Читать книгу: «Honoré de Balzac – Gesammelte Werke», страница 6

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Ob­wohl die­se Phra­sen durch be­red­te Pau­sen un­ter­bro­chen und wie Ku­geln ab­ge­schos­sen wur­den, wie es von all de­nen ge­schieht, die sich in die Brust wer­fen, um ih­ren Geg­ner zu be­schul­di­gen, drück­ten sie doch gleich­zei­tig eine so tie­fe, so un­er­schüt­ter­li­che Zu­nei­gung aus, daß sich Frau Bi­rot­teau im In­ners­ten be­wegt fühl­te; aber wie alle Frau­en be­nütz­te sie die Lie­be, die sie ein­flö­ßte, um die Sa­che zu ih­ren Guns­ten zu ent­schei­den.

»Nun also, Bi­rot­teau,« sag­te sie, »dann laß mich doch auf mei­ne Wei­se glück­lich wer­den. We­der du noch ich ha­ben eine Er­zie­hung ge­nos­sen, wir kön­nen we­der uns un­ter­hal­ten noch einen Die­ner ma­chen, wie die Leu­te der fei­nen Ge­sell­schaft: und wie sol­len wir da in ei­ner öf­fent­li­chen Stel­lung Er­folg ha­ben? Und ich, ich wür­de so glück­lich in Tré­so­rières sein! Im­mer habe ich die Tie­re und die klei­nen Vö­gel gern ge­habt, und ich wür­de so gern mein Le­ben da­mit ver­brin­gen, für die Hüh­ner zu sor­gen und eine Land­frau zu sein. Wir wol­len un­ser Ge­schäft ver­kau­fen, Cäsa­ri­ne ver­hei­ra­ten und du laß dei­nen Grö­ßen­wahn fah­ren. Wir wer­den den Win­ter in Pa­ris le­ben, bei un­serm Schwie­ger­sohn, wir wer­den so glück­lich sein, und nichts, was in der Po­li­tik oder im Han­del pas­siert, wird uns­re Le­bens­wei­se be­ein­flus­sen kön­nen. Wa­rum wol­len wir denn die an­dern tot ma­chen? Ge­nügt un­ser jet­zi­ges Ver­mö­gen nicht für uns? Wenn du Mil­lio­när sein wirst, kannst du dann zwei­mal Mit­tag­brot es­sen? Wünschst du dir noch eine an­de­re Frau als mich? Denk doch an mei­nen On­kel Pil­ler­ault! Der hat sich ver­stän­di­ger­wei­se mit sei­nem klei­nen Ver­mö­gen be­gnügt und ver­bringt sein Le­ben da­mit, an­dern Gu­tes zu tun. Braucht der etwa schö­ne Mö­bel? Na­tür­lich hast du schon die Mö­bel für mich be­stellt: ich habe Bra­schon hier ge­se­hen, und er ist si­cher nicht her­ge­kom­men, um Par­füms zu kau­fen.«

»Ja­wohl, mein Herz, dei­ne Mö­bel sind schon be­stellt und mit den Ar­bei­ten hier wird mor­gen an­ge­fan­gen; ge­lei­tet wer­den sie von ei­nem Archi­tek­ten, den mir Herr von La Bil­lar­diè­re emp­foh­len hat.«

»Mein Gott,« rief sie aus, »er­bar­me dich un­ser!«

»Aber so sei doch ver­nünf­tig, lie­bes Kind. Willst du dich denn mit sie­ben­und­drei­ßig Jah­ren, so frisch und hübsch, wie du bist, in Chi­non be­gra­ben? Ich bin ja auch erst, Gott­lob, neun­und­drei­ßig. Das Glück er­öff­net mir eine neue Lauf­bahn, soll ich sie nicht be­tre­ten? Wenn ich mich hier mit der ge­bo­te­nen Vor­sicht be­we­ge, dann kann ich ein Haus be­grün­den, das un­ter der Pa­ri­ser Bour­geoi­sie eh­ren­voll ge­nannt wird, wie das frü­her ge­sche­hen ist; dann kann ich die Bi­rot­te­aus be­grün­den, wie es die Kel­lers gibt, die Ju­les Des­ma­rets, die Ro­gu­ins, die Guil­lau­mes, die Le­bas, die Nu­cin­gens, die Sail­lards, die Po­pi­nots, die Ma­ti­fats, die in ih­rem Vier­tel et­was be­deu­ten oder be­deu­tet ha­ben. Und wenn noch die­se Sa­che nicht so si­cher wie Gold wäre …«

»Si­cher?«

»Ja­wohl, si­cher. Seit zwei Mo­na­ten habe ich es mir aus­ge­rech­net. Ohne daß je­mand et­was ge­merkt hat, habe ich über die Bau­ten im Stadt­hau­se und bei den Archi­tek­ten und Un­ter­neh­mern Er­kun­di­gun­gen ein­ge­zo­gen. Herr Grin­dot, der jun­ge Archi­tekt, der un­se­re Woh­nung um­än­dern soll, ist un­glück­lich, daß ihm das Geld fehlt, um sich an un­se­rer Spe­ku­la­ti­on zu be­tei­li­gen.«

»Weil er die Bau­ten aus­füh­ren will, des­halb drängt er euch dazu und will euch aus­nut­zen.«

»Las­sen sich Leu­te wie Pil­ler­ault, Karl Cla­paron und Ro­guin aus­nut­zen? Nein, der Ge­winn ist so si­cher wie bei der Sul­tan­in­nen-Pas­te.«

»Aber, Liebs­ter, was hat Ro­guin denn nö­tig, zu spe­ku­lie­ren, wenn er auf sein No­ta­ri­at nichts mehr schul­dig ist und ein Ver­mö­gen ge­macht hat? Ich sehe ihn manch­mal vor­bei­ge­hen, sor­gen­vol­ler als ein Staats­mi­nis­ter, mit et­was Ver­steck­tem in sei­nem Blick, was mir nicht ge­fällt; als ob er Sor­gen ver­ber­gen woll­te. Seit fünf Jah­ren hat er ein Ge­sicht wie ein al­ter Bumm­ler be­kom­men. Wer sagt dir, ob er nicht aus­rückt, wenn er euer Geld in der Ta­sche hat? So was ist schon vor­ge­kom­men. Ken­nen wir ihn denn wirk­lich ge­nau? Mag er sich im­mer seit fünf­zehn Jah­ren un­sern Freund nen­nen, ich möch­te nicht mei­ne Hand für ihn ins Feu­er le­gen. Den­ke dar­an, daß er eine Stin­kna­se hat und nicht mit sei­ner Frau zu­sam­men­lebt; si­cher hat er Mätres­sen, die ihn rui­nie­ren; ich kann mir kei­nen an­dern Grund für sei­ne trüb­se­li­ge Mie­ne den­ken. Wenn ich beim An­klei­den durch die Gar­di­nen gu­cke, sehe ich ihn mor­gens zu Fuß nach Hau­se gehn; nie­mand weiß, wo er da her­kommt. Ich habe den Ein­druck, daß er noch einen zwei­ten Haus­halt führt, er be­zahlt einen und sei­ne Frau einen. Ist das ein Le­ben, wie es sonst ein No­tar führt? Wenn man fünf­zig­tau­send Fran­ken ein­nimmt und sech­zig­tau­send aus­gibt, dann ist das Ver­mö­gen in zwan­zig Jah­ren auf­ge­braucht und man steht nackt da wie ein neu­ge­bo­re­nes Kind; weil man aber dar­an ge­wöhnt ist, groß auf­zu­tre­ten, plün­dert man ohne Er­bar­men sei­ne Freun­de aus; je­der ist sich selbst der Nächs­te. Er ist in­tim mit dem klei­nen du Til­let, die­sem Lum­pen, un­serm frü­he­ren Kom­mis; mir ahnt nichts Gu­tes bei die­ser Freund­schaft. Wenn er sich über du Til­let nicht klar ist, dann muß er sehr blind sein; wenn er es aber ist, warum ist er so ver­traut mit ihm? Du wirst mir ant­wor­ten, daß sei­ne Frau du Til­let liebt. Nun, ich hal­te nichts von ei­nem Man­ne, der in be­zug auf sei­ne Frau kein Ehr­ge­fühl hat. Und schließ­lich, sind die jet­zi­gen Be­sit­zer die­ser Ter­rains wirk­lich so dumm, daß sie für hun­dert Sous her­ge­ben, was hun­dert Fran­ken wert ist? Wenn dir ein Kind be­geg­net, das nicht weiß, wie­viel ein Louis­dor wert ist, wirst du ihm nicht sa­gen, wie­viel er gilt? Eure Sa­che kommt mir, ohne euch be­lei­di­gen zu wol­len, wie ein Schwin­del vor.«

»Mein Gott, wie ko­misch seid ihr Wei­ber manch­mal, und wie bringt ihr alle Ge­dan­ken durch­ein­an­der! Wenn ein Ro­guin nicht bei der Sa­che be­tei­ligt wäre, dann wür­dest du sa­gen: du willst dich auf et­was ein­las­sen, Cäsar, wo Ro­guin nicht da­bei ist? dann ist die Sa­che nichts wert. Jetzt tritt er da­bei als Ga­rant auf, und nun sagst du …«

»Ich den­ke, das ist Herr Cla­paron?«

»Aber ein No­tar kann doch nicht mit sei­nem Na­men bei ei­nem Spe­ku­la­ti­ons­ge­schäft her­vor­tre­ten.«

»Wes­halb macht er denn dann et­was, was das Ge­setz ver­bie­tet? Was denkst du denn dar­über, du, der du doch im­mer nur nach dem Ge­set­ze han­delst?«

»Laß mich doch aus­re­den. Weil Ro­guin da­bei ist, soll die Sa­che nicht gut sein. Hat das einen Sinn? Dann sagst du, er macht et­was Ge­setz­wid­ri­ges. Aber er wird schon of­fen her­vor­tre­ten, wenn es nö­tig ist. Fer­ner sagst du: er ist aber doch schon reich. Kann man nicht von mir das­sel­be sa­gen? Wür­den viel­leicht Ra­gon und Pil­ler­ault zu mir ge­kom­men sein und ge­sagt ha­ben: Wes­halb be­tei­ligst du dich denn, wo du Geld hast wie ein Schwei­ne­händ­ler?«

»Kauf­leu­te und No­ta­re ha­ben nicht die glei­che Po­si­ti­on«, sag­te Frau Bi­rot­teau.

»Mein Ge­wis­sen ist hier­bei ganz ru­hig«, fuhr Cäsar fort. »Die Leu­te, die ver­kau­fen, tun das, weil sie dazu ge­zwun­gen sind; wir be­trü­gen sie eben­so­we­nig, wie man die be­trügt, von de­nen man Ren­ten zu fünf­und­sieb­zig kauft. Heu­te kauft man die Ter­rains für den Preis, den sie heu­te wert sind; in zwei Jah­ren ist er ein an­de­rer, wie bei den Ren­ten. Und das soll­test du wis­sen, Kon­stan­ze Bar­ba­ra Jo­se­fi­ne Pil­ler­ault, daß du Cäsar Bi­rot­teau nie­mals auf ei­ner Tat er­tap­pen wirst, die auch nur im ge­rings­ten der strengs­ten Recht­lich­keit, dem Ge­setz, dem Ge­wis­sen oder dem Zart­ge­fühl wi­der­spricht. Wie kann man je­man­dem, der seit acht­zehn Jah­ren eta­bliert ist, in sei­ner ei­ge­nen Fa­mi­lie Un­red­lich­keit vor­wer­fen!«

»Nein, Cäsar, nein. Be­ru­hi­ge dich nur. Eine Frau, die so lan­ge an dei­ner Sei­te ge­lebt hat, die kennt dich doch durch und durch. Und schließ­lich bist du ja der Herr. Du hast doch das Ver­mö­gen ver­dient, also kannst du auch dar­über ver­fü­gen. Und wenn wir ins äu­ßers­te Elend ge­rie­ten, we­der von mir, noch von dei­ner Toch­ter wür­dest du auch nur ein vor­wurfs­vol­les Wort hö­ren. Aber eins gebe ich dir zu be­den­ken: als du dei­ne Sul­tan­in­nen-Pas­te und dei­ne Eau Car­mi­na­ti­ve ein­führ­test, wie­viel hast du da ris­kiert? Fünf- bis sechs­tau­send Fran­ken. Heu­te willst du dein gan­zes Ver­mö­gen auf eine Kar­te set­zen, und das ist ein Spiel, wo du nicht al­lein be­tei­ligt bist, son­dern wo du Teil­ha­ber hast, die sich als ge­ris­se­ner er­wei­sen kön­nen, als du bist. Mei­net­we­gen gib dei­nen Ball, kauf neue Mö­bel, das ist zwar über­flüs­sig, das kann uns aber nicht rui­nie­ren. Aber ge­gen die Sa­che mit den Ter­rains an der Ma­de­lei­ne leh­ne ich mich di­rekt auf. Du bist Par­fü­me­rie­händ­ler, blei­be das, aber wer­de nicht Ter­rain­händ­ler. Wir Frau­en, wir ha­ben für so et­was ein in­stink­ti­ves Ge­fühl, das uns nicht täuscht! Ich habe dich ge­warnt und nun kannst du ja nach dei­nem Kop­fe han­deln. Du bist Han­dels­rich­ter ge­we­sen, du kennst die Ge­set­ze, du hast dein Schiff gut ge­steu­ert und ich wer­de im­mer mit dir gehn, Cäsar! Aber ich zit­te­re so lan­ge, bis un­ser Ver­mö­gen si­cher an­ge­legt und Cäsa­ri­ne gut ver­hei­ra­tet ist. Gebe der Him­mel, daß mein Traum nicht eine War­nung war!«

Die­se Un­ter­wür­fig­keit war Bi­rot­teau pein­lich, und er ge­brauch­te eine un­schul­di­ge List, zu der er schon bei ähn­li­chen Ge­le­gen­hei­ten ge­grif­fen hat­te. »Höre, Kon­stan­ze, eine bin­den­de Er­klä­rung habe ich noch nicht ab­ge­ge­ben; aber ich habe so gut wie zu­ge­sagt.«

»Ach, Cäsar, dann ist es er­le­digt, re­den wir nicht wei­ter dar­über. Erst kommt die Ehre, dann das Ver­mö­gen. Und nun geh schla­fen, mein Lie­ber, wir ha­ben kein Holz mehr. Und im Bet­te wer­den wir bes­ser re­den kön­nen, wenn dir das Spaß macht. Ach, die­ser scheuß­li­che Traum! Mein Gott, wenn man sich so dop­pelt sieht! Es ist furcht­bar! Cäsa­ri­ne und ich, wir wer­den ge­hö­rig be­ten, daß die Ter­rain­sa­che glückt.«

»Ge­wiß wird die Hil­fe des Him­mels nichts scha­den«, sag­te Bi­rot­teau fei­er­lich. »Aber die Nu­ß­es­senz ist auch eine Macht, mein Kind. Ich habe die­se Er­fin­dung wie die der Sul­tan­in­nen-Dop­pel­pas­te ei­nem Zu­fall zu ver­dan­ken: das ers­te­mal, als ich ein Buch öff­ne­te, dies­mal, als ich den Stich von Hero und Le­an­der be­trach­te­te. Du er­in­nerst dich, wo eine Frau Öl auf das Haupt ih­res Ge­lieb­ten gießt; ist das nicht rei­zend? Die si­chers­ten Spe­ku­la­tio­nen sind die auf die Ei­tel­keit, die Ei­gen­lie­be und die Prah­le­rei. Die­se Ge­füh­le wer­den nie­mals aus­ster­ben.«

»Ach ja, das sehe ich.«

»In ei­nem ge­wis­sen Al­ter sind die Män­ner, die kein Haar mehr ha­ben, zu al­lem fä­hig, um wie­der wel­ches zu be­kom­men. Seit ei­ni­ger Zeit höre ich von den Fri­seu­ren, daß nicht nur das Ma­kassar­öl geht, son­dern alle Ar­ten von Haar­fär­be­mit­teln und von Mit­teln, bei de­ren An­wen­dung an­geb­lich die Haa­re wach­sen. Seit dem Frie­dens­schlus­se sind die Män­ner viel mehr hin­ter den Wei­bern her, und die ha­ben die Kahl­köp­fe nicht ger­ne, nicht wahr, mein Lieb­ling? Die Nach­fra­ge nach die­sem Ar­ti­kel er­klärt sich also aus der po­li­ti­schen Si­tua­ti­on. Ein Mit­tel, das die Haa­re ge­sund er­hält, wür­de ab­ge­hen wie war­me Sem­meln, und um so mehr, da die­se Es­senz si­cher von der Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten ap­pro­biert wer­den wird. Mein lie­ber Herr Vau­que­lin wird mich wohl auch da­bei wie­der un­ter­stüt­zen. Mor­gen gehe ich hin und un­ter­brei­te ihm mei­ne Idee, und da­bei wer­de ich ihm den Stich ver­eh­ren, den ich nun end­lich, nach zwei­jäh­ri­gem Su­chen in Deutsch­land, er­hal­ten habe. Er be­faßt sich ge­ra­de mit der Haar­un­ter­su­chung. Chif­fre­ville, der Teil­ha­ber bei sei­ner Fa­brik che­mi­scher Pro­duk­te, hat es mir mit­ge­teilt. Wenn mei­ne Er­fin­dung mit sei­nen Re­sul­ta­ten über­ein­stimmt, wird mei­ne Es­senz von bei­den Ge­schlech­tern ge­kauft wer­den. In mei­ner Idee, ich wie­der­ho­le es, steckt ein Ver­mö­gen. Ich kann wahr­haf­tig des­halb nicht schla­fen. Glück­li­cher­wei­se hat der klei­ne Po­pi­not das schöns­te Haar, was man sich den­ken kann. Wenn man dann noch ein Kon­tor­fräu­lein nimmt, mit Haar, das bis auf die Erde fällt, die, wenn das gin­ge, ohne bei Gott und Men­schen An­stoß zu er­re­gen, sa­gen könn­te, daß das Co­ma­gen­öl (es wird je­den­falls ein Öl sein) das be­wirkt hat, dann wer­den sich alle Grau­köp­fe dar­auf stür­zen, wie das Elend auf die Welt. Sag mal, Klei­ne, und was wird mit un­serm Ball? Ich bin nicht bös­ar­tig, aber ich möch­te gern die­sen Kerl, den klei­nen du Til­let, da­bei se­hen, der mit sei­nem Ver­mö­gen groß­tut und mir auf der Bör­se im­mer aus­weicht. Er weiß, daß ich et­was, das er ge­macht hat, ken­ne, was nicht schön war. Vi­el­leicht bin ich doch zu gut zu ihm ge­we­sen. Ist es nicht ko­misch, mein Kind, daß man im­mer für sei­ne gu­ten Ta­ten be­straft wird, hier auf Er­den ver­steht sich! Ich habe wie ein Va­ter ge­gen ihn ge­han­delt, du weißt gar nicht, was ich al­les für ihn ge­tan habe.«

»Ich be­kom­me eine Gän­se­haut, wenn du nur sei­nen Na­men er­wähnst. Wenn du ge­wußt hät­test, was er aus dir ma­chen woll­te, hät­test du über die ge­stoh­le­nen drei­tau­send Fran­ken nicht ge­schwie­gen, denn ich habe er­ra­ten, wie die Sa­che ar­ran­giert wor­den ist. Hät­test du ihn der Po­li­zei an­ge­zeigt, dann hät­test du viel­leicht vie­len Leu­ten einen gu­ten Dienst er­wie­sen.«

»Was be­ab­sich­tig­te er denn aus mir zu ma­chen?«

»Ach, nichts. Wenn du heu­te auf mich hö­ren woll­test, dann wür­de ich dir den gu­ten Rat ge­ben, Bi­rot­teau, dei­nen du Til­let bei­sei­te zu las­sen.«

»Wür­de man es aber nicht merk­wür­dig fin­den, wenn ich einen Kom­mis, für den ich für die ers­ten zwan­zig­tau­send Fran­ken, mit de­nen er sein Ge­schäft an­ge­fan­gen hat, Bürg­schaft ge­leis­tet habe, nicht ein­la­de? Geh, laß uns gü­tig sein um des Gu­ten wil­len. Üb­ri­gens hat sich du Til­let auch viel­leicht ge­bes­sert.«

»Hier wird ja nun wohl al­les drun­ter und drü­ber ge­hen.«

»Was re­dest du da von drun­ter und drü­ber? Al­les wird hier wie am Schnür­chen gehn. Hast du denn schon ver­ges­sen, was ich dir über die Trep­pe und das Mie­ten der Räu­me im Nach­bar­hau­se, nach der Ab­ma­chung mit dem Schirm­händ­ler Cay­ron, ge­sagt habe? Wir müs­sen bei­de mor­gen zu Herrn Mo­li­neux, sei­nem Haus­wirt, gehn, und ich habe mor­gen so viel Ge­schäf­te wie ein Mi­nis­ter …«

»Du hast mir mit dei­nen Pro­jek­ten den Kopf ganz ver­wirrt,« sag­te Kon­stan­ze, »ich fin­de mich nicht mehr zu­recht. Und im üb­ri­gen will ich jetzt schla­fen, Bi­rot­teau.«

»Also gu­ten Mor­gen«, sag­te er. »Höre doch, ich sage dir gu­ten Mor­gen, denn es ist schon Mor­gen, mein Lieb­ling. Ach, sie schläft schon, das gute Herz. Ja, du sollst sehr reich wer­den, oder ich will nicht mehr Cäsar hei­ßen.«

2

Ein kur­z­er Blick auf das frü­he­re Le­ben des Ehe­paars wird den Ein­druck be­stä­ti­gen, den der lie­be­vol­le Streit der bei­den Haupt­per­so­nen die­ser Er­zäh­lung her­vor­ru­fen muß. Die­se Schil­de­rung der Sit­ten des De­tail­lis­ten­stan­des wird gleich­zei­tig er­klä­ren, durch wel­che ei­gen­ar­ti­gen Um­stän­de Cäsar Bi­rot­teau Bei­ge­ord­ne­ter und Par­füm­händ­ler, frü­he­rer Of­fi­zier der Na­tio­nal­gar­de und Rit­ter der Ehren­le­gi­on ge­wor­den war. Wenn man das in­ners­te We­sen sei­nes Cha­rak­ters und die Trieb­fe­dern zu sei­nem Auf­stieg klar er­kennt, wird man auch ver­ste­hen, wes­halb kom­mer­zi­el­le Un­glücks­fäl­le, die selbst be­deu­ten­de Köp­fe über­wäl­ti­gen, für klei­ne Geis­ter zu un­heil­ba­ren Ka­ta­stro­phen wer­den. Ge­scheh­nis­se kön­nen nie ab­ge­löst für sich be­ur­teilt wer­den, ihre Aus­wir­kun­gen hän­gen völ­lig von den be­trof­fe­nen In­di­vi­du­en ab: das Un­glück ist für das Ge­nie ein Sche­mel, für den Chris­ten ein Bad, für den ge­wand­ten Mann ein Schatz, für die Schwa­chen ein Ab­grund.

Ein Land­ar­bei­ter aus der Um­ge­gend von Chi­non, na­mens Jac­ques Bi­rot­teau, hei­ra­te­te das Kam­mer­mäd­chen der Dame, in de­ren Wein­berg er ar­bei­te­te; er hat­te drei Söh­ne, aber bei der Ge­burt des jüngs­ten starb die Frau und der arme Mann über­leb­te sie nicht lan­ge. Die Her­rin, die an ih­rem Kam­mer­mäd­chen sehr ge­han­gen hat­te, ließ Franz, den äl­tes­ten Sohn des Ar­bei­ters, mit ih­ren Söh­nen zu­sam­men er­zie­hen und brach­te ihn dann in ei­nem Se­mi­nar un­ter. Zum Pries­ter ge­weiht, muß­te sich Franz Bi­rot­teau wäh­rend der Re­vo­lu­ti­on ver­steckt hal­ten und das Le­ben der her­u­mir­ren­den Pries­ter, die den Eid nicht leis­ten woll­ten, füh­ren, auf die man wie auf wil­de Tie­re Jagd mach­te und die um der ge­rings­ten Sa­che wil­len hin­ge­rich­tet wur­den. Zur Zeit, da die­se Ge­schich­te be­ginnt, war er Vi­kar an der Ka­the­dra­le von Tours und hat­te die­se Stadt nur ein ein­zi­ges Mal ver­las­sen, um sei­nen Bru­der Cäsar zu be­su­chen. Der Lärm in Pa­ris be­täub­te aber den gu­ten Pries­ter der­ma­ßen, daß er sein Zim­mer nicht zu ver­las­sen wag­te, die Ka­brio­lets »Halb­chai­sen« nann­te und über al­les staun­te. Nach ei­ner Wo­che kehr­te er nach Tours zu­rück und ge­lob­te sich, nie­mals wie­der die Haupt­stadt auf­zu­su­chen. Der zwei­te Sohn des Wein­ar­bei­ters, Jo­hann Bi­rot­teau, er­lang­te, zum Mi­li­tär ein­ge­zo­gen, schnell den Rang ei­nes Haupt­manns wäh­rend der ers­ten Re­vo­lu­ti­ons­krie­ge. In der Schlacht an der Treb­bia ließ Mac­do­nald Frei­wil­li­ge vor­tre­ten, die eine Bat­te­rie stür­men soll­ten. Der Haupt­mann Jo­hann Bi­rot­teau ging mit sei­ner Kom­pa­gnie vor und fiel. Das Schick­sal der Bi­rot­te­aus woll­te of­fen­bar, daß sie über­all, wo sie Fuß faß­ten, ent­we­der von den Men­schen oder von den Er­eig­nis­sen zu­grun­de­ge­rich­tet wer­den soll­ten.

Das letz­te Kind war der Held die­ser Er­zäh­lung. Als Cäsar mit vier­zehn Jah­ren le­sen, schrei­ben und rech­nen konn­te, ver­ließ er sei­ne Hei­mat und wan­der­te zu Fuß nach Pa­ris, mit ei­nem Louis­dor in der Ta­sche, um hier sein Glück zu ma­chen. Auf die Emp­feh­lung ei­nes Apo­the­kers in Tours fand er ein Un­ter­kom­men als Haus­die­ner bei den Ra­g­ons, Par­fü­me­rie­händ­lern. Cäsar be­saß da­mals ein Paar mit Ei­sen be­schla­ge­ne Schu­he, eine Hose, blaue St­rümp­fe, eine ge­blüm­te Wes­te, eine Bau­ern­ja­cke, drei gro­be Hem­den aus gu­ter Lein­wand und sei­nen Rei­se­stock. Wenn auch sein Haar wie das ei­nes Chor­kna­ben ge­schnit­ten war, so hat­te er doch die fes­ten Kno­chen ei­nes Tou­rai­ners; wenn er sich manch­mal der hei­mat­li­chen Faul­heit über­ließ, so wur­de das wie­der wett­ge­macht durch das Ver­lan­gen, sein Glück zu ma­chen; und wenn ihm auch Geist und Er­zie­hung fehl­ten, so be­saß er da­für einen ge­ra­den Sinn und ein von sei­ner Mut­ter er­erb­tes zar­tes Emp­fin­den, ei­nem We­sen, das, nach dem Tou­rai­ner Aus­druck, ein »gol­de­nes Herz« hat­te. Cäsar er­hielt Es­sen, sechs Fran­ken Lohn mo­nat­lich und eine schlech­te Ma­trat­ze auf dem Bo­den in der Nähe der Kö­chin; die Kom­mis, die ihn zum Ein­pa­cken und Gän­ge­be­sor­gen, zum Fe­gen des La­dens und der Stra­ße an­lern­ten, mach­ten sich über ihn lus­tig, wäh­rend sie ihn aus­bil­de­ten, wie das in den La­den­ge­schäf­ten üb­lich ist, wo die Ne­cke­rei ein Haupt­ele­ment der Lehr­lings­zeit bil­det; Herr und Frau Ra­gon kom­man­dier­ten ihn wie einen Hund. Nie­mand nahm Rück­sicht auf die Er­mü­dung des Lehr­lings, wie schau­der­haft ihn auch abends die vom Pflas­ter­tre­ten ge­quetsch­ten Füße und die wie zer­bro­che­nen Schul­tern schmerz­ten. Die­se rau­he Leh­re des »Je­der für sich«, das Evan­ge­li­um al­ler Groß­städ­te, ließ Cäsar das Le­ben in Pa­ris sehr hart fin­den. Am Abend wein­te er, wenn er an die Tou­rai­ne dach­te, wo der Bau­er in Ruhe ar­bei­tet, wo der Mau­rer den Stein erst zwölf­mal her­um­dreht, be­vor er ihn ein­setzt, und wo die Faul­heit so ver­stän­dig mit der Ar­beit ver­wo­ben ist; aber er schlief ein, ohne Zeit zu ha­ben, ein Aus­rücken zu über­le­gen; am nächs­ten Mor­gen hat­te er schon wie­der Gän­ge zu be­sor­gen, und er tat sei­ne Pf­licht mit dem Ge­hor­sam ei­nes Wacht­hun­des. Wenn er sich wirk­lich ein­mal be­klag­te, so lä­chel­te der ers­te Kom­mis mit ver­gnüg­ter Mie­ne.

»Ja, mein Jun­ge,« sag­te er, »es ist nicht al­les ro­sig in der ›Ro­sen­kö­ni­gin‹, und hier flie­gen ei­nem nicht die Tau­ben ge­bra­ten ins Maul; man muß erst hin­ter ih­nen her­lau­fen, dann sie pa­cken und schließ­lich ver­ste­hen, sie sich zu­rechtzu­ma­chen.« Die Kö­chin, eine di­cke Pi­kar­din, nahm die bes­ten Stücke für sich und rich­te­te an Cäsar nur das Wort, um sich über die Ra­g­ons zu be­kla­gen, die sich nicht be­steh­len lie­ßen. Ge­gen Ende des ers­ten Mo­nats muß­te das Mäd­chen an ei­nem Sonn­tag das Haus be­wa­chen und be­gann eine Un­ter­hal­tung mit Cäsar. Die sonn­täg­lich ge­wa­sche­ne Ur­su­la er­schi­en dem ar­men Lauf­bur­schen, der ohne die­sen glück­li­chen Zu­fall an der ers­ten ver­bor­ge­nen Klip­pe sei­ner Lauf­bahn ge­schei­tert wäre, rei­zend. Wie alle schutz­lo­sen We­sen ver­lieb­te er sich in das ers­te Weib, das ihm einen freund­li­chen Blick zu­warf. Die Kö­chin nahm Cäsar un­ter ih­ren Schutz und dar­aus ent­stand ein heim­li­ches Lie­bes­ver­hält­nis, über das die Kom­mis un­barm­her­zig spot­te­ten. Zwei Jah­re spä­ter ver­ließ die Kö­chin Cäsar zu sei­nem größ­ten Glück we­gen ei­nes jun­gen Drücke­ber­gers aus ih­rer Hei­mat, der sich in Pa­ris ver­bor­gen hielt, ei­nes zwan­zig­jäh­ri­gen Pi­kar­den, der ei­ni­ge Mor­gen Land be­saß und sich von Ur­su­la hei­ra­ten ließ.

Zwei Jah­re lang hat­te die Kö­chin ih­ren klei­nen Cäsar gut er­nährt, hat­te ihn in ver­schie­de­ne Mys­te­ri­en des Pa­ri­ser Le­bens ein­ge­weiht, das sie ihn in sei­ner Tie­fe hat­te ken­nen­ler­nen las­sen und wo­bei sie ihm aus Ei­fer­sucht einen star­ken Ab­scheu ge­gen die schlech­ten Orte, de­ren Ge­fah­ren ihr nicht un­be­kannt zu sein schie­nen, ein­ge­flö­ßt hat­te. Im Jah­re 1792 hat­ten sich die Füße des von ihr ver­ra­te­nen Cäsars an das Pflas­ter, sei­ne Schul­tern an die Kis­ten und sein Geist an das, was er die Pa­ri­ser »Flun­ke­rei­en« nann­te, ge­wöhnt. Er war da­her, nach­dem Ur­su­la ihn ver­las­sen hat­te, schnell ge­trös­tet, zu­mal sie in kei­ner Wei­se sei­nem an­ge­bo­re­nen Ge­fühl für zar­te Emp­fin­dung ent­spro­chen hat­te. Ver­dor­ben und mür­risch, schein­hei­lig und spitz­bü­bisch, egois­tisch und trunk­süch­tig be­lei­dig­te sie das rei­ne Emp­fin­den Bi­rot­te­aus, ohne daß sie ihm ir­gend­ei­ne güns­ti­ge Aus­sicht bot. Der arme Jun­ge sah sich häu­fig zu sei­nem Schmer­ze durch die für nai­ve See­len am fes­tes­ten ge­schmie­de­ten Fes­seln an ein Ge­schöpf ge­bun­den, das ihm Wi­der­wil­len ein­flö­ßte. Als er sich frei fühl­te, war er groß ge­wor­den und hat­te sein sech­zehn­tes Jahr er­reicht. Ur­su­la und die Ne­cke­rei­en der Kom­mis hat­ten sei­nen Geist ge­weckt und ihn an­ge­regt, in das Han­dels­we­sen ein­zu­drin­gen, wo­bei sei­ne In­tel­li­genz sich hin­ter sei­ner Ein­fach­heit ver­bor­gen hielt; er be­ob­ach­te­te die Kun­den, ließ sich, wenn nichts zu tun war, die Wa­ren er­klä­ren, de­ren Ver­schie­den­hei­ten und An­ord­nung er sich merk­te; und bald kann­te er die ein­zel­nen Ar­ti­kel, ih­ren Preis und ihr Wa­ren­zei­chen bes­ser, als das sonst bei Neu­lin­gen der Fall ist; Herr und Frau Ra­gon fin­gen nun an, ihn an­der­wei­tig zu be­schäf­ti­gen.

Am Tage, da die furcht­ba­re Aus­he­bung des Jah­res II das Haus bei dem Bür­ger Ra­gon leer mach­te, be­nutz­te Cäsar Bi­rot­teau, der zum zwei­ten Kom­mis auf­ge­stie­gen war, die Ge­le­gen­heit, um fünf­zig Fran­ken Ge­halt mo­nat­lich zu er­rei­chen, und setz­te sich mit un­aus­sprech­li­cher Freu­de mit Ra­g­ons zu Tisch. Der zwei­te Kom­mis der Ro­sen­kö­ni­gin, der nun sechs­hun­dert Fran­ken hat­te, er­hielt ein Zim­mer, wo er in den seit lan­gem er­sehn­ten Mö­beln die klei­nen An­den­ken, die er sich ge­sam­melt hat­te, un­ter­brin­gen konn­te. An den Fei­er­ta­gen der De­ka­de klei­de­te er sich wie die jun­gen Leu­te die­ser Zeit, de­nen die Mode vor­schrieb, rohe Ma­nie­ren an­zu­neh­men, und der freund­li­che, be­schei­de­ne Bau­er ver­stand es, sich wie ih­res­glei­chen zu be­neh­men, so daß er die Gren­zen, die zu an­dern Zei­ten die Dienst­bar­keit zwi­schen der Bour­geoi­sie und ihm ge­zo­gen hät­te, über­schritt. Ge­gen das Ende die­ses Jah­res wur­de er sei­ner Ehr­lich­keit hal­ber an die Kas­se ge­setzt. Die statt­li­che Bür­ge­rin Ra­gon hielt die Wä­sche des Kom­mis in­stand und die bei­den Ehe­leu­te ka­men in ein ver­trau­li­ches Ver­hält­nis mit ihm. Im Ven­dé­mi­aire des Jah­res 1794 wech­sel­te Cäsar die hun­dert Louis­dor, die er be­saß, ge­gen sechs­tau­send Fran­ken As­si­gna­ten ein, kauf­te da­für Ren­ten zu ei­nem Kur­se von drei­ßig Fran­ken, be­zahl­te sie einen Tag vor der Her­ab­set­zung der As­si­gna­ten an der Bör­se und ver­schloß sei­ne Titres mit dem Ge­fühl un­sag­ba­ren Glückes. Von die­sem Tage an ver­folg­te er die Bör­sen­kur­se und die po­li­ti­schen Er­eig­nis­se mit ge­hei­mer Angst, die ihn bei Un­glücks­fäl­len oder Er­fol­gen, die die­se Pe­ri­ode uns­rer Ge­schich­te kenn­zeich­nen, er­zit­tern ließ. Herr Ra­gon, ehe­mals Hof­lie­fe­rant Ih­rer Ma­je­stät der Kö­ni­gin Ma­rie-An­to­i­net­te, be­kann­te in sol­chen kri­ti­schen Mo­men­ten Cäsar Bi­rot­teau ver­trau­lich sei­ne An­häng­lich­keit an die ge­stürz­ten Ty­ran­nen. Die­se Be­kennt­nis­se wur­den von der wich­tigs­ten Be­deu­tung für Cäsars Le­bens­ge­stal­tung. Die abend­li­chen Un­ter­hal­tun­gen nach Schluß des Ge­schäfts, wenn die Stra­ßen ru­hig ge­wor­den und Kas­se ge­macht war, be­geis­ter­ten den Tou­rai­ner, der, wenn er Roya­list wur­de, da­mit nur sei­ner an­ge­bo­re­nen Emp­fin­dung ge­horch­te. Die Er­zäh­lung der tu­gend­haf­ten Hand­lun­gen Lud­wigs XVI., die Mit­tei­lun­gen, bei de­nen sich die bei­den Ehe­leu­te für die Ver­diens­te der Kö­ni­gin be­geis­ter­ten, er­reg­ten die Ein­bil­dungs­kraft Cäsars. Das schreck­li­che Ge­schick die­ser bei­den ge­krön­ten Häup­ter, die we­ni­ge Schrit­te von dem La­den ent­fernt ge­fal­len wa­ren, em­pör­te sein emp­find­sa­mes Herz und er­füll­te ihn mit Haß ge­gen eine Re­gie­rungs­form, der es nichts be­deu­te­te, un­schul­di­ges Blut zu ver­gie­ßen. Sein kauf­män­ni­scher Ver­stand sag­te ihm, daß, wenn es zum Äu­ßers­ten und zu po­li­ti­schen Stür­men kam, die im­mer den Ge­schäf­ten schäd­lich sind, der Han­del zu­grun­de ge­hen müs­se. Au­ßer­dem haß­te er als ech­ter Par­füm­händ­ler eine Re­vo­lu­ti­on, die je­der­mann mit ei­nem Ti­tus­kopf her­um­ge­hen ließ und das Pu­dern ab­schaff­te. Und da nur die Ruhe, die die ab­so­lu­te Herr­schaft ge­währt, das Geld wie­der le­ben­dig ma­chen kann, so wur­de er fa­na­ti­scher Roya­list. Als Ra­gon ihn für ge­eig­net er­kann­te, mach­te er ihn zum ers­ten Kom­mis und weih­te ihn in das Ge­heim­nis der Ro­sen­kö­ni­gin ein, wo meh­re­re Kun­den die tä­tigs­ten und hin­ge­hends­ten Emis­sä­re der Bour­bo­nen wa­ren, und von wo aus die Kor­re­spon­denz des Wes­tens mit Pa­ris ge­lei­tet wur­de. Fort­ge­ris­sen von der Heiß­blü­tig­keit der Ju­gend und be­geis­tert durch die Be­zie­hun­gen zu den Ge­or­ges, den la Bil­lar­diè­re, den Mon­tau­ran, Bau­van, Lon­guy, Man­da, Ber­nier, du Gué­nis und Fon­taine stürz­te sich Cäsar in die Ver­schwö­rung der ver­ei­nig­ten Roya­lis­ten und Ter­ro­ris­ten, die am 13. Ven­dé­mi­aire ge­gen den in den letz­ten Zü­gen lie­gen­den Kon­vent zum Aus­bruch ge­lang­te.

Cäsar hat­te die Ehre, ge­gen Na­po­le­on auf den Stu­fen von Saint-Roch zu kämp­fen und gleich zu An­fang des Ge­fech­tes ver­wun­det zu wer­den. Je­der kennt den Aus­gang die­ses Un­ter­neh­mens. Wenn der Ad­ju­tant von Bar­ras da­bei aus sei­ner Obs­ku­ri­tät her­austrat, so wur­de Bi­rot­teau durch die sei­ni­ge ge­ret­tet. Ei­ni­ge Freun­de brach­ten den krie­ge­ri­schen ers­ten Kom­mis in die Ro­sen­kö­ni­gin, wo er auf dem Bo­den ver­steckt, von Frau Ra­gon ver­bun­den und glück­li­cher­wei­se ver­ges­sen wur­de. Cäsar Bi­rot­teau hat­te nur die­ses eine Auf­flam­men mi­li­tä­ri­schen Mu­tes ge­zeigt. Wäh­rend des Mo­nats, den sei­ne Wie­der­her­stel­lung dau­er­te, stell­te er prak­ti­sche Er­wä­gun­gen über die lä­cher­li­che Ver­bin­dung von Po­li­tik und Par­fü­me­rie an. Wenn er auch Roya­list blieb, so be­schloß er doch, klar und ein­fach ein roya­lis­ti­scher Par­füm­händ­ler zu sein, ohne sich je­mals wie­der zu kom­pro­mit­tie­ren, und sich dem mit Leib und See­le hin­zu­ge­ben.

Am 18. Bru­maire be­schlos­sen Herr und Frau Ra­gon, die an dem Er­fol­ge der Kö­nigs­par­tei ver­zwei­fel­ten, das Ge­schäft auf­zu­ge­ben und als ru­hi­ge Bour­geois zu le­ben, ohne sich wei­ter um die Po­li­tik zu küm­mern. Um den Preis für ihr Ge­schäft zu er­hal­ten, muß­ten sie einen Men­schen fin­den, der mehr Ehr­lich­keit als Ehr­geiz be­saß, mehr ein­fa­chen ge­sun­den Ver­stand als Be­ga­bung. Ra­gon bot da­her sei­nem ers­ten Kom­mis den Kauf an. Bi­rot­teau, der mit zwan­zig Jah­ren be­reits tau­send Fran­ken Ren­te aus Staats­pa­pie­ren be­saß, zö­ger­te mit der Zu­sa­ge. Sein Ehr­geiz be­schränk­te sich dar­auf, sich bei Chi­non nie­der­las­sen zu kön­nen, wenn er fünf­zehn­hun­dert Fran­ken Ren­te be­sit­zen und der ers­te Kon­sul die Staats­schuld kon­so­li­diert ha­ben wür­de, in­dem er sich selbst in den Tui­le­ri­en kon­so­li­dier­te. Wes­halb soll­te er eine an­stän­di­ge be­schei­de­ne Un­ab­hän­gig­keit den Chan­cen des Han­dels­le­bens op­fern? Nie­mals hat­te er ge­glaubt, daß er ein so be­trächt­li­ches Ver­mö­gen er­wer­ben wür­de, das er ja auch nur Glücks­fäl­len ver­dank­te, de­nen man sich al­lein in der Ju­gend über­lie­fert; er ge­dach­te also in der Tou­rai­ne ein Mäd­chen zu hei­ra­ten, das eben­so reich wäre wie er, um dann Les Tré­so­rières kau­fen und be­bau­en zu kön­nen, ein klei­nes Gut, wo­nach er, seit­dem er er­wach­sen war, sich ge­sehnt hat­te, das er zu ver­grö­ßern hoff­te, wor­aus er ein Ein­kom­men von tau­send Ta­lern zu er­zie­len ge­dach­te und wo er in der Ver­bor­gen­heit ein glück­li­ches Le­ben füh­ren woll­te. Schon woll­te er ab­leh­nen, als die Lie­be plötz­lich alle sei­ne Plä­ne über den Hau­fen warf und sei­ne ehr­gei­zi­gen An­sprü­che ver­zehn­fach­te.

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5534 стр. 474 иллюстрации
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9783962815226
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