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Читать книгу: «So sey es », страница 24

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XIV

Zoe hatte die Wahrheit gesagt: es war ein dichter Nebel, der die Gegenstände kaum auf vier Schritte erkennen ließ.

Wenn man den Tod im Herzen hat, ist es ein kleiner Trost, die Natur auch in Trauer zu sehen.

Gratian führte mich auf einem Umwege zu dem Gärtnerhäuschen.

Ich sah mich nach allen Seiten um, wir waren ganz allein.«

»Gib mir den Schlüssel,« sagte ich zu meinem Führer.

»Kann ich Ihnen jetzt noch mit etwas dienen, Herr von Villiers?«

»Nein, lieber Gratian; aber diesen Abend erwarte ich Dich.«

»Ich stehe zu Diensten. Zu welcher Stunde?«

Zwischen neun und zehn. Wir werden uns bis dahin noch sehen.

»Auf Wiedersehen also, Herr von Villiers!«

Er ging fort. – Ich trat in das Häuschen und verschloß die Thür.

Es war wirklich die hübsche, trauliche Wohnung, wie sie mir die Gräfin beschrieben. Ach, wie glücklich hätten wir dort sein können!

Am Kopfende des Bettes war eine von innen verschlossene Thür. Ich öffnete sie; sie führte in das Treibhaus.

Wie Zoe gesagt hatte, war letzteres voll von Herbstblumen. Ich begrüßte sie als treue Gefährtinnen der Verblichenen, der sie in das Grab folgen sollten, um, wie sie, vor der Zeit zu sterben.

Ich hörte Fußtritte auf dem Sande des Gartenweges.

Es war Zoe.

»O, ich wußte wohl, daß ich Sie hier finden würde,« sagte sie.

»Nun, was geht denn vor?« fragte ich.

Der Abbé Claudin ist da, und betet bei ihr. – Ach! Herr von Villiers, wenn Sie wüßten, wie schön sie ist in ihrem weißen Atlaskleide und mit ihr ein langen aufgelösten Haar. Sie sieht aus wie eine Heilige.

Ich war inzwischen ruhiger geworden; die Thränen flossen mir still über die Wangen, ich schluchzte nicht mehr.

»Du mußt mir eine Scheere geben, Zoe.«

»Hier ist die Scheere der Gräfin,« erwiederte sie; »ich habe sie mitgebracht, um Blumen abzuschneiden; Sie können Sie behalten.«

Wir schnitten Blumen ab; die schönste von denen, die ich abschnitt, nahm eine Thräne von mir mit.

Als Zoe ihre Schürze voll hatte, sagte sie

:»Haben Sie mir nichts zu befehlen?«

»Nein, Zoe. Aber wenn Du allein mit ihr bist, so flüstere ihr zu: »Er ist da, und diese Nacht wird er kommen, Ihnen den letzten Kuß zu geben.«

»Ach! sie kann’s ja nicht hören!« sagte Zoe.

»Wer weiß? Der Tod ist ein großes Räthsel.«

»Ich weiß gewiß, Herr von Villiers, daß wir sie einst wiedersehen werden.«

»Ja wohl, Zoe, wenn wir würdig sind, dahin zukommen, wo sie ist.«

Ich ging wieder in das Gärtnerhäuschen und setzte mich aufs Bett.

»O Tod! unergründliches Geheimniß, sternenlose Nacht, pfadlose Wüste, Ocean ohne Leuchtthurm – bist Du das Ende der Zeiten oder der Anfang der Ewigkeit? Enthüllst Du dem Menschen dein Geheimnis, oder wird er es einst errathen? – Zwei Wesen, die mir am theuersten waren: meine Mutter und Edmée, hast Du vereinigt. Ob sich diese beiden Wesen dort oben erkennen. ob sie meinen Namen nennen werden? Die Himmelsthore müssen aus Stahl und Diamanten zusammengefügt sein, da meine Mutter nicht zurückgekommen ist, und wenn Du, meine Edmée, nicht wiederkehrst, mir zu sagen: ich liebe Dich noch! – Ihr beiden verklärten Wesen waret und seid fortan meine einzige Liebe; ihr seid zwei Lilien, die ich überlebe, um sie mit meinen Thränen zu benetzen – O Mutter! O Edmée! Ihr seid über alle Erdenleiden erhaben, betet für den Dulder, den Zweifler!«

Es wurde an die äußere Thüre geklopft. Ich war unschlüssig, ob ich öffnen sollte. Wer konnte in einem solchen Augenblicke mit mir zu thun haben? Es wußte ja Niemand, daß ich da war.

»Machen Sie auf, Herr von Villiers,« sagte die Stimme Gratian’s: »ich bin’s.«

Ich öffnete. Gratian kam ja von ihr, und ich brauchte nicht zu fragen, was er wollte.

»Herr Alfred de Senonches ist bei mir, sagte er. »Geh zu ihm,« befahl er mir, »und sage ihm, daß ich hier bin. Wenn er mich zu sprechen wünscht, so wird er mich rufen lassen; wenn nicht, so bleibe er allein.« —Ich habe ihm nicht gesagt, wo Sie sind. Habe ich unrecht gethan?«

»Nein, lieber Freund,« erwiederte ich. »Sage ihm, daß ich ihn erwarte, und führe ihn her.«

Gratian eilte fort.

Fünf Minuten nachher kam er mit Alfred zurück. – Ich wartete in der Thür. Ich sank in Alfreds Arme und zog ihn in das Zimmer.

»Weine Dich aus, armer Freund,« sagte er; »ein Thränenquell ist viel reicher und nützlicher als eine Diamantengrube. Die Sonne bringt die Diamanten hervor, aber Gott selbst macht die Thränen. Er ist freilich nicht freigebig damit, und glücklich sind die denen er sie spendet.«

»Bist Du es denn wirklich, lieber Alfred?« sagte ich überrascht; »ich mag kaum meinen Augen trauen.«

»Ja wohl, ich bin’s. Diese Nacht konnte ich nicht schlafen: Alles was Du mir erzählt hattest, ließ mir keine Ruhe. Ich habe Dich sehr lieb, Max, obgleich ich es nicht oft merken lasse.«

Ich drückte ihm die Hund.

»Ich läutete,« fuhr er fort; »ich ließ Georges wecken und das Pferd anspannen. Ich dachte: Ich will nach Bernay fahren; wenn nichts vorgefallen ist, so fahre ich wieder nach Hause, ohne etwas zu sagen. Ist hingegen das gefürchtete Unglück geschehen, so wird Max wenigstens nicht genöthigt sein, allein oder in den Armen eines Bauers zu weinen. – Ich erfuhr die traurige Nachricht; ich ließ Dich in deinem ersten Schmerze allein; dann ging ich zu Gratian und sagte zu ihm: Da bin ich; wenn er mich zu sprechen wünscht, so komme ich; wenn er allein sein will, so gehe ich. Aber ich gestehe Dir, daß ich aus deine Einladung zählte.«

»O lieber, edler Freund!«

»Ich kann Dir in den Launen des Schmerzes beistehen; ich kann deine Anwesenheit durch die meinige rechtfertigen: wir sind natürlich mit einander gekommen, der Zufall hat uns hierher geführt Ich gebe deine und meine Karte bei dem Grafen von Chambray ab, und diesen Abendwohnen wir der Todtenmesse bei. Das würdest Du allein nicht können, und im Grunde ist es doch ein Trost.«

»Habe Dank, lieber Alfred,« erwiederte ich. »Aber sei nur ruhig, ich werde der Letzte sein, der Abschied von ihr nimmt – ich werde sie sehen, wenn Niemand sie mehr sehen darf.«

»Jetzt sage aufrichtig, Max, was denkst Du über diesen Todesfall?«

»Sie ist eines natürlichen Todes gestorben.« erwiederte ich. »Der Graf hatte von ihrem Tode nichts zu hoffen. Ueberdies weißt Du, daß sie ihr frühes Ende vorausgesehen hatte.«

»Und was denkst Du über diese rasche Beerdigung?«

»Laß sie nur gewähren; je früher sie in ihrer Gruft ist, desto früher werde ich sie wiedersehen.«

»Jetzt begreife ich,« erwiederte Alfred, meine Hand fassend. »Max, Du hast doch keine bösen Absichten auf Dich?«

Ich schüttelte verneinend den Kopf.

»Gott hat mir die Wohlthat der Thränen vergönnt.« antwortete ich.

»Dann danke Gott. – Jetzt sage, was ich thun soll.«

»Höre. Bis sechs Uhr Abends bist Du frei. Dann komm zu Gratian. Ich habe ein Zimmer in seinem Hause. Dieses Zimmer bietet die Aussicht auf die Kirche und den Friedhof; aus dem Fenster sieht man Alles. – Während ich den Trauerzug betrachte, wird es mir Bedürfniß sein, deine Freundeshand zu drücken, meinen Kopf auf deine treue Schulter zu lehnen. Ich werde Dich dort erwarten. – Sobald Edmée in die Gruft gesenkt ist, sagen wir uns Lebewohl, und Du gibst mir dein Wort, nach Evreux zurückzukehren.«

»Und Du wirst mir dein Wort geben, daß ich nicht zu bereuen haben werde, Dich allein gelassen zu haben.«

»Du hast es schon.«

»Dann auf Wiedersehen! – Weine Dich nur aus, Max, man kann nicht zu viel weinen: der Menschenhaß entsteht aus den im Herzen gebliebenen Thränen.«

Er küßte mich noch einmal und ging fort.

Zoe schien draußen gewartet zu haben; denn sobald Alfred fort war, erschien sie.

»Bist Du da, Zoe?« sagte ich.

»Ja,« antwortete sie. »Jetzt ist die Reihe an Gratian. Ich weiß nicht, woher er den Muth nehmen wird. Ich konnte nicht länger bleiben; ich glaube, jeder Nagel wäre mir ins Herz gedrungen. – Mein Gott!« schluchzte sie. »ist es denn möglich —«.

»Was bringst Du da, Zoe?« fragte ich.

»Ich bringe es Ihnen; es ist das Kleid, welches sie zuletzt getragen; dasselbe, welches sie gestern trug, als sie zu Ihnen kam. Außer Ihnen und mir wird sich Niemand darum kümmern. Aber wenn ich es nähme, würden die Leute sagen, es sei mir um das Kleid und nicht um die Verstorbene zu thun.«

Ich entriß ihr das Kleid und küßte es.

»Wie gut bist Du, Zoe, daß Du an mich denkst! – Ja, wenn ich den Muth haben werde, wieder hieher zukommen, will ich mitten unter Gegenständen wohnen, die ihr gehört haben, die sie berührt hat.«

O, das wird nicht schwer sein.

Deut Herrn Grafen liegt nichts daran; er sagte zu dem Abbé Claudin: »Sie können für die Kirche und das Armenhaus nehmen« was Sie wollen.« – Es ist wahr, aus ihren Spitzen kann man Altartücher machen.«

So sprachen wir wohl eine halbe Stunde von ihr. Darüber wurde es Nacht.

»Um sechs Uhr ist das Begräbniß, Herr von Villiers.« sagte Zoe; »wo werden Sie inzwischen bleiben?«

»Ich gehe zu Dir, aus deinem Zimmer werde ich den Trauerzug sehen und den Kirchengesang hören.«

Zoe ging wieder ins Schloß. Ich begab mich auf einem Umwege in ihr Haus zurück. – Auf dem Friedhofe und vor der Kirchenthür hörte ich ein verworrenes Geräusch: es waren die Armen der Umgegend, welche den Tod ihrer Wohlthäterin erfahren hatten.

Ich trat ans Fenster. Die Kirche war festlich erleuchtet; es war ja ein Todtenfest. Wie gestern war Licht in ihrem Zimmer; aber welch ein Unterschied!

In dieser dem Anschein nach so unbedeutenden Veränderung lag das Unglück meines Lebens.

Das Glockengeläute begann und ich sah Schatten an den Vorhängen hin- und herschweben. Das Zimmer wurde sehr hell – man holte die Leiche ab.

Sie haben gewiß mindestens einmal im Leben ein theures Wesen verloren, lieber Freund; Sie wissen, wie herzzerreißend die Begräbnißvorbereitungen sind und mit welchem Schmerz sie uns erfüllen.

Als eben die ersten Lichter auf der Freitreppe erschienen, fühlte ich eine Hand auf meiner Schulter. Es war Alfred. – Es schlug sechs.

Ich drückte ihm schweigend die Hand; meine Blicke, meine Gedanken waren auf die Thür gerichtet, aus welcher sie zum letzten Male kommen sollte.

Endlich sah ich den Sarg erscheinen, er wurde von Armen getragen. Chorknaben mit dem Kreuze gingen voran.

– Erst jetzt sah ich beim Schein der Kerzen die im Schloßhofe versammelte Menschenmenge.

»Du siehst, wie sie im Leben geliebt und geehrt wurde,« sagte ich zu Alfred.

Der Trauerzug setzte sich in Bewegung. Der Graf von Chambray ging hinter dem Sarge; einige Freunde und Nachbarn, mit denen wir vor zwei Monaten die Jagd eröffnet hatten, folgten ihm.

Sechs überglückliche Wochen hatte ich unterdessen verlebt.

Der Zug kam nun näher. Wir konnten ungesehen beobachten, denn das Zimmer, in welchem wir uns befanden, war dunkel.

Ich sank in Alfreds Arme.

»Lieber Max,« flüsterte er, »die Alten sagten: Wer früh stirbt, ist ein Liebling der Götter.«

»Ja wohl,« erwiederte ich; »aber die Ueberlebenden —«

Der Zug begab sich in die Kirche.

»Willst Du kommen?« fragte Alfred; »in der Menschenmenge wird man uns nicht beachten.«

»Komm,« sagte ich, seinen Arm nehmend.

Wir gingen hinunter und verbargen uns in einem dunklen Winkel bei der Thür. – Ich kniete nieder. Alfred blieb vor mir stehen.

Ich weiß nicht, wie lange die Todtenmesse dauerte; ich war zu tief in meinen Schmerz versenkt. – Endlich hob mich Alfred auf.

»Es ist Zeit fortzugehen.« sagte er.

Ich gehorchte ihm willenlos, meine Knie wankten, mein ganzer Körper zitterte.

Alfred führte mich hinter ein entblättertes Gebüsch,welches aber dicht genug war, um uns in der Dunkelheit allen Blicken zu entziehen ; die Steinplatte, welche den Eingang zur Gruft bedeckte, war aufgehoben und aus der Tiefe drang ein Lichtstrahl. Die untere Thür war geöffnet.

Man stellte den Sarg an der obersten Stufe nieder. Hier wurde das letzte Gebet gesprochen; dann stieg der Priester mit den Trägern in die Gruft hinab.

«Der Graf von Chambray blieb mit seinen Freunden außerhalb der Gruft.

Nach einer kleinen Weile hörte ich das Knarren des Thürschlosses; die Träger kamen zuerst wieder herauf, dann erschien auch der Geistliche. Man nahm die Stützen weg, welche den breiten Stein hielten; dieser senkte sich und schloß die Oeffnung.

Der Graf von Chambray dankte den Umstehenden mit einigen Worten und begab sich mit ihnen in das Schloß zurück; die Menge verlief sich; nur einige Arme blieben länger, um an der Gruft zu beten. Bald aber gingen sie Einer nach dem Andern fort und ich blieb mit Alfred, wie Hamlet mit Haratio, auf dem Friedhofe allein.

Der Tod hatte den Vorhang vor dem Drama des Lebens herabgelassen.

»Und jetzt?« sagte Alfred.

»Jetzt,« antwortete ich, »kommt die Reihe an mich. Man hatte sie mir im Leben streitig gemacht; die Todte wird mir von Niemanden streitig gemacht werden.«

Wir umarmten uns; ich versprach Alfred, ihm aus der ersten Stadt, wo ich in meinem freiwilligen Exil landen würde, zu schreiben; ich begleitete ihn bis in die Stadt,und begab mich dann in mein Zimmer.

XV

Gratian folgte mir. Der brave junge Mann hatte. mich nicht aus den Augen gelassen. Er bot mir weinend seine Dienste an. Meine Thränen waren für den Augenblick versiegt; aber ich fühlte mit tiefer Wehmuth, daß sie nur eines Anlasses bedurften, um wieder reichlicher als je zu fließen.

Gratian kam wie gerufen. Ich ließ mir Schreibzeug bringen; dann ersuchte ich ihn, für Mitternacht Postpferde zu bestellen. Der Postillon sollte Alfreds Coupé aus dem Gasthofe holen und mich an der kleinen Parkthür am Treibhause erwarten.

Ich schrieb dem Notar Loubon, daß ich im Begriffe sei, eine weite Reise zu machen, deren Dauer noch unbestimmt sei, und ersuchte ihn., mir auf sechs Monate einen Credit von hunderttausend Francs auf das Haus Barnay in London zu eröffnen. Ich würde ihm in einem Jahre schreiben, wenn dieser Credit erneuert werden solle. Ich schickte ihm außerdem ein Testament, in welchem ich, da ich nur ganz entfernte, unbekannte Verwandte hatte, Alfred de Senonches zum Erben meines ganzen Vermögens einsetzte. Ein Legat von vierzigtausend Francs bestimmte ich für Gratian und Zoe.

Als ich die beiden Briefe zusammenlegte, kam Zoe. Der Graf von Chambray hatte Postpferde bestellen lassen und wollte um zehn Uhr nach Paris abreisen.

Diese Nachricht wurde von Gratian bestätigt – Um halb zehn hörte ich die Schellen der Postpferde und um zehn Uhr das Rollen des Wagens, in welchem der Graf abreiste.

Auf diese Abreise hatte ich gewartet. – ich ging hinunter und ließ mir von Gratian Hammer und Meißel geben. Er sah mich verwundert an.

»Du wirst mit mir gehen, Gratian,« sagte ich.

»Und ich, Herr von Villiers?« fragte Zoe.

»Du auch, mein Kind, wenn Du willst.«

Beide sahen einander schweigend an, aber sie hatten sich verstanden.

Wir gingen aus der Gartenthür auf den Friedhof.

Ich ging gerade auf den Stein zu, der den Eingang zu der Gruft verschloß.

Gratian und Zoe wechselten ein Zeichen des Einverständnisses; sie hatten errathen, daß ich in die Gruft hinabsteigen wollte.

Ich hob den breiten Stein allein auf. Ich fühlte Riesenkraft. Gratian stellte die Stützen unter, die noch dalagen.

»Setzet Euch auf die Stufen,» sagte ich, »und erwartet mich.«

Zoe legte eine Hand auf meinen Arm und sagte zitternd:

»Was wollen Sie thun?«

»Gedenke der beiden Worte, der letzten, die sie gesprochen – der einzigen, die sie zu sprechen vermochte. Sie hat mir ihr Haar geschenkt, ich erfülle ihren letzten Wunsch.«

»Hier ist die Schere, Herr von Villiers, und hier der Schlüssel. Thun Sie was die Verstorbene angeordnet hat.«

Ich gedachte des Denkspruches den Sie einst an die ebenfalls durch den Tod geschlossene Thür des Mutterhauses geschrieben hatten: So sey es! – Dann stieg ich in die Gruft hinab. – Ich schloß die Thür auf, schob dieselbe wieder an und stieß den Schlüssel draußen stecken. Es war nichts zu fürchten. Gratian und Zoe hielten ja Wache.

In der Gruft war Alles so wie ich es schon gesehen hatte: ich fand die an der Decke hängende Lampe, das Madonnenbild auf dem Altare, das kleine Sopha an der Wand. – Sie fehlte auch nicht; aber sie war todt. Mein Herz war sich gleich geblieben; aber es war vom Schmerz gebrochen.

Aber sonderbar! Bei dem Anblick aller dieser Gegenstände, welche so viele Erinnerungen in mir weckten, vergoß ich keine Thräne; ich befand mich in einer eigenthümlich gehobenen Stimmung: es schien fast, als hätte mich die Hand Gottes getrieben.

Ich kniete vor dem Madonnenbilde nieder, zu dessen Füßen sie so oft gebetet hatte, und ich konnte ein schmerzliches Lächeln nicht unterdrücken. War doch Edmée in der Morgenröthe des Glückes und in voller Jugendblüthe abberufen worden, um zu den Füßen dieses Bildes den ewigen Schlaf zu thun!

Ich wandte mich nun zu dem mit schwarzem Sammet behängten Sarge, der auf einem Gestell von Eichenholz stand. Ich hob die Sammtdecke auf und entblößte den Sarg. Dieser war von Ebenholz und auf dem Deckel war ihr Mädchenname: »Edmée von Juvigny,« in Silber ausgelegt.

Ich hatte gefürchtet, ein Grauen zu empfinden, welches einen Frevel zu begleiten pflegt; denn vielleicht war es ein Frevel, die Todte aufzusuchen, obgleich ich dadurch ihren Wunsch erfüllte. Aber ich fühlte vielmehr jene süße innere Befriedigung, welche die Erfüllung eines Versprechens gewährt. Und überdies sollte ich sie noch einmal sehen, ehe sie eine Beute der Verwesung würde; ich sollte sie wiedersehen in der Majestät des Todes, und ich wußte, daß sich dies es Bild tief in meine Seele prägen würde.

Ich schob den Meißel unter den Deckel und schlug mit dem Hammer darauf. Das Werkzeug drang immer tiefer in die Fuge. – Gott gab mir Kraft und Vertrauen: es schien mir, als ob ich der geliebten Todten neues Leben einhauchen würde.

Die Nägel gingen los; bald wurde die Oeffnung so groß, daß ich mit der Hand hineingreifen konnte.

So riß ich den Deckel ab, den Gratian für die Ewigkeit festgenagelt zu haben glaubte.

Ich blieb stumm, regungslos, athemlos. – Die theure Verklärte erschien mir schöner, als ich sie je im Leben gesehen, gleichsam mit der himmlischen Strahlenkrone umgeben. Sie lag da in ihrem weißen Kleide, umgeben von den noch frischen, duftenden Blumen, auf schwarzseidenen Kissen; ihre marmorweißen Hände hielten ein silbernes Crucifix. – Ihr langes schönes Haar, das sie mir vermacht hatte, wallte auf beiden Seiten über ihre Schultern herab.

Der Anblick meines verlorenen Schatzes brach mir fast das Herz; alle Stimmen der Liebe wurden in mir laut, und meine Thränen brachen nun wieder unaufhaltsam hervor. Eine unwiderstehliche Gewalt zog mich zu ihr hin, ich neigte mich zu ihr hin und drückte einen Kuß auf ihre kalten Lippen.

Aber kaum hatte ich ihren Mund berührt, so stieß ich einen Schrei aus und wich zurück. Es schien mir, als ob sich ihre Lippen bewegten und mir, wie einst in traulich süßen Stunden, die Worte zu hauchten: »Ich liebe Dich!« Die Täuschung war vollständig, sie steigerte sich zum Schrecken. – Ich stand an der Seitenwand und starrte die Todte an und flüsterte: Edmée! Edmée! «

Die Thür that sich auf. Der Schrei, den ich ausgestoßen, war von Zoe und Gratian gehört worden; sie fürchteten, es sei mir ein Unglück begegnet.

»Laßt mich allein!« rief ich ihnen zu.

Sie gehorchten; aber durch die halb offene Thür war die kalte Nachtluft gedrungen, und hatte den Schweiß auf meiner Stirn erstarrt.

Ich wußte nicht, ob ich wachte oder träumte. Ich sah mich in der Gruft um. Mein Blick fiel auf das Madonnenbild; ich sank auf die Knie und betete leise.

Plötzlich wurde die tiefe Stille unterbrochen.

Eine matte Stimme, einem leisen Lufthauche vergleichbar, lispelte meinen Namen.

Ich sprang auf, als ob mich der Hoffnungsengel aufgehoben hätte, und eilte an den Sarg.

Dieses Mal war es keine Täuschung. Bei der Berührung meiner Lippen, unter dem aus meinen Augen fallenden warmen Thau bebte die Todte. Ich umschlang sie und hob sie auf . . . da hörte ich zum zweiten Male meinen Namen nennen . . . ja, ich fühlte die Schwingungen in dem Körper, den meine Hände hielten.

An meinem Herzen sollte das Wunder ganz vollbracht werden. Ich trug Edmée auf das Sopha, umschlang sie mit meinen Armen, drückte meine Lippen auf ihre Augen. Unter meinen Küssen öffneten sich ihre Augen; sie sah mich einen Augenblick erstaunt an, wie ein aus langem Schlafe erwachendes Kind, bis sie endlich die letzten Bande zerriß, welche sie noch an das Grab fesselten.

»Max,« sagte sie, sich an mich schmiegend, »ich wußte wohl, daß Du kommen würdest.«

Die Thür that sich zum zweiten Male auf und die erschrockenen Gesichter der beiden jungen Gatten kamen zum Vorscheine.

»Kommt! Kommt! rief ich ihnen zu; »sie lebt . . . sie liebt mich . . . Gott hat uns gesegnet!»

Und ohne mehr zu fragen, sanken Gratian und Zoe freudetrunken zu ihren Füßen nieder.

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Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
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400 стр. 1 иллюстрация
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Public Domain

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