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Читать книгу: «So sey es », страница 19

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II

Der Graf von Chambray erwartete uns im Speisesaale. Man trank in der Eile eine Tasse Thee oder Kaffee, aß ein paar Eier, nahm Waidtasche und Flinte und verließ mitten unter dem freudigen Gebelle der Hunde das Schloß.

Das Zimmer der Gräfin bot die Aussicht in den Garten, durch den wir gingen. Ich sah mich um und erblickte hinter dem halb aufgezogenen Vorhange ihr lächelndes Gesicht.

Ein kaum bemerkbares Kopfnicken sagte mir, daß sie nur um meinetwillen am Fenster stehe.

Die übrigen Jäger sahen sie nicht, und wahrscheinlich dachte auch keiner an sie.

Der Graf hatte den ganzen Abend ein unverschämtes Glück gehabt, und zwei oder drei Jäger, die in der Nähe wohnten, waren genöthigt gewesen , ihre Diener nach Hause zu schicken, um gegen das Unglück, welches ihnen möglicher Weise auch der zweite Abend bringen konnte, gewaffnet zu sein.

Der Graf hatte die Wahrheit gesagt; die Jagd fing schon am Gitterthore des Parkes an; er gab mir einen seiner Feldhüter und einen guten Hühnerhund. Er hatte auch den Wildreichthum der Feldmark nicht übertrieben.

Ich weiß nicht, ob es Jägerglück war, oder ob der Feldhüter die geheime Weisung erhalten hatte, mich an die besten Stellen zu führen; genug, ich machte keine hundert Schritte, ohne zum Schuß zu kommen. Als wir zum Frühstück anhielten, hatte ich dreißig Stücke erlegt.

Das Frühstück war mit großer Eleganz servirt; der Graf von Chambray wußte, trotz seiner zerrütteten Verhältnisse, immer einen großen Luxus zur Schau zu tragen .

Die besten Bordeaux- und Burgunder Weine flossen in Fülle unter freiem Himmel.

Um zwei Uhr, als die größte Hitze vorüber war, brach die Jagdgesellschaft wieder auf. Der Graf hatte die Marschrute als kundiger Jäger vorgezeichnet, so daß wir überall zum Schuß kamen.

Ich hatte ihn beim Frühstück aufmerksam beobachtet, und zum ersten Male hatte ich ein eigenthümliches Zucken auf der linken Seite seines Gesichtes bemerkt. Dies erinnerte mich an Alfreds Warnung, in seiner Gegenwart nie von Fallsucht und Fallsüchtigen zu sprechen.

Gegen fünf Uhr kamen wir wieder tu die Nähe des Schlosses, und fanden in dem Wäldchen die versprochenen Fasane und Rehböcke.

Nach der Rückkehr in’s Schloß nannte jeder Schütze die erlegte Stückzahl. Ich war, wie unser Wirth prophezeit hatte, der Schützenkönig, denn ich hatte sechzig Stück erlegt. Der Graf hatte siebenundfünfzig; mehr hatte er aus Artigkeit nicht erlegen wollen; denn gegen das Ende der Jagd, wo ich ihm ziemlich nahe war, hatte ich bemerkt daß er sehr schöne Schüsse hätte thun können und das Gewehr nicht einmal anschlug.

Wir hielten unsern Einzug bei Hörnerklang. Die Gräfin kam uns bis auf die Freitreppe entgegen; sie war ebenso gekleidet wie auf Gratians Hochzeit.

Mein erster Blick sagte ihr, daß ich es bemerkte und ihr für die Erinnerung dankte.

»Meine Herren,« sagte die Gräfin, »es ist halb sechs, In einer Stunde wird zu Tische geläutet. Gehen Sie und ruhen Sie sich aus; wir sind auf dem Lande, wo jede Etikette verbannt ist.«

Jeder Gast fand in seinem Zimmer ein Bad.

Die Tafel war nicht mit so gastronomischem Raffinement angeordnet, wie bei meinem Freunde Alfred von Senonches, aber sie war sehr reichlich besetzt wie bei einem großen Pariser Diner. Der Graf machte mit großem Eifer die Honneurs, trank viel und nöthigte seine Gäste zum Trinken. Ich bemerkte, daß das nervöse Zacken in seinem Gesichte häufiger und auffallender wurde, und glaubte zu bemerken, daß die Gräfin ihn mit einiger Unruhe beobachtete.

Beim Dessert wurden Cigarren und süße Weine gebracht. – Die Gräfin stand auf.

Ich war sehr verlegen; Sie wissen, daß mir der Tabaksgeruch unerträglich ist.

Ueberdies sehnte ich mich nach Edmée; ich hatte ihr Vieles zu sagen, was mir erst im Laufe des Tages aufgefallen war.

Der Graf machte meiner Verlegenheit sehr zuvorkommend ein Ende.

»Herr von Villiers,« sagte er zu mir, »ich weiß,daß Sie nicht rauchen, und sich unter Rauchern nicht behaglich fühlen; haben Sie daher die Güte, der Gräfin Gesellschaft zu leisten.«

Dann hielt er die Gräfin auf, welche an ihm vorüberging, um sich in den Salon zu begeben, und sagte freundlich, aber mit gebieterischem Tone zu ihr:

»Sie kennen meinen Wunsch; vergessen Sie ihn nicht.«

Wie leise diese Worte auch gesprochen wurden, ich verstand sie doch, denn ich folgte der Gräfin auf dem Fuße.

Ich nickte dem Grafen zu und ging mit der Gräfin in den Salon.

Die in den Garten führende Glasthür war offen. Es war ein herrlicher Abend.

Die Gräfin trat hinaus und lehnte sich auf das Geländer der Freitreppe. Ich folgte ihr.

»Theuerste Edmée,« sagte ich, »wir sehnte ich mich nach Ihnen – und wie viel habe ich Ihnen zu sagen!«

Sie sah mich lächelnd an.

»Ich fürchte,« erwiederte sie, »daß sich Alles, was Sie mir zu sagen haben, in drei Worte zusammenfassen läßt.«

»Das ist wahr, Edmée; aber in diesen drei Worten liegt das ganze Glück, die ganze Hoffnung meines Lebens. Diese drei Worte sagen Ihnen, daß ich nicht gelebt, bevor ich Sie gesehen; daß ich nicht lebe, wenn ich nicht bei Ihnen bin; daß ich in dieser Welt, die so vielen ehrgeizigen Bestrebungen offen steht, nur nach Ihrer Liebe strebe.«

»Meine Liebe haben Sie, Max,« sagte sie und reichte mir die Hand; »ich habe Ihnen kein Geheimniß daraus gemacht. Das Gefühl, welches Sie in mir geweckt, war mir so neu, daß ich es Ihnen in meiner Ueberraschung gestanden habe. Sie sagen, daß Sie nicht leben,wenn Sie fern von mir sind; ich befinde mich in demselben Falle; fern von Ihnen, lebe ich nur durch den Gedanken an Sie, in Ihrer Abwesenheit habe ich nur den Wunsch, Sie wiederzusehen. Gestern wußte ich wohl, daß Sie nicht zu Bette gehen würden, ohne auf Ihren Balcon zu treten, und ich erwartete Sie auf dem meinigen; eine Bewegung des Laubes verrieth mir die Anwesenheit jenes Geschöpfes das man mir als Spion gegeben. Als Ihr Fenster geöffnet wurde, schloß ich das meinige; aber ich dachte, Sie könnten die Ursache meines Verschwindens mißdeuten und einer kindischen Unterwerfung unter die Forderungen der Convenienz zuschreiben. Ich dachte an Ihre Unruhe, an Ihre bangen Zweifel, lieber Max; es wurde mir klar, daß es nicht genug sei, einen so ausgezeichneten Mann, wie Sie sind, zu lieben, daß ich ihm meine Liebe durch alle mir zu Gebote stehende Mittel beweisen müsse. Die Gefühle, die mir der Erwählte meines Herzens gewidmet, durften nicht durch eitle Koketterie verletzt werden. Da schrieb ich an Sie; es war theils Selbstsucht; theils Liebe in dem Gefühle, das mich dazu trieb. Ich dachte – es lag vielleicht allzuviel Eitelkeit in dem Gedanken – er wird sich freuen über diese Zeilen; er wird den Zettel küssen oder an sein Herz drücken —und ich war glücklich in dieser Ueberzeugung – oder war es nur ein leerer Wahn?«

»O nein, nein!« erwiederte ich und drückte ihre Hand an mein Herz; »nein, ich schwöre es Ihnen, Edmée!«

»Lassen Sie wich ausreden —«

»O, ich will Sie nicht unterbrechen; ich höre Ihnen so gern zu!«

»Heute Früh dachte ich: die Jagdgesellschaft wird bald aufbrechen; wenn er mich nicht vor seiner Abreise sieht, so hat er einen traurigen Tag – und ich auch. Ich stand also vor Sonnenaufgang auf und erwartete Sie. Es verträgt sich nicht mit der Frauenwürde, wie man in der eleganten Welt sagt; ich weiß es wohl, aber warum sollte eine Frau gegen ihren Herzensfreund scheinspröde oder vielmehr falsch sein? Nein, Max, so bin ich nicht! ich erwartete Sie und gab Ihnen nicht nur meine Hand, die Sie mir zurückgeben mußten, sondern auch etwas, das Sie mit nehmen konnten —«

»Ja , ja, dieses Tuch, fiel ich ein und küßte es, »dieses Tuch, das mit Ihrem Mädchennamen E. J. Gezeichnet ist.«

»So! Sie haben es bemerkt?« erwiederte sie erfreut: »ich habe immer gedacht, daß die wahre, über die gemeine Leidenschaft erhabene Liebe sich durch mancherlei zarte Aufmerksamkeiten zeigt und sogar neue Nahrung durch dieselben erhält. Nichts entgeht Ihnen, daran erkenne ich Ihre aufrichtige Liebe.«

»Ja, Edmée ich liebe Sie!«

»Jetzt hüten Sie mich an,« fuhr sie fort. »Ich habe Nathalie auch Caen geschickt; wir können also diesen Abend ein paar Stunden am Fenster plaudern. sich versage Ihnen aus zwei Gründen den Eintritt in mein Zimmer; erstens weil Ihre Anwesenheit nicht schicklich wäre, während der Graf mit seinen Gästen im Salon ist, und zweitens will ich Ihnen aufrichtig sagen, was keine Andere sagen würde: in Sie setze ich kein Mißtrauen, wohl aber in mich selbst —«

»Theuerste Edmée, was sagen Sie da, welche Freude machen Sie mir!«

»Nachdem ich Ihnen meine Liebe gestanden, Max, nachdem ich Ihnen mein Herz geschenkt habe, glaube ich nicht mehr die Kraft zu haben, Ihnen etwas zu verweigern. ; Aber lassen Sie mir meinen freien Willen. Ich glaube das Recht der freien Verfügung über meine Person zuhaben. Machen Sie nicht zur Gefühlsverwirrung was von meinem Willen abhängen sollte. Wenn ich Unrecht habe, so überlassen Sie mir die Verantwortung vor Gott und den Menschen.«

»Edmée! Edmée!« rief ich wonnetrunken, »ich möchte Ihnen zu Füßen fallen und Ihnen sagen, wie ich Sie liebe, Sie bewundere!«

»Lieber Max, ich habe nie absichtlich Jemanden ein Leid zugefügt; warum sollte Gott Sie durch eine von meinem Willen ganz unabhängige Verkettung von Umständen auf meinen Weg geführt haben, wenn diese Begegnung mich zu einem Unrecht verleiten, oder mein Unglück herbeiführen müßte? Nein,« – sie richtete ihre klaren blauen Augen gegen Himmel – »ich glaube an Gottes Allmacht wie an seine unendliche Güte. Seit sechs Jahren, den schönsten Lebensjahren des Weibes, bin ich unglücklich durch die Bosheit der Menschen: aber ich setze mein Vertrauen auf die göttliche Gerechtigkeit. Ich weiß wohl, daß wir einen der kleinsten von den am Firmament glänzenden Weltkörpern bewohnen; aber wenn Gott den zu unseren Füßen kriechenden Wurm, wenn er die Eintagsfliege geschaffen hat, so kann ich mir nicht denken, daß er uns Menschen geschaffen habe, um uns dem blinden Zufall preiszugeben. Nein, wir wollen Glauben und Vertrauen haben, lieber Freund! Es ist ja leichter zu glauben, als zu zweifeln, und der Glaube geht ja Hand in Hand mit Hoffnung und Liebe.«

In diesem Augenblicke kamen die Gäste lärmend in den Salon, wo der Kaffee und das Spiel ihrer warteten.

Der Graf sah Edmée scharf und fragend an, aber statt diese stumme Frage zu beantworten, wandte sie sich ab.

Der Graf zog die Stirne in düstere Falten und stampfte ungeduldig mit dem Fuße; allein die Gräfin schien seinen Aerger nicht zu bemerken.

Mir entging diese lautlose Scene nicht, und ich nahm mir vor, Edmée über die leisem gebieterischen Worte und die zornigen Geberden des Grafen zu befragen.

Eine geheime Ahnung sagte mir, daß ich dabei betheiligt sei.

III

Sobald der Kaffee genommen war, setzten sich die Spieler um den grünen Tisch.

Der Graf hielt wieder die Bank; aber man vertauschte das gestrige Pharao gegen Trente-et-Quarante.

Die Gräfin, welche sich nachdem stummen Streite mit ihrem Gemale entfernt hatte, kam wieder in den Salon, sobald das Spiel begann.

Der Graf hatte zwei Hände voll Goldstücke aus den Taschen genommen. Er zählte sechstausend Franks ab. Dann fing er an abzuziehen.

Er war so eifrig mit dem Spiele beschäftigt, daß er das Wiedererscheinen der Gräfin nicht bemerkte oder nicht beachtete.

Edmée setzte sich zu mir.

Es schien mir, daß uns der Graf einen flüchtigen Blick zuwarf.

»Fürchten Sie nicht,« fragte ich sie, »daß der Graf Ihre Güte, die mich so glücklich macht, ungern bemerken wird?«

»Nein,« sagte sie, »ich weiß, was ich thue und thun kann; der Graf ist gar nicht eifersüchtig – wenigstens nicht in dem Sinne, wie Sie es nehmen.«

Ich sah sie erstaunt an.

»Hören Sie,« setzte sie hinzu. »Ich habe Ihnen noch etwas zu sagen. Als ich mich so eben entfernte, war ich entschlossen, nicht wieder zu kommen; aber vielleicht würden Sie meine Abwesenheit übel gedeutet und gedacht haben, ich wisse das Glück Ihrer Gesellschaft nicht zu schätzen. Ich will Ihnen keinen Anlaß zu dem leisesten Zweifel geben. Ich bin also wieder gekommen, um Ihnen zu sagen, ich habe einen sehr triftigen Grund, nicht hier zubleiben; ich gehe in mein Zimmer, um an Sie zu denken. Verlassen Sie den Solon nicht zu früh, aber Sie sind auch nicht genöthigt, bis in die späte Nacht zu bleiben. Wenn die Spieler recht eifrig auf ihre Karten verpicht sind, so begeben Sie sich in Ihr Zimmer. Der Mond geht erst in zwei Stunden auf. Löschen Sie Ihre Lichter aus, und man wird glauben, Sie hätten sich, von Ihrem Jagdtage ermüdet, zur Ruhe begeben. Da unsere Balcone ziemlich weit von einander entfernt sind, und unsere Hände sich nicht erreichen können, so werden Sie, wie diesen Morgen, im Vorbeigehen meine Hand finden.«

Werde ich auch, wie diesen Morgen, Ihr schönes, herabwallendes Haar finden?«

»Finden Sie es schön?«

»O, Sie wissen ja selbst, daß es von herrlicher Farbe und von üppiger Fülle ist.«

»Soll ich es abschneiden und Ihnen zugleich mit meiner Hand zur Thür hinausreichen?«

»Gott im Himmel, das wäre eine Frevelthat.«

Ihr Gesicht nahm einen unaussprechlich reizenden, wehmüthigen Ausdruck an.

»Von setzt an, Max,e sagte sie, »ist mein Haar Ihr Eigenthum, sobald Sie es verlangen, gebe ich es Ihnen.«

»Nein, nie!«

»Dann geben Sie mir ein Versprechen, Max. Wenn ich früher sterbe als Sie —«

»Was sagen Sie da!» fiel ich ein.

Sie legte ihre Hand auf die meinige und setzte mit sanft gebietendem Tone hinzu:

»Wenn ich früher sterbe als Sie, so versprechen Sie mir, mein Haar auf irgend eine Art in Ihren Besitz zu bringen. Wenn ich Zeit habe, es abzuschneiden, wenn ich mit vollem Bewußtsein scheide, so sende ich es Ihnen durch Zoe —«

»Edmée, fühlen Sie denn nicht, daß Sie mir das Herz brechend?«

»Wenn ich plötzlich sterbe,» fuhr sie fort, »wenn ich begraben werde, ohne daß ich Zeit habe, es Ihnen zu schicken, so steigen Sie in die Gruft hinunter, öffnen meinen Sarg und schneiden es selbst ab.«

»Welch ein schauerlicher Gedanke, Edmée!«

»Warum denn schauerlich? Sehe ich denn traurig aus? Nein, Max, sehen Sie mich nur an. – Es ist jetzt zehn Uhr. Also heute, den 3. September, um zehn Uhr Abends, versprechen Sie mir, daß Sie dieses Haar, das Sie so schön gefunden, von dem Haupte der Todten abschneiden wollen, wenn die Sterbende nicht Zeit gehabt hat, es Ihnen zu senden.«

»Ich verspreche es Ihnen, Edmée,» erwiederte ich; »dieses Haar soll in der Ewigkeit auf meinem Herzen ruhen.«

»Ich danke für das Versprechen.«

Sie stand auf. Ich glaubte zu bemerken, daß ihr der Graf einen noch zornigeren Blick zuwarf als vorhin; aber die Gräfin entfernte sich mit ihrer gewohnten Ruhe und Gelassenheit.

Als sie fort war, näherte ich mich dem Spieltische. Das Glück hatte sich gewendet, der Graf verlor unaufhörlich. Einer der Spieler hatte die Bank gesprengt, und der Herr vom Hause pointirte nun. Hände voll Goldstücke kamen aus seinen Taschen und wurden verschlungen, als ob sie in einen Abgrund geworfen würden. Sein Gesicht verrieth, außer dem immer häufiger werdenden nervösen Zucken, nicht die mindeste Gemüthsbewegung. Von jedem Credenzteller, der von den Bedienten herumgereicht wurde, nahm er ein Glas Punsch oder Champagner; bald wurden seine Taschen leer, und ich sah, wie er mit fieberischer Hast ein nettes Spiel Karten zerriß und auf die Rückseite derselben Zahlen schrieb, welche das Gold ersetzen sollten. Er mochte wohl fünfzehn bis zwanzigtausend Francs schuldig sein.

Er war so eifrig mit dem Spiele beschäftigt, daß ich den Salon verlassen konnte, ohne von ihm beachtet zu werden. Ich ging fort; nicht ein einziger Spieler sah sich nach mir um. Das Schloß hätte brennen können, und Niemand würde sich darum gekümmert haben.

Der Vorsaal war leer; die Dienerschaft schien in der Küche zu sein und ich ging daher ungesehen die Treppe hinauf.

Edmée erwartete meine Ankunft an der angelehnten Thür und reichte mir freundlich lächelnd die Hand; ihr Haar war aufgelöst wie am Morgen. Ich dankte ihr dafür.

»Sie haben es ja gewünscht,« sagte sie.

Ich drückte dieses wundervolle, üppige Haar an mein Herz und küßte es; dann ging ich wonnetrunken in mein Zimmer.

O, wie wenige Frauen wissen, wie sehr der Werth einer Gunst durch die Art sie zu gewähren erhöht wird. Zartfühlende liebende Wesen geben doppelt, gemeine Seelen nur halb; jene machen überglücklich, diese reizen nur die Lüsternheit und lassen das Herz kalt.

Ich ging in mein Zimmer und zündete kein Licht an.

Ich öffnete das Fenster. Edmée war schon auf ihrem Balcon.

»Sind wir allein?« fragte ich.

»O ja, ganz allein sagte sie, »insoferne als man mitten in der Natur, wo Alles lebt und pulsirt, allein sein kann.«

»Und wo Alles liebt,« setzte ich hinzu. »Wie sollte ich zumal in diesem Augenblicke gehobener Stimmung das allgemeine, nicht von Nacht und Schlummer unterbrochene Leben der Natur nicht fühlen? Die Hälfte der erschaffenen Wesen schläft und ruht sich ans, die andere Hälfte wacht und ist thätig. – Nein, liebe Edmée, ich fragte nur ganz prosaisch ob Sie keine Störung fürchten, ob Sie Ihre Thür, verschlossen haben.«

»Ich habe aus alter Gewohnheit meine Thür verschlossen; kleine Mädchen fürchten sich immer, und diese Furcht vor einer unbekannten Gefahr ist für geblieben und das Verriegeln zur Gewohnheit geworden. Uebrigens ist meine Thür, gleichviel ob offen oder verschlossen, ein Bollwerk, das Niemand überschreitet und die Schwelle hat sowenig wie die meines Stübchens zu Juvigny der Fuß eines Mannes betreten.«

»Edmée,« sagte ich in heftiger Aufregung, »Sie deuten auf etwas Unglaubliches hin, das mich fast wahnsinnig macht, wenn ich daran denke. Edmée, um des Himmelswillen, erklären Sie mir, was Sie meinen.«

»Der Augenblick ist noch nicht gekommen, Freund; wahrscheinlich werden Ihnen einst alle Räthsel meines Daseins gelöst werden; aber übereilen Sie sich nicht. Für jetzt lassen wir Gott walten. – Was machte der Graf, als Sie den Salon verließen?«

»Ich weiß nicht, ob ich es Ihnen sagen darf, arme Freundin; denn wie wenig Werth auch die Gitter dieser Welt für Sie haben, so werden Sie doch durch den Gegenschlag dieser unseligen Leidenschaft des Grafen sehr schmerzlich getroffen. Als ich fortging, verlor er sehr viel.«

»Der Unsinnige!«

»Jetzt noch eine Frage, Edmée. Während des ganzen Abends glaubte ich zu bemerken, daß er etwas von Ihnen erwarte und daß Sie seine gebieterisch fragenden Blicke nicht beantworten wollten.«

»Sie haben’s bemerkt, Max?«

»Ja, und ich gestehe, daß seine Blicke und seine Zeichen der Ungeduld mich etwas besorgt gemacht haben. Was wünschte, oder vielmehr was verlangte er von Ihnen?«

»Einen Theil Ihrer Frage kann ich beantworten, den andern muß ich unbeantwortet lassen. – Er will, daß ich zu dem Verkauf dieser Besitzung Bernay, meines letzten Erbgutes, meine Einwilligung gebe.«

»Sie haben mirs in Ihrem Schlummer gesagt, und während meines kurzen Aufenthaltes in Paris habe ich mich überzeugt, daß Sie recht gesehen.«

»Diese Angelegenheit geht ihm also im Kopfe herum? In drei Jahren hat er zwei Millionen vergeudet. Ich gestehe, daß ich Bedenken trage, diesen letzten Ueberrest meines Erbtheils hinzugeben und eine Bettlerin zu werden. Wenn Bernay verkauft ist, haben wir nichts mehr. Und mit meiner Vollmacht versehen, hat er schon hunderttausend Francs Schulden auf diese Besitzung gemacht; aber die Vollmacht ist erloschen und ich weigere mich, eine andere zu unterschreiben. Er hat einen Kaufvertrag in welchen nur der Kaufschilling und der Name des Käufers zu setzen sind, von Paris mitgebracht, und gestern und vorgestern haben wir wiederholten lebhaften Wortwechsel über diese Angelegenheit gehabt. Mit dem Manne, den ich liebe, mit Ihnen Max, würde ich mich freudig in beschränkte Verhältisse fügen und selbst die Dürftigkeit mit Ergebung ertragen: aber mit einem ungeliebtem ja verächtlichen und verhaßten Manne ist die Noth doppelt drückend. In Folge des Verlustes, dessen Zeuge Sie waren, werde ich einen neuen Wortwechsel mit ihm haben; meine moralische Kraft wird sich in diesen bevorstehenden Streitigkeiten nicht verläugnen, aber ich fürchte, daß meine physische Kraft gebrochen wird.

Ich wollte eben antworten, als sich Edmée nach ihrem Zimmer umsah und in angstvoller Spannung lauschte.

Gleich darauf wurde ziemlich heftig an die vom Corridor in ihr Zimmer führende Thür geklopft.

»Wer ist da?« fragte Edmée erschreckend.

»Ich bin’s,« antwortete die Stimme des Grafen.

»Max,– sagte sie, sich wieder zu mir wendend, »geben Sie mir Ihr Ehrenwort, nicht ungerufen zu kommen, wenn Sie auch harte Worte und Drohungen hören sollten.«

»Bedenken Sie doch, Edmée —«

»Ihr Ehrenwort, Max! Lassen Sie mich nicht warten.«

»Nun, ich gebe es Ihnen.«

»Es ist gut. – Ich komme schon!» rief sie in das Zimmer hinein.

»Werde ich Sie wiedersehen?«

»Ja.«

Sie schloß das Fenster. – Ich trat ebenfalls mit heftig pochendem Herzen in mein Zimmer. Was war zu fürchten und in welcher Gefahr schwebte diese Frau, die mir mehr als mein Leben war und der ich nicht zu Hilfe eilen durfte?«

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Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
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Public Domain

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