Читать книгу: «Rechtliche Grenzen vertraglicher Haftungsausschlüsse und -begrenzungen in B2B-Exportverträgen», страница 4

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C. Das Prinzip der Verschuldenshaftung

Nur bei einer zu vertretenden Pflichtverletzung räumt § 280 BGB eine Schadensersatzpflicht ein, wobei sich der genaue Umfang nach §§ 276–278 BGB definiert:

§ 276 Verantwortlichkeit des Schuldners

(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.

(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.

§ 277 Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten

Wer nur für diejenige Sorgfalt einzustehen hat, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, ist von der Haftung wegen grober Fahrlässigkeit nicht befreit.

§ 278 Verantwortlichkeit des Schuldners für Dritte

Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.

Die Begriffe „Vertretenmüssen“ und „Verschulden“ sind hiernach nicht gleichzusetzen, sondern der erweiterte Umfang des „Vertretenmüssens“ hervorzuheben94. Zu vertreten kann nach § 276 Abs. 1 S. 2 auch eine verschuldensunabhängige Pflichtverletzung (wie z.B. bei vertraglicher Abgabe einer Garantie) sein, wobei dieser Betrachtungsgegenstand für den Gegenstand dieser Arbeit außen vor bleibt, nachdem Garantien als eigenständige Haftungsregime nicht die Beschränkung, sondern Ausweitung von Verantwortlichkeiten zum Ziel haben (vgl. hierzu später). Grundsätzlich ist aber festzuhalten, dass eine gesetzliche verschuldensunabhängige Haftung insbes. auch im B2B-Bereich nur sehr versprengt zu finden ist. Hierzu zählt z.B. die Haftung des Schuldners bei Verzug auch bei Zufall (§ 287 S. 2 BGB) oder auch, für Geschäftsraummietverträge geltend, die Haftung des Vermieters für alle zum Mietbeginn vorliegenden Mietmängel (§§ 536a, 536 BGB). Auf typische Beispiele für Gefährdungshaftung infolge geduldeter Gefahrschaffung (wie § 1 ProdHaftG) wird später noch eingegangen.

Nach § 276 BGB sind Vorsatz und Fahrlässigkeit, zusammengefasst unter dem Begriff des Verschuldens, zu vertreten, sofern keine strengere oder mildere Haftung bestimmt ist. Der Vorsatz, der das Wissen und Wollen um die objektiven Tatbestandsmerkmale aufweist, wird dabei wie im Strafrecht in verschiedene Vorsatzformen untergliedert, wobei die Abgrenzung der verschiedenen Vorsatzgrade vertragsrechtlich keine Rolle spielt95. Das gesetzliche Verbot des vertraglichen Haftungsausschlusses im Voraus für den Fall des Vorsatzes (§ 276 III BGB) belegt jedoch die Notwendigkeit der Abgrenzung von Vorsatz (mit dolus eventualis als niedrigste Vorsatzart) zur groben Fahrlässigkeit96. Im Fall des Vorliegens eines dolus eventualis hält der Schädigende die Tatbestandsrealisierung für möglich und nimmt die damit verbundenen Folgen billigend in Kauf97. Für den Fall grober Fahrlässigkeit (vgl. § 277 BGB), die eine besonders schwere Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraussetzt, besteht das wesentliche Abgrenzungskriterium zum dolus eventualis darin, dass der Schädiger hierbei die Folgen zwar für möglich hält, jedoch auf das Nichteintreten im Sinne eines „wird schon gutgehen“ vertraut98. Die zuletzt noch verbleibende einfache Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn es keine Gründe für die Annahme einer groben Fahrlässigkeit gibt und man sich im Rahmen des Regelfalles nach § 276 Abs. 1 S. 1 BGB befindet99.

Bereits nach dem Wortlaut des Gesetzes kann im Rahmen einer Individualvereinbarung nach §§ 278 S. 2, 276 Abs. 3 BGB die Haftung für eingeschaltete Erfüllungsgehilfen abbedungen werden. Auf die AGB-rechtlichen Grenzen wird später näher einzugehen sein.

Wie bereits erläutert nutzt das CISG die Möglichkeiten der Haftungslimitierung durch das Ansetzen eines Verschuldenserfordernisses genauso wenig (sog. Garantiehaftungsmodell) wie weitere Kausalitätshürden und setzt deshalb einschränkend im Bereich der Vorhersehbarkeit des Schadens an100.

94 NK-Dauner-Lieb, § 276 Rn. 4; BAMBERGER/ROTH-Unberath, § 276 Rn. 5. 95 MüKo/BGB-Grundmann, § 276 Rn. 151; NK-Dauner-Lieb, § 276 Rn. 10; PALANDT-Grüneberg, § 276 Rn. 10. 96 Das gesetzliche Verbot ist auch vor den Grenzen des § 138 BGB zweckmäßig, um den Geschädigten nicht dem Schädiger schutzlos auf Gedeih und Verderb auszuliefern, vgl. MüKo/BGB-Grundmann, § 276 Rn. 9. 97 NK-Dauner-Lieb, § 276 Rn. 10; BAMBERGER/ROTH-Unberath, § 276 Rn. 15; MüKo/BGB-Grundmann, § 276 Rn. 161; PALANDT-Grüneberg, § 276 Rn. 10. 98 BAMBERGER/ROTH-Unberath, § 276 Rn. 18; NK-Dauner-Lieb, § 276 Rn. 12, § 278 Rn. 4; PALANDT-Grüneberg, § 276 Rn. 10. 99 Die Abgrenzung zwischen bewusster und unbewusster Fahrlässigkeit kann an dieser Stelle unterbleiben, nachdem dies für den Betrachtungsgegenstand keine Relevanz besitzt. Vgl. hierzu und zu weiteren Unterscheidungskriterien verschiedener Fahrlässigkeitsdefinitionen MüKo/BGB-Grundmann, § 276 Rn. 50ff.. 100 MüKo/BGB/CISG-Huber P., CISG Art. 74 Rn. 25; Verweyen/Foerster/Toufar, Handbuch des internationalen Warenkaufs, S. 170; Eckert/Maifeld/Matthiessen, Handbuch des Kaufrechts, Rn. 1103; NK-Dauner-Lieb, § 280 Rn. 38.

D. Rechtshistorische Überlegungen zur unbeschränkten und beschränkbaren Haftung

Aus rechtshistorischer Sicht – soweit man dies angesichts der Zersplitterung der verschiedenen Rechtsgebiete und den verschiedenen Rechtsentwicklungen überhaupt pauschalisiert sagen kann, was angesichts der Zielsetzung dieser Arbeit aber geduldet werden mag – dominierte im römischen Recht die unbeschränkte persönliche Haftung, insbes. basierend auf Delikt101. Darlehensgeschäfte entwickelten sich auch aus Risikogesichtspunkten heraus (keine direkte Beteiligung an Risiken, Nichteinbringbarkeit der Darlehenssumme (ggfs. zzgl. Zinsen) als maximales Risiko) zur bevorzugten Kooperationsform102. In der Zeit zwischen dem 5. und 9. Jahrhundert bildeten sich im Fränkischen Recht erste Pfändungsverbote heraus, welche zu einer faktischen Beschränkung der Haftung führen103. Nach und nach entwickelten sich – auch angesichts kirchlicher und später ins weltliche Recht übernommene (Wucher-)Zinsverbote – alternative Kooperationsformen heraus104. Die beschränkbare Bestellung von Sicherheiten durch Dritte belegt die Ursprünge einer veränderten Wahrnehmung vertraglicher Haftungsbeschränkungsmöglichkeiten105. Mit einer zunehmenden Rezeption des Römischen Rechts schwand der Einfluss des kanonischen Rechts und mit einer Abkehr vom grundsätzlichen Zinsverbot wurden angemessene Zinssätze anerkannt, Wucherzinsen blieben angesichts Bevölkerungsunruhen jedoch verboten106. In einzelnen Landesrechten wurde Ende des 18. Jahrhunderts der vertragliche Ausschluss der Haftung für leichte Fahrlässigkeit anerkannt, was auch als Ausdruck der zunehmenden Wertschätzung der Privatautonomie verstanden werden darf107. In den sich anschließenden gesetzlichen Kodifikationen (auch im BGB von 1896) wurde dieses Prinzip fest verankert108. Aus historischer Sicht bleibt festzuhalten, dass die frühe Kooperationsform des Darlehens angesichts von Fehlentwicklungen und unzureichender Geeignetheit für zunehmend arbeitsteiliges Wirtschaften keinen Bestand haben konnte109. Interessant ist, dass die frühzeitige Entwicklung des arbeitsteiligen Wirtschaftens heute durch die Komplexität von Wertschöpfungsketten ihren (einstweiligen) Höhepunkt erreicht hat und bei wertender Betrachtung der geschichtlichen Entwicklung die – zumindest teilweise mögliche – Beschränkbarkeit der Haftung geradezu eine Notwendigkeit des heutigen Wirtschaftens ist110.

101 Zur rechtshistorischen Entwicklung ausführlich Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, S. 19ff.. 102 Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, S. 21, 24. 103 Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, S. 27. 104 Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, S. 28–32. 105 Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, S. 29/30. 106 Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, S. 35. 107 Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, S. 37. 108 Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, S. 39. 109 So i.E. auch Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, S. 43. 110 Bruns bringt dies durch sein Resümee „Hoher Kapitalbedarf und Investitionsbereitschaft verlangen Beschränkbarkeit der Haftung.“ (ders., Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, S. 43) eindrucksvoll auf den Punkt.

E. Bewertung aus Sicht der Wirtschaft

Aus der Weite des Schadensbegriffes ergibt sich somit das Risiko, dass der entstandene Schaden in unangemessener Relation zum Wert der erbrachten Lieferung bzw. Leistung steht. Insbesondere auch aufgrund der Komplexität von Wertschöpfungsketten können Schäden schnell ein Vielfaches des Lieferwertes erreichen. Existenzgefährdende Risiken sind an der Tagesordnung.

Deutsche Kapitalgesellschaften sind bereits gesetzlich verpflichtet, geeignete Risikomanagementsysteme einzuführen, um existenzgefährdende Risiken aufzudecken und zu minimieren, wozu nach Graf von Westphalen auch die individuelle Vereinbarung von Haftungshöchstgrenzen zählen soll111. Wegen der bereits beschriebenen fehlenden Versicherbarkeit mancher Schäden, verbleibenden Höchstdeckungssummen und Mindestselbstbehalten müsse das Unternehmen auf vertragliche Mittel zur Haftungsbegrenzung zurückgreifen. Dieser interessante Ansatz ist argumentatorisch nachvollziehbar, bildet aber in dieser detaillierten Vorgabe aber derzeit (noch) nicht den Stand der Rechtsprechung und Literatur ab, nachdem in Bezug auf die genaue Ausgestaltung eines angemessenen Risikomanagementsystem ein weiter Beurteilungsspielraum zu Gunsten der Geschäftsführung besteht112. Zudem wird unterschlagen, dass sich die Sorgfaltspflichten (sofern es denn nicht um Legalitätspflichten geht), stets innerhalb eines großen, der gerichtlichen Prüfung entzogenen Bewertungsspielraums (sog. Business Judgement Rule) bewegen113. So ist auch der Abschluss eines Geschäfts mit existenzgefährdenden Risiken nicht per se eine Pflichtverletzung im Sinne von § 43 Abs. 2 GmbH, selbst wenn sich diese Risiken später realisieren114. Zudem ist die Kausalkette zu berücksichtigen, wonach nicht der Vertragsabschluss ohne angemessene Haftungsbeschränkung die Existenz gefährdet, sondern z.B. ein hiernach eintretender Gewährleistungsfall mit entsprechenden Folgeschäden. Hat sich der Geschäftsführer im Rahmen der Business Judgement Rule und somit auf Basis angemessener Informationen und nach vorheriger Sachprüfung (wie z.B. Schadensträchtigkeit der in Frage stehenden Produkte, Bekanntheit des Verwendungszwecks, erfahrenes Personal, Risikoneigung der Gesellschafter115) für den Abschluss eines Vertrages entschlossen, so kann ihm hieraus kein Vorwurf gemacht werden116. Zu berücksichtigen sind neben dem Schadensrisiko an sich stets auch die damit verfolgten Zielsetzungen (wie z.B. Erhalt der Arbeitsplätze), wobei eine Grenze erst dann erreicht ist, wenn keine vernünftigen Gründe für die Eingehung des gegebenenfalls auch existenzgefährdenden Risikos vorliegen117. Zuletzt ist auch anzumerken, dass der Geschäftsführer bei fehlenden vertraglichen Haftungsbeschränkungen nur dem Leitbild des BGB und dem darin vorgegebenen Prinzip der unbeschränkten Haftung folgt, was kaum als Pflichtverletzung interpretiert werden dürfte. Wenngleich also eine Bezugnahme auf § 43 GmbHG kein geeignetes Mittel sein mag, um juristische Handlungspflichten abzuleiten, ist es aus dem Blickwinkel des kaufmännischen Risikomanagements natürlich nachvollziehbar und empfehlenswert, angemessene vertragliche Haftungsbeschränkungen anzustreben118.

Problematisch wird es dann, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Haftungsbegrenzung in Lieferketten nicht einheitlich gehandhabt werden und diese mit der Verantwortlichkeit für den Schaden auseinander fallen: Entsteht beispielsweise innerhalb der Lieferkette von A über B nach C beim C ein Schaden, der von A verursacht wurde, und hat A gegenüber B (zulässige) vertragliche Haftungsbeschränkungen vereinbart, so befindet sich B in der Haftungsfalle gegenüber C (auch „Sandwichposition“119 genannt), da dieser wegen der vereinfachten vertraglichen Durchsetzung der Ansprüche seinen Schaden beim Vertragspartner B in unbegrenzter Höhe geltend machen wird120. Eine Exkulpationsmöglichkeit des B für den durch A verursachten Schaden kann infolge § 278 BGB – je nach Schadenstypus und abhängig vom Eigenverschulden des B – ausscheiden121. B kann folglich auf dem Schaden sitzen bleiben, ohne diesen selbst verursacht zu haben.

Nun könnte man argumentieren, dass eine unbegrenzte Haftung dem gesetzlichen Leitbild entspreche und somit Haftungsbeschränkungen an sich für unzulässig erklärt werden sollten. Allerdings bildet der Gedanke der Privatautonomie einen wesentlichen Baustein der deutschen Rechtsordnung und erlaubt, in gewissen Grenzen, vertragliche Risiken zu begrenzen. Dabei kann die Haftungsbeschränkung nicht nur vom Individuum, sondern explizit auch vom Gesetzgeber eingeräumt worden sein (vgl. nachfolgende Kapitel).

111 Ebenso, mit dem Hinweis, dass AGB-feste Klauseln wie eine Beschränkung auf den vertragstypischen vorhersehbaren Schaden bereits mangels rechnerischer Kalkulierbarkeit diesem Erfordernis nicht Genüge tun: Kessel, AnwBl 4/2012, S. 293ff. (293). Ansonsten eine Geschäftsführerhaftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG bejahend: Graf v. Westphalen, BB 2013, S. 67ff. (68, 69). Ebenfalls das Risiko des Vorwurfs von Sorgfaltspflichtverletzungen sehend: Leuschner, NJW 2016, S. 1222ff. (1223). Aus praxisorientierter Sicht verschiedener Anlagenbauer wie SIEMENS oder SMS Demag: Voight, Risikomanagement im Anlagenbau, S. 91, 138. 112 Zum Meinungsstand von Rechtsprechung und Literatur vgl. m.w.V.z.B. ULMER/HABERSACK/WINTER-Paefgen, § 43 Rn. 52ff.; MICHALSKI-Haas/Ziemons, § 43 Rn. 75c. 113 ULMER/HABERSACK/WINTER-Paefgen, § 43 Rn. 52; MüKo/GmbHG-Fleischer, § 43 Rn. 66; MICHALSKI-Haas/Ziemons, § 43 Rn. 68f.. 114 ULMER/HABERSACK/WINTER-Paefgen, § 43 Rn. 70f.; SCHOLZ-Schneider, § 43 Rn. 93; i.E. zustimmend, aber differenzierend: MüKo/GmbHG-Fleischer, § 43 Rn. 94f.; a.A. ROWEDDER/SCHMIDT-LEITHOFF-Koppensteiner/Gruber, § 43 Rn. 18. 115 Auf die Risikoneigung der Gesellschafter abstellend: MüKo/GmbHG-Fleischer, § 43 Rn. 75. 116 ULMER/HABERSACK/WINTER-Paefgen, § 43 Rn. 71. 117 SCHOLZ-Schneider, § 43 Rn. 94; MüKo/GmbHG-Fleischer, § 43 Rn. 94; MICHALSKI-Haas/Ziemons, § 43 Rn. 77b. 118 Statt vieler zur Üblichkeit von Haftungsbeschränkungsklauseln in AGBs im B2B-Geschäft: Niebling, Allgemeine Geschäftsbedingungen – Allgemeiner Teil/Grundlagen, S. 127; MÜNCHNER VERTRAGSHANDBUCH Bd. 2/I-Kratzsch, S. 384 (Rn. 63); zur praktischen Bedeutung des Risikomanagements und dessen Handhabung aus Sicht des Unternehmensjuristen: Hagel, SchiedsVZ 2011, S. 65ff. (65ff.); Lischek/Mahnken, ZIP 2007, S. 158ff. (158). 119 Schäfer, BB 2012, S. 1231ff. (1234). 120 Vereinfachend wirkt z.B. die vertragliche Verschuldensvermutung nach § 280 I S. 2 BGB im Vergleich zur Beweispflicht des Geschädigten für das Verschulden des vorgelagerten Unterlieferanten/Herstellers bei gesetzlichen Ansprüchen nach § 823 BGB. Daneben existieren auch praktische Erleichterungen, weil der Geschädigte davon ausgehen kann, dass sein unmittelbarer Vertragspartner zur Fortsetzung der Geschäftsbeziehung eher geneigt sein dürfte, bei der Aufklärung und zügigen Schadensabwicklung zu unterstützen. 121 Argumentationsansatz ist, dass derjenige, der die Vorteile arbeitsteiligen Handelns nutzt, auch die damit einhergehenden Risiken mitzutragen habe, vgl. NK-Dauner-Lieb, § 278 Rn. 1. Zur Einstufung selbständiger Unternehmer als Erfüllungsgehilfe siehe auch NK-Dauner-Lieb, § 278 Rn. 5. Zu beachten ist, dass dies je nach Schadensart und eigener schuldhafter Pflichtverletzung des B unterschiedlich zu beurteilen ist, vgl. BGH, Urt. v. 02.05.2014 – VIII ZR 46/13. Allerdings ist der vorhandene Betrachtungsgegenstand auf Wertschöpfungsketten mit komplexen Fertigungsgütern fokussiert, bei denen – nach eigener Erfahrung des Verfassers – hohe Anforderungen durch über die gesamte Lieferkette hinweg verpflichtende Qualitätssicherungsvereinbarungen (QSV) bestehen, die sehr konkrete Vorgaben zu Verantwortungsübernahmen für Zulieferanten, Ein- und Ausgangskontrollen, Materialzertifizierungen, lfd. Qualitätsprüfungen und Nachweisdokumentationen beinhalten. Hierdurch wird ein vom Zulieferanten defekt geliefertes Produkt kaum ohne eigene schuldhafte Pflichtverletzung des Abnehmers bis zum Endkunden gelangen können.

F. Zwischenfazit

Nachdem einige wesentliche Grundprinzipien der Haftung und die rechtshistorische Entwicklung weg von der unbeschränkten Haftung hin zur Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung kurz angerissen wurden, stellt sich die Frage, welche gesetzlichen und vertraglichen Grenzen diesen Prinzipien gesetzt sind bzw. durch Parteivereinbarung gesetzt werden können. Es geht also darum, das rechte Maß vertraglicher Haftungsbeschränkungen aus dem bestehenden gesetzlichen Leitbild und dem derzeitig zugelassenen Abweichungsspielraum als Ausdruck der Vertragsfreiheit abzuleiten.

§ 4. Gesetzliche Haftungsausschlüsse und -begrenzungen nach deutschem Recht

A. Schranken der Schadenszurechnung

Grundsätzlich existieren also nach dem Grundsatz der Totalreparation keine Ausschlüsse oder Zumutbarkeitsschwellen für einzelne Schadensarten122. Dem damit verbundenen Risiko, eine „unendliche Haftungskette“123 zu generieren, wird – außerhalb des CISG124 – dogmatisch im Bereich der Kausalität, d.h. der Zurechnung der Schadensverursachung, durch verschiedene Theorien begegnet:

Die an die Äquivalenztheorie anschließende Adäquanztheorie rechnet Schäden, welche auf gänzlich unwahrscheinliche Kausalverläufe zurückzuführen sind, nicht dem Schädiger zu125. Es handelt sich somit, vereinfacht ausgedrückt, um eine auf einer Wahrscheinlichkeitsbetrachtung beruhenden Bewertung der Gesamtumstände126. Wie bereits oben dargestellt, liegen Folgeschäden bei komplexen technischen Projekten jedoch nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit, sondern sind geradezu typisch127.

Auch die hierauf folgende wertende Schranke, die Schutzrechtslehre (auch Schutzzwecklehre genannt), welche auf den Schutzzweck der verletzten Norm und eine fehlende Realisierung des allgemeinen Lebensrisikos abstellt128, geht fehl. Denn bereits aus dem Inhalt und Zweck eines Exportvertrages lässt sich in aller Regel die Bedeutung des Liefergegenstandes für den Käufer herauslesen: Insbesondere im Anlagenbau ist es üblich, die zu liefernden (Einzel-)Komponenten auf die (Gesamt-)Anlage oder anschließende Prozesse abzustimmen – und sei es durch die Angabe des beabsichtigten Verwendungszweckes oder nur konkludent durch die Definition von Schnittstellen und Übergabeleistungen129. Die zumeist explizit vorhandenen Gewährleistungspflichten und Garantiezusagen konkretisieren die Schadensvermeidungspflicht für Folgeschäden nur noch130.

Grundsätzlich findet auf dieser Zurechnungsebene also keine generelle Unterscheidung zwischen mittelbaren und unmittelbaren Schäden statt131. Auch mittelbare Schäden unterliegen in aller Regel in dem hier gewählten Betrachtungsfeld keinen Beschränkungen.

122 Zum Stand der Diskussion aus verfassungsrechtlicher Sicht siehe MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 14f.. 123 Podehl, DB 2005, S. 2453ff. (2454). 124 MüKo/BGB/CISG-Huber P., CISG Art. 74 Rn. 25. 125 NK-Magnus, Vor §§ 249–255 Rn. 66; PALANDT-Grüneberg, Vorb v § 249 Rn. 26; MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 104ff.. 126 NK-Magnus, Vor §§ 249–255 Rn. 66f.. Die Eingliederung in ein (kombiniertes) Schutzzweckmodell befürwortend: MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 114. 127 Podehl, DB 2005, S. 2453ff. (2454). 128 NK-Magnus, Vor §§ 249–255 Rn. 68f.; PALANDT-Grüneberg, Vorb v § 249 Rn. 29, 54. 129 Die Komplexität als „typisches beschreibendes Merkmal“ des Industrieanlagenbaus beschreibend und auf die „starke, z.T. nicht offensichtliche Vernetzung (vielfältige, wechselseitige Abhängigkeiten im System sowie mit der Umwelt)“ rückführend: Gutmannsthal-Krizanits, Risikomanagement von Anlagenprojekten, S. 23/24. Es wird in diesem Zusammenhang auch allgemein von „Spezifikationen“/“Pflichtenheften“ gesprochen, welche die Schnittstellen zwischen den Teilleistungen zum Gesamtprojekt beinhalten, vgl. Malkwitz et al., Projektmanagement im Anlagenbau, S. 6; zur Relevanz von Spezifikationen vor dem Hintergrund branchenüblicher Haftungsbeschränkungen: Lotz, ZfBR 2003, S. 424ff. (428). 130 Vgl. auch Graf v. Westphalen, BB 2002, S. 209ff. (209). Eine Einschränkung der Ersatzfähigkeit von Folgeschäden, wie MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 120 diskutiert, lässt sich somit gerade nicht erkennen. 131 PALANDT-Grüneberg, Vorb v § 249 Rn. 52.

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