Читать книгу: «Rechtliche Grenzen vertraglicher Haftungsausschlüsse und -begrenzungen in B2B-Exportverträgen», страница 9

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2. Meinungsstand der Literatur

Basierend auf den Vorgaben der §§ 305 bis 310 BGB und zumeist rückschließend aus verschiedenen zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechungen der vergangenen Jahre haben sich nach weit überwiegendem Meinungsbild der Literatur folgende Maßstäbe für noch rechtlich zulässige Haftungsbeschränkungen und -ausschlüsse in AGBs herauskristallisiert:

§ 309 Nr. 7 BGB schließt als Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit ausdrücklich die Haftungsausschlüsse und -begrenzungen bei Verletzungen von Leben, Körper und Gesundheit sowie bei vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzungen des Verwenders (oder eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders) aus. Obwohl § 309 Nr. 7 BGB gem. § 310 Abs. 1 S. 1 BGB im B2B-Bereich nicht unmittelbar Anwendung findet, sind die diesbezüglichen Inhalte über die Rechtsprechung mittelbar über die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB – nach wohl überwiegender Meinung infolge unzureichender Berücksichtigung etwaiger Sitten und Gebräuche des Handelsverkehrs (§ 310 Abs. 1 S. 2 2. HS BGB) – auch in den B2B-Bereich eingeflossen und kommen auch dort zur Anwendung295. §§ 308, 309 BGB kommt über die Herleitung nach § 310 Abs. 1 S. 2 a.E. BGB („die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Bräuche“) trotz gesetzlich normierter fehlender unmittelbarer Anwendbarkeit eine Indizwirkung für die Unwirksamkeit nach § 307 BGB zu296. Anderer Ansicht nach lässt sich nicht allgemein pauschalisieren, ob und wieweit Haftungsklauseln somit generell infolge der Indizwirkung unwirksam sein können, sondern dies variiert je nach Typ des Klauselverbots297. Auf Grund des vorgenannten Differenzierungsgebotes könnten deshalb „erhebliche Spielräume für eine flexible Anwendung der Inhaltskontrolle im b2b-Verkehr“298 bestehen. Auch Pfeiffer sieht keine pauschale Indizwirkung und stattdessen explizit die Möglichkeit, „für kleine und mittlere Unternehmen einerseits und Großunternehmen andererseits unterschiedliche Ergebnisse“299 bei der Wirksamkeitskontrolle von AGB zu erreichen. Allerdings führt Wendland als Beleg nur die – wie bereits dargestellt – selbst durch den BGH als Sonderkonstellationen, deren pauschale Übertragbarkeit sich ohne genauere Rechtsprechungsanalyse verbietet, genannten Fälle des Werftwerkvertrages (BGH, Urt. v. 03.03.1988 – X ZR 54/86, abgedruckt in NJW 1988, S. 1785ff. (1788)) sowie des Seefrachtvertrages (BGH NJW-RR 1997, S. 1253ff. (1255)) an, welche branchentypische Besonderheiten im Rahmen von Werftarbeiten sowie des Seehandelsrechts aufgriffen, die sich – wie in der späteren Urteilsbesprechung dargestellt – jedoch nur eingeschränkt verallgemeinern lassen. Auch Ulmer/Schäfer, welche den Gleichlauf in der Bewertung von Freizeichnungsklauseln gegenüber Unternehmern und Verbrauchern attestieren, verweisen bei der möglichen Berücksichtigung von Sitten und Gebräuchen lediglich auf den Werftwerkvertragsfall300.

Der oben beschriebene Bewertungsmaßstab könnte auch durch die im Rahmen von § 310 Abs. 1 S. 2 2. HS BGB vorzunehmende Berücksichtigung von im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen beeinflusst sein. § 310 Abs. 1 S. 2 2. HS BGB bricht dabei nicht mit dem Grundprinzip, dass nur dispositives Recht durch ein Handeln oder Unterlassen von Akteuren beeinflusst werden kann; zwingendes Recht muss davon unberührt bleiben301. Gleichwohl finden die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche mittelbar im Rahmen der Interessensabwägung zur Überprüfung einer unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 BGB Anwendung, sofern nicht bereits die gesetzlich anerkannte und damit kontrollfreie Stufe des Handelsbrauchs nach § 346 HGB erreicht ist302. Strittig ist im Schrifttum, ob sich § 310 Abs. 1 S. 2 2. HS nur auf den engen Begriff des Handelsbrauchs nach § 346 HGB bezieht oder weiter auszulegen ist303. Folgt man der herrschenden Ansicht, wonach dieser Begriff eng auszulegen sei, bestehe eine Bezugnahme auf § 346 HGB mit den dort genannten „im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche“, worunter die „Verkehrssitte des Handels“304 verstanden wird. Voraussetzung hierfür sei eine tatsächliche Übung zwischen Kaufleuten über einen ausreichenden Zeitraum hinweg, in der beiderseitigen Überzeugung der Maßgeblichkeit der Übung305. Insbesondere im Hinblick auf die Beiderseitigkeit ist festzuhalten, dass weder die „bloß einseitige Durchsetzung bestimmter Regeln auf Grund wirtschaftlicher Machtstellung“306 noch die Häufigkeit einer konkreten Vertragsregelung einen Handelsbrauch erzeugt307. Dieser Begriff ist abzugrenzen von bloßen Handelsübungen („was sich nach allgemeiner Auffassung der Verkehrskreise im Rahmen vernünftiger kfm. Gepflogenheit hält“308), dem Handelsgewohnheitsrecht, der lex mercatoria, Handelsusancen oder weiteren Ausprägungen309. Anderer Ansicht nach soll auch unterhalb des Handelsbrauchs eine branchenübliche Verwendung bestimmter Klauseln ausreichen310. Nach Pfeiffer seien „die spezifischen Verhältnisse, Usancen und Verkehrssitten des Handels- und Unternehmensverkehrs oder einzelner Branchen oder Vertragsarten auch dann zu berücksichtigen, wenn sie sich noch nicht zu einem echten Handelsbrauch verfestigt haben“311. Darüber hinaus gibt es verschiedene Mischformen zwischen dem engen Maßstab des § 346 HGB sowie einer reinen Branchenüblichkeit312.

Zwar können auch AGB-Klauseln den Status eines Handelsbrauchs erreichen; dies jedoch nur, sofern bei diesen AGB-Klauseln bereits schon existierende Handelsbräuche eine Rolle gespielt haben313. Die Beweislast für das Vorliegen eines Handelsbrauchs liegt bei demjenigen, der sich darauf beruft; in Zweifelsfragen wird zumeist ein Gutachten der örtlichen IHK eingeholt314. Zuletzt ist festzuhalten, dass vertragliche Regelungen, inkl. wirksamer AGBs, einem Handelsbrauch vorgehen315. Nach Ansicht der Kritiker würden die Vorgaben und Möglichkeiten von § 310 Abs. 1 S. 2 2. HS BGB nur unzureichend durch die Rechtsprechung gewürdigt. Die geltenden Gewohnheiten und Gebräuche seien nach Ansicht der Kritiker in der Praxis jedoch nicht nur schwer zu ermitteln, sondern häufig wegen der rechtlichen Restriktionen kaum mehr existent316, was zu einem faktischen Gleichlauf bei der Beurteilung von B2C- und B2B-Verträgen führe317. Selbst wenn die Beweislast für das Vorherrschen eines bestimmten Handelsbrauchs bei demjenigen liegt, der sich hierauf beruft318, so müsse das Gericht gerade als Ausnahme den fehlenden Gleichlauf von B2C- und B2B-Verträgen begründen319. Berücksichtigt werden sollten deshalb nach Ansicht der AGB-Kritiker nicht nur Handelsbräuche an sich, sondern auch „eine branchenübliche Praxis (Klauselgestaltung) unterhalb der Schwelle des Handelsbrauchs“320. Auch die Befürworter der AGB-Kontrolle sprechen in Bezug auf § 310 Abs. 1 S. 2 2. HS BGB offen von einer bekanntermaßen bedeutungslosen „Leerformel“321 – wenngleich mit dem Fazit, dass hieran auch kein Änderungsbedarf bestehe; selbst bei branchenüblichen Haftungsbeschränkungen könne selbst unter Berücksichtigung von § 310 Abs. 1 S. 2 2. HS BGB keine zulässige Haftungsbeschränkung vereinbart werden, welche unterhalb des vertragstypischen, vorhersehbaren Schadens liege322.

Sofern eine Haftungsfreizeichnung oder -beschränkung für Fälle einfacher Fahrlässigkeit angestrebt wird, so ist die ständige Rechtsprechung des BGH zu beachten, wonach im B2B-Bereich wg. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB (Vertragszweckgefährdung wegen Aushöhlung wesentlicher Vertragspflichten) zwischen den verletzten Pflichten unterschieden werden müsse323: Bei der Verletzung vertragswesentlicher Pflichten, deren Erfüllung die ordnungsgemäße Vertragsdurchführung erst ermöglichen und auf deren Einhaltung der andere Vertragspartner vertrauen darf (sog. Kardinalpflichten), ist eine Haftungsbegrenzung nur auf die typischerweise bei Vertragsabschluss vorhersehbaren Schäden zulässig324. Nur bei der Verletzung nicht wesentlicher Pflichten ist ein Ausschluss bzw. eine Begrenzung zulässig325, wodurch sich der faktische Anwendungsbereich summenmäßiger Haftungsbeschränkungsmöglichkeiten sehr limitiere326. Darüber hinaus sei der Auftragswert keine taugliche Bemessungsgrundlage zur Festlegung einer wertmäßigen Haftungsbeschränkung327. Da die Lieferung mangelfreier Gegenstände im Werk- bzw. Kaufvertragsrecht328 als vertragswesentliche Pflichten gelte, sei faktisch kein Ausschluss der Haftung für Folgeschäden möglich329.

Nicht nur sei die Abgrenzung zwischen vertragswesentlichen und vertragsunwesentlichen Pflichten noch immer unscharf330, zum anderen ist die Schätzung des vertragstypischen, vorhersehbaren Schadens auch praktisch kaum möglich331. Nach Graf von Westphalen sei die Grenze bei „nicht vorhersehbaren Exzessrisiken“332 zu ziehen, wobei die fehlende Vorhersehbarkeit nach dem Schutzzweck der jeweiligen Norm zu ermitteln sei. Nur wenn der in der verwendeten Klausel pauschal angesetzte Betrag im konkreten Einzelfall unter diesem vertragstypischen, vorhersehbaren Schaden liege, sei die Haftungsbegrenzung wirksam333, weshalb vielfach empfohlen (und in der Praxis auch weitgehend umgesetzt) würde, in Standardklauseln den Schaden „auf den vertragstypischen, vorhersehbaren Schaden“334 zu begrenzen. Bei größeren Schadensfällen ist eine Streitverlagerung vor Gericht somit nahezu vorprogrammiert, um eine Klärung im Einzelfall herbeizuführen. Zudem wird eine Haftungsbeschränkung bei komplexen Industrieanlagen, bei welchen auf den ersten Blick bei Stillstand weitreichende finanzielle Auswirkungen ersichtlich sind, wenig Wirkung entfalten, wenn diese an der Grenze des vertragstypischen, vorhersehbaren Schadens bemessen wird. Eine Beschränkung auf den vertragstypisch vorhersehbaren Schaden sei deshalb eine bloße Worthülle ohne greifbaren Nutzen für die Wirtschaft, nachdem sich dies kaum ex ante greifen lasse und zudem belastbare Bezugsgrößen wie Vertragswert nicht als Bemessungsgrundlage taugen335.

Soweit ersichtlich, wird von den Kritikern im Schrifttum kaum beanstandet, dass als AGB einzustufende Haftungsklauseln als ungewöhnlich oder überraschend im Sinne des § 305c BGB qualifiziert würden336. Durch die Rechtsprechung ist auch anerkannt, dass im B2B-Bereich damit gerechnet werden muss, dass der Vertragspartner innerhalb gesetzlicher Grenzen eine Einschränkung der eigenen Einstandspflicht anstrebt337. Eine Berufung auf die Unwirksamkeit einer angeblich überraschenden Haftungsklausel würde auch angesichts der breit geführten Debatte in Branchenverbänden und Politik bezüglich der Unwirksamkeit branchenüblicher Haftungsregelungen auch etwas befremdlich wirken.

Eine unter Berücksichtigung der obigen Aspekte der AGB-Kontrolle standhaltende Klausel, welche so auch vom VDMA in seinen Muster-Bedingungen für die Lieferung von Maschinen für Inlandsgeschäfte338 empfohlen wird, könnte hiernach lauten:

„Für Schäden, die nicht am Liefergegenstand selbst entstanden sind, haftet der Lieferer – aus welchen Rechtsgründen auch immer – nur

 a. bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit,

 b. bei schuldhafter Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit,

 c. bei Mängeln, die er arglistig verschwiegen hat,

 d. im Rahmen einer Garantiezusage,

 e. bei Mängeln des Liefergegenstandes, soweit nach Produkthaftungsgesetz für Personen- oder Sachschäden an privat genutzten Gegenständen gehaftet wird.

Bei schuldhafter Verletzung wesentlicher Vertragspflichten haftet der Lieferer auch bei einfacher Fahrlässigkeit, allerdings begrenzt auf den vertragstypischen, vernünftigerweise vorhersehbaren Schaden.

Weitere Ansprüche sind ausgeschlossen.“

Nach dem herrschenden Meinungsstand in der Literatur bedeutet die Gesamtschau der Vorgaben aus Gesetz und Rechtsprechung eine faktische Bedeutungslosigkeit für vertragliche Haftungsbeschränkungen und -ausschlüsse, sofern diese der AGB-Kontrolle unterfallen339. Mittlerweile werden auch empirische Untersuchungen angeführt, welche fehlendes Problembewusstsein der verantwortlichen Entscheidungsträger in der Wirtschaft sowie die fehlende Fachkunde der involvierten Juristen belegen sollen340.

Die langsam aber stetig zunehmende Anzahl von Befürwortern der AGB-Kontrolle zieht überraschenderweise inhaltlich die gleichen Schlüsse zur geltenden Rechtslage341, bewertet diese jedoch anders: Gerade die Schutzbedürftigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen stelle eine Rechtfertigung für die heute geltende, sehr strenge Rechtslage dar. Dies komme den kleinen und mittleren Unternehmen zu Gute, denen von ihren übermächtigen Vertragspartnern einseitige Vertragsbedingungen diktiert werden. Die strenge AGB-Kontrolle schütze hiervor. Auch würden Transaktionskosten gerade dadurch geringgehalten werden, dass man sich auf Grund des festen Rechtsrahmens anwaltliche Rechtsberatung ersparen könne342.

Anders stellt sich dazu Graf von Westphalen, der den AGB-Kritikern unter anderem eine Verkennung der Rechtsprechung und das Ausbleiben der Vorlage von entsprechenden Urteilen vorwirft. Graf von Westphalen, der 1999 selbst noch zu den Kritikern der AGB-Kontrolle gehörte343, vertritt die These, dass sich die herrschende Meinung im kritisch eingestellten Schrifttum verliere, ohne die Rechtsprechung und deren praktische Anwendung dieser vermeintlichen Grundsätze ausreichend zu würdigen344. Ein Bedarf für die vielfach geforderte „Kehrtwende“ sei nicht feststellbar345. Es überrascht tatsächlich sehr, dass die von den Reformbefürwortern angeführten Praxisbeispiele346 stets ohne Gerichtsentscheidung durch Vergleich oder gar unter gänzlichem Verzicht auf ein Gerichtsverfahren beendet wurden und eine Fehlsteuerung gerichtlicher Entscheidungen nicht belegt wird347. Die beschriebenen Praxisfälle beziehen sich zudem gar nicht auf den Graubereich der Abgrenzung von Individualvereinbarung und AGB-Klausel348, was wie dargestellt als größter Kritikpunkt der Reformbefürworter angeführt wird349, sondern auf die Unwirksamkeit einseitig einbezogener AGBs nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Eine ausführliche Überprüfung der Rechtsprechung unterhalb des BGHs soll dies auch bestätigen350, was im Gang dieser Untersuchung im Rahmen der Rechtsprechungsanalysen kritisch überprüft werden soll. Darüber hinaus wird – ausgehend von einem strengen Leitbildverständnis des BGB – die Unwirksamkeit von in AGBs enthaltenen Abweichungen von (dispositiven) Vorgaben des BGB gerechtfertigt und ein Handlungsbedarf bestritten351.

3. Rechtsprechungsanalyse zum Inhalt der AGB-Kontrolle
(1) Allgemeine Maßstäbe der Rechtsprechung

Die Kritiker der AGB-Kontrolle führen auffälliger Weise in den oben angeführten Quellen selbst entweder gar keine oder allenfalls kaum Rechtsprechung unterhalb des BGH an. Auch die aus der Praxis stammende Initiative zur Fortentwicklung des AGB-Rechts geht in einer eigens erstellten Fallsammlung352 zum Beleg der praktischen Unzulänglichkeit der AGB-Kontrolle nicht über allgemeine Beschreibungen von Situationen hinaus und gibt – mangels Angaben zu den teilweise zugehörigen Gerichtsverfahren – keine Möglichkeit zur unabhängigen inhaltlichen Überprüfung der Sachverhalte sowie der richterlichen Würdigungen353. Auf diese Fallsammlung wird später dennoch nach nachfolgender Rechtsprechungsanalyse einzugehen sein. Leuschner geht in seinem Abschlussbericht zum AGB-Recht zwischen Unternehmen354, den er im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz 2014 erstellt hat, zumindest neben höchstrichterlicher Rechtsprechung teilweise auch auf die Rechtsprechung weniger Obergerichte ein, stellt aber lediglich verkürzte Kernaussagen ohne Wiedergabe und tiefergehende Analyse, insbes. auch Urteile der Instanzengerichte, dar. Dieser Ansatz ist nachfolgend auszuweiten und zu vertiefen.

Festzustellen ist, dass sich die wie zuvor beschriebenen sehr engen Leitplanken für zulässige Haftungsklauseln in AGBs grundsätzlich auch in der Rechtsprechung in den verschiedensten Instanzen wiederfinden355:

So sind die Rahmenbedingungen für wirksame Haftungsbeschränkungsklauseln durch den BGH mehrfach beschrieben356 und in verschiedenen Urteilen der Instanzgerichte weiter konkretisiert und gefestigt worden, nachfolgend im Bereich des geschäftsmäßigen Gebrauchtwagenkaufs:

„10 a) Die Klausel, nach welcher der Käufer das gebrauchte Fahrzeug „unter Ausschluss jeder Gewährleistung“ bestellt, verstößt gegen die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB. Nach diesen Bestimmungen kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Verschuldenshaftung für Körper- und Gesundheitsschäden nicht, für sonstige Schäden nur für den Fall einfacher Fahrlässigkeit ausgeschlossen oder begrenzt werden (BGHZ 170, 31, Tz. 19). Diesen Beschränkungen trägt ein uneingeschränkter Haftungsausschluss in einem Gebrauchtwagenkaufvertrag wie dem vorliegenden nicht Rechnung (vgl. BGHZ 170, 67, Tz. 10).

11 b) Allerdings sind die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB hier nicht unmittelbar anwendbar, weil es sich bei dem Kläger nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts um einen Unternehmer handelt. Auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer verwendet werden, findet § 309 BGB keine Anwendung (§ 310 Abs. 1 Satz 1 BGB). Solche Geschäftsbedingungen unterliegen jedoch der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB, und zwar auch insoweit, als dies zur Unwirksamkeit von Vertragsbestimmungen führt, die in § 309 BGB aufgeführt sind; dabei ist auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Bräuche angemessen Rücksicht zu nehmen (§ 310 Abs. 1 Satz 2 BGB). Diese Bestimmung, die dem früheren § 24 AGBG entspricht, bedeutet, dass bei der Inhaltskontrolle im unternehmerischen Verkehr die in den Klauselverboten zum Ausdruck kommenden Wertungen berücksichtigt werden sollen, soweit sie übertragbar sind (vgl. BGHZ 89, 363ff. und 90, 273ff. zu § 24 AGBG; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 10. Aufl., § 307 BGB Rdnr. 163, 381ff.; MünchKommBGB/Kieninger, 5. Aufl., § 307 Rdnr. 72; MünchKommBGB/ Basedow, 5. Aufl., § 310 Rdnr. 7ff.; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB (2004), § 444 Rdnr. 8; Staudinger/Coester-Waltjen, BGB (2006), § 309 Nr. 7 Rdnr. 42). Insoweit hat sich die Rechtslage durch die Neuregelung in §§ 307ff. BGB nicht geändert.

12 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 11 AGBG (jetzt § 309 BGB) kommt den strikten Klauselverboten im Rahmen der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG (jetzt § 307 BGB) Indizwirkung für die Unwirksamkeit der Klausel auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr zu (BGHZ 90, 273, 278; BGHZ 103, 316, 328). Daran hält der Senat fest. Fällt eine Klausel bei ihrer Verwendung gegenüber Verbrauchern unter eine Verbotsnorm des § 309 BGB, so ist dies ein Indiz dafür, dass sie auch im Falle der Verwendung gegenüber Unternehmern zu einer unangemessenen Benachteiligung führt, es sei denn, sie kann wegen der besonderen Interessen und Bedürfnisse des unternehmerischen Geschäftsverkehrs ausnahmsweise als angemessen angesehen werden (vgl. BGHZ 90, 273, 278, zu § 11 AGBG; MünchKommBGB/Kieninger, aaO, zu § 307 BGB).

13 c) Nach dieser Maßgabe ist eine umfassende Freizeichnung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach der die Haftung des Klauselverwenders – wie im vorliegenden Gebrauchtwagenkaufvertrag – auch für Körper- und Gesundheitsschäden (§ 309 Nr. 7 Buchst. a BGB) und für sonstige Schäden auch bei grobem Verschulden (§ 309 Nr. 7 Buchst. b BGB) ausgeschlossen ist, nicht nur gegenüber Verbrauchern, sondern ebenso im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders unwirksam (§ 307 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 BGB; Staudinger/Coester-Waltjen, aaO, m.w.N.).

14 aa) Das absolute Haftungsfreizeichnungsverbot für Verletzungen des Lebens, des Körpers und der Gesundheit (§ 309 Nr. 7 Buchst. a BGB) gilt nach einhelliger Auffassung auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr und führt deshalb zur Unwirksamkeit einer dagegen verstoßenden Klausel nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB (Fuchs, aaO, Rdnr. 283 m.w.N. in Fn. 997). Die Rechtfertigung dafür liegt darin, dass hinsichtlich des von § 309 Nr. 7 Buchst. a BGB bezweckten Schutzes besonders wichtiger persönlicher Rechtsgüter kein Raum ist für eine Differenzierung zwischen Unternehmern und Verbrauchern. Aus den im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen (§ 310 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB) ergibt sich nichts Anderes.

15 bb) Ebenso ist eine Freizeichnung im unternehmerischen Geschäftsverkehr bei einem Verstoß gegen § 309 Nr. 7 Buchst. b BGB jedenfalls dann unwirksam, wenn sie – wie im vorliegenden Fall – hinsichtlich sonstiger Schäden die Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit vollständig ausschließt. Ein derart weitreichender Haftungsausschluss benachteiligt den Vertragspartner des Verwenders auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr unangemessen, weil er den Vertragszweck gefährdet (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf eine Haftungsbeschränkung nicht dazu führen, dass der Klauselverwender von Verpflichtungen befreit wird, deren Erfüllung die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrags überhaupt erst ermöglicht und auf deren Einhaltung der Vertragspartner regelmäßig vertraut und vertrauen darf (BGHZ 164, 11, 36; BGH, Urteil vom 15. September 2005 – I ZR 58/03, NJW-RR 2006, 267, Tz. 38). Ein Unternehmer darf ebenso wie ein Verbraucher darauf vertrauen, dass sein Vertragspartner ihn nicht grob fahrlässig oder gar vorsätzlich schädigt. Auch insoweit fehlt eine sachliche Rechtfertigung dafür, hinsichtlich der Haftungsfolgen für grobes Verschulden danach zu differenzieren, ob von dem Verschulden des Vertragspartners ein Unternehmer oder ein Verbraucher betroffen ist. Deshalb besteht auch im Geschäftsverkehr mit Unternehmern ein Verbot der umfassenden Freizeichnung von der Haftung für grobes Verschulden (Fuchs, aaO, Rdnr. 285 m.w.N. in Fn. 1000); inwieweit bei grober Fahrlässigkeit im unternehmerischen Geschäftsverkehr eine Haftungsbeschränkung zulässig ist (dazu Fuchs, aaO, Rdnr. 286), bedarf hier keiner Entscheidung, weil der vorliegende Gebrauchtwagenkaufvertrag nicht lediglich eine Haftungsbeschränkung, sondern einen umfassenden Haftungsausschluss enthält.“

Grundlegend ist das Urteil des BGH (Urt. v. 11.11.1992 – VIII ZR 238/91) zur Unzulässigkeit von Haftungsausschlüssel und -beschränkungen wegen Vertragszweckgefährdung, basierend auf folgender Klausel

„„1. Für Schäden, die dem Auftraggeber bei der Entnahme von Materialproben, bei der Erbringung einer geschuldeten Leistung oder durch fehlerhafte Prüfungen, Prüfzeugnisse u.ä. entstehen, haftet das BZR nur, wenn ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen wird. ...“

„ 2. Wird dem BZR grob fahrlässiges Verhalten nachgewiesen, so beschränkt sich seine Ersatzpflicht auf DM 100.000,00 für alle Schäden, die durch Handlungen oder Unterlassungen im Zusammenhang mit der Erfüllung des Vertrages verursacht worden sind. ...““

in einem B2B-Vertrag zwischen einem Baustoffberatungszentrum (BZR) und einem Berater:

„2. Die in Nr. VI 1 und 2 BZR-AGB vorgesehene Haftungsbeschränkung ist aber gemäß § 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AGBG unwirksam, weil sie wesentliche Rechte (der Klägerin) oder Pflichten (des Beklagten), die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, daß die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist, und die Klägerin dadurch entgegen, den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.

a) Zwar ist der formularmäßige Ausschluß der Haftung für leichte Fahrlässigkeit nach § 11 Nr. 7 AGBG grundsätzlich zulässig. Er ist aber dann unwirksam, wenn er wie die hier verwendete Klausel wesentliche Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, daß die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Das in § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG enthaltene Verbot der Aushöhlung wesentlicher vertraglicher Rechte und Pflichten beruht auf der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach Allgemeine Geschäftsbedingungen dem Vertragspartner nicht solche Rechtspositionen wegnehmen oder einschränken dürfen, die ihm der Vertrag nach seinem Inhalt und Zweck zu gewähren hat. Vor allem darf sich der Klauselverwender – auch gegenüber einem Kaufmann – nicht formularmäßig von Pflichten freizeichnen, deren Erfüllung die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrages überhaupt erst ermöglicht, auf deren Erfüllung der Vertragspartner daher vertraut und auch vertrauen darf (BGHZ 89, 363, 367; Urteil vom 23. Februar 1984 – VII ZR 274/82, WM 1984, 1224 = NJW 1985, 3016 unter VI 2; Urteil vom 20. Juni 1984 – VIII ZR 137/83, WM 1984, 1053 = NJW 1985, 914 unter II 2b bb; BGHZ 93, 29, 48; Urteil vom 20. Dezember 1984 – VII ZR 340/83, WM 1985, 522 unter II 2a; Urteil vom 21. Dezember 1987 – II ZR 177/87, WM 1988, 246 unter I 2b; BGHZ 103, 316, 321, 324; Urteil vom 5. Mai 1992 – VI ZR 188/91, NJW 1992, 2016 unter II 1a; für den nichtkaufmännischen Bereich ferner Urteil vom 17. Januar 1985 – VII ZR 375/83, NJW 1985, 1165 unter 1 2c; Urteil vorn 9. November 1989 – IX ZR 269/87, NJW 1990, 761 unter III 1; Urteil vom 9. Juli 1991 – XI ZR 72/90, WM 1991, 1452 unter XI 2b; zum ganzen eingehend Paulusch DWiR 1992, 182, 185ff m.w.Nachw.).

b) Einer an diesen Maßstäben ausgerichteten Inhaltskontrolle hält die in Nr. VI 1 und 2 BZR-AGB vorgesehene Haftungsbeschränkung nicht stand. Sie erfaßt ohne jede Einschränkung Schädigungen des Auftraggebers „bei der Erbringung einer geschuldeten Leistung“, des Beklagten, schließt dessen Haftung mithin auch für den Fall schuldhafter Verletzung vertraglicher Hauptleistungspflichten, „wesentlicher Pflichten“ im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG (vgl. Paulusch aaO S.’ 187f m.w.Nachw.), aus. Daß eine so weitgehende Einschränkung auch der Hauptleistungspflichten, die der Vertrag vom 7. Juli 1986 dem Beklagten auferlegte, die Erreichung des Vertragszwecks gefährdete (vgl. hierzu insbesondere BGHZ 103, 316, 324; Urteil vom 9. November 1989 aaO unter III 2a; Paulusch aaO S. 188f), liegt auf der Hand. Der von den Parteien im Juli 1986 geschlossene Vertrag diente dem Zweck, der Klägerin den wissenschaftlichen und technischen Sachverstand des Beklagten für die Entwicklung und Verbesserung der von ihr hergestellten und vertriebenen Produkte nutzbar zu machen. Durfte der Beklagte die hierbei gebotene Sorgfalt bis zur Grenze der groben Fahrlässigkeit sanktionslos vernachlässigen, so war die Erreichung des Vertragszwecks offensichtlich in Frage gestellt.

3. Bedenken begegnet auch die Haftungsbegrenzung in Nr. VI 2 BZR-AGB auf einen Höchstbetrag von 100.000 DM, denn auch sie ist geeignet, die Rechte der Klägerin derart auszuhöhlen, daß der Vertragszweck gefährdet sein kann (vgl. BGHZ 89, 363, 368f). Eine solche Haftungsbegrenzung ist nur dann wirksam, wenn die Höchstsumme die vertragstypischen, vorhersehbaren Schäden abdeckt (BGH aaO; Urteil vom 23. Februar 1984 aaO unter VI 2b und c; Paulusch aaO S. 189 m.w. Nachw.). Dazu fehlt es an tatrichterlichen Feststellungen.

4. Die mit den genannten unwirksamen Klauseln bezweckte Haftungsbeschränkung kann auch nicht in einem geringeren, der Inhaltskontrolle noch standhaltenden Umfang aufrechterhalten werden. Das wäre eine geltungserhaltende Reduktion, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch im kaufmännischen Verkehr unzulässig ist (zuletzt Urteil vom 10. Oktober 1991 – III ZR 141/90, WM 1992, 100 unter 3a aa).“

Allerdings hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Frage, ob und in welchem Maße sich der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen im kaufmännischen Geschäftsverkehr von der Haftung für grobes Verschulden einfacher Erfüllungsgehilfen freizeichnen kann, wenn es sich nicht um die Verletzung vertragswesentlicher Pflichten handelt, bisher ausdrücklich offen gelassen357. Die wohl h.M. geht mittlerweile davon aus, dass eine Unterscheidung zwischen leitenden Personen und Erfüllungsgehilfen in diesem Punkt nicht mehr zulässig ist358.

Das OLG Frankfurt hat in seinem Urteil vom 26.05.1998 – 5 U 25/97 einen sehr interessanten Fall zu beurteilen, in welchem eine Fluggesellschaft eine Flughafenbetreiberin wegen Beschädigung eines Flugzeugs bei Unterfahrung in Anspruch nimmt, während sich die Flughafenbetreiberin – letztlich erfolglos – auf eine vertragliche Haftungsbeschränkung beruft, u.a. mit dem Hinweis auf die Möglichkeit zur Versicherbarkeit von Schäden durch die Fluggesellschaft sowie das Vorliegen eines Handelsbrauchs:

„19 Auf die Haftungsfreizeichnung nach Artikel 8 des Bodendienstvertrages vom 29. April 1975 kann sich die Beklagte nicht berufen.

20 Der vorliegende Schadensfall wird allerdings grundsätzlich von der Haftungsfreizeichnung erfasst. Soweit in Artikel 8 Abs. 2 bestimmt ist: „Für den Transport auf dem Boden übernimmt die X die gesetzliche Haftpflicht“, ist dies nach übereinstimmender Auffassung der Parteien nicht so zu verstehen, dass der beim Verladen als Bestandteil des Transports entstandene Schadensfall unter die genannte Ausnahme fiele. Beide Parteien haben der Klausel auch nach ausdrücklicher Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat keine derartige Bedeutung beigelegt. Dem ist das übereinstimmende Verständnis der Parteien zu entnehmen, dass Artikel 8 Abs. 2 ungeachtet der unklaren Ausdrucksweise („für den Transport auf dem Boden“) lediglich die Haftung für Personen- und Güterschäden zu regeln bestimmt ist, sich jedenfalls nicht auf Schäden bezieht, die Transportmittel der Beklagten an sonstigen Rechtsgütern der Klägerin beim Be- oder Entladen hervorrufen. Ein derartiges gemeinsames Verständnis der Parteien von der Bedeutung einer Klausel geht jeder anderen Auslegung auch im Falle einer Allgemeinen Geschäftsbedingung vor (BGH NJW 1991, 1604, 1606 [BGH 23.01.1991 – VIII ZR 122/90]; Ulmer/Brandner/Hensen, 8. Aufl. 1997, § 5 AGBG Rn. 24).

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