seinen Kopf, dann verneinte er, schüttelte sein Haupt: „Nein, aber so, wie die Umstände beschaffen sind, sollten wir uns alsbald auf den Weg zu dem Verbannten der Gottheiten, Lamag, machen. Er wird uns Weiteres weisen können.“

Noch während sie ins Bad verschwand, rief Anna von Seron zu ihnen herüber: „Ich habe schon einmal von ihm gehört! Ihr werdet meine Hilfe benötigen, wollt Ihr zügig zu ihm gelangen!“

Erfreut strich Pyron seinem geblendeten Bruder mit seiner Pranke über das Haupt.

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Дата выхода на Литрес:
22 декабря 2023
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330 стр. 1 иллюстрация
ISBN:
9783960082002
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