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Читать книгу: «So sey es », страница 18

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X

Diesesmal fuhr ich nicht in den Gasthof, sondern geradewegs zum Schlosse.

Ich hielt vor Gratians Hause an. Der Gesang des lustigen Tischlers klang mir durch die Hausthüre entgegen. Ich trat ein. Ich fand ihn mit aufgeschlagenen Aermeln und rüstig den Hobel führend.

Er sah sich um, als er meine Schritte in den Hobelspänen rauschen hörte, und nannte mit freudiger Ueberraschung meinen Namen.

Endlich, nach einigem Besinnen, ließ er den Hobel los.

»Nun, warum sollte ich Ihnen die Hand nicht geben?« sagte er, auf mich zueilend; »Sie haben sie mir ja schon einmal gegeben.«

Er reichte mir beide Hände, die ich herzlich drückte.

»Nun, wie geht’s im Schlosse und hier?« fragte ich.

»Gott sei Dank,« erwiederte Gratian, »Alles gesund und wohlauf; sogar die Frau Gräfin blüht wieder auf wie eine Rose im Frühling. Ich glaube wahrhaftig, Herr von Villiers, daß Sie Glück und Segen gebracht haben.«

»Und der Graf?« fragte ich.

»O, der Graf steht gar nicht freundlich aus. Ich begegnete ihm gestern, als ich ins Schloß ging, um im Speisesaale etwas auszubessern. Er ging mit dem Abbé Morin in der großen Lindenallee. Die beiden Herren sahen aus wie zwei Verschwörer. Ich hörte wie der Graf sagte: Sie hat es rundweg Abgeschlagen«. – Sie muß nachgeben,« erwiederte der Abbé; »eine Frau muß thun, was der Mann will.« – »Ich werde auch nicht nachlassen,« sagte darauf der Graf grinsend; »sie muß unterschreiben.« – Unterdessen war ich vorübergegangen und konnte nichts mehr hören. Ich bin auch nicht gekommen, um das Gespräch zu belauschen; ich ging an meine Arbeit.«

»Hat Dir die Gräfin nichts gesagt?«

»Ja wohl, sie führte mich in ein Zimmer und sagte zu mir: »Sieh gut nach, und sorge dafür, daß in diesem Zimmer nichts fehle; Herr von Villiers wird es bewohnen.«

» Liebe Edmée!« sagte ich leise.

»Es wird nichts in Ihrem Zimmer fehlen,« fuhr Gratian fort; »darauf können Sie sich verlassen. Und die ganze Zeit war die Gräfin mit Zoe da und fragte in Einem fort: »Zoe, hast Du hier nachgesehen? Zoe, hast Du dort nachgesehen? Hast Du für Zucker gesorgt? Hast Du die Orangeblüthen nicht vergessen? – Zum größten Aerger der Gräfin hatte Zoe schon für Alles gesorgt.«

»Darf ich fragen, lieber Gratian, wo das Zimmer ist?«

»Dicht neben dem Zimmer der Gräfin; Sie sind nur durch das Ankleidecabinet getrennt.«

Die Worte Gratians erregten in meinem Herzen einen Sturm von Gefühlen.

»Und hat die Gräfin dieses Zimmer gewählt?« fragte ich.

»Nein, der Graf hat es für Sie bestimmt; es ist das schönste im Schlosse, er will Ihnen eine besondere Aufmerksamkeit damit erweisen. Er hat seine Absichten dabei.«

»Was für Absichten?«

»Sie haben schon Juvigny, nicht wahr?«

»Ja wohl.«

»Ich glaube, daß er Ihnen Bernay aufschwatzen will. – Sie wissen doch, daß er Bernay verkaufen will?«

»Ja, ich weiß es. Aber was wird ihm dann bleiben?«

»Er hat noch ein kleines Gut zwischen Délivrande und Courfeulles, aber das ist auch Alles. Wenn er das auch verkauft hat, so ist er wie die Vögel unter Gottes freiem Himmel, ärmer als Gratian, der durch Ihre Güte reich geworden ist, und sein Haus nicht verkaufen würde, wenn man ihm auch hunderttausend Francs dafür böte. Nein, ich würde es nicht weggehen.

Du hast Unrecht, Gratian; für hunderttausend Francs würdest Du ein Schloß und viele Ländereien bekommen.

»Was sollte ich damit machen? Nein, Herr von Villiers in einem Schlosse ist zu viel Platz; ich will ein kleines, wohnliches Haus haben; es würde mit mir und Zoe vielleicht ein solches Ende nehmen wie mit dem Grafen und der Gräfin: der Eine würde an diesem Ende des Hauses, der Andere an jenem Ende wohnen. Und ich glaube, sie wären noch weiter auseinandergegangen, wenn die Wände nicht Halt geboten hätten. – Aber ich schwatze wie eine Elster, ohne zu bedenken, das Sie die Gräfin gern bald sehen wollen.«

»Wer hat Dir das gesagt, Gratian?«

»Nun, ich habe mich nicht richtig ausgedrückt; ich hätte sagen sollen, daß die Gräfin nach Ihnen verlangt.«

»Woraus schließest Du das?«

»Nun, das ist doch sonnenklar! Als sie in Ihrem Zimmer aufräumte, fragte sie Zoe: »Wann glaubst Du wohl, daß er kommen wird?« – »O, so bald als er kann; darauf können Sie sich verlassen,« antwortete die kleine Närrin. – »Und ich glaube,«– sagte dagegen die Gräfin, »daß er erst Morgens zur Jagd kommen wird.« – »Und ich,« widersprach Zoe, »ich weiß gewiß, daß er zum Souper kommen wird. Und soll ich Ihnen sagen, wie er kommen wird?« – »Ei, Du scheinst jetzt die Sehergabe zu besitzen,« lachte die Gräfin. – »Allerdings, ich will Ihnen Alles haarklein an den Fingern abzählen.« – »So laß hören.« – »Er wird bei Gratian anhalten und sich nach Ihnen erkundigen; dann wird er Wagen und Bedienten auf dem Fahrwege voranschicken, und über den Friedhof zu Fuß in’s Schloß kommen.« – »Glaubst Du?« – »Ja, ich wette mein ganzes Wickelzeug.«

»Apropos, wissen Sie, daß Zoe in gesegneten Umständen ist?«

»Nein,« erwiederte ich, »ich habe es noch nicht gewußt. Ich gratulire. Du hast keine Zeit verloren, Gratian.«

»O, ich mache es nicht wie die vornehmen Herren, die Alles auf die lange Bank schieben, bis am Ende gar nichts daraus wird. – Nicht wahr, Zoe hat Recht?«

»Ja wohl, Sie hat Alles genau prophezeit. Erstens bin ich hieher gekommen, um mich zu erkundigen, wie es Allen geht, und zweitens werde ich der von Zoe angegebenen Marschroute Schritt vor Schritt folgen. – Also lebe wohl, Gratian.«

»Adieu,« Herr von Villiers! Ich will Sie nicht aufhalten. Viel Vergnügen auf der Jagd.

Ich drückte dem braven Burschen noch einmal die Hand« und ehe ich zur Thüre hinaus war, griff er wieder zu seinem Hobel und stimmte seinen Gesang wieder an.

Ich trat in die Kirche. Nachdem ich an derselben Stelle, wo einst Edmée gekniet, eine kurze Andacht verrichtet und einen Louisd’or in den Armenstock gelegt hatte, ging ich über den Friedhof, pflückte eine Rose in dem Gebüsche, welches den Grabstein und die darunter befindliche Gruft beschattete, und begab mich in’s Schloß.

Im Vorsaale fand ich Zoe. Sie erwartete mich; sie hatte mich kommen sehen. Aus dem Fenster der Gräfin konnte man den Friedhof, den Garten und das Haus Gratians und einen Theil des Dorfes übersehen.

»Ich wußte wohl, sagte sie, »daß Sie heute kommen würden.«

»Und Du wußtest auch, daß ich Gratian besuchen und zu Fuß über den Friedhof kommen würde?«

»Ich ahnte es.«

»Wo ist die Gräfin? Hat sie nicht auch meine Nähe geahnt? Und hat sie sich vor mir geflüchtet?«

»O nein, aber sie kann ja nicht thun, was sie will, die liebe arme Dame. Sie hat mir befohlen, Sie hier zu erwarten.«

»Wo ist sie denn?«

»Im Salon, wo sie in Abwesenheit des Herrn Grafen unsere Gäste empfängt.«

»Dann will ich in den Solon gehen.

»Warten Sie doch! Sie haben’s ja sehr eilig. . .«

»Begreifst Du denn nicht, Zoe, daß ich mich nach ihr sehne?«

»O ja, das begreife ich; aber wenn ich Ihnen etwas von ihr zu sagen habe . . .«

»Laß hören.«

»Sie sagte zu mir: Erwarte ihn hier und sage ihm, daß ihn mein Herz als Freund begrüßen wird, wenn auch mein Mund in Gegenwart der Freunde die kalten Worte spricht: »Guten Abend, mein Herr.« Sage ihm, daß meine Gedanken bei ihm weilen werden, wenn sich auch meine Augen, den Anforderungen der Convenienz gehorchend, von ihm zu einem Andern wenden. Kurz, er soll errathen, was ich ihm nicht sagen kann.«

»Und Du, Zoe, wirst ihr sagen, was ich nicht selbst sagen kann: Daß ich sie liebe, vergöttere, daß sie mir in meinen Gedanken als ein Engel des Himmels erscheint, daß sie meine Freude, meine Hoffnung, mein Alles ist, daß ich um ihretwillen alles Andere vergesse.«

»Gut,« – erwiederte sie, »jetzt können Sie eintreten; wir haben einander so ziemlich Alles gesagt, was wir uns zu sagen hatten.«

Ein Diener erschien.

»Herr von Villiers ist zu melden,« sagte Zoe.

Der Diener öffnete die Thüre und meldete mich.

Durch die offene Thüre sah ich Edmée, und sie konnte mich sehen. Unsere Blicke begegneten sich, als der Diener meinen Namen nannte.

Ich weiß nicht, ob die Sprache der Menschen Alles ausdrücken kann, was unsere Blicke sagten; Gott hat dem Auge den Himmelsstrahl gegeben; der Blick der Gräfin sagte mir mehr, als Zoe in ihrer gutgemeinten Geschwätzigkeit gesagt hatte.

Sie stand auf, kam auf mich zu und reichte mir freundlich die Hand.

»Herr von Villiers,« sagte sie, mich den fünf bis sechs schon angekommenen Jägern vorstellend; »ein Freund, den wir seit vierzehn Tagen kennen, aber wie einen langjährigen Freund schätzen.«

Sie deutete auf einen Fautteuil.

»Ich muß,« fuhr sie fort, »den Grafen bei Ihnen entschuldigen, wie ich es bereits bei diesen Herren gethan. Ein unerwartetes, sehr nothwendiges Geschäft hat ihn nach Caen gerufen; aber er hat Postpferde genommen, um schnell wiederzukommen, und er wird gewiß zum Souper eintreffen. Was kann ich Ihnen unterdessen anbieten, meine Herren? Sie haben das Billard, Sie hoben die Promenade im Parke, Sie haben sogar die Musik, und ich bin mit Vergnügen bereit, mit meinen schwachen Kräften zur Unterhaltung beizutragen, wenn einer von Ihnen mich accompagniren will.«

Alle Gäste baten die Gräfin einstimmig um ein Lied. Ich setzte mich ans Piano; einem Andern würde ich dieses Glück nicht gegönnt haben.

Ich habe in der Musik dasselbe Talent wie als Zeichner; ich spiele sehr leicht vom Blatt.

Ich schlug eine Partitur auf. Es war die Oper »Lucia.«

«Ich blätterte bis zum dritten Act meine Wahl fiel auf die Wahnsinnsarie.

Ich sah die Gräfin fragend an, um ihrer Zustimmung gewiß zu sein.

»Was Sie wollen,« sagte sie; »die Musik dient ja zur Zerstreuung in der Einsamkeit. Ich habe in meinem Leben mehr für mich als für Andere gesungen; daher fürchte ich, nicht nach Ihrem Geschmack zu singen; aber da ich so ziemlich alle Partituren, von Weber bis Rossini eingeübt habe, so bin ich bereit, jedes von Ihnen zu wählende Stück zu singen.«

Ich schlug die ersten Accorde des Recitativs: »Il dolee suono di sua voce« an und Edmée fing an zu singen.

Die ersten Noten, welche aus ihrem Munde kamen, machten auf mich nicht den erwarteten Eindruck. Die Gräfin hatte eine vortreffliche Methode; man merkte sogleich ihre gründliche musikalische Durchbildung, aber ihre etwas gedämpfte Stimme schien ein widerspänstiges Instrument und erreichte nicht die volle Ausdehnung, deren sie fähig war. Sie ahmte die Methode der Persiani nach, und ich gestehe, daß ich von ihr eher den seelenvollen Gesang der Malibran als die kunstvollen Triller einer Damoreau erwartet hätte.

Sie sang die »Casta Diva« von Bellini und das Rondeou aus »Cenerentola«. Während dieser drei Arien wurde ihre Stimme nach und noch klangvoller, und sie bezwang sich offenbar, um ihr nicht die volle Ausdehnung und Kraft zu geben; es schien mir, als habe sie nach den beiden ersten Stücken absichtlich das Rondeou der »Cenerentola« gewählt, um ihre innere Erregung zu bekämpfen.

Nach dem Rondeau stand sie auf und legte eine Hand auf meine Schulter, gleichsam um mich zum Sitzenbleiben zu nöthigen.

»Meine Herren,« sagte sie, den lauten Applaus unterbrechend, »ich will Ihre Artigkeit nicht länger mißbrauchen, Sie wollen gewiß gern rauchen. Machen Sie im Rauchzimmer neben dem Speisesaale eine Partie Billard. Sie werden dort gute trockene Cigarren finden. – Begleiten Sie die Herren?« fragte sie, sich zu mir wendend.

»Leider,« antwortete ich, »hin ich ein erklärter Feind der Cigarren und ein schwärmerischer Verehrer der Musik. Erlauben Sie mir daher so fern wie möglich von dem Rauchzimmer zu bleiben und dem Piano so nahe zu kommen, wie ich kann.«

»So bleiben Sie. Diese Herren wissen so gut wie Sie, daß sie alle im Hause eines Freundes sind; thun Sie sich daher keinen Zwang an. Zur Jagdzeit ist keine Gräfin von Chambray im Hause.«

Die Gäste verließen den Salon; ich blieb mit der Gräfin allein.

»Lieber Max,« sagte sie, mir die Hund zum Kusse reichend, »als ich anfing zu singen, dachte ich, daß man den wahren Herzens- und Seelengruß für theure Personen aufsparen müsse. Ich habe so eben nicht für mich, sondern für die Gesellschaft gesungen: soll ich jetzt für mich und für Sie singen?«

»Sie wollen mich durch Ihr Zartgefühl beschämen,« sagte ich.

»Es ist mir in diesem Augenblicke erst eingefallen fuhr Edmée fort. »Ich führte eine gewisse Reue, ich dachte: Wenn ich diesen Fremden Alles preisgebe, was ich an Freude oder Schmerz in meinem Herzen habe, was wird dann für ihn übrigbleiben? Er muß doch seinen Antheil haben an Allem, was mich erfreut oder betrübt, was mir ein Lächeln oder Thränen entlockt. Ich habe also den bessern Theil meiner Gedanken und Gefühle für Sie aufgespar, jetzt will ich mich geben, wie ich bin. – Ueberlassen Sie mir Ihren Platz am Piano; für das, was ich jetzt singen will, muß ich die Begleitung selbst spielen.«

»Was wollen Sie singen?«

»Die Wehmuth meines Herzens und die Träume meiner Seele.«

»Von wem ist Text und Musik?«

»Von einem unbekannten Dichter und Componisten. Im Grunde sind die Worte keine Verse, die Melodien keine Noten; denken Sie sich die klagenden Töne des Windes, das Säuseln der Aeolsharfe, das leise Rauschen des abfallenden Laubes in einer Octobernacht, und Sie können sich im Voraus einen Begriff von dem machen, was Sie hören werden.«

Ich höre mit Andacht zu.«

»Wollen Sie eine Erinnerung an Shakespeare, Ihren Lieblingsdichter?«

»Sie werden mir eine Freude damit machen.«

»Nun« so hören Sie.«

Ihre Finger glitten über die Tasten und entlockten denselben wunderbar liebliche, wehmüthige Arcorde; dann begann sie mit seelenvoller, fast verklärter Stimme, in welcher ihr voriger Gesang nicht wieder zu erkennen war:

 
Ophelia, was machst Du an der Quelle?
»Ich pflücke diese Blume die mir winkt.«
Warum blickst Du so traurig in die Welle?
»Frag’ nur den Bach, der meine Thränen trinkt.«
Warum trittst Du in düst’rer Waldesstille
Auf den gefahrvoll glatten Hang,
Zu pflücken Rosmarin und Asphodille?
»Mein Vater ist ja todt, mir ist so bang;
Denn er liebt mich nicht mehr, und meine Seele,
Entrückt der Erde, folgt des Geistes Spur.
In jenem Land der Träume, das ich wähle,
Ist Tod das Leben, lebt die Liebe nur.«
 

Edmée hatte Recht: was sie sang, waren eigentlich keine Noten, keine Verse, es war eine sanfte Klage, ein leiser, wehmüthiger Ausdruck der innersten Gefühle; es waren Verse, die matt nur für sich selbst macht, eine Musik, die nur in tiefer Einsamkeit oder in Gesellschaft des Herzensfreundes gesungen wird.

Dieser Gesang würde mir gesagt haben, daß Edmée mich liebte, wenn sie es mir nicht schon verrathen hätte.

»O theuerste Edmée,« sagte ich leise; »ich will nicht den Wunsch aussprechen, Ihren Mund zu küssen, es wäre zu viel Glück; aber ich möchte noch mehr hören – ich möchte Ihnen immer zuhören.«

»Nehmen Sie sich in Acht,« erwiederte sie; »wenn ich Ihnen etwas aus meiner traurigsten, hoffnungslosen Lebenszeit sänge, würde ich Sie vielleicht für acht Tage verstimmen. Ich kann nicht die Sonne sein für meine Freunde, aber ich möchte auch keine Wolke sein.

»Sie haben Recht, Edmée; in einer zu peinlichen Stimmung würde ich ein Unglück für Sie fürchten.«

Vierter Teil

I

Als wir das Billardzimmer eben betreten hatten, erschien auch der Graf von Chambray. Er war sehr vergnügt. Er trug einen kurzen Rock von schwarzem Sammet, enge lederne Beinkleider und hohe mit Staub bedeckte Reitstiefel. In der Hand trug er eine Sammetmütze, wie sie die Landedelleute von den Jockeys entlehnt haben.

Er begrüßte seine Gäste zuerst insgesammt; aber bevor er Einen von uns anredete, trat er auf die Gräfin zu und küßte ihr die Hand.

»Madame,« sagte er, Ihr gutes Aussehen macht eine Erkundigung nach Ihrem Befinden überflüssig. Ich will mich daher erkundigen, wie es unseren Freunden geht, obgleich man sich unter Ihrer Obhut nur wohl befinden kann.

Dann kam er auf uns zu, verneigte sich vor dem Einen, drückte dein Andern die Hand, je nach dem Grade der Vertraulichkeit, und sagte jedem eine Artigkeit.

Von diesen Complimenten des Grafen bekam ich einen großen Antheil.

»Meine Herren,« sagte er, »hier ist Herr Max von Villiers, den ich Ihnen hiermit als Nichtspieler denuncire. Aber wenn er auch nicht spielt, so kann er doch nicht hindern, daß man für ihn wettet. Ich wette fünfundzwanzig Louisd’or, daß er morgen der König der Jagd sein wird. Ich habe gehört, daß er ein vorzüglicher Schütze sei. Es wird für uns Alle eine Freude sein. Meine Feldhüter sprechen von fünfundzwanzig bis dreißig Völkern Rebhühner. Die Hasen sind gar nicht zu zählen. Gegen Abend treten wir den Rückweg durch ein kleines Gehölz an, wo wir gegen hundert Fasanen und fünf oder sechs Rehböcke finden werden. Das ist nebst einem vom Hunger gewürzten Mahle und einem tüchtigen Spiele Alles, was ich Ihnen anbieten kann.«

Alle dankten dem Grafen einstimmig; Einige für das Vergnügen, welches sie sich auf der Jagd versprochen, Andere für die zu erwartenden Tafelfreuden, noch Andere für das in Aussicht gestellte Spiel.

Dann entfernte sich der Graf, um sich umzukleiden. Die Spieler fingen wieder ihre Poule an, und ich ging mit der Gräfin in den Garten.

Es würde mir schwer werden zu erzählen, was wir uns sagten. Der Inhalt unseres Gespräches ist leicht aus unserer Stimmung zu errathen. Für die Gäste, die uns aus den Fenstern betrachteten – denn wir entfernten uns nicht außer der Gesichtsweite – waren wir Fremde, die von gleichgültigen Dingen plauderten; für uns waren wir zwei übereinstimmende Seelen, zwei harmonirende Stimmen, die eine liebliche Symphonie sangen, zwei auf getrennten Altaren brennende, aber nach Vereinigung strebende Flammen.

Die Tischglocke rief uns wieder ins Schloß.

Jedes Erlebniß jenes Tages ist mir genau erinnerlich, aber ich erlasse Ihnen, lieber Freund, die Schilderung der Tafel und des Abends, wo die Spieler anfingen handgemein zu werden, wie ein Scharmützel einer Hauptschlacht vorausgeht.

»Ich zog mich mit der Gräfin in einen Winkel zurück, und da Niemand, selbst den Grafen nicht ausgenommen, uns beachtete, so konnten wir unser durch die Tischglocke unterbrochenes Gespräch leicht wieder aufnehmen.

So plauderten wir bis eilf Uhr. Das Spiel, obgleich nur die Einleitung zu der eigentlichen Partie, war sehr belebt. Der Graf von Chambray hielt die Bank und gewann viel.

Um eilf Uhr drückte mir die Gräfin die Hand und entfernte sich. Ich blieb nicht lange nach ihr. Ein Diener erwartete mich im Vorsaale, um mir mein Zimmer zu zeigen. Ich mußte, wie mir Gratian gesagt hatte, vor dem Zimmer der Gräfin vorübergehen, nur in das meinige zu gelangen. Die Thür des Corridors war verschlossen. – Wäre ich allein gewesen, ich würde vor ihrem Zimmer niederkniet sein und die Schwelle geküßt haben. Ich sandte ihr einen stillen Gruß zu und sprach leise die Worte: »Incessu patuit Dea.«

Ich fühlte keine Müdigkeit. Eine kleine ausgewählte Büchersammlung war in meinem Zimmer; ich versuchte zu lesen, aber nur meine Augen sahen die Buchstaben, meine Gedanken waren anderswo.

Die Strahlen des Mondes drangen durch die Sommerläden; ich öffnete ein Fenster, vor welchem sich ein Balcon befand.

In dem Augenblicke, als ich es öffnete, schien es mir, als ob das benachbarte, ebenfalls mit einem Balcon versehene Fenster geschlossen würde.

Wahrscheinlich hatte Edmée dieselbe Zerstreuung gesucht.

Sie hatte entweder zufällig ihr Fenster geschlossen, als ich das meinige öffnete, oder sie fürchtete gesehen zu werden und hatte sich absichtlich in ihr Zimmer zurückgezogen.

Ich blieb wohl eine Stunde auf dem Balcon.

Mitten in der nächtlichen Stille hörte ich von Zeit zu Zeit den wie Klangperlen zu mir herübergetragenen Gesang der Nachtigall.

Die wunderliebliche Sommernacht versetzte mich in eine träumerische, wehmüthige Stimmung.

Als ich wieder in mein Zimmer trat und noch einen Blick in die Mondnacht zurückwarf, sah ich eine dunkle, nicht erkennbare Gestalt aus einem Gebüsche schlüpfen, und hinter einer neben dem Gitterthor stehenden kleinen Häusergruppe verschwinden. Ich schloß mein Fenster wieder, aber den Sommerladen ließ ich offen; ich wollte dem Mondschein nicht den Zutritt in mein Zimmer wehren.

Ueberdies sollte ich bei Tagesanbruch aufstehen, und da ich nicht wußte, wann ich einschlafen würde, so wollte ich mich von der aufgehenden Sonne wecken lassen.

Als ich eben ins Bett steigen wollte, bemerkte ich einen Zettel, der unter der in das Ankleidecabinet der Gräfin führenden Thüre hindurchgeschoben worden war.

Ich nahm ihn schnell auf und hielt ihn ans Licht, ich erkannte ihre Schriftzüge und las:

»Freund, ich wäre sehr glücklich gewesen, die durch das Oeffnen Ihres Fensters unterbrochene süße Betrachtung mit Ihnen zu theilen, aber wir wurden beobachtet und ich mußte auf diese Freude verzichten.

Jene Frau, welche Sie an dem Tage, wo wir eine Stunde in Zoe’s Garten zubrachten, gesehen haben, ist einige Schritte von uns in einem Gebüsche versteckt und jeden Augenblick bereit, dem uns belauernden bösen Geiste unser Geheimniß zu verrathen.

»Denken Sie au mich beim Einschlafen und beim Erwachen.

Sie sind mir über Alles theuer, Max.

»Edmée.«

Ich küßte das Briefchen und freute mich fast, daß das schlechte Geschöpf ihr Gelegenheit gegeben, an mich zuschreiben. Dann trat ich an die Thür und lauschte; es war Alles still.

Ich ging zu Bett, las das Briefchen noch einmal und drückte es an mein Herz, bis ich einschlief.

Ich wurde nicht nur durch die ersten Sonnenstrahlen, sondern auch durch den Jäger des Grafen, der von Thür zu Thür ging und anklopfte, in aller Früh geweckt. Georges hatte meinen vollständigen Jagdanzug auf einen Stuhl gelegt. Ich las und küßte das Billet noch einmal,dann kleidete ich mich an.

Der Diener hatte mir gesagt, daß im Speisesaale ein kleiner Imbiß bereit sei. Um eilf Uhr sollten wir in einem Wäldchen in den Ruinen einer gothischen Capelle das Frühstück finden.

Als ich mein Zimmer verließ, that sich die benachbarte Thür einige Zoll weit auf und eine Hand kam hervor, welche offenbar meine Lippen erwartete.

Meine Lippen zögerten nicht, und durch die schmale Thüröffnung bemerkte ich Edmée im weiten Schlafrock;sie hatte ihre angefangene Toilette verlassen, um mich flüchtig zu begrüßen und ihr dunkelblondes anfgelöstes Haar von dessen üppiger Fülle der gewöhnliche Kopfputz keinen Begriff gab, wallte bis fast zur Erde herab.

»O Edmée,« flüsterte ich, »wir danke ich Ihnen! Und wie unaussprechlich liebe ich Sie!«

Eine aufgehende Thür zwang Edmée, ihre Hand zurückzuziehen; aber ehe sie ihre Thür wieder schloß, zog sie schnell aus dem Morgenkleide einen Gegenstand, den sie mir zuwarf.

Es war ein Schnupftuch mit jenem eigenthümlichen Dufte, der mich schon zu wiederholten Malen in ihrer Nähe berauscht hatte.

Ein kleiner Zettel war mit einer Stecknadel daran geheftet. Ich las:

»Sie lieben nicht nur die Pflanze, sondern auch ihren Duft. Nehmen Sie dieses Schnupftuch und trocknen Sie sich an diesem ermüdenden Tage die Stirne damit. Sie sehen, daß ich Sie zu zwingen weiß, an mich zu denken. E.«

Ich drückte das duftende Schnupftuch an meine Lippen, legte das gestrige und das heutige Billet hinein und steckte es in meine Brusttasche.

Wollte mich Edmée nicht einst zum glücklichsten Manne machen, so mußte sie mich sicherlich zur Verzweiflung treiben.

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Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
Объем:
400 стр. 1 иллюстрация
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