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Mister Christmas

»Tammo Tjarksen?«, wiederholte Hauptkommissar Gerrit Roolfs erstaunt, während er seine Taschen nach dem Schlüssel für das Schrankfach durchsuchte.

»Nun setz dich erst mal hin, Gerrit«, forderte ihn Habbo Janssen auf. »Du machst mich ganz verrückt mit deinem Gesuche. Der Schrankschlüssel ist in deiner rechten Innentasche, da gibt es noch eine zweite Tasche in der ersten. Da versteckte er sich neulich auch schon mal.«

Roolfs zog den Schlüssel hervor und bestaunte ihn. Dann schloss er sein Fach auf und verstaute seine Jacke. »Mister Christmas ist tot? Das ist ja nicht zu fassen.«

»Komisch, erst jetzt, wo du es sagst, fällt es mir auf.« Verblüfft sah Habbo Janssen seinen Kollegen an und kraulte mit Daumen und Zeigefinger bedeutungsvoll sein Kinn. »Mensch, Gerrit, das ist ja sein Spitzname: Mister Christmas. Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht.«

Ungeduldig trommelte Gerrit Roolfs mit der Hand auf den Tisch. »Los Habbo, erzähl, was passiert ist!«

Janssen berichtete von den Ereignissen des Morgens, und dann stellten sie Informationen über Tammo Tjarksen zusammen.

Tjarksen hatte in letzter Zeit viel von sich reden gemacht. Er hatte sich mit seinen dreiundsiebzig Jahren durchaus noch nicht aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen. Er besaß mehrere gutgehende Geschäfte mit Geschenkartikeln und Feinkostläden in den Küstenorten und auf den Inseln Ostfrieslands.

Seit zwei Jahren engagierte er sich besonders im Kampf gegen die Ladenschlussgesetze des Fürstentums und tat dies mit aufsehenerregenden Aktionen. Im vergangenen Jahr hatte er eine »Christmas-warm-up-Party« am Totensonntag veranstaltet. Er hatte damals sein Bußgeld bar in der Fürstlichen Landeskasse eingezahlt und sich dabei von Presseleuten fotografieren lassen. Dieses Bild war am nächsten Tag auf den Titelseiten der Tageszeitungen zu sehen gewesen.

Tjarksen genoss den Konflikt mit Gewerkschaften, Kirche und Regierung, und er trug seinen Spitznamen Mister Christmas wie einen Ehrentitel.

In diesem Jahr hatte Tjarksen den Totensonntag zum »Nullten Advent« erklärt und seine Buden mit Glühwein und Würstchen auf dem Markt postiert. Er selbst hatte im Weihnachtsmannkostüm bedient. Zum Eklat war es nach dem Totensonntagsgottesdienst gekommen, in dem der Verstorbenen des vergangenen Kirchenjahres gedacht worden war. Als die Angehörigen beim Verlassen der Ludgerikirche mit Rudolph the Rednosed Reindeer beschallt worden waren, war es zu Beschimpfungen und Handgreiflichkeiten gekommen. Schließlich hatte jemand die Polizei eingeschaltet.

Der Fürst hatte sich bisher nur sehr zurückhaltend zu diesem Konflikt geäußert. Aber nun musste er handeln. Am Montag war in allen Tageszeitungen ein Appell Carl Edzards an Tjarksen und seinen immer größer werdenden Unterstützerkreis veröffentlicht worden, auf geschmacklose Aktionen dieser Art künftig zu verzichten.

Tammo Tjarksen hatte im Zorn sofort eine Antwort verfasst und umgehend an alle Zeitungen gefaxt. In diesem Brief machte Tjarksen den Fürsten persönlich verantwortlich für die schwierige wirtschaftliche Situation in Ostfriesland und verdächtigte ihn, von Einzelhandelsverbänden aus Niedersachsen und der Provinz Groningen Geld dafür zu bekommen, dass Ostfriesland an strengeren Ladenschlussgesetzen festhalte und im Wettbewerb benachteiligt werde.

Der Regierungspräsident hatte Tjarksen daraufhin wegen Majestätsbeleidigung angezeigt. Die Liberalen hatten sich geschlossen hinter Tjarksen gestellt und forderten die Abschaffung der Gesetze, die Majestätsbeleidigung betrafen.

Schließlich hatte sich Tjarksen überreden lassen, sich für seine Entgleisung öffentlich zu entschuldigen, während der Regierungspräsident seine Anzeige fallen ließ.

»Gehört der Fürst zu den Tatverdächtigen?«, fragte Roolfs seinen Oberinspektor, von dem er wusste, dass er ein überzeugter Monarchist war.

»Niemals!«, empörte sich Habbo Janssen und erläuterte verständnisvoll: »Aber das ist für den Fürsten ja jetzt eine schwierige Situation. Bestimmt macht man ihn mitverantwortlich. Oder was denkst du, Gerrit? Jedenfalls hat der Mörder Tjarksen in einem Weihnachtskostüm erhängt. Da muss es doch einen Zusammenhang geben.«

»Na denn, fröhliche Weihnachten!«

Der Weihnachtskodex

»Der Weihnachtskodex?« Johannes Fabricius runzelte die Stirn und sah den Verlagsvertreter fragend an.

Der Verlagsvertreter roch durchdringend nach Schweiß. Und er hatte – was Johannes Fabricius noch unangenehmer fand – schlechte Manieren. Während er sprach, fingerte er ständig an Johannes’ Sakko herum.

»Also, Herr Fabricius, so was haben Sie noch nicht gelesen. Das ist der echte Wahnsinn! Das ist ein Thriller, in dem alle Register gezogen werden. Es geht um geheime Papiere, die wiederentdeckten Tagebücher des Zimmermanns Joseph von Nazareth. Da steht drin, dass Jesus gar nicht Gottes Sohn, sondern …«

»… Inhaber einer Herrenboutique in Wuppertal ist«, unterbrach Fabricius.

»Nee, er hat an das Gute im Menschen geglaubt, und daraus haben seine Anhänger dann eine Religion gemacht. Eine Forscherin hat auf der Suche nach dem Heiligen Gral diese geheimen Tagebücher entdeckt, und nun machen alle Jagd auf sie – besonders die Kirche, die das natürlich unterdrücken will.«

»Na klar. Und CIA und Mossad sicher auch?«, fragte Fabricius.

»Sie kennen das Buch ja schon«, lächelte der Vertreter.

»Ja, so ungefähr. Könnte man in die Handlung nicht auch noch das Verschwinden des Bernsteinzimmers reinbringen?«

Glücklicherweise unterbrach seine Mitarbeiterin Tanja das Gespräch. »Chef, Telefon für Sie. Der Fürst.« Ehrfurchtsvoll reichte sie Fabricius das Handy.

»Vielen Dank, Tanja, ich telefoniere hinten in meinem Büro.«

»Und was ist mit meinem Weihnachtskodex?«, fragte der Vertreter.

»Geben Sie mir ein Dutzend davon. Tanja, stellen Sie die Bücher zu den Promi-Autobiografien.«

Lametta

Mit ein paar Schritten hatte Johannes Fabricius sein kleines Büro in den hinteren Räumen der Buchhandlung erreicht und schloss die Tür hinter sich.

»Hallo, hier ist Johannes. Jetzt können wir reden.«

»Johannes, das nützt nun alles nichts, du musst mir helfen!« Der Fürst klang sehr aufgeregt.

»Entschuldige bitte, so schnell komme ich da nicht mit. Was nützt nichts und wobei soll ich dir helfen?«

»Tammo Tjarksen wurde ermordet. Der Mörder muss so schnell wie möglich gefunden werden. Sonst wird die Sache zu einem Politikum. Das ist sie im Grund jetzt schon.«

»Aber darum kümmert sich doch die Polizei.« Johannes Fabricius versuchte, seinen fürstlichen Patenonkel zu beruhigen.

»Der Kriminaldirektor war schon hier, um mir die Nachricht zu überbringen«, bestätigte der Fürst. »Er setzt Hauptkommissar Roolfs und Oberinspektor Janssen auf den Fall an.«

Johannes beschlich eine dunkle Ahnung, was Carl Edzard von ihm wollte. Er sagte: »Das ist das beste Team, das Uphoff hat. Je ungestörter sie arbeiten können, umso schneller werden sie die Sache aufklären. Du gehörst doch nicht wirklich zu den Verdächtigen, oder?«

Der Fürst ignorierte Johannes Fabricius’ Versuch, den eigentlichen Grund seines Anrufes abzuwimmeln. Er kam gleich zur Sache. »Morgen wird der Hofrat zu einer Sondersitzung einberufen. Dabei werde ich dich als beratendes Mitglied der Sonderkommission vorschlagen.«

»Gerrit Roolfs wird mich zu Lametta verarbeiten, wenn er davon erfährt. Das mache ich auf keinen Fall noch einmal mit. Hast du vergessen, wie das im vergangenen Jahr gelaufen ist?«

Auf einmal klang der Fürst sehr viel entspannter. »Keine Sorge, mein Lieber, darum habe ich mich schon gekümmert. Du, ich muss Schluss machen, wir sehen uns morgen!« Er hatte aufgelegt.

Johannes Fabricius hatte gerade Zeit, einmal zu seufzen, dann klopfte es an der Tür. Tanja schaute herein: »Sind Sie fertig mit Telefonieren? Herr Roolfs will Sie dringend sprechen. Kann ich ihn …«

In diesem Moment wurde Tanja von Hauptkommissar Gerrit Roolfs beiseite gedrängt. Er war außer sich. »Entschuldigen Sie bitte, Tanja. Es ist enorm wichtig. Würden Sie uns für einen Moment allein lassen?«

Johannes Fabricius wurde es mit einem Mal mulmig. Er dachte an ihren Streit im letzten Jahr, als Fabricius auf eigene Faust ermittelt hatte und als Mitglied des Hofrates vom Fürsten in die Sonderkommission berufen worden war. Gerrit Roolfs hatte sich damals übergangen gefühlt. Ihre Freundschaft war durch diese Ereignisse auf die Probe gestellt worden.*

Gerrit Roolfs setzte sich seinem Freund gegenüber, legte die Hände auf der Tischplatte übereinander und schloss für einen Moment die Augen. »Johannes, der Fürst hat bei mir angerufen. Es ist absolut unglaublich. Er wird morgen eine Sonderkommission nach fürstlichem Recht für den Tjarksen-Fall einberufen.«

Johannes Fabricius schluckte. »Also, ich …«

»Johannes, tu mir einen großen Gefallen. Ruf bitte sofort beim Fürsten an und bitte ihn, dass du der Sonderkommission zugeordnet wirst!«

* siehe: Tote brauchen keine Bücher

Überraschung

»Was soll ich?«, fragte Fabricius erstaunt.

»Johannes, kannst du nicht irgendwie versuchen, in diese Sonderkommission hineinzukommen? Der Fürst ist doch dein Patenonkel. Ich bitte dich inständig: Erzähl ihm einfach, dass du gern dabei sein möchtest.«

»Ich verstehe nicht ganz.«

»Ja, im letzten Jahr, da ist das etwas unglücklich gelaufen. Ich gebe dir auch gar nicht die Schuld, und zusammen haben wir das ja auch prima hingekriegt. Aber diesmal ist es ganz anders. Ich brauche deine Hilfe.« Gerrit Roolfs sah seinen Freund flehend an.

Johannes Fabricius begann etwas zu ahnen. Er setzte sich aufrecht und entspannt hin. »Es gibt doch bestimmt einen Grund, warum ich da mitmachen soll.«

»Ich sage nur einen Namen: Gerald Oosterhuis. Er soll das beigeordnete Mitglied des Hofrates für diesen Fall sein. Der Fürst hält die Sache innenpolitisch für so brisant, dass er von Anfang an jemanden von außen dabei haben will. Er sagte, dass er da an den Oppositionsführer denkt, damit die Sache politisch ausgewogen ist. Johannes, du kannst mich jetzt nicht einfach hängen lassen.«

Fabricius genoss die Situation noch einen Moment und lehnte sich zurück. »Du meinst, du würdest dann doch lieber mit mir zusammenarbeiten als mit Oosterhuis.«

Roolfs grinste: »Du liegst knapp vor ihm in Führung. Aber du bist gerade dabei, deinen Vorsprung zu verlieren.«

»Ich überleg mir die Sache.«

»Nein, diese Sache habe ich mir schon überlegt. Du tust jetzt, was ich sage. Einmal in deinem Leben. Du musst CE anrufen. Unbedingt. Er hat schon morgen ein Treffen mit Oosterhuis.«

»CE?«

»Carl Edzard.«

Fabricius seufzte. »Okay, ich rufe ihn an. Versprochen.«

»Du hast etwas gut bei mir, Johannes.«

»Ich werde das auszunutzen wissen, Gerrit.«

Sonntag, 1. Dezember

Moral

Am Sonntag um halb zwölf tagte der Hofrat im Auricher Schloss. Dieses Gremium hatte den Fürsten in seinen Amtsgeschäften zu beraten. Vertreten waren die beiden größten Landtagsparteien – in der Regel waren das Regierungs- und Oppositionspartei – sowie Vertreter und Vertreterinnen des öffentlichen Lebens. Dazu kamen vier berufene Mitglieder, zu denen auch Johannes Fabricius zählte.

Wie immer empfing der Fürst alle elf Mitglieder mit Handschlag und wartete mit der Begrüßung, bis alle die erste Tasse Tee ausgetrunken und die wichtigsten Neuigkeiten ausgetauscht hatten, damit dann die volle Aufmerksamkeit sichergestellt war.

Fürst Carl Edzard hatte als Gast Kriminaldirektor Uphoff eingeladen, der kurz von den ersten Ermittlungen berichtete. Tjarksen musste etwa zwischen halb drei und vier Uhr morgens erschossen worden sein. Die Blutuntersuchung hatte ergeben, dass er stark alkoholisiert gewesen war. Nicht lange nach dem Eintritt des Todes musste er dann erhängt worden sein.

Es gab viele mögliche Hinweise, aber keine wirkliche Spur. Auch das erste Gespräch mit seiner Familie hatte nichts Konkretes ergeben.

»Wissen Sie, mit welcher Waffe Tjarksen erschossen worden ist?«, fragte Fürst Carl Edzard.

»Jetzt kommt’s: Mit einer Walther PPK, Kaliber sieben Komma fünfundsechzig. Ein modifiziertes Modell der berühmten Walther PP«, erläuterte Gerrit Roolfs. »Beide Pistolen waren im Zweiten Weltkrieg unter deutschen Offizieren verbreitet. Die Walther PPK ist noch kleiner als die Walther PP und kann verdeckt getragen werden.«

»Konnten Sie die Waffe sicherstellen?«, fragte der Fürst nach.

»Nein«, antwortete Kriminaldirektor Uphoff.

»Herr Doktor Oosterhuis«, rief der Fürst den Vorsitzenden der Oppositionspartei auf, der sich schon während des Berichtes von Uphoff mehrfach zu Wort gemeldet hatte.

Wie immer, wenn Gerald Oosterhuis redete, lehnte sich Landesbischöfin Irene Sanders, die als Vertreterin der evangelischen Landeskirche Ostfrieslands in diesem Gremium saß, besonders aufmerksam nach vorn. Zwischen ihr und Oosterhuis herrschte ein hohes Maß an gegenseitiger Abneigung.

»Das ist ja nicht nur ein persönlich sehr, sehr trauriger …«, begann Oosterhuis und nickte seinen eigenen Worten zu.

»… Fall«, ergänzte die Bischöfin. »Herr Doktor Oosterhuis, es ist ein Zeichen von Höflichkeit, seine Sätze zu Ende zu sprechen.«

»Gewiss, verehrte Frau Bischöfin, Sie werden sicher … Aber worauf ich hinaus will, ist, dass der Fall ja auch eine innenpolitische Dimension … hat. Auch Ihre Kirche hat ja Herrn Tjarksen in der Vergangenheit nicht gerade christlich behandelt, Frau Bischöfin.«

»Vielleicht nicht nach einem Verständnis von christlicher Moral, wie es in Ihrer Partei zum Maßstab gemacht wird. Aber für uns ist auch ein ehrlicher Streit …«

»Immerhin haben auch Sie öffentlich Stellung genommen gegen Tjarksen und seine Aktionen«, unterbrach Oosterhuis sie empört. »Und Ihre Pastoren … Da ist auch so manches gepredigt und geschrieben … Da stehen Sie nicht weit zurück hinter den Gewerkschaften!«

»Bitte, bitte«, unterbrach der Fürst. »So kommen wir jetzt nicht weiter. Wir wissen überhaupt nicht, ob der Mord an Herrn Tjarksen etwas mit seinem Engagement in der vergangenen Zeit und den damit verbundenen Kontroversen zu tun hat. Es könnten ja auch durchaus private Motive dahinterstecken, oder ein ganz anderer Hintergrund.«

Angriffslustig fuchtelte Oosterhuis mit dem Zeigefinger in der Luft. »Gewerkschaften, Kirche und Regierung haben Stimmung gegen einen verdienten Pionier des Einzelhandels gemacht, der über siebzig Arbeitsplätze in unserem Fürstentum … Und nun sollen auf einmal persönliche Motive herhalten?«

Die Runde schwieg betreten. Der Fürst erhob sich schließlich. »Herr Doktor Oosterhuis, glauben Sie wirklich, die Bischöfin oder ich hätten Tammo Tjarksen persönlich auf dem Gewissen?«

Weihnachtsstern

Oosterhuis wurde etwas unsicher. »Ich will unseren Fürsten nicht persönlich … Ich will nur zum Ausdruck bringen, dass in der Bevölkerung vielleicht eine gewisse Irritation …«

Kreislandwirt Diekena schlug mit der Faust auf den Tisch. »Das geht nun ja wohl zu weit. Unsere Bevölkerung steht voll hinter unserem Fürstenhaus. Wenn das bekannt wird, was Sie hier für Verdächtigungen ausbreiten, dann können Sie die nächste Wahl schon jetzt abhaken.«

Carl Edzard nahm wieder Platz. »Ich schlage vor, dass wir einen Gedanken aufnehmen, der im vergangenen Jahr aus diesem Gremium kam, als ein Mordfall für viel Verunsicherung in der Bevölkerung sorgte. Ihren Vorschlag von damals, dass jemand aus unserer Runde dem Polizeiteam als beratendes Mitglied zur Verfügung steht, würde ich auch in diesem Fall für sinnvoll halten.«

Der Fürst wartete einen Moment, ob jemand richtig stellen würde, dass dieser Vorschlag damals sein persönlicher Überraschungs-Coup gewesen war. »Herr Kriminaldirektor Uphoff, hat sich die Zusammenarbeit mit Herrn Fabricius bewährt?«

»Auf ganzer Linie, Durchlaucht.«

»Gut. Herr Fabricius, wären Sie bereit, für unsere Runde diesen schweren Dienst noch einmal anzutreten? Die Tatsache, dass Sie ebenfalls im Einzelhandel tätig sind, spricht in diesem Fall ja auch noch einmal besonders für Sie.«

Johannes Fabricius, der sich bisher völlig zurückgehalten hatte, nickte zögerlich. »In Ordnung. Ich bin bereit, diese Aufgabe noch einmal zu übernehmen.«

»Wenn ich dazu noch etwas …«.

»… bemerken darf«, ergänzte die Bischöfin den Oppositionsführer und rollte mit den Augen.

»Ergebensten Dank, hochverehrte Frau Bischöfin. Ich wage doch zu bezweifeln, dass Herr Fabricius in diesem Fall der richtige … Ich meine, dass bei ihm als dem Fürstenhaus nahestehender Person doch eine gewisse Voreingenommenheit …«

Kriminaldirektor Uphoffs Gesichtsfarbe ähnelte auf einmal der des Weihnachtssterns vor ihm auf dem Tisch. »Herr Oosterhuis, wie können Sie es wagen, so etwas zu behaupten? Im vergangenen Jahr haben Sie sich während eines laufenden Verfahrens illegal vertrauliche Informationen verschafft und einen jungen Beamten dazu gebracht, seine Schweigepflicht zu verletzen. Nur die Fürsprache des Fürsten hat mich davon abgehalten, eine Strafanzeige gegen Sie zu erstatten. Ich verbiete Ihnen …«

»Herr Uphoff«, unterbrach ihn Carl Edzard. »Wären Sie damit einverstanden, zusätzlich zu Herrn Fabricius auch Herrn Doktor Oosterhuis als beratendes Mitglied in Ihrem Team zu akzeptieren? Ich ernenne ihn hiermit dazu.«

Gerald Oosterhuis erstarrte.

»Wenn Sie das wollen, geht es in Ordnung«, stimmte Uphoff zu und warf einen drohenden Blick auf Oosterhuis.

Der Fürst schaute kurz in die Runde. »Sind alle mit Fabricius und Oosterhuis einverstanden?«

Alle nickten. »Dann ist es beschlossen«, verkündete der Fürst.

Oosterhuis räusperte sich: »Durchlaucht, ich bin nicht sicher …«

»Aber wir sind uns sicher, dass Sie bei der Lösung des Falles hilfreich sein werden. Damit ist die Angelegenheit für heute beendet, in ein paar Tagen lade ich wieder ein. Vielen Dank.«

Carl Edzard II. erhob sich und gab damit allen zu verstehen, dass die Sitzung beendet war. Während die anderen nach und nach von ihren Plätzen aufstanden und ihre Papiere zusammenlegten, lächelte die Bischöfin ihm zu und hielt für einen Augenblick den Daumen hoch, aber so, dass nur der Fürst es sehen konnte.

Hohoo, hohoo

»Hohoo, hohoo«, klang es aus der Fußmatte mit dem Weihnachtsmanngesicht, als Hauptkommissar Gerrit Roolfs darauf trat und an der Haustür von Familie Tjarksen die Klingel drückte. Für ein Trauerhaus fand er diesen Willkommensgruß etwas unpassend, aber vermutlich hatte Frau Tjarksen in den vergangenen Stunden anderes zu tun gehabt, als sich um den Abbau der Weihnachtsdekoration zu kümmern.

Die Familie hatte ihr Domizil am Stadtrand von Norden, ein riesiges Backsteinhaus mit Reetdach. Die Garage mit den drei Toren war wie das Nebengebäude reetgedeckt. Um die Gebäude herum lag ein Naturgarten mit kleinen Teichen, die Wege waren mit Pflastersteinen angelegt. Gerrit Roolfs vermutete, dass die Familie einen Architekten für seinen guten Geschmack angemessen bezahlt hatte.

Ein großer, schlanker Mann um die vierzig mit grauer Zopfmusterstrickjacke und schwarzer Krawatte öffnete. Er begrüßte Roolfs mit einem geräusperten »Moin«. Nachdem Roolfs sich kurz vorgestellt hatte, murmelte der Mann: »Klaus Tjarksen. Ich bin der Sohn.«

Roolfs nickte, und der Mann führte ihn in ein riesiges Wohnzimmer. Am Fenster stand eine kleine Frau in einem schwarzen Hosenanzug und rauchte.

»Mutti, da ist der Herr Hauptkommissar«, stellte Klaus Tjarksen vor.

Renate Tjarksen drückte die Zigarette aus und reichte Gerrit Roolfs ihre Hand. Roolfs schätzte sie auf Mitte bis Ende sechzig. Alle Finger waren mit Ringen bestückt, die Fingernägel leuchteten in adventlichem Rot. Mit rauchiger, dunkler Stimme begrüßte sie ihn: »Moin, Herr Roolfs, nehmen Sie Platz.« Sie deutete auf den Sessel, dann wies sie ihren Sohn an: »Klaus, kannst du uns noch mal Kaffee machen?«

Roolfs ließ sich in einem schweren Ledersessel nieder.

Renate Tjarksen setzte sich auf die Couch. Wenn sie sich bewegte, klimperten die Ketten und Armbänder an ihren Gelenken. Um den Hals trug sie ein aufdringlich teuer wirkendes Collier, und sie war gebräunt, als hätte sie mehrere Wochen Tropenurlaub hinter sich. Roolfs tippte eher auf den regelmäßigen Gebrauch einer Sonnenbank. Sie war stark geschminkt, die Haare blondiert.

»Wenn Sie es noch nicht von anderen erfahren haben, kann ich es Ihnen auch erzählen«, begann die Witwe das Gespräch, ohne dass Roolfs überhaupt eine Frage gestellt hatte. »Unsere Ehe war nicht in herkömmlichem Sinne glücklich. Wir haben uns oft gefetzt, mein Mann und ich. Tammo war kein einfacher Mann. Er suchte immer die Reibung. Das war seine Art, mit den Leuten in Kontakt zu kommen. Aber trotzdem haben wir uns geliebt, und in all unseren Jahren haben wir uns nie richtig gestritten. So etwas gab es nicht. Wir waren dreiundvierzig Jahre verheiratet.« Sie sprach, als ob ihr Mann schon lange tot sei.

Klaus Tjarksen kam mit einem Tablett herein und stellte zwei Kaffeebecher, Zuckerdose und Sahnekännchen auf den Tisch.

»Trinkst du nicht mit uns Kaffee?«, fragte seine Mutter.

»Ich gehe nach oben, Mutti. Ich wollte noch ein paar Papiere durchsehen.«

»Herr Tjarksen«, sagte Gerrit Roolfs, »ich habe da auch noch ein paar Fragen an Sie. Sind Sie nachher noch hier?«

»Klaus wohnt hier bei uns«, belehrte ihn Renate Tjarksen. »Er hat oben eine kleine Wohnung.«

»Ich stehe Ihnen gern zur Verfügung, Herr Hauptkommissar«, sagte ihr Sohn. »Ich glaube, der Kaffee müsste gleich durch sein.« Er ging wieder in die Küche.

»Er hat ja noch keine Frau«, erklärte Renate Tjarksen. »Warum soll er dann allein irgendwo eine Wohnung nehmen? Das kostet ja nur unnötig Geld. Manchmal übernachtet er in seinem Zimmer in Oldenburg. Da arbeitet er für ein paar Tage im Monat. Aber zu Hause ist er hier bei uns.« Sie zündete sich eine neue Zigarette an. »Wir haben ein super Verhältnis. Sehr harmonisch.«

Klaus brachte eine Thermoskanne mit Kaffee und einen Teller mit Keksen. »So, ich gehe jetzt nach oben.«

956,63 ₽
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Возрастное ограничение:
18+
Дата выхода на Литрес:
25 мая 2021
Объем:
303 стр. 6 иллюстраций
ISBN:
9783839264485
Издатель:
Правообладатель:
Автор
Формат скачивания:
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