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Читать книгу: «Liebesdramen», страница 8

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Escoman war leicht zu überreden, weil er sehnlich wünschte was der Chevalier vorschlug. Seit dem frühen Morgen hatte er nur auf Mittel gesonnen, Margarethe wieder zu sehen; er suchte sich freilich einzureden, daß er sie mit Hohn und Verachtung behandeln,reuig und zerknirscht zu seinen Füßen sehen wolle. Aber in der Wirklichkeit ging es ihm wie allen Sclaven, die ihre Ketten nicht mit starker Willenskraft gebrochen haben: er war sehr geneigt, die schadhaft gewordenen Kettenglieder zusammennieten zu lassen.

Zwölftes Capitel
Täuschung

Louis von Fontanieu hatte eine kleine Wohnung im Erdgeschoß der Unterpräfectur, mit einem abgesonderten, nur von ihm benutzten Eingange.

Gegen sechs Uhr Früh war diese Thür leise und vorsichtig geöffnet worden und ein weiblicher Kopf hatte sich in derselben gezeigt. Dieses weibliche Wesen hatte den Moment abgewartet, wo die vor dem Gebäude auf-und abgehende Schildwache den Rücken wandte, um auf die Straße zu eilen. Die Gestalt war schnell in der Morgendämmerung verschwunden.

Sie ging so rasch und leicht, daß ihr Fuß kaum das Straßenpflaster zu berühren schien. Sie athmete mit tiefen Zügen die frische Morgenluft ein. Ihr Gesicht schien heiter und belebt. Vielleicht hatte ihre freie, dem Zuge des Herzens folgende Hingebung dieses Gemüth erfrischt, welches in dem zerstörenden Hauch das Lasters noch nicht ganz verdorrt war.

Ihre Zuneigung zu Louis von Fontanieu war freilich nur eine stürmische Gefühlswallung gewesen, wie sie Frauen eigen sind, welche nicht gewöhnt sind ihre Begierden in den Schranken der Zucht und Sitte zu halten und ihre Leidenschaften den Geboten der Pflicht unterzuordnen; aber diese Laune —wenn man‘s so nennen will – hatte mehr gehalten als versprochen.

Unter den jungen Männern, die Margarethe kennen gelernt, war Louis von Fontanieu der erste, der sich wirklich einer Jugend rühmen konnte; das Herz und die Sinne des Marquis und seiner Freunde trugen Schminke und Perrücke. Die Gefühlsfrische, die naive ungekünstelte Zärtlichkeit, die dem unverdorbenen Jüngling eigen ist, war ihr ganz neu. Sie erkannte nun, daß ihr bisheriges Verhältniß zu dein eitlen, blasirten Marquis nur eine groteske Nachäffung der Liebe gewesen war, und die Laune wurde zur Leidenschaft. Die Brust wurde zu eng für ihr ungestüm pochendes Herz. Trotz der frischen scharfen Luft schlug sie den Schleier zurück, um ihre Stirn zu kühlen. Sie ging rasch. Es schien ihr, als könne sie nicht athmen in dem engen Zimmer des Bertrand'schen Hauses, sie ging aus der Stadt, und als sie mitten auf dem Felde war, setzte sie sich an einen Graben und zupfte, wie in ihrer Kindheit, die Blätter der Gänseblumen aus, um zu ermitteln, ob der Mann, an den sie dachte, sie von Herzen liebe.

Die Liebe einer Courtisane hat immer eine idyllische oder sentimentale Seite, wenn keine Berechnung oder Eitelkeit dabei in’s Spiel kommt.

Es war die Stunde, wo es auf dem Lande lebhaft wird. Die Lerche schwirrte hoch in der Luft, das Rebhuhn ließ in den Furchen seine Stimme hören, die Heerdenglocken ertönten in der Ferne. Je höher die Sonne über den Stadtnebel emporstieg, desto mehr bevölkerte sich die Landstraße mit Bauern, welche ihre Früchte zu Markte brachten; die Hirten und Ackerleute begaben sich an ihre Arbeit; auch Gruppen von Bäuerinnen in ihren schwarz- und weißgestreiften Röckchen und mit dem blechernen Milchtopf auf dem Kopfe wanderten zur Stadt.

Alle blieben stehen, um die in Sammt und Seide gekleidete schöne Dame, die zu so seither Stunde auf der bloßen Erde saß, mit Verwunderung zu betrachten.

Diese Neugierde verscheuchte Margarethe, die sich nun nach Hause begab. Sie fand den Wirth »zur goldenen Sonne« in der Hausthür, ihrer wartend.

Als ehrsamer Mann war Bertrand mit seiner Kostgängerin sehr unzufrieden. Er hatte bereits erfahren, daß der Marquis von Escoman sie verlassen habe, und war in ihr Zimmer gegangen, um zu fragen, was an dem Stadtgeschwätz Wahres sei. Er hatte sie nicht zu Hause gefunden, und da er vermuthete, daß diese Abwesenheit die Ursache des Bruches sei, war er sehr entrüstet gegen Margarethe.

Daß sie ihre Gunst verkaufte, konnte Bertrand allenfalls dulden; aber ein Liebesverhältniß war gegen seine Grundsätze.

Er erzählte ihr, was das Gerücht sagte, und erklärte ihr, sie müsse sich, da sie nicht mehr die Ehre habe dem Herrn Marquis anzugehören, nach einer andern Wohnung umsehen.

Margarethe lachte ihm ins Gesicht; sie hatte nicht gedacht, daß es anders sein könne, als er sagte. Sie war bereits mit sich selbst zu Rathe gegangen; sie wollte sich prüfen, ob sie wohl im Stande sei eine Unwahrheit zu sagen; aber als ihr Herz den Namen Louis von Fontanieu nannte, fühlte sie ihre Wangen glühen, ihr Herz ungestüm pochen, und sie sah ein, daß jede Verstellung, jede Ausflucht unmöglich sein würde.

Was lag ihr auch an den Wohlthaten des Marquis und an der Achtung Bertrand’s? Ja, sie fühlte eine gewisse Befriedigung, daß ihr neues Liebesverhältniß kein Geheimniß mehr war, sie war zu stolz auf ihr Glück, um es nicht für beneidenswerth zu halten.

Sie ging in ihr Zimmer und sang wie eine Grasmücke, wenn ein Sonnenstrahl in ihren Käfig fällt. Sie; fing an mit der größten Gleichgültigkeit ihre Sachen einzupacken. Von Zeit zu Zeit jedoch lehnte sie sich, während sie ein Kleid zusammenlegte oder einen Schmuckgegenstand einwickelte, zum Fenster hinaus und sah mit gespannter Erwartung auf die Straße.

Sie hatte Louis von Fontanieu erst vor wenigen Stunden verlassen, und schon fand sie die Zeit der Trennung sehr lang. Sie legte an seine Gefühle den Maßstab ihrer eigenen Sehnsucht und begriff nicht, daß er an etwas Anderes denken könne, als an sie.

Aber Fontanieu kam nicht und Margarethe fing an ungeduldig zu werden. Sie ging unruhig im Zimmer auf und ab, oder saß am Fenster; sie suchte ihre Sehnsucht durch mancherlei Vorwände zu entschuldigen.

Endlich hielt sie sein langes Ausbleiben für Bescheidenheit; sie setzte sich an den Tisch und schrieb an ihn. Als sie eben den Brief gesiegelt hatte, wurde an die Thür geklopft.

»Er ist’s!« rief sie frohlockend, sprang auf, öffnete die Thür und – sah den Marquis von Escoman vor sich.

Er war blaß. Er war so tief bewegt, daß er sich setzen mußte, ehe er ein Wort sprach.

Margarethens Gesicht zeigte nicht die mindeste Verlegenheit, es drückte den Unwillen über den Besuch aus. Sie fragte den Marquis stolz, was er wolle.

Der Marquis, durch diesen zweiten Schlag galvanisirt, wurde aufgebracht und fand im Zorn die schwindende Kraft wieder. Er gewann so viele äußere Ruhe, daß er sein Anliegen in wohlgesetzten Worten vorbringen konnte.

Wie frivol und sittenlos auch die Umgebungen waren, in denen sie seit drei Jahren gelebt hatte, so verhehlte sie doch den Abscheu nicht, den sie vor der Botschaft wie vor dem Botschafter empfand. Und als der Marquis in seiner erheuchelten Sorge um ihr Wohl auf die Folgen hindeutete, die ein Liebesverhältniß mit einem armen Teufel für sie haben könne, nannte sie stolz den Namen Louis von Fontanieu.

Diese Erklärung traf den Marquis wie ein Donnerschlag; sie warf das Gerüst seiner Prahlereien, die er so eben unter seinen Genossen hatte laut werden lassen, über den Haufen. Die Intrigue ward ihm nun klar; er sah die Fäden in der Hand des Chevalier von Montglas; er sah voraus, daß dieser das Publicum nicht in dem Wahn lassen werde, er habe den Bruch herbeigeführt. Ueberdies sah er seine geheimen Aussöhnungshoffnungen schwinden. Als er erkannt, daß Margarethe wirklich große Gewalt über ihn hatte, als er in ihrem Geliebten einen unbekannten und unbedeutenden Menschen vermuthete, hatte er im Stillen gehofft, daß er leicht sagen könne: »Sie hat so erbärmlich geweint, daß ich in einen Aufschub unserer Trennung gewilligt habe.« Und dies wäre mit der Rolle, die er spielen wollte, recht gut vereinbar gewesen. Aber nach dem Aufsehen, das der Zweikampf gemacht hatte, war keines dieser Auskunftsmittel anwendbar.

Ueberdies kommen in Liebeshändeln, wie wir sie zu schildern versuchen, sonderbare Widersprüche vor. Wenn der Verrath gehässig ist, so kann die Wahl dessen, der die Ursache desselben ist, noch weit gehässiger sein. Die Eifersucht ist gemeiniglich voll Erbitterung und Groll, aber zuweilen ist sie auch nachsichtig.

Kein Nebenbuhler, kein Nachfolger hätte dem Marquis unangenehmer sein können, als der welcher schon früher sein Mißfallen erregt und noch dazu in dem gestrigen Duell die schöne Rolle gehabt hatte.

Er nahm seinen Hut und eilte fort, ohne von Margarethen Abschied zu nehmen.

Zu Hause fand er Emma, die ihn erwartete.

Susanne, die immer nach Allem forschte, was ihre Herrin unmittelbar oder mittelbar anging, hatte das in ganz Châteaudun verbreitete Gerücht längst erfahren. Sie hatte natürlich keine Minute gezögert, der Marquise die Nachricht zu überbringen.

»Gott sei gelobt,« hatte die junge Frau geantwortet, »mein Mann wird mir endlich zurückgegeben!«

Sie war auf die Knie gefallen und hatte ein inbrünstiges Dankgebet zum Himmel emporgeschickt.

Susanne hatte sich, trotz ihrer Frömmigkeit, diesem Dankgebet nicht angeschlossen. Ihr Zweifel an der Bekehrung der Sünder im Allgemeinen und des Marquis von Escoman insbesondere grenzte an Verstocktheit. Sie blieb sitzen und betrachtete die Marquise mit dem Ausdruck mütterlichen Bedauerns.

»Warten Sie doch erst seine Rückkehr ab, ehe Sie das fette Kalb schlachten,« sagte sie; »wir könnten sonst leicht in Gefahr kommen, die für das Festessen bestimmten Speisen allein essen zu müssen.«

Aber die Marquise gab dieser entmuthigenden Stimme kein Gehör. Wie alle Leidenden dachte sie, ihre Leiden hätten eine einzige Ursache, welche sie in ihrer Sehnsucht nach trostreichen Hoffnungen mehr einem fremden Einflusse als dem Marquis zuschrieb. Wenn die Ursache beseitigt sei, meinte sie, könnten auch die Folgen nicht fortdauern. So war sie denn in einem wahren Freudentaumel; sie lachte und weinte, umarmte Susanne und baute Lustschlösser auf ihr künftiges häusliches Leben.

Erst als der erste Freudenrausch vorüber war, dachte die Marquise an den Freund, der ihren Gemal aller Wahrscheinlichkeit nach zu diesem tugendhaften Entschlusse bewogen hatte. Sie machte nun der alten Susanne Vorwürfe wegen ihrer Zweifel an der Aufrichtigkeit Fontanieu’s.

Susanne leistete zwar auf der Stelle Abbitte, gab aber die Besorgniß zu erkennen, daß dem jungen Manne der Dienst, den er dem Marquis erwiesen, theuer zu stehen kommen werde. Die würdige Duenna meinte, die ihr höchst verhaßte Margarethe Gelis sei im Staude, sich durch einen Meuchelmord zu rächen.

In diesem Augenblicke hatte die Marquise die Thürglocke gehört und war ihrem Gemal entgegengeeilt. Als der Marquis eintrat, umarmte sie ihn wie nach einer langen Abwesenheit.

Die quälenden Gedanken, die unterwegs auf ihn eingestürmt waren, hatten ihn in die größte Wuth versetzt. Die Zärtlichkeit der Marquise stach so grell gegen seine Stimmung ab, daß er sich schmerzlich berührt fühlte und diesem liebevollen Entgegenkommen einen ganz falschen Stirn beilegte. Er sah darin einen stummen Vorwurf oder den Ausdruck eines verletzenden Mitleids; er machte sich aus ihren Armen los, stieß sie von sich und ging weiter, ohne ihr ein Wort zu sagen.

Die Marquise verlor das Gleichgewicht, fiel zu Boden und verletzte sich die Stirn auf dem Steinpflaster des Vorhauses.

Sie richtete sich auf, ehe Susanne, welche diesem Auftritt von fern zugesehen, herbeigeeilt war. Und trotz der Bitten und Vorstellungen der alten Dienerin folgte sie dem Marquis in sein Zimmer und schob den Riegel vor, um allein mit ihm zu bleiben.

Ohne seiner Frau, über deren Gesicht ein dünner Blutstrom rann, sein Bedauern auszudrücken, sank der Marquis in einen Lehnstuhl, schlug die Beine übereinander, stützte den Kopf auf die Hand, den Ellbogen auf die Caminplatte und blieb in dieser Stellung.

Er dachte, es sei nicht mehr der Mühe werth, die ihm seit diesem Morgen so lästig gewordene Maske länger zu tragen. Er warf sie weg und sank feig unter der Wucht seiner unsinnigen oder lächerlichen Verzweiflung zusammen.

»Sie sind leidend, lieber Marquis?« sagte Emma, indem sie das aus ihrer Stirnwunde fließende Blut mit dem Schnupftuch abwischte.

»Ich antwortete er mit einem-Tone, der seine Worte Lügen strafte; »mein Gott, warum sollte ich denn leidend sein?«

»Verhehlen Sie mir nichts,« antwortete die Marquise. »Wie gern ich auch der Ursache Ihres Schmerzes fremd bleiben möchte, so kommt es doch mir zu, ihn zu mildern und wo möglich ganz zu heben. Andere verlangen nur Ihre Freuden zu theilen, ich hingegen verlange meinen Antheil an Ihren Leiden. Meiner übrigen Rechte habe ich mich freiwillig begeben, aber dieses Recht nehme ich in Anspruch, ich will es Niemanden überlassen. Reden Sie doch, ich beschwöre Sie, wie mit einer Freundin, mit einer Schwester. Sie glauben nicht, wie viel Milde in einem liebenden Herzen ist —«

Der Marquis suchte seine Hände, welche seine Frau gefaßt hatte, loszumachen. Er brauchte die Hände, um die seinen sonst immer trockenen Augen entquellenden Thränen zu verbergen. Die liebevolle zärtliche Stimme hatte sein Herz erweicht.

Als Emma diese Thränen sah, umarmte sie ihn noch einmal mit inniger Zärtlichkeit, und dieses Mal stieß er sie nicht zurück.

»Weine nur,« sagte sie, »Thränen fallen wie lindernder Balsam in das wunde Herz. Ich habe lange keinen andern Trost gehabt. Mit Dir soll‘s nicht so sein. Das Opfer, welches Du deinen Pflichten bringst, ist freilich schmerzhaft, aber ich will es Dir erleichtern. – Mein Gott,« setzte sie hinzu, als sie sah, daß der Marquis bei dieser Anspielung auf seine verbrecherische Leidenschaft laut schluchzte, »vielleicht habe ich Unrecht, deine Rückkehr zu mir so sehnlich zu wünschen. – Ich liebe Dich so innig, daß ich mein Glück gern opfern würde, wenn es Dir einen Kummer kostete. Doch nein, wir werden Beide glücklich sein. Du kannst nicht wissen, wie reich mein Herz an Liebe ist, denn Du schienest Dich ja nie darum zu kümmern; aber jetzt wirst Du es erfahren. Bin ich denn nicht auch schön? Ich bin ja noch nicht dreiundzwanzig Jahre alt. O, Du sollst nichts vermissen, Du sollst mich eben so leidenschaftlich lieben, wie Du je geliebt hast. Man sagt, manche Frauen wissen auch Männer durch gewisse Zauberkünste zu fesseln. Diese Künste sind mir unbekannt, und es ist nicht zu verwundern; als Du um mich warbest, war ich ein argloses, unwissendes Mädchen. Mein Gott, man sollte es uns sagen, es macht ja glücklich. Du wirst mich in diese Geheimnisse einweihen, Du mußt sie ja kennen, und Du wirst sehen, wie leicht Alles ist, wenn das Herz will!«

Der Marquis ließ sie reden. Seinen Thränen war ein träumerischer, gedankenloser Zustand gefolgt. Er widersetzte sich nicht den Liebkosungen, mit denen Emma ihre Worte begleitete. Als sie schwieg, küßte er sie und gab ihr zu verstehen, daß ihm jetzt Ruhe das größte Bedürfniß sei.

Emma erfüllte bereitwillig diesen Wunsch. Als sie fortging, war ihr Gesicht freudestrahlend unter den Blutflecken, die es bedeckten. Sie fand Susanne Mottet auf der Treppe sitzend; sie sagte zu ihr mit Entzücken:

»Du hast Dich geirrt, Susanne, er ist wirklich als verlorener Sohn heimgekehrt.«

Aber kaum hatte die Marquise die Schwelle überschritten, so sprang der »verlorene Sohn« auf und schob den Riegel vor. Sein Gesicht belebte sich wieder er eilte an seinen Schreibtisch und schrieb folgendes Billet:

»Ich kann ohne Dich nicht leben, ich will Alles vergessen. In zwei Stunden reisen wir nach Paris, und ich verspreche Dir bei meiner Cavalierehre, Dir dort eine beneidenswerthe Stellung zu bereiten.«

»Wenn die Nacht angebrochen ist, wird Dich Germain abholen; der Wagen wird auf der Straße nach Orleans warten.«

Er unterzeichnete mit seinen Anfangsbuchstaben und schrieb auf die Adresse: »An Mademoiselle Margarethe Gelis.«

Während Emma zu seinen Füßen lag, hatte er nicht aufgehört an Margarethe zu denken. Die zärtlichen Worte der armen Marquise hatten nur die halberloschene unlautere Flamme wieder angefacht. Die Liebe war für ihn in Margarethen verkörpert, es schien ihm unmöglich, daß sie von anderer Seite komme.

Wie alle durch schlechte Erziehung und frivole Sitten erschlafften Gemüther wurde das seinige um so störrischer, je mehr Widerstand es fand. Sein kindischer Eigensinn wollte seinen Stolz nicht aufkommen lassen.

Er schellte und befahl seinem Kanrmerdiener, den Brief an Margarerthe Gelis zu übergeben.

In einer Stunde kam Germain zurück. Er hatte die schöne Dunenserin in einer schwer zu beschreibenden Entrüstung gefunden. Margarethe sei mit aufgelöstem Haar und feuersprühenden Augen in ihrem Zimmer auf- und abgegangen, wie eine wüthende Tigerin in ihrem Käfig. Um ihre Nervenaufregung zu beschwichtigen, habe sie die Spiegel und Porzellanvasen ihres Hauswirthes zerschlagen und die Kleider und Spitzen, welche ihr gehörten, mit großer Zornmüthigkeit zerrissen.

Der Chevalier von Montglas, der bei ihr gewesen, habe sie vergebens zu beschwichtigen gesucht.

Der Brief, den die arme Margarethe Vormittags geschrieben, hatte von Louis von Fontanieu offenbar eine Antwort erhalten, auf welche sie nicht gefaßt war.

Sie nahm ungeduldig das Billet, welches ihr Germain überreichte, las es und warf es in den Camin.

»Sagen Sie Ihrem Herrn, daß er mir unausstehlich ist. Wenn ich reisen will, so reife ich allein und ohne ihn.«

Der Marquis erblaßte, als ihm diese Nachricht überbracht wurde. Er ließ anspannen, befahl seinem Kammerdiener einen Koffer zu packen und reiste ab.

Auf der ersten Station vertauschte er seine Pferde gegen Postpferde und rief dem Postillon zu: »Nach Paris!«

Er hatte vergessen von der Marquise Abschied zu nehmen.

Dreizehntes Capitel.
Die Schmerzen eines glücklich Liebenden

Wenn Margarethe weit entfernt war, den Ueberdruß zu empfinden, der dem Besitz zu folgen pflegt, so war‘s nicht so mit Louis von Fontanieu.

Die junge Dunenserin hatte beim Fortgehen ihren neuen Geliebten ruhig schlafen lassen. Als er erwachte, war‘s spät, die Sonne schien durch die Sommerläden und färbte die Vorhänge mit breiten Purpurstreifen.

Fontanieu richtete sich auf und sammelte seine Gedanken. Die Ereignisse der Nacht, die allmälig in seinem Gedächtniß auftauchten, erschienen ihm wie ein toller, wüster Traum; allein die um ihn herrschende Unordnung bezeugte die Wirklichkeit dieses vermeinten Traumes – die fieberhafte Aufregung des gestrigen Tages war vorüber, die Nebel, welche seinen Geist umdüstert hatten, waren zerstreut und die schädlichen Einwirkungen derselben hatten aufgehört; alle seine Gedanken waren wieder auf sein Idol gerichtet.

Nun kamen die inneren Vorwürfe und Gewissensbisse. Er verwünschte seine Schwäche; aber als er später über die Rolle nachsann, welche Margarethe bei diesem Abenteuer gespielt hatte, fing er an zu glauben, sie habe mit Vorbedacht gehandelt und ihn arglistig in ihre Netze gezogen. Ohne Zweifel setzte sie bei Fontanieu mehr Einfluß auf den Marquis von Escoman voraus: sie wollte ihn zwingen, aus Zartgefühl neutral zu bleiben.

Louis war den Tag über in einer seltsamen Stimmung, die abenteuerlichen Pläne durchkreuzten seinen Geist. Er wollte den Marquis aufsuchen und ihm aufrichtig gestehen, was seit seinem Zusammentreffen mit Emma vorgegangen war; so hoffte er den von der Marquise so sehnlich gewünschten Bruch herbeizuführen. Er mußte dann freilich auf seine theuersten, wie auf seine bescheidensten Hoffnungen verzichten. Er konnte dann nicht einmal mehr als Freund in das Hotel Escoman kommen; aber diese Curtiusrolle erschien seiner jugendlichen Phantasie doch sehr anlockend.

Dieser Plan blieb indeß nicht ohne Widerspruch. War nicht zu vermuthen, daß der Marquis Emma verantwortlich machen würde für die tiefe Verletzung seiner Eigenliebe? Würde er nicht die Lage verschlimmern, die er verbessern wollte? würde er nicht dem Interesse schaden, dem er sich aufzuopfern glaubte? Er wollte nun die Marquise ins Vertrauen ziehen; aber der Gedanke an die Geständnisse, die er ihr machen mußte, lähmte seinen Willen und raubte ihm fast die Besinnung.

In dieser qualvollen Unschlüssigkeit blieb er bis vier Uhr Nachmittags. Da erhielt er den Brief Margarethens, die ihm mit glühenden, leidenschaftlichen Worten ihre Liebe, ihre Sehnsucht schilderte.

Louis von Fontanieu war entsetzt. Er hätte gern eine abwartende Rolle gespielt, und während er seine abenteuerlichen, obschon edelmüthigen Plane entworfen, hatte er doch gedacht, es sei immerhin möglich, daß ein unerwartetes Ereigniß seinen Vorsätzen in den Weg treten und ihn in die Unmöglichkeit versetze, sich heldenmüthig uneigennützig zu zeigen, wie er es wünschte. Er wollte sich nicht übereilen, sondern den vollendeten Thatsachen Zeit lassen, die Folgerungen für die Zukunft aus sich selbst herzuleiten.

Diese Folgerungen machten seine Lage schlimmer als er vermuthet hatte. Statt einer Laune, statt einer schlauen Berechnung fand er eine stürmische Leidenschaft. Er befand sich in der Lage eines Jägers, der sorglos über einen Weideplatz geht, auf welchem er nur Kühe sah, und nun auf einmal vor einem wüthenden Stiere steht.

Margarethe beschied Louis von Fontanieu unmittelbar vor die Schranken ihrer Liebe. Es war eine klare, entschiedene Vorladung. Aber Louis hütete sich wohl zu erscheinen. In gemessener Entfernung glaubte er standhaft bleiben zu können.

Er feste sich an seinen Schreibtisch und bekritzelte nach und nach zwanzig Blätter Papier, um auf die glühende Epistel Margarethens zu antworten, aber er zerriß alle seine Antworten. Endlich kam eine vieldeutige schwülstige aus hochtönenden Worten zusammengestoppelte, aber mit vielen beschränkenden und berichtigenden »Aber« gespickte Depesche zu Stande. Die Redefloskeln glichen schönen Schlingpflanzen, die man an einer häßlichen Mauer zieht, um diese zu verdecken.

Louis von Fontanieu verlor seine Mühe: Margarethe mußte die Mauer trotz der üppigen Schlingpflanzen und Blumengewinde bemerken. Der Brief schloß mit der Versicherung ewiger Freundschaft. Als ob man nur Freundschaft von ihm erwartet hätte!

Dieser Brief hatte Margarethe in den an Raserei grenzenden Zustand versetzt, in welchem sie der Bote des Marquis gefunden. Ihr Zorn ward durch die schnöde Abfertigung Escoman’s nicht mehr beschwichtigt als durch die unter den Spiegeln, Kleidern und Tüchern angerichtete Verwüstung. Der Chevalier von Montglas rettete noch den Rest des Porzellangeschirrs und der Garderobe durch das Versprechen, den gefühllosen Fontanieu lebendig oder todt zu überbringen.

Der Secretär war sehr erfreut über den Besuch des alten Chevaliers, in welchem er einen Verbündeten zu finden hoffte. Er begann die Ereignisse der Nacht mit historischer Treue zu erzählen, aber der Chevalier unterbrach ihn schon bei den ersten Worten durch Ueberreichung des Briefes, der einen so gewaltigen Sturm erregt hatte.

»Lieber Camerad,« sagte er, »hier ist Ihr Brief. Künftig vergessen Sie nicht an den ersten Paragraph des Gesetzbuches für Liebende: machen Sie den ausgedehntesten Gebrauch von der Sprache, welche der liebe Gott den Menschen gegeben hat; aber seien Sie vorsichtig im Gebrauch der Schrift, nach der die Advocaten so lüstern sind, daß man wohl glauben kann, Sie hätten die Schreibkunst erfunden.«

»Wie ist denn dieser Brief in Ihre Hände gekommen?«

»Durch eine diplomatische Combination, die einem Talleyrand Ehre machen würde. Ich komme als Abgesandter zu Ihnen. Ich brauchte ein Beglaubigungsschreiben und verIangte dieses hier; ich erhielt es mit großer Mühe. Jetzt verbrennen Sie es, sündigen Sie nicht mehr, nehmen Sie Hut und Stock und folgen Sie mir.«

»Wohin denn, Chevalier?«

»Zu dem Potentateu, dessen Stelle ich vertrete – zu Margarethe Gelis.«

»Haben Sie den Brief nicht gelesen, Chevalier?«

»Ich bin zu discret, nur mir so etwas zu erlauben; man hat mir ihn vorgelesen, und deshalb sage ich Ihnen: Kommen Sie.«

»Haben Sie denn nicht verstanden,daß ich das Mädchen nicht liebe?«

»Allerdings. Wenn Sie Margarethe liebten, würde ich diese Sprache nicht führen; aber Sie lieben sie nicht – also fort. Sie werden erwartet.«

»Chevalier, ich bin zu höflich, um Ihnen zu sagen, daß ich Sie für ein bischen närrisch halte, aber es steht Ihnen frei anzunehmen, daß ich es denke. Gestern suchten Sie mir Margarethe zu verleiden und heute sind Sie noch mehr als ihr Ritter geworden.«

»Ja, noch etwas mehr. Aber ich sehe wohl, daß mein Benehmen gegen Sie einer Erklärung bedarf. Hören Sie mich also an. Escoman hatte mich beleidigt. Sie waren dabei. Mit einem Degenstoß zu antworten, wäre gar zu alltäglich gewesen, und dann ist‘s auch eine ungenügende Rache. Ein Degenstoß hat denen, die nicht auf dem Platze bleiben, nie Schaden gethan. Ich wollte ihm eine Kanonenkugel in die Breitseite schicken, um ihn unter vollen Segeln in den Grund zu bohren. Ich erkor Sie zur Kanonenkugel und warf Sie auf die Margarethe. Nehmen Sie mir‘s nicht übel, lieber Freund, daß ich Sie zu diesem Bombardierdienste erkor; aber ich konnte diesen Dienst doch nicht selbst versehen. Ich kann die Weiber nicht überreden, daß ich mich sehr gut conservirt habe. Sogar die liebe Frau Bertrand zieht mir einen Unterlieutenant vor! Ueberdies ist die Zuneigung, die ich für Sie hege, durch Reue verdoppelt worden: ich glaubte, Sie nähmen die Sache ernsthaft, Sie würden nach Art der heutigen jungen Leuten einem Mädchen dieser Art eine platonische Liebeserklärung machen, und das verleidete mir meine Rache. Sie werden gestehen, daß ich Ihnen eine Menge guter Lehren gegeben habe, die Sie uns einem triftigen Grunde nicht befolgen wollten. Diese Ursache hat, sobald sie mir klar wurde, meine Stimmung und mein Verhalten verändert – Sie lieben also Margarethe nicht! Sie Glücklicher, lassen Sie sich lieben. Sie werden Ihrer Gleichgültigkeit eine sehr hübsche Rolle verdanken: Sie marschiren ins Feuer, ohne daß Sie die mindeste Verwundung zu fürchten haben. Ich möchte es den Stein der Weisen nennen, den Sie gefunden haben und nicht aufheben wollen.«

»Scherz bei Seite, lieber Chevalier,« antwortete Louis von Fontanieu. «Ein Moment der Verirrung machte mich zum Geliebten Margarethens, aber dies ist, wie ich glaube, kein genügender Grund, diese Rolle, die ich sehr bereue, weiter zu spielen. Lassen Sie daher von weiterem Zureden ab, es ist vergeblich, ich liebe eine Andere.«

»Ich weiß es, lieber Freunde ein Wort, das Ihnen entschlüpft ist, hat mir’s verrathen. Sie lieben die Marquise, die Verfasserin der famosen grünseidenen Börse. Ich lese zu schlecht in den Büchern, um nicht mit einer gewissen Geschicklichkeit in den Gesichtern zu lesen. Ich kenne Ihr ganzes Histörchen. Ich soll ernsthaft reden. Ihr Wunsch soll erfüllt werden. Ich behaupte, daß man über den Charakter einer Frau eben so wenig eine Meinung feststellen kann, wie über die Farbe des Chamäleons. Das Weib ist nichts als eine schillernde Farbe. Ich will indeß zugeben, daß die schöne Marquise so tugendhaft sei wie irgend eine Dame der Welt. Ist es denn so schön, die Rolle eines blöden Schäfers zu spielen? Noch schlimmer ist’s, wenn die Tugend der Marquise, wie ich wohl behaupten möchte, bloßer Schein ist. Sie sind nicht reich genug, eine Geliebte zu erhalten, und versuchen Ihr Glück bei den vornehmen Damen! Armer Thor! Nichts ist theurer als was man umsonst hat. Sie brauchen Ihre Zeit und Ihre Freiheit; man wird Ihnen beides rauben. Ich sehe Sie schon, wie Sie das Schnupftuch und den Blumenstrauß der gnädigen Frau tragen und die Prahlereien des Marquis geduldig anhören. Kurz, Sie kommen in den Schraubstock und werden zerquetscht, gefeilt, gedreht und endlich völlig platt gedrückt. Sie sind auf der Reise in das Land der Träume; Theuerster, lassen Sie den Eilwagen anhalten, bezahlen Sie den Schaffner, steigen Sie aus und füllen Sie Ihre Mußestunden mit leichten Liebschaften aus; es sind die einzigen für Jeden, der von dem Manne mehr haben will als den Namen; die einzigen, in denen man die Unabhängigkeit des Herzens und Geistes, des Denkens und Handelns bewahren kann, welche den Herrn der Schöpfung kennzeichnen soll. Eine Cokette lieben! Gerechter Himmel, da könnte man das Los eines tollen Hundes beneiden!«

Es gab noch eine dritte Möglichkeit, die der Chevalier mit Stillschweigen überging. Vielleicht erwiederte die Marquise die Liebe Fontanieu’s. Dieser hätte in ihrem Nennen gern reclamirt, aber ans Bescheidenheit schwieg er.

Montglas sprach noch ein Langes und Breites über die Vortheile eines Verhältnisses, dessen man sich so leicht und schnell entledigen könne, wie eines aus der Mode gekommenen Rockes. Diese Beweisgründe machten aber auf Louis von Fontanieu nur einen geringen Eindruck, und die Redseligkeit des alten Roué schadete offenbar der Sache, zu deren Vertreter er sich gemacht hatte. Er ermüdete seinen Zuhörer.

Er bemerkte es und versuchte es mit andern Beweggründen die mehr Einfluß auf die Stimmung des jungen Mannes haben mußten. Er erzählte ihm, Margarethe habe entschieden mit dem Marquis gebrochen, die ganze Stadt spreche davon und sehr wahrscheinlich wisse es auch die Marquise. Er sprach von den Pflichten, welche Fontanieu nach der-Abreise des Marquis gegen die Verlassene habe. Aber Fontanieu ließ sich nicht überreden. Um seine Bedenken zu besiegen, machte Montglas die noch zurückgehaltenen Beweggründe geltend. Er schilderte die gewaltige Leidenschaft des Marquis; er erzählte den Auftritt, dessen Zeuge er gewesen war; er pries die edle Zuneigung seines jungen Freundes für Emma und gab diesem zu verstehen, daß er vielleicht vergebens hoffen werde, wenn Margarethe am Ende noch den Entschluß faßte, ihren alten Freund in Paris aufzusuchen.

Mehr bedurfte es nicht, um Louis von Fontanieu zu rühren, zu überzeugen. Er vergoß Thränen.

Montglas begrüßte diese weiche Stimmung und führte seinen jungen Freund zu Margarethe. Diese war zu glücklich, ihn wiederzusehen, als daß sie ihre Zeit mit Vorwürfen hätte verlieren mögen.

Der Chevalier begab sich in den Clubb, um den Mitgliedern zu erzählen, was unter der Löwenhaut steckte, in welche sich ihr Präsident bis dahin so dicht gehüllt hatte.

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Дата выхода на Литрес:
30 ноября 2019
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410 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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