Читать книгу: «Rechtliche Grenzen vertraglicher Haftungsausschlüsse und -begrenzungen in B2B-Exportverträgen», страница 5

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B. Gesetzliche Haftungsbegrenzungen und -ausschlüsse

Unabhängig von den zuvor genannten dogmatischen Schranken existieren gesetzliche und gesetzlich tolerierte Haftungsprivilegien, welche den Grundsatz der unbeschränkten Haftung aufweichen. Beispielhaft sind folgende Konzepte zu erläutern:

I. Gesetzliche Haftungsbeschränkung, insbes. im Bereich der Gefährdungshaftung

So begrenzt der Gesetzgeber zum Beispiel132 die Ansprüche wegen Folgeschäden in Sinne von Personenschäden gem. Produkthaftungsgesetz im B2C-Bereich auf eine Gesamtsumme i.H.v. 85 Millionen EUR (§ 10 Abs. 1 ProdHaftG) – wobei natürlich anzumerken ist, dass neben dieser Anspruchsgrundlage weiterhin der Weg für unbeschränkte Schadensersatzansprüche z.B. nach § 823 BGB offen bleibt133. Bei einer Berufung auf die Beweiserleichterungen des Produkthaftungsgesetzes134 werden Ansprüche somit gesetzlich gedeckelt. Auf den ersten Blick scheint dies der Preis dafür zu sein, dass der Verbraucher ein Verschulden des Herstellers (entgegen zu den Vorgaben des § 823 BGB) nicht zu beweisen hat und somit eine Beweiserleichterung erfährt. Begründet wird dies offiziell mit der deutschen Rechtstradition, bei verschuldensunabhängiger Gefährdungshaftung eine Deckelung vorzusehen.135

Nur am Rande erwähnt sei, dass der Gesetzgeber in bestimmten Konstellationen auch im Rahmen des Verschuldensmaßstabs von dem Prinzip der Haftung für jegliches Verschulden abweicht136: Für den B2B-Bereich könnte u.a. der Haftungsausschluss für einfache Fahrlässigkeit zu Gunsten des Schuldners bei Annahmeverzug des Gläubigers (§ 300 Abs. 1 BGB) relevant sein.

II. Gesetzlich tolerierte vertragliche Haftungsbeschränkung

Darüber hinaus gewährt der Gesetzgeber bzw. auch die Rechtsprechung vertragliche Haftungsprivilegien an Stellen, an denen man es auf Grund der hier besprochenen Thematik eher nicht vermuten würde:

Hervorzuheben sind hier insbesondere die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (kurz ADSp)137. Bei den ADSp handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, welche von diversen Wirtschaftsverbänden (DIHK, BDI, BGA und HDE) und dem Bundesverband Spedition und Logistik (mittlerweile umbenannt in Deutscher Speditions- und Logistik-Verband) ausgehandelt wurden138. Die Anwendung im B2B-Bereich ist gesetzlich nicht verpflichtend, wird von Branchenverbänden aber empfohlen, weshalb den ADSp eine „überragende praktische Bedeutung“139 zugeschrieben wird. Die Einbeziehungserfordernisse richten sich nach den allgemeinen Grundsätzen, wobei infolge der Branchenüblichkeit von einer erleichterten stillschweigenden Einbeziehung auszugehen ist140. Gegenüber Verbrauchern erlangen die ADSp keine Rechtskraft (Ziffer 2.4 ADSp). Kennzeichnend ist, dass konkrete, oft gewichtsabhängige Haftungshöchstgrenzen im Sinne eines Wertersatzes für Schadensersatzansprüche aus Schäden im Fracht-, Speditions- und Lagergeschäft vereinbart sind (vgl. Ziffer 22, 23 ADSp), ergänzt um absolute Haftungshöchstgrenzen von 1,25 Mio. EUR je Anspruch bzw. 2,5 Mio. EUR je Schadensereignis141 (vgl. Ziffer 23.3.3, 23.5 ADSp). Die Haftung für diesbezügliche Vermögensschäden (auch Folgeschäden) wird hierdurch ersetzt, was auch durch eine erschwerte Versicherbarkeit begründet wird142. Eine Durchbrechung des Haftungsausschlusses ist (hauptsächlich) im Fall von qualifiziertem Verschulden (Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit) oder der Verletzung vertragswesentlicher (Kardinal-)Pflichten (Ziffer 27.1 ADSp) denkbar143. Voraussetzung für die Haftungsprivilegierung – auch „Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz“144 genannt – ist auch hier die Eindeckung mit einer marktüblichen Haftpflichtversicherung (Ziffer 28.3 ADSp), welche die dem Geschädigten nach den ADSp zustehenden Ansprüche abdeckt145. Erfolgt diese „Bonitätssicherung“ (d.h. versicherungsrechtliche Absicherung der Anspruchsrealisierung) nicht, so entfällt das Recht zur Berufung auf die Haftungsklauseln der ADSp146. Selbstbehalte von rd. 10 % sowie ein Ausschluss der Deckung für grobe Fahrlässigkeit gelten dabei als marktüblich und sind nicht zu beanstanden147. Die von der Rechtsprechung im Rahmen der AGB-Kontrolle gewährte Bevorzugung besteht darin, dass die ADSp als „ein von allen beteiligten Kreisen ausgehandeltes Gesamtgefüge“148 gewertet wird, dessen einzelne Klauseln nicht separat, sondern nur in einer Gesamtwertung betrachtet werden dürfen149. Der BGH (Urt. v. 03.11.1994 – I ZR 100/92) hat infolgedessen konkret am Beispiel der Haftungsbeschränkung die Rechtmäßigkeit besonders betont:

„b) An der bisherigen Rechtsprechung des BGH ist festzuhalten. Die Haftungsbeschränkung nach den ADSp weicht zwar vom Leitbild der Haftung nach den dispositiven Bestimmungen des § 417 I und des § 390 Absatz I HGB dadurch ab, daß anstelle der dort vorgesehenen vollen Haftung ohne Verschuldensnachweis, jedoch mit der Möglichkeit des Entlastungsbeweises, eine hinsichtlich des Verschuldens und der Entlastungsmöglichkeit differenzierte Regelung tritt, wobei eine darüber hinausgehende Haftung gegen besondere Vergütung vereinbart werden kann (§ 51 lit. c ADSp) und ferner bestimmte Haftungshöchstgrenzen vorgesehen sind. Gleichwohl hat der BGH in der vorerwähnten Bestimmung keine den Vertragspartner (Auftraggeber) unangemessen benachteiligende Regelung (§ 9 Absatz I AGBG) gesehen. Die ADSp sind zwar Allgemeine Geschäftsbedingungen. AGB, die – wie es dem Regelfall entspricht – einseitig aufgestellt werden, können sie aber nicht ohne weiteres gleichgestellt werden. Bei ihnen ist die Besonderheit zu berücksichtigen, daß sie unter Mitwirkung aller beteiligten Wirtschaftskreise zustande gekommen sind. Sie haben seit nunmehr über 50 Jahren weitgehende Anerkennung bei allen beteiligten Verkehrskreisen gefunden und sind zu einer “allgemein geregelten Vertragsordnung”, zu einer umfassenden “fertig bereitliegenden Rechtsordnung” geworden. Das enthebt sie zwar nicht dem Anwendungsbereich des AGB-Gesetzes, führt aber dazu, auch bei Beanstandungen nur einer bestimmten einzelnen Klausel – hier der Haftungshöchstgrenze nach § 54 lit. a Nr. 2 ADSp – den jeweiligen Normzweck in der Gesamtheit der Regelung zu berücksichtigen. Es bedarf also einer umfassenden Würdigung des gesamten, dem Haftungs- und Versicherungssystem der ADSp zugrundeliegenden wirtschaftlichen Sachverhalts. Die einzelne Klausel kann nicht isoliert am Gerechtigkeitsgehalt einer einzelnen Norm des dispositiven Rechts gemessen werden; vielmehr ist die beiderseitige Interessenlage im Zusammenhang mit dem Gesamtgefüge der ADSp zu werten. Wird hiervon ausgegangen, so kann bei dem ineinandergreifenden und aufeinander abgestimmten Haftungssystem der ADSp mit Haftungsbeschränkungen und Beweiserleichterungen auf der einen Seite, angepaßten Vergütungen, Versicherungsbedingungen und Versicherungsprämien auf der anderen Seite nicht ohne weiteres eine Inkongruenz und unangemessene Benachteiligung der verladenden Wirtschaft angenommen werden. Der BGH hat daher bisher keine Veranlassung gesehen, an der Rechtswirksamkeit der vorerwähnten Haftungsbeschränkung zu zweifeln (BGH, NJW 1982, NJW Jahr 1982 Seite 1820 = LM § 54 ADSp Nr. 4 = TranspR 1982, 77 (78f.) = VersR 1982, VERSR Jahr 1982 Seite 486 (VERSR Jahr 1982 Seite 488)).“

Die ADSp werden dabei nicht als Individualvereinbarung gewertet, sondern nur im Rahmen der Angemessenheitsprüfung privilegiert150. Zu den dabei zu berücksichtigenden Wertungen wurde u.a. in BGH, Urt. v. 09.10.1981 – I ZR 188/79, ausgeführt:

„Gleichwohl kann die im vorliegenden Rechtsstreit in Frage stehende Bestimmung des § 54a Nr. 2 ADSp nicht als eine den Vertragspartner unangemessen benachteiligende Regelung angesehen werden. Die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen haben zwar den Charakter von AGB (vgl. BGHZ 6, BGHZ Band 6 Seite 145 (BGHZ Band 6 Seite 147); 12, BGHZ Band 12 Seite 136 (BGHZ Band 12 Seite 139) = NJW 1954, NJW Jahr 1954 Seite 795); trotzdem können sie jedoch mit einseitig aufgestellten AGB eines Unternehmens nicht ohne weiteres gleichgestellt werden. Die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen sind unter Mitwirkung aller beteiligten Wirtschaftskreise zustandegekommen (vgl. BGHZ 41, BGHZ Band 41 Seite 151 (BGHZ Band 41 Seite 155) = NJW 1964, NJW Jahr 1964 Seite 1123); sie haben seit nunmehr über 50 Jahren weitgehende Anerkennung bei allen beteiligten Verkehrskreisen gefunden; sie sind zu einer “allgemein geregelten Vertragsordnung”, zu einer umfassenden “fertig bereitliegenden Rechtsordnung” geworden (vgl. BGHZ 1, BGHZ Band 1 Seite 83 (BGHZ Band 1 Seite 85f) = NJW 1951, NJW Jahr 1951 Seite 402; BGHZ 6, BGHZ Band 6 Seite 145 (BGHZ Band 6 Seite 147); 9, BGHZ Band 9 Seite 1 (BGHZ Band 9 Seite 3) = NJW 1953, NJW Jahr 1953 Seite 541; BGHZ 12, BGHZ Band 12 Seite 136 (BGHZ Band 12 Seite 139, BGHZ Band 12 Seite 142) = NJW 1954, NJW Jahr 1954 Seite 795; BGHZ 17, BGHZ Band 17 Seite 1 (BGHZ Band 17 Seite 2) = NJW 1955, NJW Jahr 1955 Seite 1145). Das enthebt sie zwar nicht dem Anwendungsbereich des AGB-Gesetzes, führt aber dazu, auch bei Beanstandungen nur einer bestimmten einzelnen Klausel – hier der Haftungshöchstgrenze nach §ADSP § 54a Nr. 2 ADSp – den jeweiligen Normzweck in der Gesamtheit der Regelung zu berücksichtigen. Es bedarf also einer umfassenden Würdigung des gesamten, dem Haftungs- und Versicherungssystem der Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen zugrundeliegenden wirtschaftlichen Sachverhalts. Die einzelne Klausel kann nicht isoliert am Gerechtigkeitsgehalt einer Norm des dispositiven Rechts gemessen werden; vielmehr ist die beiderseitige Interessenlage im Zusammenhang mit dem Gesamtgefüge der Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen zu werten. Wird aber hiervon ausgegangen, so kann bei dem ineinandergreifenden und aufeinander abgestellten Haftungssystem der Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen mit einerseits Haftungsbeschränkungen und Beweiserleichterungen andererseits den angepaßten Vergütungen, Versicherungsbedingungen und Versicherungsprämien nicht ohne weiteres eine Inkongruenz und unangemessene Benachteiligung der verladenden Wirtschaft angenommen werden (vgl. Krien, Speditions- und LagerR, Loseblatt-Slg., § 54 Anm. 1d; Krien-Hay, ADSp, 4. Aufl., § 54 Anm. 1 a II; Ulmer-Brandner-Hensen, AGB, 3. Aufl., Anh. §§ 9 bis 1 Rdnrn. 15, 22). Der BGH hat daher auch bislang keine Veranlassung gesehen, an der Wirksamkeit der in § ADSP § 54a Nr. 2 ADSp enthaltenen Haftungsbeschränkung zu zweifeln (vgl. BGHZ 20, BGHZ Band 20 Seite 164 (BGHZ Band 20 Seite 167) = NJW 1956, NJW Jahr 1956 Seite 908).“

An diese Bevorzugung wird jedoch eine zusätzliche Anforderung im Bereich der wirksamen Einbeziehung gestellt: So hat der BGH151 entschieden, dass die Grundsätze zur drucktechnischen Hervorhebung gem. §§ 449 Abs. 2 Nr. 1, 466 Abs. 2 Nr. 1 HGB im Rahmen der wirksamen Einbeziehung der ADSp eine wesentliche Rolle spielen152. Des Weiteren ist hervorzuheben, dass bei den ADSp der Grundsatz des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion nicht greift, nachdem nicht die Zielsetzung eines Verwenders nach Ausnutzung seiner Vormachtstellung im Raum stehe, sondern die beteiligten Verbände nach einem ausgewogenen Interessenausgleich gesucht haben153. Auf die inhaltlichen Bedenken hinsichtlich der Angemessenheit und somit Zulässigkeit der einzelnen Haftungsbegrenzungen der ADSp kann an dieser Stelle nur verwiesen werden (vgl. insbes. Bahnsen, TransportR 2010, S. 19ff. (25f.)).

Nur am Rande sei angesichts der Zielsetzung dieser Arbeit darauf verwiesen, dass auch die im Bauwesen paritätisch von Auftraggebern und Auftragnehmern erarbeiteten VOB/B – sofern diese inhaltlich unverändert im Ganzen übernommen werden – im Rahmen der Inhaltskontrolle eine Privilegierung erfahren. Der BGH hat dazu in seinem Urteil vom 22.01.2004 – VII ZR 419/02, Ziffer II, unter Abkehr von der bislang gültigen Rechtsprechung ausgeführt:

„[13] 2. Allerdings unterliegen die einzelnen Regelungen der VOB/B nach der Rechtsprechung des Senats zum Geltungsbereich des AGB-Gesetzes nicht der Inhaltskontrolle, wenn der Verwender die VOB/B ohne ins Gewicht fallende Einschränkung übernommen hat. Dieser Rechtsprechung liegt die Erwägung zugrunde, daß die VOB/B einen billigen Interessenausgleich zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber bezweckt. Würden einzelne Regelungen der Inhaltskontrolle unterzogen, so könnte der bezweckte Interessenausgleich gestört sein. Die VOB/B ist deshalb der Inhaltskontrolle entzogen worden, wenn der von ihr verwirklichte Interessenausgleich durch die Vertragsgestaltung nicht wesentlich beeinträchtigt worden ist (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1982 – VII ZR 92/82, BGHZ 86, 135, 142). Die Inhaltskontrolle war eröffnet, wenn der Vertrag Regelungen vorsah, die in den Kernbereich der VOB/B eingreifen. Einen derartigen Eingriff hat der Senat bejaht bei Änderungen von § 1 Nr. 3 (Urteil vom 28. November 2002 – VII ZR 4/00, BauR 2003, 380, 381 = ZfBR 2003, 248 = NZBau 2003, 150), von § 2 Nr. 3 und Nr. 5 (Urteile vom 20. Dezember 1990 – VII ZR 248/89 = BauR 1991, 210 = ZfBR 1991, 101 und vom 25. Januar 1996 – VII ZR 233/94, BGHZ 131, 392, 397), von § 8 Nr. 1 (Urteil vom 28. November 2002 – VII ZR 4/00 aaO), von § 9 Nr. 3 (Urteil vom 28. September 1989 – VII ZR 167/88, BauR 1990, 81, 83 = ZfBR 1990, 18), der Abnahmeregelungen (Urteile vom 6. Juni 1991 – VII ZR 101/90, BauR 1991, 740, 741 = ZfBR 1991, 253; vom 17. November 1994 – VII ZR 245/93, BauR 1995, 234, 236 = ZfBR 1995, 77 und vom 25. Januar 1996 – VII ZR 233/94 aaO), von § 13 Nr. 7 Abs. 4 (Urteil vom 21. Juni 1990 – VII ZR 109/89, BGHZ 111, 394, 397) und von § 16 Nr. 1 (Urteil vom 14. Februar 1991 – VII ZR 291/89, BauR 1991, 473 = ZfBR 1991, 199).

[14] Diese Rechtsprechung hat teilweise insoweit Widerspruch erfahren, als keine klaren Abgrenzungskriterien entwickelt worden seien, unter welchen Voraussetzungen eine wesentliche Beeinträchtigung des in der VOB/B verwirklichten Interessenausgleichs angenommen werden könne (Siegburg, BauR 1993, 9, 10, 16; Bunte, Festschrift für Korbion S. 18; Anker/Zumschlinge, BauR 1995, 323, 325; Kraus/Vygen/Oppler, BauR 1999, 964, 967; Kraus, BauR 2001, 1, 10; vgl. auch Tomic, BauR 2001, 14, 16). Dem ist zuzustimmen. Aus der bisherigen Senatsrechtsprechung lassen sich keine greifbaren Kriterien dafür ableiten, wann eine von der VOB/B abweichende Regelung in deren Kernbereich eingreift. Die vom Senat verwendeten Formulierungen haben sich nicht als brauchbares Abgrenzungskriterium erwiesen. Sie ermöglichen nicht die für den Rechtsverkehr erforderliche sichere Beurteilung, inwieweit ein vertragliches Regelwerk der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz unterliegt. Nötig ist aber eine Rechtsanwendung, die für die Vertragsparteien eine verläßliche Prognose ermöglicht. Aus den bisherigen Entscheidungen ergibt sich, daß der Bundesgerichtshof schon bei relativ geringfügigen Abweichungen einen Eingriff in den Kernbereich der VOB/B bejaht und tendenziell zu erkennen gegeben hat, daß grundsätzlich jede inhaltliche Abweichung einen Eingriff in die Ausgewogenheit der VOB/B darstellt. Diese Entwicklung ist im Interesse der Rechtssicherheit dahin abzuschließen, daß grundsätzlich jede inhaltliche Abweichung von der VOB/B als eine Störung des von ihr beabsichtigten Interessenausgleichs zu bewerten ist. Denn anderenfalls wäre die im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen notwendige Transparenz (vgl. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F.) nicht zu gewährleisten. Die VOB/B ist demnach nur dann einer Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz entzogen, wenn sie als Ganzes vereinbart worden ist. Es kommt nicht darauf an, welches Gewicht der Eingriff hat. Damit ist die Inhaltskontrolle auch dann eröffnet, wenn nur geringfügige inhaltliche Abweichungen von der VOB/B vorliegen und auch unabhängig davon, ob eventuell benachteiligende Regelungen im vorrangigen Vertragswerk möglicherweise durch andere Regelungen „ausgeglichen“ werden.“

Per Gesetzesänderung zum 01.01.2009 gilt nach § 310 Abs. 1 BGB diese Privilegierung nicht mehr bei Verwendung gegenüber Verbrauchern, nachdem die VOB/B zwar durch beteiligte Wirtschaftskreise, aber nicht durch Involvierung von Verbraucherinteressen entwickelt wurden; bei unveränderter vollständiger Einbeziehung im unternehmerischen Geschäftsverkehr unterliegt jedoch die z.B. nach § 6 Ziffer 6 VOB/B geltende Haftungsbeschränkungsklausel („Sind die hindernden Umstände von einem Vertragsteil zu vertreten, so hat der andere Teil Anspruch auf Ersatz des nachweislich entstandenen Schadens, des entgangenen Gewinns aber nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.“) keiner Inhaltskontrolle154.

Daneben sei auch an die vertraglichen Haftungsbegrenzungsmöglichkeiten von Rechtsanwälten, Steuerberatern155 und Wirtschaftsprüfern zu denken. Die drei Berufsgruppen, deren Falschberatung zweifellos erhebliche Folgeschäden verursachen kann, erhalten vom Gesetzgeber eine abgestufte Möglichkeit eingeräumt, Haftungsrisiken vertraglich zu limitieren. Zum einen kann die maximale Haftung mittels schriftlicher (Individual-)Vereinbarung auf die Untergrenze einer abzuschließenden Mindestversicherung i.H.v. 250.000 EUR beschränkt werden (§§ 52 Abs. 1 Nr. 1, 51a Abs. 1 Nr. 1, 51 Abs. 4 BRAO; § 67a Abs. 1 Nr. 1 StBerG; § 54a WiPrO). Darüber hinaus besteht im Rahmen der anwaltlichen Beratung aufbauend auf „vorformulierten Vertragsbedingungen“ (§§ 52 Abs. 1 Nr. 2, 51a Abs. 1 Nr. 2 BRAO) die Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung auf den 4 fachen Wert der Mindestversicherungssumme und somit 1,0 Mio. EUR im Fall leichter Fahrlässigkeit, sofern ein entsprechender Versicherungsschutz besteht156. Bei Steuerberatern ist nach § 67a Abs. 1 Nr. 2 StBerG (sowie bei Wirtschaftsprüfern nach § 54a WiPrO, s.u.) im Gegensatz zu Rechtsanwälten darüber hinaus gar eine Beschränkung im Fall grober Fahrlässigkeit zulässig157. Sofern die Vorgaben der BRAO eingehalten werden, sind die beschriebenen Haftungsbeschränkungen der AGB-Kontrolle entzogen158. Argumentativ wird die Notwendigkeit für eine durch eine Versicherungslösung abgesicherte Haftungsbeschränkung mit dem Nutzen sowohl für den Rechtsanwalt, als auch den Rechtssuchenden begründet: Auf der einen Seite habe die zunehmend komplexer werdende Rechtsdichte und die rigide Haftbarhaltung von Rechtsanwälten159 zu zunehmend auch von Versicherungen nicht mehr zu tragbaren Prämienmodellen geführt; umgekehrt habe der Rechtssuchende ein berechtigtes Interesse an der Einbringbarkeit etwaiger Schadensersatzansprüche160. Nachdem die Beschränkung der Haftung im Rahmen einer Individualvereinbarung zur Vermeidung von Misstrauen des Mandanten und zur Vermeidung der rechtlichen Unklarheiten in Bezug auf das Erfordernis des Aushandelns nach §§ 305ff. BGB praktisch kaum relevant ist161, kommt der Haftungsbeschränkung durch vorformulierte Bedingungen eine weitaus größere Bedeutung zu. Durch die Vervierfachung der Mindestversicherungssumme (und den damit verbundenen steigenden Versicherungsprämien) soll auch ein finanzieller Anreiz geschaffen werden, die zur Haftungsbeschränkung geschaffenen Möglichkeiten nicht zu exzessiv einzusetzen162.

Wenngleich im Rahmen der steuerlichen Beratung die gleiche Haftungsbeschränkungsmöglichkeit besteht, wird hier nicht zwischen den Fahrlässigkeitsgraden unterschieden. Die fehlende Unterscheidung zwischen den einzelnen Fahrlässigkeitsgraden wird auch in § 54a WiPrO angewendet, wenngleich hier die Haftungssummen (und somit auch verpflichtenden Versicherungssummen) noch von der Börsennotierung des zu prüfenden Unternehmens abhängen und zwischen 1,0 und 4,0 Millionen liegen (§ 54 Abs. 1, 4 WiPrO, § 323 Abs. 2 HGB). Auch hier greift das Prinzip, dass durch schriftliche Vereinbarung die Haftung auf diese Haftungssumme beschränkt werden kann, im Fall vorformulierter Vertragsbedingungen auf den 4 fachen Wert der Haftungssumme, sofern insoweit ein entsprechender Versicherungsschutz besteht (§ 54a Abs. 1 WiPrO).

Nachdem der Gesetzgeber in einem gesetzlichen Rahmen vertragliche Haftungsbeschränkungen zulässt, wird dieses Konstrukt nachfolgend auch als „semi-vertragliche Haftungsbeschränkung“ bezeichnet163.

132 Eine ausführliche Aufzählung verschiedenster gesetzlicher Haftungsbeschränkungen aus diversen Rechtsbereichen findet sich auch bei Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, S. 9–11. 133 PALANDT-Sprau, Einführung ProdHaftG, Rn. 1; ders., § 15 ProdHaftG, Rn. 7f.. Die Haftungsbeschränkung nach § 10 ProdHaftG gilt nicht für Sachschäden, wohl aber ein Selbstbehalt nach § 11 ProdHaftG in Höhe von 500 EUR. 134 Das ProdHaftG vermeidet somit die Unklarheiten und Beweisschwierigkeiten arbeitsteiligen Wirtschaftens, vgl. auch PALANDT-Sprau, Einführung ProdHaftG, Rn. 3. 135 BT-Drs. 11/2447, S. 24 (zu § 10). Siehe auch Graf v. Westphalen, NJW 1990, S. 83ff. (92). 136 Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, S. 11. 137 Derzeit wirksam in der Fassung ADSp 2017, empfohlen zur Anwendung ab 01.01.2017. Hierin enthalten sind u.a. Erhöhungen der bislang geltenden Haftungsbeschränkungen (Ziffer 23) je nach Schadenursache von 1 Mio. EUR auf 1,25 Mio. EUR bzw. 2 Mio. EUR auf 2,5 Mio. EUR bzw. den 2 fachen Sonderziehungsrechten je Kilogramm der beschädigten bzw. verlorenen Sache, je nachdem welcher Betrag höher ist. 138 Vgl. Präambel der ADSp; Bahnsen, TranspR 2010, S. 19ff. (20); MüKo/HGB-Bd. 7-Bahnsen, Vorbem ADSp Rn. 2; KOLLER, Vor Ziffer 1 ADSp Rn. 1; EBENROTH/BOUJONG/JOOST/STROHN-Bahnsen, Vor Ziffer 1 ADSp Rn. 5. 139 MüKo/HGB-Bd. 7-Bahnsen, Vorbem ADSp Rn. 4; vgl. zur Üblichkeit im Spediteursgewerbe auch KOLLER, Vor Ziffer 1 ADSp Rn. 11. 140 KOLLER, Vor Ziffer 1 ADSp Rn. 20; MüKo/HGB-Bd. 7-Bahnsen, Vorbem ADSp Rn. 6–8; EBENROTH/BOUJONG/JOOST/STROHN-Bahnsen, Vor Ziffer 1 ADSp Rn. 6–16. 141 Krit. zur Zulässigkeit der geringen Haftungshöhe insbes. im Fall von Personenschäden: KOLLER, Ziffer 24 ADSp Rn. 24; EBENROTH/BOUJONG/JOOST/STROHN-Bahnsen, Ziffer 24 ADSp Rn. 29. 142 MüKo/HGB-Bd. 7-Bahnsen, Vorbem ADSp Rn. 175, 177. 143 Vgl. ausführlich bei Bahnsen, TranspR 2010, S. 19ff. (22); MüKo/HGB-Bd. 7-Bahnsen, Vorbem ADSp Rn. 238, 240; KOLLER, Ziffer 24 ADSp Rn. 3; MüKo/HGB-Bd. 7-Hesse, § 475 Rn. 24ff.. 144 EBENROTH/BOUJONG/JOOST/STROHN-Bahnsen, Vor Ziffer 1 ADSp Rn. 1. 145 MüKo/HGB-Bd. 7-Bahnsen, Vorbem ADSp Rn. 272; EBENROTH/BOUJONG/JOOST/STROHN-Bahnsen, Ziffer 29 ADSp Rn. 8f.. 146 MüKo/HGB-Bd. 7-Bahnsen, Vorbem ADSp Rn. 272, 280. 147 MüKo/HGB-Bd. 7-Bahnsen, Vorbem ADSp Rn. 279; KOLLER, Ziffer 29 ADSp Rn. 2; EBENROTH/BOUJONG/JOOST/STROHN-Bahnsen, Ziff. 29 ADSp Rn. 7. 148 BAUMBACH/HOPT-Merkt, ADSp Einl Rn. 5. 149 BGH, Urt. v. 27.11.1990 – X ZR 26/90, Ziffer I.3; BGH, Urt. v. 04.05.1995 – I ZR 70/93, Ziffer II.3.b. krit. zur praktischen Tragweite des Kriteriums: Bahnsen, TranspR 2010, S. 19ff. (24). 150 BGH, Urt. v. 09.10.1981 – I ZR 188/79; PALANDT-Heinrichs, § 305 Rn. 18. Rabe, NJW 1987, S. 1978ff. (1983). Im Einzelnen: EBENROTH/BOUJONG/JOOST/STROHN-Bahnsen, Ziffer 23 ADSp Rn. 26–29. 151 BGH, Urt. v. 23.1.2003 – I ZR 174/00; BGH, Urt. v. 18.10.2007 – I ZR 138/04, Rn. 24. 152 Bahner, TranspR 2010, S. 19ff. (20); MüKo/HGB-Bahnsen, Vorbem ADSp Rn. 10; EBENROTH/BOUJONG/JOOST/STROHN-Bahnsen, Ziffer 23 ADSp Rn. 4f.. 153 BGH, Urt. v. 04.05.1995 – I ZR 70/93, Ziffer II.3.b.; Bahner, TranspR 2010, S. 19ff. (25); BAUMBACH/HOPT-Merkt, ADSp Einl Rn. 5; EBENROTH/BOUJONG/JOOST/STROHN-Bahnsen, Vor Ziffer 1 ADSp Rn. 52; krit. ULMER/BRANDNER/HENSEN-Schmidt, § 306 Rn. 15b. 154 MüKo/BGB-Bd. 2-Wurmnest, § 307 Rn. 156; BeckOK/BGB-Schmidt, § 307 Rn. 175. 155 Hölscheidt, NWB 2011, S. 1898ff. (1904). 156 Sich sogar noch für eine Ausweitung auch auf grobe Fahrlässigkeit aussprechend: BT-Drs. 12/4993, S. 8, revidiert im späteren Gesetzgebungsverfahren; vgl. auch Van Bühren, Die Berufshaftpflichtversicherung der Rechtsanwälte, S 76f.; Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 40 Rn. 34–36. 157 AnwK AGB-Recht/Jilg, Rn. 1912. 158 AnwK AGB-Recht/Klodt-Bußmann, Rn. 1757. 159 Van Bühren, Die Berufshaftpflichtversicherung der Rechtsanwälte, S. 32f.; GAIER/WOLF/GÖCKEN-Tauchert, § 51a BRAO Rn. 2; Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 40 Rn. 33f.. 160 GAIER/WOLF/GÖCKEN-Tauchert, § 51a BRAO Rn. 2; Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 39 Rn. 2. 161 GAIER/WOLF/GÖCKEN-Tauchert, § 51a BRAO Rn. 6. Zu den unterschiedlichen Auffassungen zum Umfang des Aushandelns bzw. dessen grundsätzlicher Anwendbarkeit: Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, § 40 Rn. 49–51. 162 GAIER/WOLF/GÖCKEN-Tauchert, § 51a BRAO Rn. 14. 163 Fuchs spricht in den Fällen, in denen der Versicherer an Stelle des Schädigers tritt von einer „Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz“, was im vorliegenden Fall einer Rückabsicherung von Ansprüchen gegen den Schädiger durch den dahinter stehenden Versicherer jedoch – auch nach Ansicht von Fuchs selbst – nicht der Fall ist, vgl. Fuchs, BB 1992, S. 1217ff. (1224).

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