Читать книгу: «Rechtliche Grenzen vertraglicher Haftungsausschlüsse und -begrenzungen in B2B-Exportverträgen», страница 3

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B. Die Auswirkungen der Debatte auf die Wirtschaft

Die exportlastige deutsche Wirtschaft wird durch die sich verstärkende Debatte nicht nur generell, sondern insbesondere auch im Hinblick auf ihre Verhandlungsstrategie bei Vertragsverhandlungen zunehmend verunsichert:

Auf Grund der häufig schwächeren Position des Verkäufers gegenüber dem Käufer47 sehen sich Exporteure zu Beginn der Vertragsverhandlungen i.d.R. zuallererst mit den vertraglichen Vorstellungen des Käufers konfrontiert, die auf dessen Rechtsordnung basieren. Dieser hat verständlicherweise ein grundsätzliches Interesse daran, die im Falle fehlender Parteivereinbarung in der Regel anwendbare deutsche Rechtsordnung48 zu Gunsten der eigenen Rechtsordnung abzubedingen.

Der deutsche Exporteur, der von der AGB-Debatte Kenntnis genommen hat, befindet sich bei den Vertragsverhandlungen mit dem Kunden unweigerlich in einem Interessenkonflikt: Erreicht er eine Rechtswahl zu Gunsten des deutschen Rechts und werden die von ihm vorgelegten Haftungsausschluss- und Haftungsbegrenzungsklauseln hierbei nicht ausreichend individuell „ausgehandelt“49, besteht die Gefahr, dass auf Grund der deutschen Rechtsprechung zur AGB-Kontrolle die Risikobegrenzungen nicht anerkannt werden und trotz der vermeintlich freundlicheren heimischen Rechtsordnung eine potentiell existenzgefährdende unbeschränkte Haftung greift. Insbesondere könnte der Verwendungsgegner bewusst auf eine Abänderung von vorgelegten Vertragstexten verzichten und auf die Unwirksamkeit nicht ausgehandelter Vertragsbestandteile spekulieren50. Wählt oder akzeptiert der Exporteur folglich fremdes Recht (was wegen der kolportieren Popularität Schweizerisches Recht sein kann, aber nicht muss), kann er sich jedoch nicht sicher sein, dass die vertraglich vereinbarten Haftungsausschluss- und Haftungsbegrenzungsklauseln auch nach diesem fremden Recht zulässig sind. Die Einholung fachkundigen nationalen Rechtsrates unterbleibt v.a. bei dem die deutsche Wirtschaft prägenden Mittelstand51 vielfach, sei es aus Kosten- oder Zeitgründen oder aus einer „gefühlten Sicherheit“ heraus. Denn schließlich sei, nach alledem was man so höre, keine fremde Rechtsordnung so unberechenbar wie das deutsche Recht.

Festzuhalten ist somit, dass in der Wirtschaft – verständlicherweise – eine nicht zu unterschätzende Verunsicherung existiert. Die vorliegende Arbeit versucht zu ergründen, ob die Verunsicherung der Wirtschaft in diesem Bereich berechtigt ist und welche Handlungsempfehlungen gegeben werden können. Die AGB-Kontrolle von Haftungsausschluss- und Haftungsbegrenzungsklauseln wird hierbei beispielhaft herausgegriffen, da diese für Unternehmen Existenz entscheidend sein können und die Kritik an der AGB-Kontrolle zumeist aus dem Blickwinkel des Risikomanagements zur Vermeidung existenzbedrohender Haftungsrisiken geführt wird.

47 Schuhmann, BB 1996, S. 2473ff. (2473). 48 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), Art. 4. Für vor dem 17.12.2009 abgeschlossene Verträge gilt noch Art. 28 I S. 1, II S. 1 EGBGB. Vgl. STAUDINGER-AGB-Coester, Vorbem zu §§ 307–309 Rn. 11. 49 Ausführlich zu Verhandlungsstrategien aus dem Blickwinkel der Inhaltskontrolle: Schuhmann, BB 1996, S. 2473ff. (2473ff.). 50 Kessel/Jüttner, BB 2008, S. 1350ff. (1351); so auch bereits zu Zeiten des AGBG: Schuhmann, BB 1996, S. 2473ff. (2476). 51 Gemäß Deutschem Statistischen Bundesamt gehörten 2017 dem Mittelstand (inkl. Kleinbetriebe) 99,7 Prozent aller deutschen Unternehmen an, welche mehr als 60 % der bei allen Unternehmen tätigen Personen beschäftigten. Abgerufen am 05.04.2020 unter https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Unternehmen/Kleine-Unternehmen-Mittlere-Unternehmen/Tabellen/wirtschaftsabschnitte-insgesamt.html;jsessionid=DE62AA8D760EB94F35A509CBB6078EF8.internet711.

§ 3. Grundlagen des deutschen Haftungsregimes

A. Schadensarten
I. Definition

Unter einem natürlichen Schaden ist „jede Einbuße, die jemand infolge eines bestimmten Ereignisses an seinen Lebensgütern“52 erfährt, zu verstehen. Der natürliche Schaden kann weiter Vermögens- als auch Nichtvermögensschaden sein53, wobei die Abgrenzungskriterien im Einzelfall fließend sein können54.

II. Nichtvermögensschaden

Unter einem Nichtvermögensschaden versteht man sämtliche immaterielle Schäden, welche keine (messbare) Vermögensminderung mit sich bringen55. Ein Anspruch auf Geldentschädigung entsteht nur, sofern dies ausdrücklich im Gesetz vorgesehen ist (z.B. § 253 Abs. 2 BGB)56. Da sich typischerweise Schäden im kaufmännischen Geschäftsverkehr in Geld bewerten lassen, spielen Nichtvermögensschäden bei der hier vorliegenden Betrachtung keine Rolle.

III. Vermögensschäden, insbes. Folgeschäden

Liegt hingegen ein Vermögensschaden vor, so liegt der Wert des Vermögens des Geschädigten messbar unter dem Wert, wie er ohne schadensbegründendes Ereignis liegen würde57. Voraussetzung ist also eine Messbarkeit einer Einbuße in Geld58.

Im unternehmerischen Geschäftsverkehr kommt im Bereich der Vermögensschäden den sog. „Folgeschäden“, welche auch als „mittelbare Schäden“ oder „indirekte Schäden“ bezeichnet werden, eine besondere Bedeutung zu59. Auch wenn eine justiziable Definition dieser Schadensart fehlt und selbst in umfangreichen Klauselwerken eine vertragliche Definition als kaum verwirklichbar angesehen wird60, wird dieser Begriff im Allgemeinen dazu verwendet, die Gruppe von Schäden zusammen zu fassen, welche nicht am Liefergegenstand selbst entstanden sind, wie z.B. entgangener Gewinn (§ 252 BGB), Produktions- und Nutzungsausfall61. Die Vorhersehbarkeit einer Gewinnchance spielt hierbei keine Rolle62. Nur die direkt am verletzten Rechtsgut entstandenen Schäden (auch Objektschäden63 genannt) werden hiernach als unmittelbare Schäden bezeichnet64. Da weitere Abgrenzungskriterien eher vage sind und z.B. auf den Zeitpunkt des Schadenseintritts abstellen65, wird nachfolgend die am Liefergegenstand orientierte Definition beibehalten. Nur am Rande sei angemerkt, dass die vor der Schuldrechtsreform gewichtige Unterscheidung nach Mangel- und Mangelfolgeschäden mittlerweile stark an Relevanz verloren hat66.

Für die Wirtschaftspraxis ist aus Risikogesichtspunkten jedoch noch eine weitergehende Unterteilung notwendig: Und zwar in diejenigen Folgeschäden, welche ohne Weiteres versichert werden können, und solchen, für die üblicherweise kein oder nur ein stark begrenzter Versicherungsschutz möglich ist. Zu Ersterem zählen z.B. Schäden an einem Gebäude, nachdem der Liefergegenstand einen Brand verursacht hat, oder auch Schäden, welche basierend auf einer Fehlfunktion des Liefergegenstandes durch die Verletzung von Personen entstanden sind. Diese versicherbaren Folgeschäden sind in aller Regel bereits durch die üblichen Betriebshaftpflichtversicherungen gedeckt67, und werden deshalb – sofern ein Versicherungsschutz in ausreichender Höhe vorgehalten wird – vielfach als relativ unproblematisch angesehen.

Zu den üblicherweise nicht oder nur begrenzt versicherbaren Folgeschäden68 zählen hingegen die „klassischen“ Folgeschäden wie z.B. entgangener Gewinn (§ 252 BGB) und Produktionsausfall. So sah zum Beispiel die bis 2007 geltende Fassung von § 53 VVG mangels anderweitiger Versicherungsvereinbarungen einen expliziten Ausschluss der Deckung für entgangenen Gewinn vor69. Mittlerweile wird die Deckungsübernahme jedoch mittels Allgemeiner Versicherungsbedingungen (AVB) definiert, welche unterschiedlichen Inhalts sein können70. Die Allgemeinen Haftpflichtbedingungen (AHB), welche im Dezember 2016 in die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung (AVB BHV) überführt wurden, schließen in Ziffer A1-3.2 die Deckung für Nutzungsausfallschäden, Schäden infolge ausbleibenden Vertragserfolges oder nutzloser Aufwendungen explizit aus71. Auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) schließen in Ziffer 7.7/7.8 mittelbare Vermögensfolgeschäden bewusst aus72. Solche Versicherungsausschlüsse betreffen wirtschaftlich sehr sensible Risiken: Im Automobilzulieferbereich können sich zum Beispiel die aus einem Bandstillstand herrührenden Folgeschäden ohne Weiteres im sechsstelligen Bereich bewegen – und das pro Stunde73. Auf Grund kaum kalkulierbarer Risiken und demnach unwirtschaftlich hohen Versicherungsprämien schrecken Versicherungen davor zurück, einen umfassenden Schutz vor Folgeschäden anzubieten74. Es existieren zwar einzelne Modelle (wie z.B. die „Erweiterte Maschinenklausel“ oder die sehr selten anzutreffende „Nutzungsausfallversicherung“), die in Teilbereichen einen Schutz für Folgeschäden anbieten, jedoch nicht das volle Risiko innerhalb wertschöpfungsintensiven Lieferketten abdecken75. Wenn bereits Versicherungsunternehmen das Angebot einer effektiven Risikoabsicherung für Folgeschäden ablehnen, stellt sich die Frage, wieso die alleinige und unbeschränkte Tragung dieses Risikos dem einzelnen Zulieferanten zumutbar sein soll – falls vertragliche Haftungsbeschränkungsmöglichkeiten ausscheiden.

Nachdem somit die nicht oder nur begrenzt versicherbaren Folgeschäden im Fokus des Risikomanagements von Unternehmen stehen dürften, beschränkt sich diese Arbeit im Folgenden darauf, diese Art der Schäden als typischen Folgeschaden zu betrachten und näher zu beleuchten.

52 PALANDT-Grüneberg, Vorb v § 249 Rn. 9; auf die Beeinträchtigung vermögenswerter oder ideeller Interessen abstellend: MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 16; ähnlich: NK-Magnus, Vor 249–255 Rn. 17. 53 PALANDT-Grüneberg, Vorb v § 249 Rn. 9; krit. STAUDINGER-249ff.-Schiemann, Vorbem zu §§ 249ff. Rn. 35–42. 54 PALANDT-Grüneberg, Vorb v § 249 Rn. 10ff.; MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 24ff.; NK-Magnus, Vor §§ 249–255 Rn. 17ff.. 55 PALANDT-Grüneberg, Vorb v § 249 Rn. 9; NK-Magnus, Vor §§ 249–255 Rn. 19. 56 MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 24; NK-Magnus, Vor §§ 249–255 Rn. 19. 57 PALANDT-Grüneberg, Vorb v § 249 Rn. 10; MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 28. 58 MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 28; NK-Magnus, Vor §§ 249–255 Rn. 19. 59 Kollmann, NJOZ 2011, S. 625ff. (625); MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 99; NK-Magnus, Vor §§ 249–255 Rn. 21. 60 OLG Stuttgart, Urt. v. 22.04.1988 – 2 U 219/87, Ziffer 2.c; MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 102; Podehl, DB 2005, S. 2453ff. (2453/2458); in der Praxis des Industrieanlagengeschäfts wird eine exemplarische Aufzählung der gängigsten und größten nicht versicherbaren Risiken wie loss of profit, lost interest, loss of production und overheads befürwortet, vgl. OSTENDORF/KLUTH-Klaft, § 20 Rn. 223; darüber hinaus eine rechtssichere vertragliche Abgrenzung als „unmöglich“ erscheinend bezeichnend: MÜNCHNER VERTRAGSHANDBUCH Bd. 2/I-Kratzsch, S. 384 (Rn. 65). 61 Die grundsätzliche Ersatzpflicht für entgangenen Gewinn konkret für den Fall der Lieferung einer Industrieanlage mit unzureichender Erfüllung technischer Toleranzen nicht beanstandend: BGH, Urt. v. 06.04.2016 – VIII ZR 261/14; allgemein: MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 101; PALANDT-Grüneberg, Vorb v § 249 Rn. 15; Podehl, DB 2005, S. 2453ff. (2453); STAUDINGER-249ff.-Schiemann, Vorbem zu §§ 249ff. Rn. 43. 62 MüKo/BGB-Oetker, § 252 Rn. 6; NK-Spallino, § 252 Rn. 3, 14. 63 NK-Magnus, Vor §§ 249–255 Rn. 21. 64 MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 100; NK-Magnus, Vor §§ 249–255 Rn. 21; PALANDT-Grüneberg, Vorb v § 249 Rn. 15. 65 Podehl, DB 2005, S. 2453ff. (2453); MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 102. Dies überzeugt jedoch nicht, da sich auf Grund eng verknüpfter Lieferketten und Prozessintegration (nahezu) gleichzeitig mit dem unmittelbaren Schaden auch mittelbare Schäden ergeben können (vgl. z.B. just-in-time-Fertigung, Großanlagenbau mit mehreren Komponenten, Arbeitsgemeinschaften/Konsortien). Zum gleichen Ergebnis kommend: STAUDINGER-249ff.-Schiemann, Vorbem zu §§ 249ff. Rn. 43. 66 NK-Magnus, Vor §§ 249–255 Rn. 21. Unter einem Mangelschaden versteht man die durch einen Mangel verursachten Nachteile, die trotz einer Nacherfüllung beim Geschädigten weiter bestehen (z.B. reparaturbedingter Minderwert), während ein Mangelfolgeschaden einen durch Nacherfüllung nicht beseitigbaren Schaden (wie Nutzungsausfall) beschreibt, vgl. PALANDT-Grüneberg, § 437 Rn. 34f.. 67 Vgl. Ziffer 1.1 der Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB), Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) in der Fassung vom Februar 2014. Die im Anlagenbau fehlende Versicherbarkeit von Vermögensschäden bestätigend: Frankenberger, AnwBl 4/2012, S. 318f. (319). Bezüglich der Versicherbarkeit ebenfalls eine Differenzierung in Haftungsklauseln zum Ausschluss von Folgeschäden feststellend: Lotz, ZfBR 2003, S. 424ff. (429). 68 Ostendorf, SchiedsVZ 2010, S. 234ff. (235); ders., ZGS 2006, S. 222ff. (223). Nach Ziffer 1.2 Abs. 3 der Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB), Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) in der Fassung vom Februar 2014 besteht explizit kein Versicherungsschutz für Ansprüche, „wegen des Ausfalls der Nutzung des Vertragsgegenstandes oder wegen des Ausbleibens des mit der Vertragsleistung geschuldeten Erfolges“. Vgl. auch MÜNCHNER VERTRAGSHANDBUCH Bd. 2/I-Kratzsch, S. 385 (Rn. 65); OSTENDORF/KLUTH-Ostendorf, § 8 Rn. 1, 6/7. 69 MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 99. 70 RÖMER/LANGHEID-Langheid, § 100 Rn. 9; LANGHEID/WANDT-Reiff, AVB Rn. 2. 71 Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) für die Betriebshaftpflicht in der Fassung vom Dezember 2016, abgerufen am 05.11.2018 unter https://www.gdv.de/de/ueber-uns/unsere-services/musterbedingungen-23924. So auch bereits bestätigt durch BGH VersR 1985, S. 1153ff. (1154), wo es heißt: „Daß Nutzungsausfallschäden das unmittelbare Interesse am eigentlichen Leistungsgegenstand betreffen und daher nach § 4 I Nr. 6 Abs. 3 AHB nicht Gegenstand der Haftpflichtversicherung sind, ist in ständiger Rechtsprechung des BGH anerkannt [...]“. 72 Zu den versicherungsrechtlichen Abgrenzungsschwierigkeiten für mittelbare Vermögensfolgeschäden und den hieran anschließenden Empfehlungen zu Ziffer 7.7/7.8 AHB siehe im Detail: VEITH/GRÄFE/GEBERT-Schanz, § 15 Allgemeine betriebliche Haftpflichtversicherung, Rn. 444–456. BECKMANN/MATUSCHE-BECKMANN-v. Rintelen, § 26 Berufshaftpflicht- und Betriebshaftpflichtversicherung, Rn. 90/91. 73 Werner, Supply Chain Management, S. 205; für einen Tag bei Stillstand einer 3-Schicht-Fertigung einen zweistelligen Millionenschaden wegen Produktionsausfall bestätigend: Lotz, ZfBR 2003, S. 424ff. (424). 74 Podehl, DB 2005, S. 2453ff. (2453). 75 Das im Maschinenbau vorkommende Modell einer sog. „Erweiterten Maschinenklausel“ springt für Folgeschäden ein, welche dann auftreten, wenn auf einer vom Versicherungsnehmer gelieferten fehlerhaften Maschine Werkstücke falsch bearbeitet werden und somit unbrauchbar werden (sog. „Ausschuss“). In der Regel endet an dieser Stelle jedoch die Haftung für Folgeschäden, da nur unmittelbar mit der Fehlproduktion verbundene Kosten ersetzt werden, in der Regel nicht aber z.B. entgangener Gewinn. Vgl. Gasser/Seiring/Steinberger/Voth, Produkthaftung, S. 113/114, 117/118. Auch eine „Nutzungsausfallversicherung“ bietet in der Regel nur Schutz vor Schadensersatzansprüchen wegen Nutzungsausfällen beim unmittelbaren Abnehmer des Liefergegenstandes, wenngleich auch für den entgangenen Gewinn. Diese Beschränkung auf den unmittelbaren Abnehmer ist kritisch zu sehen, nachdem in komplexen Wertschöpfungsketten der Schaden nicht originär beim unmittelbaren Abnehmer, sondern in nachgelagerten Wertschöpfungsstufen (z.B. Betreiber einer Industrieanlage, nicht z.B. Komponenten- oder Einzelmaschinenhersteller oder mit Errichtung der Industrieanlage beauftragter Generalunternehmer) entstehen dürfte. Doch auch Regresse dieser Personenkreise, welche über den unmittelbaren Abnehmer auf den Zulieferanten durchschlagen, sind oft explizit vom Versicherungsschutz nicht erfasst. Begründet wird diese Beschränkung durch die Versicherer aus eigener Erfahrung heraus damit, dass bei einer fehlenden Beschränkung auf den unmittelbaren Abnehmer a) die Risiken für den Versicherer bereits wegen zu hoher Komplexität verschiedenster Schadensszenarien nicht mehr kalkulierbar sein und b) somit auch keine Rückversicherung die ausgelegte Versicherung übernehmen würde. Dies führt dementsprechend dazu. dass beim Versicherungsnehmer die nicht übernommenen Risiken der gesamten nachfolgenden Wertschöpfungskette verbleiben. Eine Ausnahme könnte (wohl) die nur VDMA-Mitgliedern zugängliche VDMA-Nutzungsausfalldeckung sein, deren konkrete Versicherungsbedingungen jedoch leider nicht einsehbar und somit auch nicht bewertbar sind. Mit weiteren Informationen und Downloadmöglichkeiten der VSMA GmbH unter https://www.vsma.de/vdma-branchenloesungen/vdma-nutzungsausfalldeckung/,abgerufen am 13.04.2020.

B. Der Grundsatz der Totalreparation nach BGB und CISG

§§ 249ff. BGB stellen nicht die Anspruchsgrundlage für den Schadensersatzanspruch an sich dar, sondern regeln vielmehr, wie der zu ersetzende Schaden zu ermitteln ist. Nach den in § 249 BGB verankerten Grundsätzen ist der Geschädigte so zu stellen, wie wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre (sog. Differenzhypothese nach Mommsen)76. Grundlage dieser Überlegung ist es, dass alle entstandenen Nachteile in Form eines Ausgleichs zu ersetzten sind (sog. Totalreparation77), welche äquivalent kausal, d.h. auf Basis der conditio-sine-qua-non-Formel, zugerechnet werden können78. Eine (begrenzende) wirtschaftliche Relation zwischen Auftragswert und maximal zu tragendem Schaden ist nicht anerkannt79. Auch nur durch leichteste Fahrlässigkeit verursachte Schäden, welche die persönliche Leistungsfähigkeit des Schädigers übersteigen, erfahren keine Privilegierung und auch eine Unterscheidung nach der Vorhersehbarkeit eines Schadens findet nicht statt80. Die früher gängige Haftungsbefreiung für entgangenen Gewinn bei leichter Fahrlässigkeit ist bereits seit der Durchsetzung der 1855 vorgestellten Differenzhypothese passe81. Die Unterscheidung zwischen direkten Schäden und Folgeschäden spielt demnach im Bereich des deutschen Schadensersatzrechtes keine Rolle, nachdem beiden Schadensarten nach den gleichen Kriterien zu ersetzen sind82. Auch im Bereich der AGB-Kontrolle hat sich der Gesetzgeber auf Grund der schwierigen praktischen Unterscheidbarkeit sowie der regelmäßig schwereren Belastung durch den mittelbaren als den unmittelbaren Schaden bewusst gegen eine Differenzierung entschieden83.

Das Interesse des Geschädigten an der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes gilt als einheitlicher Ausgangspunkt der Schadensermittlung84. Ein darüber hinaus gehender Strafschadensersatz (punitive damages), wie er z.B. nach dem anglo-amerikanischen Rechtsverständnis fällig werden kann, ist dem derzeitigen deutschen Rechtsverständnis mit gewissen Einschränkungen fremd85. Neben einer Ausgleichsfunktion stehen dort die Straf- sowie Präventionsfunktion bei der Rechtfertigung von Schadensersatz im Vordergrund86.

Auch nach Art. 74 CISG, welcher als Teil des deutschen Rechts bei fehlendem explizitem Ausschluss bei nicht privat tätig werdenden Vertragspartnern mit Niederlassungen in verschiedenen Staaten unmittelbar zur Anwendung kommen kann, gilt hier nichts anderes87. Zwar sieht Art. 74 S. 2 CISG eine Beschränkung auf den vorhersehbaren Schaden vor („als mögliche Folge der Vertragsverletzung vorausgesehen hat oder unter Berücksichtigung der Umstände, die sie kannte oder kennen musste, hätte voraussehen müssen“), was durch den dabei unterstellten verstärkten Informationsaustausch aus rechtsökonomischer Sicht entweder verstärkte Schadensminimierungsbestrebungen oder zumindest Einpreisung der Risiken (auch über Versicherungslösungen) erwarten lassen könne88. Bei den für den deutschen Export typischen Produkten, welche in komplexe Wertschöpfungsketten (z.B. im Maschinen- und Anlagenbau, Automobilbau, chemische Industrie) eingebracht werden, sind weit reichende Haftungsrisiken bereits vor Vertragsabschluss ohne Weiteres deutlich vorhersehbar, weshalb dies kein ausreichendes Unterscheidungskriterium ist89. Dies wird für einen Lieferanten häufig dadurch subjektiv ersichtlich, dass sein Liefer- und Leistungsumfang mittels einer Vielzahl definierter technischer Schnittstellen/Spezifikationen zur Gesamtanlage bestimmt wird und zumindest objektiv die zu erwartenden Schäden aus der typischen Benutzung des Liefer- und Leistungsumfangs erwartbar sind90. Die Gesamtanlage und die möglichen Auswirkungen eines Ausfalls seines Liefer- und Leistungsumfangs sind somit zumeist ausreichend klar umrissen, Einschränkungen im Hinblick auf die Ersatzfähigkeit von entgangenem Gewinn oder Betriebsausfallschäden nicht ersichtlich91. Die Rechtsprechung bejaht deshalb in aller Regel die Haftung auch für Folgeschäden wie entgangenem Gewinn92.

Dieser Grundsatz der unbeschränkten Haftung ist, wie nachfolgend im rechtsvergleichenden Teil dieser Arbeit dargestellt wird, nicht unüblich. Allerdings darf trotz der beispielhaft näher dargestellten Rechtsordnungen nicht ausgeblendet werden, dass sehr wohl Rechtsordnungen existieren, deren Vertragsrecht die Haftung für Folgeschäden bereits per se nicht vorsieht. So beschränkt z.B. das indische Vertragsrecht (Section 73, Indian Contract Law) Schadensersatzansprüche auf direkte und vorhersehbare Schäden und schließt indirekte Folgeschäden explizit aus93.

76 MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 18; STAUDINGER-249ff.-Schiemann, § 249 Rn. 4ff.; NK-Magnus, Vor §§ 249–255 Rn. 6. Zur historischen Entwicklung des Schadensrechts vgl. STAUDINGER-249ff.-Schiemann, Vorbem zu §§ 249ff. Rn. 23–25. 77 NK-Magnus, Vor §§ 249–255 Rn. 30; STAUDINGER-249ff.-Schiemann, § 249 Rn. 2; Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, S. 8. 78 PALANDT-Grüneberg, Vorb v § 249 Rn. 25; MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 8 u 98; NK-Magnus, Vor §§ 249–255 Rn. 64. 79 Wendland, Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit, S. 438. Beispielhaft: Relation Auftragswert zu Folgeschaden im Rahmen des Schwimmschalter-Falles (BGHZ 67, 359ff.) bei einem Preis von 5 DM in Relation zu mehr als 70 TDM Schaden: ca. 1:14.200. Weiteres Beispiel: Relation ca. 1:9 (Auftragswert für eine Teil-EDV-Klimatisierung 15 TDM (nt.) in Relation zum durch austretendes Wasser im Serverraum verursachten Mangelfolgeschaden i.H.v. 136 TDM) in BGH, Urt. v. 20.12.1984 – VII ZR 340/83. 80 PALANDT-Grüneberg, Vorb v § 249 Rn. 3; zur historischen Überwindung der Schadensverantwortlichkeit auf Basis anderer Kriterien (wie z.B. Verschuldensgrad), vgl. STAUDINGER-249ff.-Schiemann, § 249 Rn. 2; Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, S. 8. 81 STAUDINGER-249ff.-Schiemann, Vorbem zu §§ 249ff. Rn. 25; ders., § 252 Rn. 6. 82 MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 99; NK-Magnus, Vor §§ 249–255 Rn. 21. 83 BT-Drs. 7/3919, S. 31/32. 84 STAUDINGER-249ff.-Schiemann, Vorbem zu §§ 249ff. Rn. 25. 85 MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 8; PALANDT-Grüneberg, Vorb v § 249 Rn. 2; STAUDINGER-249ff.-Schiemann, Vorbem zu §§ 249 Rn. 104. 86 Koller, ZIP 1986, S. 1089ff. (1090ff.). 87 MüKo/BGB/CISG-Huber P., CISG Art. 74 Rn. 15ff.; BAMBERGER/ROTH-Saenger, CISG Art. 74 Rn. 2, 7f.; Eckert/Maifeld/Matthiessen, Handbuch des Kaufrechts, Rn. 1106, 1109, 1111; Podehl, DB 2005, S. 2453ff. (2453). 88 M. w.V., insgesamt aber kritisch gegenüberstehend: MüKo/BGB/CISG-Huber P., CISG Art. 74 Rn. 2. 89 BGH, NJW 1985, S. 3016ff. (3018). So auch Langer, WM 2006, S. 1233ff. (1235/1236); Ostendorf, ZGS 2006, S. 222ff. (225); Verweyen/Foerster/Toufar, Handbuch des internationalen Warenkaufs, S. 172; AnwK AGB-Recht/Bornhofen Rn. 956. I. E. wegen konkreter Erkennbarkeit ebenfalls bejahend: BeckOK/BGB-Saenger, CISG Art. 74 Rn. 12. A.A. und bei Betriebsausfallschäden auf den jeweiligen Einzelfall abstellend: SCHLECHTRIEM/SCHWENZER/SCHROETER-Schwenzer, Art. 74 Rn. 55. 90 Zu den Beweisproblemen subjektiver Vorhersehbarkeit und der geringen Hürde objektiver Erwartbarkeit vgl. MüKo/BGB/CISG-Huber P., CISG Art. 74 Rn. 30ff.. Nur auf den objektiven Maßstab abstellend: Eckert/Maifeld/Matthiessen, Handbuch des Kaufrechts, Rn. 1112. Allgemein zum Erfordernis der Vorhersehbarkeit: HANDBUCH IWR-Benicke, Teil B. Rz. 380–382. 91 INTERNATIONALES VERTRAGSRECHT-Saenger, CISG Art. 74 Rn. 7; Eckert/Maifeld/Matthiessen, Handbuch des Kaufrechts, Rn. 1107f.; MüKo/BGB/CISG-Huber P., CISG Art. 74 Rn. 36; in Bezug auf den Betriebsausfallschaden so i.E. auch MüKo/BGB/CISG-Huber P., CISG Art. 74 Rn. 40. A.A. (nur bei explizitem Hinweis auf Betriebsausfallschaden): BAMBERGER/ROTH-Saenger, CISG Art. 74 Rn. 12. 92 OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 20.11.2012 – 5 U 129/11, Rn. 103 (bestätigend bezüglich „Folgeschäden (consequential loss [...] und zwar in Gestalt einer Gewinnchance“); OLG Karlsruhe, Urt. v. 15.02.2016 – 1 U 192/14, abrufbar unter cisg-online 2740, Ziffer II.6.a; OLG Koblenz, Urt. v. 10.09.2013 – 3 U 223/13, abrufbar unter cisg-online 2472, Ziffer II.1.b.cc. 93 Tulsian, Business Law, Kapitel 10.5; Meena, Textbook on Law of Contract, S. 298; Kuchhal, Business Law, S. 288.

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9783800594597
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