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C. Zwischenfazit

Aus den zuvor dargestellten Beispielen lässt sich entnehmen, dass dem Gesetzgeber die Möglichkeiten von Haftungsbeschränkungen zur Vermeidung unbilliger Haftungsrisiken sowohl im Bereich der Gefährdungshaftung als auch im Bereich semi-vertraglicher Haftungsbegrenzungen nicht fremd sind. Interessanterweise hat der Gesetzgeber zu Gunsten der freiberuflichen Berufsgruppen, wie Anwälten und Steuerberatern, gleich ein Modell entworfen, das den Unterschied zwischen individuell ausgehandelten und vorformulierten Haftungsbegrenzungen berücksichtigt, und zwar im Rahmen der Höhe des zu übernehmenden Risikos. Es überrascht also, dass der Gesetzgeber in spezialgesetzlichen Regelungen vertragliche Haftungserleichterungen eher zulässt, als er dies – was noch zu belegen ist – bei B2B-Geschäften im Rahmen des BGB tut164. Allen dargestellten Haftungsprivilegierungen ist gemein, dass diese zu Gunsten des Verwendungsgegners durch Versicherungslösungen abgesichert werden. Der Verwendungsgegner tauscht somit eine unlimitierte Haftungshöchstsumme gegen die abgesicherte Einbringbarkeit einer beschränkten Kompensationssumme. Aus kaufmännischer Sicht ist dieser Ansatz nachvollziehbar: Wendet man das Prinzip des Erwartungswertes an, welches alternative Zukunftsszenarien mittels Gewichtung von Wertigkeit (in diesem Fall Schadenshöhe) und Eintrittswahrscheinlichkeit bewertet165, so ist die Realisierung einer geringeren Schadenshöhe wahrscheinlicher als die gehäufte Realisierung exzessiver Schäden (die über der eingeräumten Maximalhaftung liegen und somit uneinbringlich wären). Dass diese Methode im Fall extremer Situationen, also einem Großschadensereignis, zu einer Falschbewertung (also einer fehlenden Haftung über den Maximalbetrag hinaus) führt, wird bei der Erwartungswertmethode offen kommuniziert166. Für die statistisch wahrscheinlichere Konstellation eines niedrigeren Schadenswertes bildet die Versicherungslösung aber eine interessensgerechte Lösung.

164 Koch, BB 2010, S. 1810ff. (1812). 165 Schmalen, Grundlagen und Probleme der Betriebswirtschaft, S. 170. 166 Schmalen, Grundlagen und Probleme der Betriebswirtschaft, S. 170.

§ 5. Vertragliche Haftungsausschlüsse und -begrenzungen nach deutschem Recht

A. Einschränkung des Betrachtungsgegenstandes

Die Frage der Anwendbarkeit des scharfen Schwerts der AGB-Kontrolle entscheidet nach Ansicht der Kritiker der AGB-Kontrolle vielfach bereits über Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer Klausel. Dies kann für Unternehmen zumeist dann entscheidend (weil ggfs. überlebensentscheidend) sein, wenn es darum geht, ob ein vertraglich vereinbarter Haftungsausschluss oder -begrenzung durchsetzbar ist oder nicht167.

Aus praktischer Sicht wird dies an mehreren Stellen relevant: In den Einkaufs- und Verkaufsprozessen des Massengeschäftes führt der stark verbreitete Einsatz von EDI (Electronic Data Interchange) in aller Regel zu einer rechtlichen Einstufung als (vorformulierte) AGB, weil je nach Bestellgegenstand in Bestellungen und Auftragsbestätigungen Textbausteine elektronisch zusammen gesetzt und – ohne direkte Verhandlungen – zwischen Verkäufer und Käufer ausgetauscht werden168. Die Anwendbarkeit der AGB-Kontrolle wird hier zumeist gegeben sein, und wird auch vergleichsweise wenig problematisiert169. Die Leitplanken, innerhalb derer Haftungsbeschränkungen und -ausschlüsse zulässig sind, sind – bei aller inhaltlicher Kritik, insbes. an dem Element der Berücksichtigung der im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche gem. § 310 Abs. 1 S. 2 2. HS170 – in Schrifttum und Rechtsprechung einmütig bekannt und weisen somit das notwendige Maß an Vorhersehbarkeit und Planungssicherheit auf. Deshalb wird in dieser Arbeit der Stand nur kurz zusammengefasst und im Rahmen einer Rechtsprechungsanalyse auf spezielle und bislang eher wenig diskutierte Rechtsprechungen verwiesen, welche für den vorliegenden Betrachtungsgegenstand relevant sind.

Die Kernfrage der in der Literatur und der Praxis171 vorherrschenden Diskussion besteht darin, wann die strenge AGB-Kontrolle, wie diese zum Schutz der Verbraucher gem. §§ 305ff. BGB zur Vermeidung nicht gewollter Risikoverlagerungen Anwendung findet172, als Maßstab zur Überprüfung der Zulässigkeit von Haftungsausschluss- und Haftungsbegrenzungsklauseln in B2B-Verträgen heranzuziehen ist. Die Hürden, welche von der Praxis zur Erreichung der Rechtswirksamkeit von Vertragsabsprachen übersprungen werden müssen, finden sich v.a. in dem Erfordernis des Aushandelns gem. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB. Angesichts der sehr engen Leitplanken beim Eintritt einer AGB-Kontrolle entscheidet die Frage der Anwendbarkeit nach Ansicht der Kritiker bereits über die Wirksamkeit von Vertragsinhalten, welche in zwischen Unternehmern üblicherweise ausgetauschten, mehr oder weniger bereits vorformulierten Musterverträgen und -klauseln enthalten sind173. Spätestens seit dem Anbruch des PC-Zeitalters dürften solche Musterverträge und -klauseln in nahezu allen Unternehmen und auch bei Rechtsberatern aus Effizienz- und Kostengründen bereit gehalten werden174. Üblicherweise dienen solche Musterverträge als Einstieg in die Vertragsverhandlungen und werden vom Verwender dem Verwendungsgegner zur Prüfung und Überarbeitung (üblicherweise in Microsoft Word als sog. Mark-Up mit farblichen Hervorhebungen möglich) zugesendet175. Die Verwendung solcher Musterverträge erfolgt dabei nicht (nur) aus juristischen Gründen, sondern vor allem auch, um bei größeren Projekten technisch und kaufmännisch komplexe Lieferbeziehungen fehlerfrei abzubilden sowie transparent- und nachvollziehbar zu Papier zu bringen („Rationalisierungsfunktion“176). Mit fortschreitendem Informationsaustausch reduzieren sich die Vorteile aus der Verwendung standardisierter Musterverträge177. Im Wege der jeweils zurückerhaltenen, überarbeiteten Fassung nähern sich die beiden Vertragspartner an und schließen, sofern überhaupt nötig, die Vertragsverhandlungen durch letzte mündliche Verhandlungen ab178. Üblicherweise kommt es dabei zur Vereinbarung sog. „Paketlösungen“179, bei denen jede Vertragsseite Zugeständnisse in bestimmten Bereichen macht, um andere, als wichtiger erachtete Bereiche zum eigenen Vorteil durchzusetzen. Das verhandelte Vertragswerk stellt folglich das Gesamtergebnis von „wirtschaftlichen Vor- und Nachteilen“180 dar, die in den Bewertungsprozess der beteiligten Verhandlungspartner einfließen. So kann es z.B. dazu kommen, dass sich eine vom Käufer geforderte Preissenkung in einer Verbesserung der Zahlungsbedingungen zu Gunsten des Verkäufers widerspiegelt oder angesichts ohnehin knapp kalkulierter Margen etwaige Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche bei Mängeln beschränkt werden. Wie nachfolgend gezeigt werden soll, wird die Rechtssicherheit von auf diesem Wege zustande gekommenen Verträgen von den Kritikern der AGB-Kontrolle zunehmend lauter kritisiert. Ziel dieser Arbeit ist an dieser Stelle deshalb, nach dem Stand des Schrifttums auch insbesondere die Rechtsprechung herauszuarbeiten, wo sich (vom Grundgedanken weitgehender Vertragsfreiheit geprägte) Individualvereinbarungen und (nur in engen Grenzen zulässige) AGB überschneiden. Denn wäre es insbes. aus Sicht der Rechtsprechung für die Unternehmenspraxis möglich, sich unter der Schwelle der scharfen AGB-Kontrolle zu bewegen, würde weiten Teilen der bislang sehr scharf und überraschenderweise vielfach ohne tiefergehende Rechtsprechungsanalyse geführten Diskussion um die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Rechts die Grundlage entzogen.

Zudem erfolgt eine weitere Einschränkung in Bezug auf die zu prüfende Vertragsart. Nachdem es sich bei Exportverträgen typischerweise um Kauf- und Werkverträge handelt, für welche die Einbringung in komplexe Wertschöpfungssysteme typisch ist, wird auf diese beiden Vertragstypen, welche zumindest nach deutschem Recht auch im Bereich der Haftungsbeschränkungsmöglichkeiten nahezu identisch zu bewerten sind181, insgesamt bevorzugt eingegangen. Da die Fragestellung der Abgrenzung von Werk- zu Kaufvertrag im Einzelfall schwierig ist und für den hier besprochenen Fokus der Betrachtung keine entscheidende Rolle spielt182, soll hierauf nicht weiter eingegangen werden.

167 Miethaner, AGB-Kontrolle versus Individualvereinbarung, S. 1; zur Üblichkeit von Regelungen zu Haftungsfragen in AGBs in den meisten AGBs siehe statt vieler: Niebling, Allgemeine Geschäftsbedingungen – Allgemeiner Teil/Grundlagen, S. 127. 168 Koch, BB 2010, S. 1810ff. (1810); Lischek/Mahnken, ZIP 2007, S. 158ff. (158/159); für Bestellformulare im Allgemeinen, insbes. bei tlw. Befüllung: BGH, Urt. v. 18.05.1983 – VIII ZR 20/82, Ziffer II.2.a. 169 Koch, BB 2010, S. 1810ff. (1810). 170 ULMER/BRANDNER/HENSEN-Ulmer/Habersack, Einl. Rn. 50. 171 Stellvertretend der als Justiziar tätige Rechtsanwalt Kollmann in Kollmann, NJOZ 2011, S. 625ff. (625). 172 ULMER/BRANDNER/HENSEN-Ulmer/Habersack, Einl. Rn. 5 u. 47–54; Koch, BB 2010, S. 1810ff. (1811). 173 Schuhmann, BB 1996, S. 2473ff. (2475); Koch, BB 2010, S. 1810ff. (1810); Del Popolo, Grenzen des AGB-Rechs im unternehmerischen Alltag und das damit zusammenhängende Risikomanagement an Hand von praxisrelevanten Beispielen, S. 122; vgl. auch MÜNCHNER VERTRAGSHANDBUCH Bd. 2/I-Kratzsch, S. 329ff.. 174 Leuschner, AcP Bd. 207 (2007), S. 491ff. (517); Huth, Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen im unternehmerischen Geschäftsverkehr unter Berücksichtigung geltender Gewohnheiten und Gebräuche, S. 96. Das Erfordernis der Nutzung von Musterverträgen nicht nur aus Sicht des Qualitätsmanagements zur Fehlerreduzierung sehend (STAUB/HEHLI HIDBER-Staub Kapitel 3 D Rn. 11) sondern auch als strategischen Wettbewerbsvorteil und Teil des Wissensmanagements zur erfolgreichen Kanzleiführung (STAUB/HEHLI HIDBER-Schulz Kapitel 3 D Rn. 11). Aus Sicht des Unternehmensjuristen bestätigend: Del Popolo, Grenzen des AGB-Rechs im unternehmerischen Alltag und das damit zusammenhängende Risikomanagement an Hand von praxisrelevanten Beispielen, S. 2, 36. Dabei auch eine Verpflichtung aus Sicht der Compliance sehend, um andere Risiken adäquat zu vermeiden: ders., S. 102. 175 Keller, AnwBl 4/2012, S. 293ff. (297f.); Koch, BB 2010, S. 1810ff. (1810); Huth, Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen im unternehmerischen Geschäftsverkehr unter Berücksichtigung geltender Gewohnheiten und Gebräuche, S. 95. Die äußere Erscheinungsform hinsichtlich Aussehens und Schriftbild im Rahmen der Ermittlung gestellter Vertragsbedingungen als tatsächliche Vermutung ansehend: OLG Nürnberg, BKR 2017, S. 251ff. (253). 176 ULMER/BRANDNER/HENSEN-Ulmer/Habersack, Einl. Rn. 4; Koch, BB 2012, S. 1810ff. (1810); Kessel/Jüttner, BB 2008, S. 1350ff. (1350); Lischek/Mahnken, ZIP 2007, S. 158ff. (158/159). 177 Richter, Allgemeine Geschäftsbedingungen im B2B-Verkehr in Deutschland, der Schweiz und England – unter besonderer Berücksichtigung von Haftungsklauseln in Kaufverträgen und der ökonomischen Analyse des Rechts, S. 95. 178 Koch, BB 2010, S. 1810ff. (1810/1811). 179 Koch, BB 2010, S. 1810ff. (1811). 180 Koch, BB 2010, S. 1810ff. (1811). 181 Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, S. 339/340; so i.E. auch Graf v. Westphalen, ZIP 2002, S. 545ff. (545). 182 So i.E. auch Graf v. Westphalen, ZIP 2002, S. 545ff. (545).

B. Grundbegriffe und -konzepte der vertraglichen Beschränkbarkeit von Haftung

Vertragliche Haftungsbeschränkungen oder -ausschlüsse können, wie zuvor beschrieben, entweder auf der Tatbestandsseite ansetzen (z.B. keine Haftung für bestimmte Handlungen oder Unterlassungen oder nur für ausgewählte Verschuldensstufen) oder auf der Rechtsfolgenseite bestimmte Schadensarten (wie Folgeschäden) aus dem Haftungsumfang ausklammern oder limitieren183. Zudem sind auch zeitliche Befristungen durch vertraglich vereinbarte Verfristungen und vom gesetzlichen Leitbild abweichende Verjährungsregeln denkbar184.

Es gilt als anerkanntes Rechtsprinzip, dass vertraglich vereinbarte Haftungsklauseln – sofern diese zulässig sind – den gegebenenfalls parallellaufenden deliktischen Ansprüchen auf Schadensersatz vorgehen und auch zu einer Beschränkung der eigentlich unbeschränkten Deliktshaftung führen185.

Nicht problematisiert oder näher konkretisiert wird im Rahmen dieser Arbeit die in § 276 Abs. 1 S. 1 BGB angesprochene Möglichkeit, dass durch den Schuldner eine strengere als die gesetzliche Haftung (insbes. aus der Abgabe einer Garantie186) eingegangen wird. Nachdem es sich – selbst bei betragsmäßigen oder inhaltlich eingeschränkten – Garantien nicht um Beschränkungen der gesetzlichen Haftung handelt, sondern um ein frei gestaltetes Haftungsregime mit dem Ziel der Haftungserweiterung, wäre eine Ausweitung des Betrachtungsgegenstandes im Rahmen der Zielsetzung dieser Arbeit nicht zielführend187.

Zudem ist höchstrichterlich festgestellt, dass bei der Abgabe von Garantien (sofern der Garantietext selbst nicht bereits die Inanspruchnahmevoraussetzungen und Rechtsfolgen beinhaltet) keine Haftungsausschlüsse oder Haftungsbeschränkungen vereinbart werden können188.

183 ULMER/BRANDNER/HENSEN-Fuchs, § 307 Rn. 299; Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, S. 3, 6/7, 301; PALANDT-BGB-Grüneberg, § 307 Rn. 41/42. 184 ULMER/BRANDNER/HENSEN-Fuchs, § 307 Rn. 299. 185 H.M, vgl. PALANDT-BGB-Grüneberg, § 307 Rn. 49; Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, S. 239/240. 186 Hierunter werden i.d.R. selbständige Garantien (d.h. eigenständiges Haftungsregime neben gesetzlicher Gewährleistung mit zusätzlichem, verschuldensunabhängig zugesagtem Leistungserfolg) und unselbständige Garantien (d.h. aufbauend auf gesetzlicher Gewährleistung, ohne zusätzlich zugesagtem Leistungserfolg) verstanden, wobei die Abgrenzung mangels gesetzlicher Definition im Einzelfall schwierig ist (vgl. aber zur Beschaffenheits- und Haltbarkeitsgarantie § 443 BGB). Vgl. PALANDT-Putze, § 443 Rn. 4. 187 So auch Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, S. 341. 188 Die Unzulässigkeit des Haftungsausschlusses für Mangelfolgeschaden in den VDMA-Musterbedingungen für den Fall der Abgabe einer Garantie feststellend: BGH, Urt. v. 05.12.1995 – X ZR 14/93, Ziffer IV.3.

C. Entstehungsgeschichte und Begründung der AGB-Kontrolle
I. Einführung

Um zu verstehen, welche Zielsetzung die AGB-Kontrolle im B2B-Bereich verfolgt, ist es zuallererst von Nöten, das „Woher“ und „Warum“ näher zu ergründen. Nur so lässt sich überprüfen, ob es zu den proklamierten Fehlentwicklungen gekommen ist, und welche inhärenten Problemstellungen und Lösungswege existieren.

II. Gesetzgeberische Entstehungsgeschichte

Bereits vor Einführung des AGBG zum 01.04.1977 nahm zuerst das RG, später auch der BGH, eine Inhaltskontrolle bei Verträgen vor189. Während das RG ursprünglich unerwünschten Risikoverlagerungen nur mit einer restriktiven Deutung solcher Klauseln begegnete, zog es sich später auf § 138 BGB als Bewertungsmaßstab zurück190. Ansatzpunkt war hier, dass die Machtstellung des Verwenders (ursprünglich durch nur eine Person, später auch durch Unternehmensgruppen) – im Sinne einer Monopolstellung – hervorgehoben war191. Ab 1956 setzte der BGH diese Entwicklung unter Verweis auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) fort, ohne weitere Anforderungen an die Machtstellung des Verwenders zu stellen192. Formelle Kriterien waren bis zur Einführung des AGBG jedoch kein Thema193.

Das AGBG und somit die offene Inhaltskontrolle wurde ursprünglich von den beteiligten politischen Parteien mit der Hauptintention des Verbraucherschutzes ins Leben gerufen194. Erst kurz vor Gesetzeseinführung setzte sich – auch basierend auf Empfehlungen des Deutschen Juristentages 1974195 – die Ansicht durch, dass auch Geschäfte im kaufmännischen Geschäftsverkehr berücksichtigt werden sollen, weil nicht die beteiligten Personenkreise, sondern die einseitige Ausnutzung der Privatautonomie zu Lasten des anderen Vertragspartners im Fokus standen196.

Als Begründung wird in BT-Drs. 7/3919 vom 06.08.1975 auf S. 43 zu § 12 AGBG (jetzt § 310 Abs. 1 BGB) ausgeführt:

„Das Gesetz bezweckt in erster Linie eine Verbesserung des Schutzes der Letztverbraucher gegenüber AGB. Im Handelsverkehr ist das Schutzbedürfnis des AGB-unterworfenen Vertragsteils regelmäßig nicht so ausgeprägt wie in den Rechtebeziehungen zu den Verbrauchern. Die Vorschriften des Entwurfs sind jedoch Ausprägung des die gesamte Rechtsordnung beherrschenden Grundsatzes von Treu und Glauben. Deshalb ist es nicht möglich, etwa Handelsgeschäfte von Kaufleuten vom Anwendungsbereich schlechthin auszunehmen. Vielmehr sollen die grundlegenden Schutzvorschriften des Gesetzes ohne Rücksicht auf den persönlichen Status des AGB-unterworfenen Vertragsteils Anwendung finden, wenn einem Vertrag einseitig vorformulierte Bedingungen zugrunde gelegt werden.“

Zum inhaltlichen Bewertungsmaßstab der AGB-Kontrolle in Bezug auf Klauseln mit und ohne Wertungsmöglichkeiten wurde ebenda auf S. 43 weiter ausgeführt:

„Die in §§ 8 und 9 genannten Klauseln sind bei Verträgen zwischen Kaufleuten nicht stets und immer zu mißbilligen. Risikoverlagerungen, die sich einem Vertrag mit einem Letztverbraucher als unangemessene Benachteiligung des Kunden erweisen, können im kaufmännischen Geschäftsverkehr tragbar sein, weil sie dort im Zusammenhang mit einer Vielzahl von Geschäften zwischen den Vertragspartnern zu sehen sind und durch Vorteile anderer Art ausgeglichen werden können, die dem privaten Letztverbraucher bei einmaligem Vertragsabschluss über eine einmalige Leistung nicht zuteil werden. Andererseits können die in den §§ 8 und 9 genannten Klauseln den Vertragspartner aber auch bei einem kaufmännischen Rechtsgeschäft derart benachteiligen, daß ein angemessener Interessenausgleich verneint werden muß. Deshalb darf aus der Regelung des § 12 Satz 1 keinesfalls gefolgert werden, die im Bereich der Verbrauchergeschäfte stets unwirksamen Klauseln der §§ 8 und 9 seien im Bereich kaufmännischer Geschäfte stets wirksam.“

Als Ausgleich für die Ausweitung der Anwendung auf sämtliche Verkehrskreise wurde in § 24 AGBG Ausnahmen aufgenommen, welche sich auch heute noch in § 310 BGB wieder finden197. Diese und weitere Aspekte der Gesetzgebung waren bereits Gegenstand einer umfangreichen Debatte, welche jeweils sowohl für die eigene Positionen als auch wider die entgegenstehenden Positionen ausreichend Interpretations- und Argumentationsspielraum brachten198.

Im Jahre 1996 erfolgte eine Novelle des AGBG, welche der Umsetzung der Vorgaben der EG-Richtlinie 93/13199 diente. Obwohl die EG-Richtlinie nur auf den Schutz des Verbrauchers abzielt200 (vgl. hierzu später), entschied man sich nicht dazu, den auf B2B-Geschäfte ausgeweiteten Anwendungsbereich des AGBG bei dieser Gelegenheit zu limitieren201. Auf weitere einzelgesetzliche Anpassungen vor der Schuldrechtsreform 2002, welche auf den hier vorliegenden Betrachtungsgegenstand keine bzw. nur geringfügige Auswirkungen hatten, sei an dieser Stelle nur verwiesen202. Im Laufe dieser Schuldrechtsreform wurde das vormals eigenständige AGBG in das BGB inkorporiert, ohne dass es für das hier diskutierte Thema zu Änderungen gekommen ist203. Trotz – bis heute – kritischer Stimmen in der Literatur204 wurde dies mit 3 Aspekten begründet, welche durch die heutige Bedeutung des AGB-Rechts Bestätigung erlangt haben205:

 1. Verbesserung der Transparenz und Übersichtlichkeit des Zivilrechts

 2. Verbesserte Verknüpfung von AGB-Recht und BGB-Schuldrecht

 3. Widerspiegelung des Einflusses des AGB-Rechts auf das dispositive Schuldrecht

Die für den hier dargestellten Betrachtungsgegenstand wichtigen §§ 4, 9, 24 AGBG gingen zumindest inhaltlich unverändert in §§ 305b, 307 Abs. 1 und 2, 310 Abs. 1 BGB auf206. Doch auch für die übrigen Regelungsbereiche sollte festgehalten werden, dass die Schuldrechtsreform die Inhalte des AGBG „im Kern unverändert“207 in das BGB überführt hat.

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