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Читать книгу: «So sey es », страница 23

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Als der Paß ausgefüllt war, unterzeichnete er ihn und zerriß den andern.

»Bist Du religiös?« fragte er mich plötzlich.

»Ich fürchte nur abergläubisch zu sein,« antwortete ich.

»Das wäre fatal,« erwiederte er; »wer religiös ist, wird nie verzweifeln. Es freut mich, daß ich den hiesigen Pfarrer nach Bernay versetzt habe; er wird Dich aufrichten und trösten, wenn Du der Hilfe und des Trostes bedarfst.«

»Ich weiß es wohl und ich zähle auf ihn.«

»Wenn ich Dir nützlich sein könnte, armer Max, so würde ich Dich nicht verlassen; aber ich weiß, daß ich Dir nur lästig sein würde. Wer an einem entscheidenden Wendepunkte des Lebens steht, bedarf der ruhigen Ueberlegung, des freien Entschlusses Uebrigens weißt Du, daß ich Dir mit Gut und Blut zu Diensten stehe. – Jetzt sei ein Mann und erwarte mit Ruhe und Entschlossenheit, was die Zukunft bringen wird.«

Er drückte mir noch einmal die Hand und ging.

XII

In der vorigen Nacht war ich ruhiger; es hatte mir unendlich wohl gethan, von Edmée zu sprechen und dem Freunde mein Herz zu öffnen.

Den andern Morgen, 6. November, kam Gratian. Er brachte mir einen Brief von Edmée folgenden Inhalts:

»Geliebter meines Herzens, der Graf kam am 3. Morgens an. Ich ging ihm bis auf die Hintertreppe entgegen. Er küßte mir die Hand und begab sich in sein Zimmer. Ich ging in das meinige. Der Anstand wurde also vor der Dienerschaft beobachtet.

»Noch dieser ersten Begrüßung waren wir einander so fern, als ob er noch in Homburg gewesen wäre. – Ich kann also ungestört an Dich denken, mein geliebter Max, und ich lebe wieder in der Vergangenheit – und in der Zukunft.

»Bald nach seiner Ankunft schrieb er an seinen Notar. Anfangs war er unschlüssig, ob er nicht selbst nach Paris reisen sollte; aber da er wahrscheinlich Geld verlangt, das er erst in sechs Wochen zu erwarten hat, so wird er Bedenken getragen haben, Herrn Loubon mündlich darum zu ersuchen. Er hat am 4. geschrieben; die Briefe brauchen zwei Tage nach Paris; wenn der Notar mit Wendung der Post antwortet, so kommt der Brief am 8. hier an, und wenn die Antwort, was nicht zu bezweifeln, günstig ist, so wird der Graf am 9. wieder abreisen. – Am 9. werden wir also unser Paradies wiederbekommen.

»Jedenfalls sehen wir uns am 7. Abends bei Gratian. Dein Stübchen ist bereit, hübsch geweißt und sauber, und recht einsam, bis wir mit unserem Glücke und unserer Liebe einziehen.« – Du wirst mich vielleicht auslachen, aber da es noch nie bewohnt war, habe ich es von unserem guten Pfarrer einsegnen lassen. – Wie froh bin ich, daß dieser würdiges Mann an die Stelle des abscheulichen Abbé Morin gekommen ist. Wenn ich diesen Unhold in meiner Todesstunde vor meinem Bette sehen müßte, würde ich gewiß nicht ruhig sterben können. – Wenn der Graf, wie zu erwarten, am 9. abreist, so hindert Dich nichts, bis zu seiner Abreise bei Gratian zu bleiben.

»Kurz, Du kannst über die braven Leute verfügen. Und ich – Du weißt es, mein geliebter Max, ich bin dein im Leben und im Tode.

»Ich erwarte Dich.

»Deine Edmée.«

Nachdem sich Gratian zwei Stunden ausgeruht und mit Speise und Trank erquickt hatte, schickte ich ihn mit einem Briefe zurück, in welchem ich versprach, den folgenden Abend bei Gratian zu sein.

Am folgenden Tage, 7. November, nach dem Frühstück, nahm ich Abschied von Alfred. Ich nahm seinen Reisewagen. Für den Fall eines Unglücks war ich entschlossen, Frankreich zu verlassen. Ich wollte mich dann nach irgend einem Seehafen begeben; Alfred sollte auf meine Anzeige seinen Wagen holen lassen. Ich sagte ihm daher Lebewohl, als ab ich eine weite Reise antreten wollte.

Um vier Uhr war ich in Bernay und ließ meinen ganz bepackten Wagen in die verschließbare Remise des Gasthauses stellen. Um fünf Uhr war’s dunkel.

Um halb fünf verließ ich den Gasthof, ohne von Jemand beachtet zu werden, und ging auf Gratian’s Haus zu.

Gratian erwartete mich in der Hausthür. – Die Gräfin war im Laufe des Tages zweimal da gewesen, um nachzusehen, ob dem Gaste der jungen Eheleute nichts fehlen würde; sie hatte aus dem Treibhause großblätterige Pflanzen, die ich sehr gern hatte, bringen lassen; die Caminplatte war mit Nippsachen aus ihrem Zimmer besetzt, und auf dem Bette war ein großer Shawl ausgebreitet, den sie bisher getragen hatte.

Ich fragte Gratian, ob er Edmée gesehen, wie sie sich befinde und ob sie leidend aussehe.

Er versicherte, sie befinde sich sehr wohl, und freue sich unendlich auf unser Wiedersehen.

Dieses reine Herz machte vor diesen treuen Freunden kein Geheimniß aus seinen Gefühlen.

Als wir in das Stübchen traten, brannte nur das Caminfeuer. Gratian zündete eine Wachskerze an und stellte sie auf einen Tisch am Fenster.

»Was machst Du da?« fragte ich.

»Ich melde der Frau Gräfin Ihre Ankunft; sie wird gewiß nicht lange ausbleiben.«

Zehn Minuten nachher hörte ich das Rauschen eines seidenen Kleides auf der Treppe – Edmée erschien in der Thür.

Ich schloß sie in meine Arme und zog sie in die Nähe des Lichtes, um sie besser zu sehen.

Nie war sie schöner, blühender, heiterer gewesen. Das Glück hatte ihren vom Gram gebleichten Wangen das frische Incarnat wiedergegeben; ihre Augen glänzten in einer Flamme, deren Herd in ihrem Herzen war; Alles in ihr war Leben, üppig blühendes Leben. Wie hätte dieses reizende, wunderholde Wesen in Todesgefahr schweben können?

»Warum siehst Du mich so an?« fragte sie, als sie bemerkte, daß ich sie mit den Augen verschlang.

Und als ich schweigend den Kopf schüttelte, fügte sie hinzu:

»Du weißt, daß er übermorgen abreist. Uebrigens ändert sein Bleiben oder Abreisen nichts an unserem Verhältniß: ich bin nichts für ihn, sobald ich keine Vollmacht mehr auszustellen und kein Gut mehr zu verkaufen habe.«

»Rede, sagte ich; »Du kannst nicht denken, wie sehr es mir Bedürfniß ist, deine Stimme zu hören.«

»Dein Wunsch soll erfüllt werden. Ich habe Dir sehr viel zu sagen. —Du weißt wo das Treibhaus ist?«

»Ich weiß wenigstens, wo ein Theil der Pflanzen ist,« antwortete ich und zeigte auf die Azaleen und Botanien, die am Fenster aufgestellt waren.

»Höre mich an,« sagte sie, »und urtheile, ob ich an Dich gedacht habe. – Ein aus zwei Stuben bestehendes Häuschen steht neben dem Treibhause. Das Häuschen war für einen jetzt nicht vorhandenen Gärtner bestimmt. Die beiden Zimmer, welche Niemand betritt, habe ich mit granatfarbenen Tapeten ausschlagen lassen; ich weiß, daß Du diese Farbe gern hast. Dann habe ich mit Zoe ein altes Zimmer im Schlosse ausgeräumt und die Möbel in das Gärtnerhäuschen bringen lassen. Die Camine haben wir mit altem Sammt beschlagen, den Fußboden mit Teppichen belegen lassen. – Der arme Gratian hat vier Nächte nicht geschlafen, er arbeitete von sechs Uhr Abends bis drei Uhr Früh. Eine Thür führt unmittelbar ins Treibhaus, die andere auf den an der Parkmauer befindlichen Weg. Es ist unmöglich, dort das allerliebste Nestchen zu vermuthen. Du kommst von draußen; ich gehe durch das Treibhaus oder erwarte Dich.« – Wir sind dort nicht einmal unter seinem Dache, welches übrigens das deinige ist. Ist es nicht eine gute Idee? – Nun, Du antwortest ja nicht . . .«

»Ich höre zu.«

»Du bist nicht heiter, Max; Du solltest erfreut, entzückt sein – und Du dankst mir nicht einmal!«

»Edmée, ich vergöttere Dich!«

»Sieh, Max, drüben in Courfeuille hast Du mich beschämt: ich habe bemerkt, daß Du mich inniger liebst, als ich Dich liebte; Du liebtest mich, so zu sagen, wie ein Geizhals, der seinen Schatz zu verlieren fürchtet, und liebte Dich nur wie einer, der seines Besitzes gewiß ist.«

»Wie freue ich mich,« erwiederte ich, »Dich glücklich und vertrauensvoll zu sehen!«

»Glücklich in Dir, vertrauensvoll in Gott. Je länger ich nachdenke, desto mehr schwinden meine trüben Gedanken. Die Vorsehung hat mich gezwungen, an sie zu glauben. Warum sollte ich Dir so wunderbar auf meinem Lebenswege begegnet sein; warum sollst Du mir das Glück gebracht haben; warum sollte sie mein Dasein so wunderbar bereitet, mir trotz der Fesseln meine Freiheit bewahrt haben, wenn sie uns hätte trennen, mich Dir oder Dich mir entreißen wollen? Mich dünkt, darin würde eine mit den Absichten Gottes nicht übereinstimmende grausame Ironie liegen.«

Ich hörte ihr mit Entzücken zu; ihre Worte vertrieben meine bangen Ahnungen. Ich war wie ein Baum, der sein dürres Laub verliert und zugleich in der warmen Frühlingssonne neue Blätter treibt. Die Hoffnung gab mir neue Lebenskraft.

»Und wann kann ich das reizende Nestchen sehen?«

»O, es müssen noch zwei Tage oder vielmehr zwei Nächte daran gearbeitet werden. Wir wollen es übermorgen Abends einweihen. – Sie werden mir die Ehre erweisen, Herr von Villiers, dort mit mir zu soupiren. Sind Sie frei? Antworten Sie geschwind, ich muß gehen.«

»Schon?«

»Ich würde so lange bleiben wie Du willst; aber die Dienerschaft sah mich fortgehen und muß mich auch wieder nach Hause kommen sehen. Wenn wir in unserem Treibhause sind, habe ich diese Rücksichten nicht mehr zunehmen. Ich gehe die Seitentreppe hinunter und habe mir kein Gitterthor öffnen zu lassen. – Dann bin ich Julie und lasse Dich nicht fort. Heute bin ich Romeo, ich muß gehen.«

»O, sprich nicht von Romeo und Julie,« erwiederte ich; »die Erinnerung an das unglückliche Liebespaar von Verona wäre eine üble Vorbedeutung für uns; sie mochten sich am Abende vor ihrem Tode nicht verlassen . . .«

»Wir verlassen uns ja nicht, lieber Max. Du siehst von hier meine Zimmerfenster; ein Licht, das ich brennen lasse, sagt Dir, daß ich da bin und daß ich selbst im Schlafe an Dich denke.«

Kann ich Dich wenigstens bis an die Parkthür begleiten?«

»Wer kann Dir’s wehren? Komm. Wir gehen über den Friedhof, und zu dieser Stunde wird uns gewiß Niemand begegnen.«

»Nein,« erwiederte ich; »nicht diesen Abend – wenigstens nicht zusammen.«

»Ich bin indeß diesen Weg gekommen, es ist der kürzeste.«

Ich schaudern unwillkürlich.

»Um so mehr,« entgegnete ich mit gezwungenem Lächeln, »nur so mehr sollten wir diesen Weg meiden, wenn ich Dich begleite.«

»Es ist zehn Uhr mahnte Zoe, welche leise an die Thür klopfte.

»Siehst Du wohl! sagte Edmée.

»Ach! Du ahnst nicht, wie schwer es mir wird, Dich diesen Abend zu verlassen – oder wirst Du es erfährst, wirst Du mich beklagen.«

Wir gingen durch den Garten, von welchem die Parkthür kaum zweihundert Schritte entfernt war.

Zwanzig Schritte von dem Gitterthore stand die Gräfin still und sagte:

»Auf morgen.«

»Aus morgen!« wiederholte ich bebend.

»Das versteht sich,« sagte sie erstaunt über die Betonung, mit der ich diese zwei Worte wiederholte. »Glaubst Du denn, ich würde kein Mittel finden, Dich zu sehen?«

»Gott gebe es!« stammelte ich.

Sie sah mich ganz verwundert an.

»Verzeihe mir,« fügte ich hinzu; ich weiß nicht was ich spreche.«

Um mich nicht zu verrathen, küßte ich ihr die Hand und entfernte mich schnell.

Als ich mich umsah, waren die Gräfin und Zoe hinter dem Gitterthore verschwunden.

Ich befand mich vor der Friedhofsthür. – Allein trug ich kein Bedenken, diesen Ort zu betreten.

Im Vorübergehen bemerkte ich, daß der Abbé Claudin noch Licht hatte. Ich trat ans Fenster und sah durch den nur angelehnten Fensterladen den würdigen Geistlichen, der an einem Tische saß und in einem großen Buche las. Es war vermuthlich die Bibel.

Ich beschloß ihm noch einen Besuch zu machen. – Ich trat ein.

Die Hausthür war offen. Der brave Mann hatte gewiß keine Feinde.

Er sah sich um, als die Thür aufging, und erkannte mich.

»Willkommen, Herr von Villiers,« sagte er aufstehend.

Die Veränderung meines Gesichtes fiel ihm auf, und er setzte hinzu:

»Sie suchen doch keinen Trost bei mir?«

»Ach, hochwürdiger Herr,«– erwiederte ich, »ich habe eine große Angst aus dem Herzen: ein entsetzliches Unglück bedroht mich. Wollen Sie für mich beten?«

»Ja einiger Zeit würde mein Gebet wirksamer sein« sagte er mit wehmüthigem Lächeln; »denn ich werde bald nicht mehr dieser Erde angehören. Aber ich bin gerne bereit, Ihren Wunsch zu erfüllen.«

»Eine mir sehr theure Person, die ich Ihnen aber nicht nennen kann, wird morgen Früh zwischen sieben und acht Uhr in Todesgefahr sein. Beten Sie für sie, werther Freund Gott wird wissen, für wen Sie beten.«

»Morgen Früh werde ich eine Messe für sie lesen,«-antwortete er. »Wenn Sie wollen, können Sie Ihre Wünsche mit den meinigen verbinden.«

Ich faßte seine Hände.

Sie sind ein Muster der Güte; ich werde morgen Früh um sieben Uhr in der Kirche sein.

Ich ging etwas ruhiger nach Hause. Konnte Gott auch ungerührt bleiben durch Edmée’s kindlich frommen Sinn, durch die Fürbitte des würdigen Geistlichen und durch meinen Schmerz?

Ich begab mich in mein Zimmer und trat ans Fenster. Das Licht brannte hinter dem Vorhange der Gräfin, wie ein Stern hinter einer Wolke schimmert. Sie schallte gewiß auch zu mir herüber.

Ich setzte mich in einen Lehnstuhl am Fenster; mein Blick war auf das Licht gerichtet .

»Ach! wer weiß,« seufzte ich, » ob dieses Licht nicht morgen an ihrem Sarge brennen wird?«

Ich ging nicht zu Bett; aber die Augen fielen mir zu und gegen drei Uhr schlief ich ein.

Die ersten Glockenschläge, welche zur Messe riefen, welkten mich. – Ich sah nach der Uhr; es war sieben.

In einer Stunde sollte ich wissen, was ich zu fürchten oder zu hoffen hatte.

Ich ging hinunter und begab mich in die Kirche. – Der Abbé Claudin hatte die heilige Handlung eben begonnen. Ich kniete am Geländer des Chors nieder.

Ich habe kein gedrucktes Gebet gelernt, der Text der Messe ist mir unbekannt; meine ganze Andacht drehte sich um den Gedanken: Gott, erbarme Dich unsers trenne uns nicht.

Während der Messe schlug die Thurmuhr halb.

Ich weiß nicht, was für ein Gefühl eine ins Herz dringende Messerklinge hervorbringt; aber es ist gewiss nicht schmerzhafter, als der Eindruck, den der Klang der Glocke auf mich machte.

Die Messe näherte sich ihrem Ende.

Als der Geistliche die Hostie emporhob und das Glöcklein ertönte, wurde plötzlich die Thüre ausgerissen und Zoe stürzte athemlos in die Kirche.

»Herr Abbé,« rief sie, kommen Sie geschwind ins Schloß! dir Frau Gräfin ist todeskrank.«

Ich starrte Zoe an. . . ich wollte sprechen, fragen, um Hilfe rufen, aber die Worte erstarben mir auf der Zunge; ein leiser Klagelaut war Alles was ich hervorzubringen vermochte.

Ich eilte auf die Kirchenthür zu, um zu helfen, wenn es in meiner Macht stand.

»Gehen Sie nicht hin!« rief mir aber Zoe nach; »der Graf ist an ihrem Bett.«

Auf diesen letzten Schmerz war ich nicht gefaßt gewesen.

Ich wankte zurück, um mich an einem Pfeiler zu halten, aber die Füße wollten mich nicht mehr tragen; ich sank an dem Pfeiler nieder, ohne einen Laut von mir zugeben.

Ich gab mich anfangs der Hoffnung hin, der Todesengel habe uns Beide zugleich mit seinen Schwingen berührt; aber es war nur eine Ohnmacht.

XIII

Als ich wieder zur Besinnung kam, lag ich in dem Zimmer des Abbé Claudin, und der würdige Mann saß vor meinem Bett.

Er beobachtete mit ängstlicher Spannung das Wiedererwachen meiner Lebensgeister, und als ich die Augen aufschlug, sah er mich mit innigem Mitleid an.

Anfangs wußte ich nicht« wo ich war und was vorgegangen war; nach und nach aber kehrte mein Erinnerungsvermögen zurück.

Ich fuhr mit einem Angstschrei auf. – »Edmée! Edmée!« rief ich.

»Besten Sie für sie, mein Sohn,« antwortete der Abbé.

Ich faßte seine Hände und starrte ihn an.

»Todt!« sagte ich. »Edmée ist todt!«

»Diesen Morgen, zwischen sieben und acht Uhr ist sie durch Worte des Erbarmens und der Verzeihung, die ich in der Messe sprach, in den Himmel geleitet worden.«

»O, Sie kennen das Leben dieses Engels nicht,« erwiederte ich, »an ihr war es, Erbarmen zu üben und zu verzeihen.«

Ich sprang auf.

»Wo wollen Sie hin,« fragte der Abbé.

»Zu ihr – zu ihr will ich! Glauben Sie denn, ich würde sie nicht noch einmal sehen . . .«

»Mein Sohn,« unterbrach der Abbé, die Hände faltend, »Ihre Liebe zu der Lebenden war ein Frevel; Ihre Anwesenheit bei der Todten würde ein Aergerniß geben. Ich bitte Sie, thun Sie das nicht!«

Ich sank von Schmerz überwältigt auf das Bett zurück.

So sollte also der Graf ihr Peiniger, der ihr Vermögen vergeudet und in einer Aufwallung des Zornes nach ihr geschossen hatte, das Recht haben, das Begräbniß anzuordnen, über die Vollziehung ihres letzten Willens zu wachen; er sollte vor der Welt das Recht haben, heuchlerische Thränen an ihrem Sorge zu vergießen, während ich, den sie noch gestern ihren theuersten Freund, ihr Leben, ihr Alles nannte, ihr nicht nahekommen durfte, sie im Stillen beweinen sollte!

»Um des Himmels willen,« sagte ich schluchzend »erzählen Sie mir wenigstens, wie sie gestorben, wo sie ist und wie Sie sie gefunden haben.«

Sie war in ihrem Zimmer, im Schlafrock auf dem Bette liegend; neben ihr stand ein Waschbecken voll Blut. Mehr weiß ich nicht.«

»Haben Sie sich denn nicht erkundigt? Dachten Sie denn nicht an meinen Schmerz, an meinen sehnlichen Wunsch, alle Umstände zu kennen?«

»Ich dachte, daß die Unglückliche, die da vor mir lag, nur noch der göttlichen Barmherzigkeit bedürfe; Sie hingegen hatte ich bewußtlos in der Kirche liegen gesehen; Sie bedurften der Hilfe und des Trostes. Ich eilte zu Ihnen.«

»O, wie danke ich Ihnen, verehrter Freund! – Nur noch eine Bitte, die letzte, gewähren Sie mir.«

»Sagen Sie, was ich für Sie thun kann.«

Ersuchen Sie Gratian, seine Frau zu holen. Zoe war bei der Gräfin, sie wird mir Alles sagen.«

»Ich bin da, Herr von Villiers!« sagte eine weinerliche Stimme hinter uns.

»Zoe!« rief ich, die Hand nach ihr ausstreckend.

Ich drückte sie an mein Herz; es schien mir, daß sie mir etwas von Edmée bringen.

Der Abbé Claudin entfernte sich; er sah ein, daß sich der höchste Schmerz gern ohne Zeugen ausspricht.

»Ach, welch ein Unglück! jammerte Zoe; »welch ein schreckliches Unglück!«

Eine Pause folgte; wir Beide konnten nicht sprechen. – Endlich fand ich die Sprache wieder.

»Wie ist es denn gekommen, Zoe? Was ist geschehen?«

Ich weiß mirs nicht zu erklären, Herr von Villiers. Bis Mitternacht arbeiteten wir für das kleine Zimmer. . . wir sprachen beständig von Ihnen. Zwei- oder dreimal klagte sie über Schwindel und fragte, ob ich nicht Blutflecke auf den Spitzentüchern sehe. Ich hatte nichts bemerkt. – Wahrscheinlich sind meine Augen zu sehr angestrengt, sagte sie; »geh’ und sage Gratian, der im Treibhause arbeitet, daß ich mich unwohl fühle, und daß Du bei mir bleibst.« —»Soll ich Ihnen nicht beim Auskleiden helfen?« fragte ich. – »Nein, Du wirst mich im Bette finden. Du wirst in seinem Zimmer schlafen.« – das ist Ihr Zimmer – »und die Cabinetsthür offen lassen . . .«

»O das liebe Zimmer! Wie viele schmerzlich frohe Stunden habe ich darin verlebt!«

»Ich machte die Bestellung,« fuhr Zoe fort, »und eilte sogleich in das Schloß zurück. Sie hatte nicht mehr die Kraft gehabt, sich auszukleiden; sie hatte sich in dem Schlafrocke, den sie beim Nachhausekommen angezogen, aufs Bett geworfen. Sie schlief, aber sehr unruhig, als ob sie ersticken müßte. Eine Hand hielt sie auf die Brust, wo sie Schmerzen zu haben schien. Ich trat mit dem Lichte ganz nahe; sie erwachte nicht, sie schien in einer Art Betäubung zu liegen.

Die Stirnader war sehr geschwollen.«

»Ach, warum bist Du nicht zu mir gekommen, Zoe? Wir hätten einen Arzt geholt. . . . er würde ihr eine Ader geöffnet haben . . . ich hätte es nöthigenfalls selbst gethan. . . und das schreckliche Unglück wäre nicht geschehen. – O mein Gott! mein Gott!«

»Wer hätte auch ein solches Unglück ahnen können?«

»Ich wußte es.«

»Was? Sie wußten es?«

»Ja wohl, in einem ihrer Momente des Hellsehens hatte sie mir gesagt, der 8. November werde ihr Unglück bringen; aber zugleich hatte sie mich gebeten, ihr nichts zusagen, denn es werde ihr zu wehe thun, mich zu verlassen; deshalb bin ich hieher gekommen, um die Nacht vom 7. zum 8. November hier zuzubringen; deshalb wollte ich sie nicht verlassen, deshalb begleitete ich sie bis an das Gitterthor, und deshalb ließ ich für sie eine Messe lesen . . .«

»Armer Herr von Villiers, wie groß muß Ihr Schmerz gewesen sein!«

»Erzähle weiter, Zoe; Du hast mir noch nicht Alles gesagt.«

»Ich wußte nichts davon, fuhr Zoe fort; »ich ließ sie schlafen. Ich that, was sie mir gesagt hatte: ich ließ die Cabinetsthüre offen und legte mich auf ein Sopha, um sogleich bereit zu sein, wenn sie mich rufe. Wir hatten schon fünf bis sechs Nächte gearbeitet; ich war sehr müde und schlief ein. In der Frühe wurde ich durch die Glocke geweckt. Ich eilte in das Zimmer der Gräfin! Sie stand vor ihrer Toilette und spie Blut in ein Waschbecken. Ich wollte forteilen und und Hilfe rufen, aber sie winkte mir. Ich kam wieder zu ihr; sie schlang einen Arm am meinen Hals; ich fühlte, wie sie zitterte. Sie versuchte zusprechen; aber ich hörte nur zwei Worte . . . das eitle war Ihr Name . . .«

»Edmée! Theuerste Edmée! . . . Und was sagte sie?«

»Max. . . . mein Haar. Ich weiß nicht, was sie damit sagen wollte.«

»Ich weiß es.«

»Ich legte sie auf ihr Bett . . . sie seufzte und streckte sich aus. Es war Alles aus.«

O Gott! so schnell . . . in voller Jugendblüthe!«

»Aber ich mochte es nicht glauben. Ich eilte zum Zimmer hinaus. Im Corridor fand ich Nathalie. – »Wo wollen Sie hin?« fragte sie mich; »Sie sehen ja ganz bestürzt aus.« – »Ich will den Abbé holen, die Gräfin ist sehr krank.« – »Dann muß der Graf gerufen werden.« – Mehr sagte sie nicht; sie ging zu dem Grafen, und ich eilte in die Kirche. Deshalb sagte ich Ihnen: Kommen Sie nicht, der Graf ist bei ihr.«

»Mein Gott! unsere Briefe – alle unsere theuren Geheimnisse!«

»O, fürchten Sie nichts, es ist Alles schon im Treibhause.«

»Du gingest dann wieder zu ihr?«

»Ja. – Die beiden ersten Aerzte der Stadt waren bei ihr; sie erklärten die Gräfin für todt; die Starrheit des Körpers, sagten sie, lasse keinen Zweifel übrig. – Da der Graf bald abreisen will, so soll die Gräfin noch diesen Abend in die Gruft gesenkt werden.«

»Das ist ja Wahnsinn!« rief ich; »bei plötzlichen Todesfällen darf die Beerdigung nicht binnen achtundvierzig Stunden stattfinden.«

» Sollen wir durch den Pfarrer Einsprache thun?«

» Nein,« antwortete ich; laß nur, ich werde sie früher wiedersehen. Er will fort von hier, ich sehne mich nach ihr. – Aber wie können alle Vorbereitungen bis diesen Abend getroffen werden? die Zeit ist ja zu kurz —«

»Ach, die liebe gute Dame, sie sagte immer, daß sie jung sterben werde. Es ist Alles bereit, sogar der Sarg, als ob sie ihr nahes Ende vorausgesehen hätte. Als Sie in der Gruft waren, wollte sie Ihnen den Sarg nicht zeigen, um Sie nicht zu erschrecken; aber er stand, mit schwarzer Seide behängt, unter dem Altar.»

»Ach! Zoe —«

»Sol! ich schweigen, Herr von Villiers? ich sehe, daß ich Ihnen Schmerz mache.»

»Nein« erzähle nur weiter.«

Zoe fuhr schluchzend fort:

»Sie sagte mir oft – aber ehe sie Ihre Bekanntschaft gemacht hatte, später sprach sie nicht mehr vom Tode – sie sagte mir: »Zoe, wenn ich todt bin, sollst Du allein mich berühren; Du sollst mir mein weißes Brautkleid anziehen und mir mein kleines silbernes Crucifix in die Hände geben und mich auf Blumen betten; ich habe immer meine Freude an Blumen gehabt.« – Ach, es soll Alles so geschehen, wie sie es angedeutet hat, das verspreche ich Ihnen« Herr von Villiers. Ich habe mir diese Gunst schon von dem Grafen erbeten —«

»Und was hat er geantwortet?«

»Er sagte, es sei keine Zeit zu verlieren, da das Begräbniß diesen Abend stattfinden solle.«

»O der Elende! – Wo willst Da aber im November Blumen finden?«

»O, das Treibhaus ist ganz voll.«

Es kam mir plötzlich ein Gedanke.

»Zoe,« sagte ich, »diese Blumen will ich selbst pflücken.«

»Wie wäre das möglich, Herr von Villiers? Man könnte Sie im Schlosse sehen —«

»Hat denn Gratian nicht den Schlüssel zu der äußern Thür?«

»Was für einen Schlüssel?«

»Den Schlüssel zu dem Häuschen neben dem Treibhause.«

»Ja, er hat ihn; ich will ihm sagen, daß er Ihnen diesen Schlüssel bringe.«

»Zoe, wenn ich jemals das Schloß bewohne, so wähle ich die beiden kleinen Zimmer.«

»Und das Zimmer der Gräfin?«

»Es soll eine Capelle werden; ihr Sterbebett soll unberührt bleiben.«

»Sie wollen also bald hingehen, Herr von Villiers?«

»Sobald als ich den Schlüssel habe.«

Gratian soll Ihnen nicht nur den Schlüssel bringen sondern auch den Weg zeigen. Zum Glück ist es sehr nebelig. Niemand wird Sie erkennen, denn man sieht kaum vier Schritte weit.

»Geh, Zoe.«

Sie trat schüchtern auf mich zu.

»Herr voll Villiers,« sagte sie, »wollen Sie vielleicht ein Andenken von ihr – eine Haarlocke zum Beispiele?«

»Ich danke Dir, mein Kind; ich werde schon selbst dafür sorgen.«

Zoe entfernte sich. – Gleich darauf kam der Abbé wieder ins Zimmer.

»Herr von Villiers,« sagte er, verzeihen Sie, daß ich Sie jetzt verlasse. Man verlangt Jemand, der bei der Gräfin bete, und ich will mein Recht an Niemand abtreten; ich werde für mich und für Sie beten.«

Er reichte mir die Hand, ich zog sie so schnell an meine Lippen, daß er es nicht hindern konnte.

»Sie wissen«r fuhr er fort, »daß der Befehl zur Beerdigung für diesen Abend gegeben ist. Bei plötzlichen Todesfällen verlangt das Gesetz, daß zwischen dem Moment des Todes und dem Begräbnis; mindestens achtundvierzig Stunden verfließen. Wollen Sie, daß ich mich zum Organ des Gesetzes mache?«

»Ich danke Ihnen, Herr Abbé,« antwortete ich, »thun Sie was der Graf anordnete.«

Der Abbé verneigte sich und ging.

Ich ließ den Kopf in die Hände sinken; aber nach einer kleinen Weile sagte eine Stimme:

»Da bin ich, Herr voll Villiers.«

Ich richtete mich auf. Gratian stand vor mir.

»Ach! wer hätte das gestern gedacht!« sagte er.

Ich reichte ihm die Hand.

» Wie gut war Ihnen die liebe arme Dame!« fuhr er fort; »außer Zoe und mir wußte es Niemand. Wenn wir beisammen waren, sprach sie nur von Ihnen . . .«

»Und Euch war sie auch vom Herzen gut,« erwiederte ich.

»Es machte mir immer große Freude, für sie zuarbeiten. Wer hätte gedacht, daß sie mir eine so traurige Arbeit aufspare? O die liebe Dame!«

Gratian wischte sich mit der Hand die Thränen ab und stampfte mit dem Fuße.

»Komm, lieber Gratian,« sagte ich zu ihm.

Wir gingen mit einander fort.

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Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
Объем:
400 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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