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Читать книгу: «So sey es », страница 20

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IV

Ich trat sogleich an die Verbindungsthür. Edmée hatte mir verboten in ihrem Zimmer zu erscheinen; aber das Horchen hatte sie mir nicht untersagt.

Leider war mein Zimmer, wie schon erwähnt, von dem Zimmer der Gräfin durch ein Ankleidecabinet getrennt, so daß ich die gesprochenen Worte wohl hören, aber nicht verstehen konnte.

Ich hätte in den Corridor gehen und lauschen können; aber wenn ich gesehen würde, konnte meine Neugierde übel gedeutet werden.

Ich trat wieder ans den Balken, aber das Fenster der Gräfin war geschlossen, und man hörte hier noch weniger als an der Cabinetsthür.

Ich kehrte zu dieser zurück und versuchte sie zu öffnen, aber sie war von innen verschlossen. Es blieb mir also nichts übrig, als zu warten.

Die Stimme des Greifen wurde immer lauter und heftiger, Edmée hingegen blieb ganz ruhig.

Ich glaubte meinen Namen zwei- oder dreimal von dem Grafen aussprechen zu hören und ich vermuthete eine Eifersuchtsscene, die wenigstens als Vorwand benutzt wurde. – Meine Unruhe war unbeschreiblich.

Bald nahm die Stimme des Grafen, so viel ich wenigstens hören konnte, einen drohenden Ton an. Ich erinnerte mich der bedenklichen Aeußerungen Alfreds hinsichtlich der Gefahr, in welcher die Gräfin schwebte, und während ich mit gespannter Aufmerksamkeit lauschte, trat ich langsam zu der Schublade zurück, in welcher die Pistolen lagen, die er mir in der Voraussicht einer ähnlichen Scene gegeben hatte. Ich nahm die Pistolen und steckte sie in meine Beinkleidertaschen.

Plötzlich kamen die Stimmen näher und ich verstand alle Worte, die gesprochen wurden.

Die aus dem Zimmer der Gräfin in das Cabinet führende Thür mußte geöffnet worden sein.

»Wenn Sie nicht fortgehen,« sagte die Gräfin, »und wenn Sie in Ihren Drohungen fortfahren, so bin ich gezwungen, einen Beschützer zu Hilfe zu rufen und einen Fremden zum Zeugen Ihrer unwürdigen Ausschreitungen zu machen.«

»Nun denn,« schrie der Graf, »so möge sich Ihr Geschick vollenden! Sie werden nicht rufen —«

Ich hörte einen Schuß und fühlte einen brennenden Schmerz am linken Arme. Die Thür that sich auf und Edmée stürzte in mein Zimmer.

Ich stand vor dem Grafen. – Ich befand mich in einem unbeschreiblichen Zustande der Erbitterung nicht wegen meiner keineswegs gefährlichen Wunde, sondern wegen der Gefahr, in welcher Edmée schwebte.

Ich trat auf den Grafen zu, ohne meine Pistolen aus der Tasche zu ziehen; ich fühlte mich stark genug, ihn mit meinen Händen zu erwürgen.

»Herr Graf,« sagte ich, auf ihn zuschreitend und einen vernichtenden Blick auf ihn werfend, »Sie sind ein elenden erbärmlicher Wicht, und Ihres Standes unwürdig. Hören Sie wohl, ich sage es Ihnen, Max von Villiers, und ich sage es Ihnen nicht nur im Namen der Gräfin, nicht nur in dem meinigen, sondern im Namen des ganzen französischen Adels.«

Er wich vor mir zurück, bis er an der Wand stand.

Sein Gesicht war erdfahl, seine Lippen zuckten, aber ohne ein Wort zu antworten, schlug er sein zweites Pistol auf mich an.

»Schießen Sie nur,« sagte ich; »Sie sind dann nicht mehr dem Degen eines Ehrenmannes, sondern dem Henkerbeile verfallen.

Ich bot ihm meine Brust. – Edmée aber stürzte mit unglaublicher Schnelligkeit zwischen uns. Der Graf stieß einen fürchterlichen Fluch aus und drückte los.

Durch ein Wunder des Himmels versagte das Pistol.

Ich machte eine Bewegung, um auf den Grafen loszustürzen.

»Max!«– rief mir aber die Gräfin zu, »bei unserer Liebe beschwöre ich Sie: rühren Sie ihn nicht an! Wir müssen unser Glück nicht zerstören. – Sieh nur, die Strafe des Himmels folgt der Unthat auf dem Fuße.«

Ich sah den Grafen an; seine Gesichtszüge waren schrecklich verzerrt. Er begann ein schallendes, unheimliches Gelächter, das in einem Schmerzensschrei endete, und fiel auf den Fußboden, wo er sich in krampfhaften Zuckungen wand.

Ich hielt Edmée umfaßt und betrachtete mit Erstaunen den Verlaufs dieser furchtbaren Krankheit, welche unsere Voreltern in ihrer Unwissenheit den Einwirkungen des bösen Geistes zuschrieben, der nur durch göttliche Hilfe gebannt werden könne.

Ich zog Edmée in mein Zimmer und küßte sie.

»Max,« sagte sie, sich sanft sträubend, »wir können ihn nicht so liegen lassen.«

»Was ist denn zu thun?« fragte ich.

»Wir müssen die Dienerschaft rufen, und ihn in sein Zimmer tragen lassen.«

»Sie haben Recht, er besudelt das Ihrige durch seine Gegenwart.«

Ich wollte den Glockenzug ergreifen, aber Edmée hielt mich zurück.

»Lieber Max,« sagte sie, »vor Allem verlassen Sie mein Zimmer, die Dienstleute dürfen Sie nicht hier finden.

Alle Thüren und Fenster waren geschlossen, man hat weder das Schreien noch den Schuß gehört. Der Graf ist in mein Zimmer gekommen, um Hilfe zu suchen, da er sich unwohl fühlte; er hat seine epileptischen Zufälle bekommen – das muß ich sagen, und man wird es glauben. Sein Kammerdiener ist an diese Zufälle gewöhnt, denn sie wiederholen sich jährlich zwei- bis dreimal. Er wird ihn in sein Zimmer tragen, und Niemand wird erfahren, was vorgefallen ist. – Der Graf selbst wird morgen nichts davon wissen, denn nach jedem Anfalle verliert er das Gedächtniß.«

»Warten Sie,« sagte ich; »wir können es noch besser machen. Ich will den Grafen in sein Zimmer tragen und auf sein Bett legen. Dann schellen Sie und sagen den Dienstleuten, was Sie wollen. Niemand darf jetzt Ihr Zimmer betreten, denn der Pulvergeruch würde verrathen, was vorgegangen ist.«

»Sie haben Recht, Max. Können und wollen Sie ihn forttragen?«

»Um ihn von Ihnen zu entfernen, Edmée würde ich ihn bis in die Hölle tragen.«

Ich neigte mich zu dem Grafen. In Folge dieses heftigen epileptischen Anfalles war er in einen tiefen Schlaf oder vielmehr in Ohnmacht gefallen; seine Augenwaren offen, aber glanzlos; seine Stirn- und Halsadern waren stark geschwollen; seine Lippen waren mit Schaum bedeckt.

Ich hob ihn auf.

»Jetzt führen Sie mich,« sagte ich zu der Gräfin; »ich weiß sein Zimmer nicht zu finden.«

Edmée schaute aus der Thür. Der Corridor war leer, wie sie vermuthet hatte. Man hatte keinen Lärm gehört, weil die Entfernung zu groß und alle Thüren verschlossen waren.

Sie ging voran und ich folgte ihr.

Am andern Ende des Corridors öffnete sie eine Thür.

»Hier ist sein Zimmer,« sagte sie. »Legen Sie ihn auf sein Bett und erwarten Sie mich in meinem Zimmer. Ich komme zu Ihnen, sobald ich ihn seinem Kammerdiener übergeben habe; er weiß, was in solchem Falle zuthun ist.

Ich gehorchte; ich legte den Grafen auf sein Bett und entfernte mich.

Im Corridor hörte ich läuten, und in dem Augen-blicke, wo ich die Thür der Gräfin zumachte, Fußtritte auf der Treppe.

Ich sah mich im Zimmer um.

Auf dem Schreibtische brannten zwei Wachskerzen, und zwischen denselben lag ein auf Stempelpapier geschriebener Kaufvertrag. Datum und Namen waren offen gelassen. Der Vertrag war von dem Grafen, aber nicht von der Gräfin unterzeichnet. Dies war die Ursache des Wortwechsels gewesen.

Ich hörte im Corridor leichte Fußtritte und das Rauschen eines Kleides. Ich eilte an die Thür und öffnete sie. Edmée trat ein.

Ich schloß die Thür hinter ihr und trat mit offenen, Armen auf sie zu.

Sie schlang die Arme um meinen Hals und sagte zärtlich:

»Lieber Max, wie gut sind Sie – und wie würdig des höchsten Glücks! – O mein Gott!« setzte sie erschrocken hinzu, »was fehlt Ihnen denn? Sie sind ja mit Blut bedeckt.«

Erst jetzt dachte ich an meine Wunde.

»Es ist nichts,« sagte ich lächelnd.

»Wie! es ist nichts?« erwiederte sie erblassend und einer Ohnmacht nahe.

»Nein, liebe Edmée, es ist ganz unbedeutend. Die Kugel, welche Sie zum Glück nicht getroffen, ist durch die Thür gedrungen und hat meinen Oberarm gestreift, denn ich stand an der Thür, zur schleunigen Hilfe bereit. Ich will in mein Zimmer gehen, um diese Blutflecke zu beseitigen. . .«

»Nein, Max,« entgegnete sie; »Sie sind mein Ritter, und wie die alten Burgfrauen will ich Ihre Wunde verbinden. Geschwind, lassen Sie sehen.«

Ich wollte mich sträuben.

»Tausend Dank, liebe Edmée, Sie sind zu gütig. Aber es könnte Jemand kommen . . .«

»Ich habe Ihnen schon gesagt, daß Niemand mein Zimmer betritt.«

»Ja, Sie sagten mir’s eine Viertelstunde vor dem Erscheinen des Grafen.«

»Werfen Sie einen Blick auf diese Schrift,» sagte sie, auf den Kaufvertrag zeigend, »und Sie werden sehen, warum er gekommen ist.«

»Ich weiß es schon,,« antwortete ich.

Also geschwind – die Wunde muß verbunden werden.«

Ich ging in mein Zimmer, um meinen Rock auszuziehen, während Edmée die Fenstervorhänge herabließ.

V

Das Ausziehen des engen Fracks verursachte eine neue Blutung der Wunde, so daß diese gefährlicher schien, als sie wirklich war.

Ich ging ganz heiter und wohlgemuth in das Zimmer der Gräfin zurück; aber der ganz in Blut getränkte Hemdärmel verursachte ihr einen großen Schrecken.

Die Kugel hatte nur das Fleisch verletzt, zugleich aber eine kleine Ader zerrissen; daher kam die starke Blutung Edmée wusch die Wunde aus, legte eine in Eiswassergetränkte Compresse darauf, band ein Schnupftuch darum, und befestigte den Verband mit einer seidenen Schnur.

Der geschickteste Wundarzt hätte es nicht besser machen können; die Hand eines liebenden weiblichen Wesens ist zur Pflege der Leidenden und zur Linderung der Schmerzen geschaffen. Der Augenblick der Erklärung war gekommen. Nach seiner Rückkehr von Paris hatte der Graf von Chambray wiederholt versucht, die Gräfin zur Unterzeichnung einer Vollmacht oder eines Kaufvertrages zu bewegen, aber sie hatte es entschieden verweigert. Der Graf brauchte Geld zur Bestreitung seines Haushaltes und zumal um den unersättlichen Dämon des Spieles zu befriedigen; er machte deshalb eine kleine Rundreife zu seinen Pächtern. Einige derselben waren im Rückstande, und diese hatte er zur Zahlung gezwungen; andere hatten vorausbezahlt; noch andere hatten, um ihren Pacht unter besseren Bedingungen zu erneuern, in einen Leihkauf gewilligt.

Der Graf war mit etwa zwölftausend Franks zurückgekommen.

Obgleich er mit dieser Summe die dringendsten Bedürfnisse befriedigen konnte, hatte er die Gräfin zur Unterzeichnung der bereitliegenden Schrift gedrängt; er hatte versichert, ich sei geneigt, das Gut Bernay zu kaufen, und da ich schon Besitzer von Juvigny sei, könne ich auch Bernay dazu kaufen.

Ein Wort der Gräfin hatte er gemeint, würde mich zu einem festen Entschlusse bringen, wenn ich etwa noch schwankte. Aber Edmée hatte nicht nur ihre Unterschrift hartnäckig verweigert, sondern auch verschmäht, mich zum Ankauf der Besitzung einzuladen. Daher die fragenden Blicke des Grafen, und daher die Aeußerungen der Ungeduld über die Gleichgültigkeit der Gräfin.

Der erste Abend hatte dem Grafen Glück im Spiel gebracht; er hatte etwa zehntausend Franks gewonnen und so sein Spielcapital fast verdoppelt. Aber der zweite Abend war stürmisch gewesen ; der Graf hatte nicht nur seine ganze Baarschaft sondern auch dreißigtausend Franks auf Ehrenwort verloren. Die Gräfin mußte daher entweder in eine neue Anleihe oder in den Verkauf von Bernay willigen.

In dieser Bedrängniß, und überdies durch Punsch und Champagner aufgeregt hatte er die Spielgesellschaft verlassen und ein Paar Pistolen aus seinem Zimmer geholt. Er hatte wohl nicht die Absicht gehabt von den Mordwaffen Gebrauch zu machen, diese sollten wahrscheinlich nur zur Einschüchterung dienen. So hatte er, mit dem Kaufvertrage in der Hand, an die Thür der Gräfin geklopft.

Sie hatte den Balcon verlassen und die Thür geöffnet.

Der unterbrochene Wortwechsel hatte nun wieder begonnen. Der Graf hatte verlangt Edmée sollte den Kaufvertrag auf der Stelle unterschreiben und mir den andern Morgen den Antrag machen.

Die Gräfin war standhaft in ihrer Weigerung geblieben. Sie hatte sich indes; bereit erklärt ihre Zustimmung zu dem Verkauf zu geben, wenn von der Kaufsumme hundertzwanzigtausend Franks genommen würden, um in ihrem Namen Juvigny zurückzukaufen. Sie wollte mich dann ersuchen, ihr dieses Gut wieder abzutreten; eine völlige Scheidung sollte ihr für die Zukunft ihre Freiheit sichern.

Aber dieser Vorschlag machte einen zu langen Aufschub nothwendig. Ueberdies hatte der Graf das Gut Bernay bereits mit hunderttausend Francs belastet; nach Abzug der hundertzwanzigtausend, welche die Gräfin zum Rückkauf von Juvigny verlangte, schmolz die zu seiner Verfügung kommende Summe auf achtzigtausend Francs zusammen, denn er konnte wohl nicht mehr als dreihunderttausend Francs baar erhalten. Dreißigtausend Francs Spielschulden mußte er bezahlen, es blieben ihm also nur fünfzigtausend. Diese Summe war aber ungenügend für seine hochfliegenden Pläne; er wollte nämlich nach Homburg gehen und mit Hilfe gewisser Combinationen, die er für unfehlbar hielt die Bank sprengen. Zur Ausführung dieses Planes brauchte er aber mindestens hunderttausend Francs.

Der Vorschlag hatte daher den Zorn des Grafen nur vermehrt Er war dringender, heftiger geworden, er hatte zu Drohungen seine Zuflucht genommen; aber die Gräfin hatte sich standhaft geweigert. Endlich hatte er ein Pistol aus der Tasche gezogen. Das Uebrige wissen Sie, Freund.

Mein Einschreiten hatte die Wuth des Grafen noch verdoppelt und den epileptischen Zufall, der dem Auftritt ein Ende machte, verursacht.

Edmée erzählte den ganzen Hergang der Sache mit ihrer ganzen Aufrichtigkeit und Herzenseinfalt. Dann stand sie auf, trat an den Schreibtisch, nahm die Feder und unterschrieb den Kaufvertrag.

»Was machen Sie da?« sagte ich.

»Lieber Max,« antwortete sie, mit dem Entschlusse, den ich gefaßt will ich nichts mehr mein Eigen nennen, als mich selbst. Gott wird für Alles sorgen,« fügte sie mit erhobenem Blicke hinzu.

Ich sah sie mit inniger Zärtlichkeit an.

»Jetzt mein geliebter Max,« sagte sie, » sage ich Dir ohne Bedenken, daß ich dein bin auf ewig.«

Ich schloß sie in meine Arme und suchte ihre Lippen, die den meinigen entgegen kamen.

Dann entwand sie sich meinen Armen und fügte hinzu:

»Ja, Max, von dieser Stunde an bin ich dein.«

»Edmée! Edmée!« rief ich.

»Aber nicht unter dem Dache dieses Mannes, nicht nach diesem stürmischen Auftritte, nicht während er krank liegt und Fremde uns umgeben. Unsere Liebe, Max, hat nichts gemein mit den gewöhnlichen conventionellen Verhältnissen; hat mich doch die Vorsehung in eine ganz ungewöhnliche Stellung gewiesen, wahrscheinlich damit ich dem Erwählten meines Herzens angehören könne. Nicht als ob ich einst zu bereuen hätte, mich Dir ergeben zuhaben, ich erkläre Dir nochmals, daß ich ohne Reue über mich verfügen kann; aber es soll unser reines Bewußtsein nicht durch die kleinste Wolke getrübt werden. Geh, theuerster Herzensfreund, und laß mich allein mit meiner Liebe. Morgen Früh um sieben Uhr wollen wir in der Kirche zusammentreffen; ich werde Dir nochmals geloben, im Leben und im Tode nur Dir anzugehören, und Du wirst dein heutiges Versprechen wiederholen. – Auf Wiedersehen mein geliebter Max; Du nimmst mich in deinem Herzen mit fort ich behalte Dich in meinem Herzen, wir trennen uns nicht.»

Sie küßte mich noch einmal und drängte mich mit sanfter Gewalt in mein Zimmer.

Ich hatte das Paradies im Herzen. Edmée hatte eine himmlische Ueberredungsgabe; jedes Wort das aus ihrem Munde kam, hatte einen eigenthümlichen Zauber. Sie schien in dem Schimmer eines überirdischen Lichtes durch das Leben zu wandeln. Sie hatte für mich etwas von dem Wesen eines Schutzengels den Gott auf die Erde zu meiner Führung gesandt.

Diese Nacht vom 4. zum 5. September war, trotz des erschütternden Auftrittes eine der glücklichsten meines Lebens. Ich weiß nicht ob ich schlief oder wachte; ich weiß nur, daß ihr Bild meinem Geiste beständig vorschwebte.

Vor sieben Uhr kleidete ich mich an und ging hin-unter.

Es war noch Alles still im Schlosse. Niemand begegnete mir, nur im Hofe traf ich einen Stallknecht. Ich sagte ihm, er möge Georges wecken und ihm in meinem Namen den Befehl geben, anzuspannen und mich vor Gratians Hause zu erwarten.

Dann verließ ich den Schloßhof.

Nach dem stürmischen Auftritte der letzten Nacht mochte ich den Grafen nicht wiedersehen, wenn er auch Alles vergessen hatte, wie mir Edmée gesagt; es wäre mir ganz unmöglich gewesen, ihm die Hand zu drücken. Wie hätte ich ihn an das Vorgefallene erinnern können, wenn er das Gedächtniß verloren hatte?

In wenigen Minuten erreichte ich die Kirche. Die Thür war offen; ich trat ein. Zu meinem großen Erstaunen war Edmée schon da; sie kniete an derselben Stelle, wo sie gebetet hatte, als ich zum ersten Male in die Kirche gekommen war.

Ich wollte einige Schritte von ihr niederknien; sie aber winkte mir und sagte:

»Kommen Sie näher.»

Ich rückte meinen Betstuhl näher.

»Schon hier?« fragte ich.

»Ich bin seit Sonnenaufgang hier,« sagte sie; »ich fühlte das Bedürfniß, mich allein mit Gott zu unterhalten. Jetzt ist mein Herz leicht und mein Gewissen ruhig. – Jetzt wiederholen Sie mir das Versprechen, welches Sie mir schon gegeben; ich weiß nicht, warum ich so in Sie dringe, aber ich kann es nicht unterlassen.»

»O, ich gebe Ihnen das Versprechen von Herzen gern,« erwiederte ich.

»Hier ist der Schlüssel zu der Gruft,« sagte sie; »von jetzt an gehört sie uns Beiden.«

Dann stand sie auf.

»Begleiten Sie mich bis an die Thür,« sagte sie; »dann scheiden wir.«

»Aber doch nicht auf lange Zeit?«

»Nein, ich verspreche es Ihnen; denn ich kann Ihre Gegenwart nicht lange entbehren. – Kehren Sie nach Reuilly zurück und erwarten Sie dort einen Brief von mir.«

Wir gingen mit einander aus der Kirche.

»Auf baldiges Wiedersehen!« sagte sie zum Abschiede.

»So sey es!« antwortete ich.

Sie begab sich ins Schloß zurück; ich entfernte mich in entgegengesetzter Richtung.

Ich ließ mir von Gratian eine Feder und Papier geben und schrieb an meinen Notar:

»Lieber Herr Loubon. Sie können mit dem Grafen über den Kauf des Schlosses und der Herrschaft Bernay für die Summe von siebenmal hunderttausend Francs unterhandeln und ihm dreimal hunderttausend Francs baar auszahlen. Wenn Sie diese Summe nicht verfügbar haben, so wenden Sie sich an Alfred von Senonches.

»Bernay, 5. September.«

Ich trug diesen Brief selbst auf die Post, und gegen eilf Uhr war ich wieder in Evreux.

»Ich wette,« sagte Alfred, »Du hast Bernay gekauft.

»Wette nur, Du wirst gewinnen,« antwortete ich lächelnd.

»Dann brauchst Du Geld.«

»Vielleicht Herr Loubon wird Dir wahrscheinlich in dieser Angelegenheit schreiben.«

»Und für jetzt?«

»Für jetzt lieber Freund, bin ich der glücklichste Mensch von der Welt.«

»Man kann also glücklich sein, ohne Präfect zu sein,« sagte Alfred. »Auf Ehre, das habe ich nicht gewußt.«

VI

Fünf Tage später, nämlich am 10. September, erhielt ich von meinem Notar einen Brief, worin er mir anzeigt, daß der Kauf des Gutes Bernay abgeschlossen sei, und daß er, ohne eine Anleihe zu machen, dem Grafen Chambray zweihunderttausend Franks ausgezahlt habe. Die übrigen hunderttausend habe er verabredetermaßen zurückbehalten, um die Hypothek zu löschen.

Am 12. erhielt ich von Edmée folgendes Billet:

»Der Graf reist diesen Abend nach Homburg ab; morgen um fünf Uhr Nachmittags bin ich in Juvigny.

»Deine Edmée.«

Sie hielt Wort Sie verlangte keinerlei Vorsicht von mir; vielleicht war sie frei und glaubte ihre Freiheit mit siebenmal hunderttausend Franks theuer genug bezahlt zuhaben.

«Die Vorsichtsmaßregeln, welche sie außer Acht gelassen, beschloß ich zu ergreifen: ich wollte mich allein und zu Pferde nach Juvigny begeben und in der Nacht fortreiten, um vor Tagesanbruch einzutreffen. Wenn ich dann das Schloß nicht verließ, so konnte meine Anwesenheit zu Juvigny unbekannt bleiben und nur Josephine in das Geheimniß eingeweiht werden.

Alfred, dem ich meinen neuen Ankauf anzeigte, wollte mich durchaus zum Mitgliede des Generalconseils ernennen lassen. Er versicherte, daß ich als intelligente Persönlichkeit eine der ersten Zierden des Departements sein würde, wenn ich die Ernennung annähme. Ich lehnte die Ehre ab; ich fühlte keinen Beruf zu politischer Thätigkeit.

Alfred war gewohnt mich unerwartet in Reuilly erscheinen und eben so unerwartet wieder verschwinden zusehen. Ich konnte zwar nicht hoffen, ihm etwas zu verheimlichen, denn er hatte eine sehr wachsame Polizei; aber ich verließ mich auf seine Discretion.

Abends bei Tische sagte er plötzlich zu mir:

»Schade, daß Du kein Spieler bist!!«

»Du beklagst es?«

»Ja wohl.«

»Warum denn?«

»Weil ich es als ein Unglück betrachte, eine Leidenschaft nicht zu kennen, welche die ganze Lebensthätigkeit dergestalt in Anspruch nimmt daß man das Leben vergißt.«

»Und was würde geschehen, wenn ich ein Spieler wäre?«

»Wenn Du nach Homburg gingest würdest Du einen deiner würdigen Partner finden.«

»Du meinst den Grafen von Chambray?«

»Ja; er wird diesen Abend nach Homburg abreisen. Uebrigens glaube ich Dir nichts Neues zu sagen, nicht wahr?«

»Nein,« antwortete ich lächelnd, »ich habe es schon gewußt.«

»Und Du Undankbarer sagst mir nicht, daß wir uns in Folge dieser Reife auf einige Tage trennen werden?«

»Warum sollten wir uns denn trennen?«

»O, ein neuer Gutsbesitzer muß doch seine Besitzung besichtigen, wenn er, wie Du, ein ordnungsliebender Mann ist. Und ist er, wie Du, ein Weltmann, so wird er die Artigkeit haben, die Abwesenheit des früheren Eigenthümers abzuwarten, um diesen Besuch zu machen.«

»Haft Du mir für den Fall, daß es meine Absicht wäre, auch einen guten Rath zu geben?« fragte ich lachend.

»Hast Du etwa Ursache gehabt die Befolgung des guten Rathes, den ich Dir bis setzt gegeben, zu bereuen?«

»O nein, dein Rath ist immer gut gewesen, und deshalb erbitte ich mir denselben von neuem.«

»Für den Augenblick glaube ich, daß Du nichts zu fürchten hast. So lange als die zweihunderttausend Francs anhalten, wird der Graf von Chambray in Homburg bleiben: aber wenn er Alles verspielt hat, wird er in Bernay erscheinen wie ein Dieb in der Nacht. Ein Mann,der aber zweihunderttausend Francs verloren und nur noch vierhunderttausend zu verlieren hat, ist natürlich sehr übler Laune; es ist besser, ihm aus dem Wege zu gelten, als ihm zu begegnen. – Wie lange kann er noch in Bernay wohnen?«

»Er hat ein halbes Jahr verlangt; aber ich bin bereit, die Frist nach seinem Belieben zu verlängern.«

»Nun ja, ist bequem für Dich, daß er in der Nähe von Juvigny wohnt; denn vermuthlich wird Juvigny künftig dein Lieblingsaufenthalt sein. Ein neuer Gutsbesitzer hat den früheren Eigenthümer immer um Manches zu fragen. – Ich glaube, daß Du mit dem Abbé Morin auf einem etwas gespannten Fuße stehst; wenn Du Dich mit ihm aussöhnen kannst so thue es, wenn Du nicht etwa Gelegenheit hast ihn wie eine Raupe zu zertreten. In diesem Falle werde ich Dir behilflich sein. Ich habe gewisse Nachrichten über ein Ursulinerinnenkloster, die in einem scandalösen Prozesse nicht ohne Interesse sein würden. Ueberdies ist eine meiner Tanten eine Cousine des Erzbischofs von Paris.«

»Ich danke Dir, lieber Alfred,« antwortete ich. »Du würdest Dich nicht bestimmter erklären können, wenn Dir meine Gedanken bekannt wären. Es ist wahr, ich kann den Abbé Morin nicht leiden, und ich glaube, daß er mich haßt. Aber was soll dieser Mann gegen mich vermögen?«

»Lieber Freund, es gibt ein Stück von einem gewissen Molière, ich weiß nicht ab Du es kennst; es führt den Titel: »Tartusse«; Ein geistlicher Herr wirft lüsterne Blicke auf Madame Elmire, die Frau seines Wirthes, und macht allerlei Umtriebe, deren ich mich nicht mehr genau erinnere. Wenn Du sie auch vergessen hast so nimm Molière’s Werke aus meiner Bibliothek und lies in deinen Mußestunden den »Tartusse«; es ist eine gute Lektüre. – Auf Wiedersehen!«

Alfred stand auf und ging. – Ich konnte nun thun was mir beliebte.

Um eilf Uhr Abends ging ich in den Stall und sattelte ein Pferd. – Um zwei Uhr Nachts war ich in Juvigny. Ich weckte die alte Josephine und nahm Besitz von dem grünen Zimmer. Die Alte erhielt gemessenen Befehl meine Ankunft nicht zu verrathen.

Im Laufe des Tages durchwanderte ich den ganzen Park und besuchte die Orte, von denen mir die Gräfin erzählt hatte. Sonderbar! der Gedanke an jenen Abschnitt ihres Lebens beschäftigte mich am meisten, und ich war eifersüchtiger auf den verstorbenen Montigny, als auf den lebenden Grafen von Chambray.

Ich sagte Josephinen, daß die Gräfin zum Diner ankommen werde; sie solle daher zum Empfange ihres »Herzchens« – wie sie sie nannte – die nöthigen Vorkehrungen treffen.

Die alte Frau war überglücklich.

Von vier Uhr an war ich am Gitterthore und schaute auf die Landstraße.

Um halb fünf Uhr bemerkte ich einen Einspänner,der sich so schnell näherte wie das unaufhörlich angetriebene magere Pferd laufen konnte.

In dem Fuhrmanne erkannte ich Gratian. Im Wagen saß eine verschleierte Dame.

Meine erste Regung war, ihr entgegen zu eilen; aber ich bedachte, daß wir uns mitten im Dorfe begegnen und Aufsehen machen würden. Sie hatte mich gewiß gesehen; ich trat daher in den Park zurück und erwartete sie.

Fünf Minuten nachher fuhr der Wagen in das Gitterthor. Gratian hielt an, als er mich sah. Ich eilte an den Wagen und empfing Edmée in meinen Armen.

Das Schloß war fünfzig Schritte vom Gitterthore entfernt; aber ganz nahe an dem letzteren war ein Gebüsch; ich führte Edmée an dieses einsame Plätzchen und drückte sie an mein Herz.

Solche Gefühle finden durch Worte keinen Ausdruck; die höchste Freude ist stumm wie der tiefste Schmerz. Nur unsere Namen wurden von Zeit zu Zeit gehaucht ein »Ich liebe Dich« gelispelt; unsere halb erstaunten, halbseligen Blicke hingen an einander und mit unaussprechlicher Wonne fühlten wir unsere Herzen zusammen schlagen.

So verging vielleicht eine Viertelstunde, ohne daß wir ein zusammenhängendes Gespräch anzuknüpfen vermochten. Endlich führte uns der Zufall zu einer Bank; wir setzten uns, und erst jetzt wurden wir ruhiger, gefaßter.

Bald kam Josephine, um uns anzuzeigen, daß der Tisch gedeckt sei.

Unsere kleine Tafel war nicht in dem gewöhnlichen Speisesaale, sondern in einem kleinen Stäbchen des Erdgeschosses gedeckt dessen Fenster nach dem Garten hinausging, und mit Rosenstöcken und Schlingpflanzen ganz geschlossen war, so daß nur wenige dünne Strahlen der untergehenden Sonne bis zu uns dringen konnten.

Dieses Mahl gehört zu unsern liebsten Erinnerungen. Das Glas wechseln, von einem Teller essen, abwechselnd in eine Frucht beißen, den Duft einer Blume einathmen,das Essen vergessen, um einander anzusehen und die Hand zu drücken. Alles dies ist der Frühling der Liebe, der Lebensmai.

Während wir bei Tische saßen, brach die Nacht an. Es war einer jener lieblichen Septemberabende, welche mit der letzten Glut des Sommers die erste kühle Herbstluft vermischen. Wir gingen in den Garten, und bald ward es unter den Platanen so dunkel, daß wir uns kaum sehen konnten. Ich führte Edmée zu der Bank, wo sie mir auf unserer letzten Reise ihre Lebensgeschichte erzählt hatte. Ich fragte sie, ab sie mir über die geheimnißvolle Seite ihres Lebens nichts mehr mitzutheilen habe; sie erwiederte lächelnd und sich an mich schmiegend:

»Diesen Abend, lieber Max, habe ich keine Geheimnisse mehr vor Dir; ich erzähle Dir nur die Hälfte von dem, was Du wissen willst, das Uebrige wirst Du errathen.«

Wir saßen lange unter der Platane.

Die Dorfuhr schlug; ich zählte die Glockenschläge nach Küssen auf Edmée’s Stirn und Augen.

Es schlug zehn.

»Gehen wir nach Hause?« fragte ich.

»Wenn Du willst mein Geliebter,« sagte Edmée.

»Wohin soll ich Dich führen?«

»In das Stäbchen, das ich als Mädchen bewohnt habe.«

»Wird es von innen verschlossen werden?«

»Ja wohl; ich habe Dir ja gesagt, daß ich zu Dir kommen will.«

»Und wo soll ich Dich erwarten, Edmée?«

»In dem grünen Zimmer.«

»O mein Gott!« sagte ich, »werde ich bis dahin nicht vor Freude sterben?«

Wir begaben uns wieder ins Schloß und gingen die Treppe hinauf. Edmée nahm ein Licht und ging in ihr Zimmer, dessen Thür sie verschloß.

»Erwarte mich,« sagte sie noch einmal.

Ich sank in einen Lehnstuhl. Meine Augen waren erwartungsvoll auf die Thür gerichtet, denn ich konnte mir nicht denken, daß das reizende Wesen, welches bald erscheinen sollte, wieder fortgehen könne.

Bald wurde meine Ungeduld so groß, daß ich die Augen schloß, die Hand auf mein pochendes Herz legte und unwillkürlich flüsterte: Edmée! Edmée!«

Als ob dieser leise Ruf die Kraft gehabt hätte, sie herbeizuzaubern, that sieh die Thür auf und Edmée erschien im weißen Kleide, mit Brautkranz und Orangenstrauß.

Ich empfing sie mit einem Ausrufe des Erstaunens, der Freude, des Entzückens. Ich konnte keine Worte finden – ich streckte meine Arme nach dem Symbol der Jungfräulichkeit aus.

»Begreifst Du jetzt, mein geliebter Max,« sagte sie, »warum der Abbé diesen Mann für mich gewählt hat?

»Nein, nein,« antwortete ich, »noch nicht. Weiter.«

»Es geschah,«– sagte sie, »damit die Witwe, die Frau dem Erwählten ihres Herzens im weißen Kleide und mit dem jungfräulichen Kranze entgegentreten könne.«

»Edmée! Edmée!« rief ich wonnetrunken und schloß sie in meine Arme.

»Jetzt bin ich dein!« sagte sie und sank an mein Herz.

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Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
Объем:
400 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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