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Читать книгу: «Liebesdramen», страница 23

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Neuntes Capitel.
Montglas als junger Ehemann

Wenn die junge Gräfin von Montglas durch das plötzliche, fast beleidigende Verschwinden Fontanieu’s unangenehm berührt worden war, so war sie doch zu stolz, um es merken zu lassen. Sie hatte ihrem Gemahl die Rolle zugetheilt, welche er künftig spielen sollte; für sich selbst hatte sie natürlich die Hauptrolle behalten. Der Marquis von Escoman wurde mit den Freundlichkeiten beglückt, welche sie ihrem zweiten officiellen Verehrer zugedacht hatte.

Margarethe war so reizend in ihren glänzenden Umgebungen, daß der Marquis, die seiner Eigenliebe geschlagenen Wunden nicht achtend, die ihm angebotene Rolle eines Cicisbeo mit Vergnügen übernahm.

Er speiste mit dem jungen Paar und zeigte sich als galanter Weltmann, ohne daß sein Freund Montglas den mindesten Anstoß daran zu nehmen schien.

Die kleine, nur aus drei Personen bestehende Gesellschaft blieb bis spät in die Nacht im Salon. Der Marquis zeigte gegen Margarethe eine Zuvorkommenheit, welche sie wohl an glückliche Tage erinnern mochte. Sie schien ihre zärtlichen Anwandlungen von diesem Morgen ganz vergessen zu haben. Sie warf dem Marquis dieselben schmachtenden Blicke zu, mit denen sie die Vorsätze Fontanieu’s zu erschüttern gesucht hatte.

Montglas schien gar nicht zu beachten, was um ihn vorging. Er las eine Zeitung, ohne sein leises Gespräch zwischen Margarethe und dem Marquis zu beachten. Ein ironischer Zug um den Mund deutete indeß an, daß der alte Edelmann keineswegs geneigt war, die ihm zugetheilte passive Rolle zu übernehmen.

Endlich kam die Stunde, wo sich der Marquis von Escoman entfernen mußte.

Montglas und seine Frau begleiteten ihn bis an die Salonthür. Er drückte ihm herzlich die Hand; sie verabredete mit ihm, wie sie den morgenden Tag verleben wollten.

Als sie Beide allein waren, setzten sie sich einander gegenüber. Sie war sehr glücklich; er war nachdenklich.

»Der liebe Escoman ist wirklich ein liebenswürdiger Cavalier,« sagte Montglas; »finden Sie das nicht auch, Gräfin?«

Margarethe sah ihren Mann an. Er meinte es wirklich so wie er sagte.

»Ja,« antwortete sie.

»Es ist wirklich Schade, daß ein so geistreicher Mann so wenig Herz hat.«

»Ich verstehe Sie nicht?«

»Es ist aber doch kein Räthsel. Ich habe mich unter den Schutz der Gastfreundschaft gestellt, und den ganzen Abend hat er mir bewiesen, daß er vom Gastrecht keinen Begriff hat, oder dasselbe nicht achtet.«

Die Gräfin von Montglas lachte laut.

»Sind Sie etwa eifersüchtig?« sagte sie.

Montglas stimmte in ihr Gelächter mit ein.

Wer sie draußen gehört hätte, würde geglaubt haben, daß die neuen Gatten ihre Flitterwochen sehr lustig begannen.

»Sie sind nicht großmüthig, Gräfin. Sie erinnern mich sehr schonungslos an mein Alter. Um eifersüchtig zu sein, muß man lieben. Mein Herz ist noch jung, aber es gibt mancherlei Verhältnisse, welche Einsprache thun.«

»Wenn Sie nicht eifersüchtig sind, was kann Ihnen denn an einigen alltäglichen Galanterien liegen?«

»Wir wollen aufrichtig gegen einander sein, Gräfin. Beantworten Sie klar und deutlich meine Fragen, und ich werde Sie über meine Absichten aufklären. Auf diese Art werde ich Ihnen großen Verdruß ersparen – Haben Sie die Absicht, mich zu – Sie wissen, was ich sagen will.«

»Wozu diese Frage?«

»Fragen ist nicht antworten. Doch im Grunde habe ich mich zu erklären. Wären wir Beide jung und Beide reich, so würde mein Wunsch, Ihnen angenehm zu sein, sehr Vieles übersehen, selbst wenn Sie es nicht ganz bei den alltäglichen Galanterien bewenden ließen. Sie wissen was ich meine. Ich würde nach den Gesetzen der feinen Sitte den Anstand beobachten, ein Auge zudrücken. Aber unser Verhältniß ist ein ganz anderes. Sie sind jung, und ich bin alt. Sie sind reich, und ich bin arm. Wenn ich daher gewisse harmlose, aber vom Publikum sehr streng beurtheilte Ausschreitungen dulden, so würde man sagen, der Graf von Montglas setze seinem – stürmischen Leben durch eine gemeine Speculation die Krone auf. Es ist schon genug, daß man es denkt, aber es soll nicht gesagt werden.«

»Aber das Publicum weiß ja,« erwiederte Margarethe stolz, »daß wir Beide nur ein Geschäft gemacht haben.«

beneficium inventarii übernommen; ich habe Ihnen meinen Namen gegeben. Margarethe Gelis ist verschwunden. Ich habe Ihnen eine Krone ausgesetzt, vor der man sich verneigen wird, ohne sich zu kümmern, wer sie trägt. Aber für einen Mann von Charakter – und ein solcher bin ich – verstand es sich von selbst, daß ich Sie nicht zur Gräfin von Montglas machte, um meinen Namen von Ihnen entehren zu lassen. Sie sollen mich nicht zwingen, die zwölf Perlen dieser Krone in der Gosse zu suchen. Sie werden genug Takt und Zartgefühl haben, um einzusehen, daß ich das Leben sehr theuer bezahlen würde, wenn ich Ihr – Sie wissen schon, was ich sagen will.«

»Und was für Mittel haben Sie, zu hindern was Sie so sehr fürchten?« erwiederte Margarethe trotzig und mit zornglühenden Blicken.

»Ich danke Ihnen für diese Frage, die zugleich ein Geständniß und eine Kriegserklärung ist. Jetzt hören Sie mich an,« sagte Montglas mit der größten Ruhe.

»Vormals, in der guten alten Zeit, wenn ein Edelmann in eine Ehrensache verwickelt war, die nur mit Blut zu schlichten ist, wenn ihn eine plumpe Hand ins Gesicht schlug, so zog er seinen Degen, und nachdem er ihn seinem Beleidiger in die Brust gestoßen, tauchte er seine Hände in das strömende Blut und wusch sich das Gesicht damit. Jede Schmach läßt sich mit Blut abwaschen. Bedenken Sie das, Gräfin von Montglas; es ist sehr möglich, daß Ihr Kleid mit Blut bespritzt werde.«

Montglas sprach in einem ihm sonst ganz ungewohnten, eisigkalten, drohenden Tone, der auf Margarethe einen erschütternden Eindruck machte. Sie antwortete ihm nur mit einem giftigen Blicke. Dann schellte sie und ging in ihr Schlafzimmer.

In Gegenwart der Dienerschaft nahm der alte Edelmann seine sorglose Haltung wieder an, und er zeigte im Gespräch eine geistige Beweglichkeit, die Margarethe bedenklicher fand, als alle seine Drohungen. Es ward ihr entsetzlich bange, als er ihr, über sein Alter scherzend, gute Nacht wünschte.

Sie ging rasch in ihr Schlafzimmer, während Montglas sich in feine Wohnung begab. Der räthselhafte Unbekannte, der im Gasthofe beständig bei ihm gewesen war, erwartete ihn hier, ohne der Dienerschaft, die ihn für den Kammerdiener des neuen Herrn hielt, im mindesten aufzufallen.

Als Margarethe mit ihren Zofen allein war, befolgte sie keineswegs das Beispiel der Mäßigung, das ihr Montglas gegeben hatte. Sie ließ ihrem Zorn steten Lauf, sie riß sich die Blumen aus den Haaren, zerriß ihr seidenes Kleid und schickte die Zofen fort, sobald diese eine Frage wagten.

Kaum war sie allein, so eilte sie an die Thür eines Cabinets, welches zu einer Hintertreppe führte. Sie lauschte eine Zeit lang und hörte kein Geräusch.

»Niemand da,« flüsterte sie; »er wird des langen Wartens müde geworden sein und das Hotel verlassen haben. Gott sei gelobt!«

Dann ging sie in ihr Schlafzimmer zurück.

»Der Graf von Montglas glaubt mich einzuschüchtern,« sagte sie; »er droht mit dem Pistol, das er gegen sein armseliges Gehirn gerichtet haben würde, wenn ich ihn nicht daran gehindert hätte. Er will mich zu seiner Sclavin machen, weil ich Mitleid gehabt mit seiner Armuth und mit seinem traurigen Vorsatz. Aber er soll sich nach seiner Armuth zurücksehnen und das Pistol wieder zur Hand nehmen. Ich werde ihn dazu zwingen.«

Sie warf sich in einen Sammtfauteuil und versank in Gedanken, für welche sie wahrscheinlich nicht das Glück und die Ruhe ihres alten Mannes zum Text genommen hatte.

Plötzlich wurde dreimal ziemlich stark an die Cabinetsthür geklopft. Sie sprang auf, riß die Thür auf und stand vor dem Marquis von Escoman.

»Sie! Sie hier!« sagte sie betroffen.

»Allerdings. »Verzeihen Sie, daß ich nicht früher heraufgekommen bin. Ich war eingeschlafen in der Kutsche, wo ich mich auf Ihre Weisung versteckte, bis es mir vergönnt sein würde, die Treppe der Liebe zu ersteigen.«

»Gehen Sie, ich bitte Sie!«

dieser Nacht? Wir sind ja allein, warum soll ich denn gehen?«

»Es muß sein, Marquis. Er hat gewisse Anwandlungen von Ehr- und Zartgefühl bekommen, – er sprach von seiner Grafenkrone, von dem Blute, mit welchem er jeden Makel von seinem Wappen abwaschen würde. Er ist im Stande, Sie zu erschießen. – Gehen Sie, ich beschwöre Sie!«

»Ei was! er hat Dich nur gefoppt. Montglas nimmt solche Albernheiten nicht für ernst. Glaubst Du denn, er habe nicht gewußt, welcher Gefahr er sich aussetzen würde, wenn er Dich heiratete?Er sollte so spießbürgerlich empfindlich sein! Du bist von Sinnen; er will morgen über deine Furcht lachen – oder Dich vielleicht bewegen, sein Jahrgeld zu verdoppeln.«

»Er sprach im vollen Ernst, sage ich Ihnen; das Blut erstarrte mir in den Adern, als ich ihm zuhörte. – Geh, ich beschwöre Dich. Ich werde Dich morgen sprechen – hier, in deinem Hause, oder wo Du willst. Aber geh geschwind – Ach, mein Gott! ich habe vergessen, die Riegel vorzuschieben.«

Sie eilte an die Hauptthür ihres Zimmers und bemerkte mit Schrecken, daß sowohl die Riegel als auch der Schlüssel verschwunden waren.

»Er weiß Alles,« sagte sie stammelnd. »Sieh nur, er hat uns jedes Mittel genommen, uns einzuschließen. – Komm, wir wollen fort – ich will mit Dir fliehen!«

»Nicht doch,« erwiederte der Marquis mit der größten Kaltblütigkeit. »Dem armen Montglas seine Brautnacht stehlen, wie Du es beabsichtigtest, schöner Dämon, schien mir höchst komisch; aber ihn als Othello zu sehen, wäre noch spaßhafter. Ich bleibe.«

Der Marquis von Escoman zog mit der größten Kaltblütigkeit eine Cigarre aus dem Futteral und zündete sie an einer Wachskerze an.

In diesem Augenblicke that sich die Thür leise auf und das spöttische Gesicht des Grafen von Montglas schaute herein.

»Pfui!« sagte er. »Die heutigen Edelleute machen’s so. Das Schlafzimmer einer hübschen Frau für einen Pferdestall zu nehmen!«

Bei diesen Worten ging er ans Fenster, öffnete es langsam und hüstelte nach Art der alten Leute, die den Tabakrauch nicht vertragen.

Montglas schien aus dem Zwischenstock herausgekommen zu sein, als er eben zu Bett gehen wollte, denn er hatte Rock und Weste ausgezogen. Er hatte keine Waffen in der Hand, und in seinen Kleidern konnte er keine verbergen.

Der Marquis von Escoman war aufgestanden. Margarethe konnte nicht gelassen bleiben, die Drohungen ihres Mannes klangen ihr noch in den Ohren. Sie eilte auf die Cabinetsthür zu und versuchte sich in die Dunkelheit zu flüchten.

»Aber auf den obersten Stufen der Treppe stieß sie an eine schwarze Gestalt, und als sie wieder im Halbdunkel des Cabinets war, bemerkte sie, daß die Gestalt jeden Schritt mit einer tiefer Verbeugung begleitete.

So kamen Beide wieder in das Schlafzimmer, und hier verneigte sich der Unbekannte noch ehrerbietiger als zuvor.

Er war ein Mann von etwa vierzig Jahren. Sein Gesicht verrieth den südlichen Ursprung. Sein Haar war rabenschwarz. Sein bräunliches Gesicht war von einem großen Backenbarte eingerahmt. Sein Blick war stechend und stand im grellsten Widerspruch zu seinem freundlichen, fast unterwürfigen Lächeln. Er war offenbar ein Italiener.

»Ich stelle Ihnen den Signor Fortini vor, Gräfin. Er ist ein berühmter Fechtmeister. Ich empfehle Ihnen seine Lectionen, Marquis. Er ist überdies denen, die ihn in ihre Dienste nehmen, sehr ergeben. Für den Augenblick ist er mein.«

Während dieser Lobrede, welche Montglas dem Signor Fortini hielt, hatte dieser nicht aufgehört sich zu verneigen. Dabei bemerkte Margarethe zwei Degen, die der Italiener hinter seinem Rücken so gut als möglich zu verbergen suchte.

»Sie wollen uns doch nicht umbringen?« rief sie, auf ihren Mann zu eilend.

»Sie umbringen, Gräfin! Diese Beleidigung hätten Sie mir ersparen sollen. Ich bin kein Othello; ich morde nicht einmal die, welche mein Vertrauen schmählich mißbrauchen; ich tödte sie im ehrlichen Zweikampf – wenn ich kann.

« Bei diesen Worten sah Montglas den Marquis von Escoman scharf an.

»Es ist gut, Graf,« antwortete der Marquis, der ruhig seine Cigarre rauchte. »Morgen sollen sich meine Secundanten mit den Ihrigen verständigen.«

»Nicht doch, der Fall ist ganz eigenthümlich, und eigenthümlich muß auch die Rache sein. Ein Duell würde morgen großes Aufsehen im Publicum, und dem Helden wie der Heldin große Ehre machen; es würde die Anzahl der beiderseitigen Eroberungen verdoppeln, und das will ich nicht. Wenn es hingegen bekannt wird, daß man im Schlafzimmer der Gräfin von Montglas Gefahr läuft, im Blut auszugleiten, so dürfte wohl Niemand Lust bekommen, dasselbe zu betreten. Wir schlagen uns hier, und auf der Stelle.«

»Was fällt Ihnen ein! Wir haben ja keine Sekundanten.«

»Bah! ich habe meinen getreuen Signor Fortini, der bei solchen Gelegenheiten nie einen Freund verläßt. Die Gräfin wird Ihnen secundiren; sie wird für ihren Gegner gewiß nicht Partei nehmen, daraus können sie sich verlassen. In dringenden Fällen genügen zwei Sekundanten.«

Margarethe, die ganz erschöpft auf einen Fauteuil gesunken war, stand auf.

»Sie werden mich nicht zwingen, diesem Zweikampf beizuwohnen,« sagte sie. »Ich werde schreien, die Vorübergehenden anrufen – Hilfe! Hilfe!«

dieser Nacht mit dem Herrn Marquis getroffen habe und daß derselbe sich längst das Ansehen gegeben hatte, als ob er das Hotel verlasse. Bedeuten Sie, daß ich Sie Beide umbringen könnte, wie Sie sagten, ohne daß ich dafür zur Verantwortung gezogen werden könnte.«

Die Gräfin von Montglas war außer sich vor Entsetzen. Sie machte eine Bewegung gegen die Cabinetsthür. Signor Fortini aber, der seinen Posten nicht verlassen hatte, gab ihr mit dem anmuthigsten Lächeln zu verstehen, daß er die Thür verschlossen habe.

Sie fiel auf die Knie und verbarg ihr Gesicht in dem Polster eines Armsessels, um nichts zu sehen, und hielt die Hände auf die Ohren, um nichts zu hören.

»Signor Fortini,« sagte Montglas, »reichen Sie dem Marquis Ihre Degen, damit er wähle.«

»Aber dieses Duell ist abgeschmackt —«

»Vor Allem bitte ich Sie, Marquis, meiner nicht zu schonen. Ich hatte mir im voraus versprochen, daß der erste Gönner der Gräfin mit einer Wunde davonkommen sollte; aber so eben änderte sich meine Ansicht, und ich habe mir vorgenommen, hoch zu spielen. Halten Sie sich gut.«

»Darf ich die Ursache dieser veränderten Ansicht wissen, Graf?« fragte der Marquis von Escoman, indem er Rock und Weste ablegte.

»Der Wunsch, glücklich zu machen. Ich bin Philanthrop geworden.«

»Ich verstehe Sie nicht.«

»Glauben Sie denn, daß Ihnen die arme Marquise viele Thränen nachweinen würde? Sehen Sie nicht ein, daß Ihr Tod ein sehr willkommener Anlaß zur Aussöhnung mit dem braven Fontanieu werden könne? daß er dann Ihren Platz einnehmen wird, wie Sie diesen Abend den seinigen eingenommen? Es wird das dritte Mal sein, Marquis, und aller guten Dinge müssen ja drei sein.«

Während Montglas sprach, kreuzten sich die Klingen. Durch die höhnischen Worte erbittert, stürzte der Marquis wüthend auf seinen Gegner los. Er fiel blitzschnell aus; aber der alte Edelmann parirte mit eben so vieler Ruhe als Geschicklichkeit, machte eine rasche Seitenbewegung rechts, und ehe der Marquis mit seinem Degen die Klinge seines Gegners wiederfinden konnte, stieß ihn dieser durch die Brust.

Der Marquis streckte die Arme aus, stieß einen schnell durch das aufsteigende Blut erstickten Schrei aus und fiel nach vorn auf den Teppich. Der Fußboden zitterte unter dem jähen Sturz, das Porzellan auf den Etageren klirrte.

Diese so seltsame Erschütterung besiegte den Entschluß Margarethens, diesem furchtbaren Auftritt zu entgehen. Sie richtete sich auf und bemerkte den Marquis, der in den letzten Todeszuckungen lag.

Sie wollte rufen, aber die Stimme erstarb ihr in der Kehle; sie wollte davoneilen, aber ihre gelähmten Füße versagten ihr den Dienst. Sie blieb stumm, regungslos, mit bleichen Lippen, weit offenen starren Augen, ähnlich einer Bildsäule des Schreckens.

Inzwischen hatte sich Signor Fortini, der bis dahin still gestanden, in Bewegung gesetzt. Er trat auf den Marquis von Escoman zu, kniete neben ihm nieder, zerriß sein Hemd und entblößte die Wunde, aus welcher ein schäumender Blutstrom hervorquoll. Die weißen Rosen des kostbaren Teppichs wurden roth gefärbt. Er betrachtete die Wunde mit großer Aufmerksamkeit, zählte die Rippen, um zu ermitteln, ob noch Hilfe möglich sei; aber als er seine Untersuchung beendet hatte, näherte er sich dem Grafen von Montglas mit dem vergnügten Gesicht eines Lehrers, der mit seinem Schüler zufrieden ist.

»Armer Signor!« sagte er zu ihm, »Ihr Professore legt große Ehre mit Ihnen ein. Sie haben ihn durch’s Herz gestoßen, Sie haben sich den Fleck auf meinem Brustharnisch wohl gemerkt.«

Der alte Edelmann lächelte.

»Madame,« sagte er, sich zu seiner Frau wendend, »wenn Sie nicht etwa meinen Meister Fortini als Geliebten nehmen, so bin ich fest überzeugt, daß ich jedem andern Erwählten das Stichblatt meines Degens als Pflaster auf die Brust heften werde, wie dem armen Escoman, der über meinen Witz so oft gelacht hat. – Sie sehen wohl, daß Sie vernünftig sein müssen, Sie können nicht anders.«

Der Chevalier von Montglas ließ die Polizei von dem Vorfall in Kenntniß sehen; dann begab er sich in sein Zimmer, um die erste Nacht nach seiner Vermählung in seinem Bett zu beschließen.

Schlu ß.
Schwester Martha (vormals Emma von Escoman) an die Gräfin von Fontanieu

Im Kloster der Ursulinerinnen zu Caen,
den 23. October 1834.

Frau Gräfin!

Seit gestern gehöre ich Gott. Er hat sich der Sünderin erbarmt, wie unwürdig sie dessen auch war seine Güte hat ihr Flehen erhört In dem neuen Leben, welches ich führe und welches nur eine Vorbereitung zum Himmel ist, erscheinen mir die irdischen Dinge in einem ganz neuen Lichte. Das Urtheil der Welt sagte mir, daß eine weite Kluft die Mutter der Gnaden von der Verirrten trennte, welche die göttlichen Gesetze verletzte, der Mißbilligung der Gesellschaft Hohn gesprochen hatte, um nur ihren Leidenschaften zu folgen; daß ihr selbst jeder von Demuth und Reue gebotene Schritt untersagt sei. Heute, wo der Grabstein nur den Augenblick erwartet, wo Gott mich abrufen wird, um sich auf mein Haupt zu senken; heute, wo sich meine Seele nach und nach ihrer Fesseln entledigt; heute, wo ich in dem Manne, der meine Verirrungen theilte, nur noch meinen theuren Freund, meinen vor Allen geliebten Bruder in Christo sehe, glaube ich nicht vergebens zu bitten, Frau Gräfin, wenn ich Ihre Verzeihung erstehe. Ich habe Ihnen viel Schmerz und Kummer bereitet, aber Sie werden mir nicht verweigern, was mir der Allgütige gewährt.

Um Ihre Verzeihung zu erlangen, will ich nicht von meinen Leiden sprechen. Ich habe viel gelitten; aber was sind alle meine Leiden im Vergleich mit meinen Verirrungen! Ich wende mich nur an Ihr Herz; Ihr weiches, zartes Gemüth läßt mich hoffen, daß Sie mir ihr Mitleid nicht versagen werden. Unsere Gefühle vereinigen sich ja in einem und demselben Gegenstande; wir sprechen ja einen und denselben Namen, mit gleicher Zärtlichkeit aus, und ich hoffe, Sie werden Gott bitten, daß mir die Thränen, welche Sie um meinetwillen vergossen, nicht angerechnet werden, wenn ich vor dem höchsten Richter erscheine.

Der Tod des Marquis von Escoman hat mich wieder in den Besitz eines Vermögens gesetzt, auf welches ich längst verzichtet hatte, als ich erkannte, nach welchen ewigen Gütern man hiernieden streben muß. Ich habe meine ganze Hoffnung auf die himmlischen Güter gesetzt und bin zu reich, als daß ich die Erdengüter nicht verschmähen sollte. Ich bringe also kein Opfer, indem ich darauf verzichte; keiner der zu Betheiligenden ist mir Dank dafür schuldig.

Mittelst einer von Herrn Bournieu, Notar zu Caen, verfaßten Schenkungsurkunde theile ich dieses Vermögen in zwei Hälften. Die eine Hälfte widme ich den Armen von Châteaudun, welche für mich und für Alle, die mir in dieser Welt theuer waren, beten werden. Ich habe mir die Freiheit genommen, über die andere Hälfte zu Gunsten Ihrer Nichte, Octavia von Fontanieu, zu verfügen. Ich bitte Sie, Madame, diese Schenkung im Namen Ihrer Nichte anzunehmen. Kommt es mir zu, Ihnen die Gründe zu sagen, welche Sie bestimmen könnten, diese Gabe der armen Nonne nicht zurückzuweisen? Ich weiß, daß sie zum Glücke des Wesens, welches Ihnen am theuersten in der Welt ist, sehr viel beitragen wird.

Es wird Ihnen sonderbar scheinen, daß ich Ihnen aus meiner Einsamkeit mittheile, was in der Seele der Ihnen am nächsten stehenden Personen vorgeht, und gleich wohl kann ich verbürgen, was ich Ihnen mittheile.

Vor sechs Monaten gab sich mein Herz wieder neuen trügerischen Hoffnungen hin: ich glaubte den schriftlichen Mittheilungen meines gemeinsamen Freundes. Ich glaubte genug gelitten, genug geweint, genug gebetet zu haben, um den göttlichen Zorn zu beschwichtigen. Ich war frei. Um mir anzugehören, hatte er nicht mehr nöthig, der Gesellschaft und ihren Gesetzen Trotz zu bieten und die furchtbaren Kämpfe zu bestehen, in denen seine Liebe unterlegen war. Ich begab mich nach Saint-Germain. Eine geheime Ahnung warnte mich, den stürmischen Wünschen einer immer noch glühenden Leidenschaft nicht nachzugehen und mich, bevor er um meine Anwesenheit wisse, zu überzeugen, ob er noch an die Abwesende denke. Drei Tage beobachtete ich Ihr Haus, Madame. Endlich that sich die Thür auf. Mein Herz pochte so ungestüm, wie in der Zeit, als ich ihm in Châteaudun begegnete; es bebt noch bei dieser Erinnerung.

Er kam und führte seine Cousine an der Hand. Sie ist so klein und zart, daß ich sie für ein Kind hielt und mein stürmisch bewegtes Herz sich ziemlich beruhigte.

Ich folgte Ihnen; Sie gingen, ein Buch tragend, hinter den beiden jungen Leuten her. Es wurde ein Spazirgang in den Wald gemacht. Bald wurde ein Reh verfolgt, bald ein Fasan oder ein Singvogel aufgescheucht. Endlich befanden sich die beiden jungen Leute einige hundert Schritte von Ihnen entfernt. Ich sah wie er sich von Zeit zu Zeit bückte, um auf dem moosigen Boden des Waldes eine Blume zu pflücken; sie ging in einer schmalen Allee fort. Er näherte sich ihr und reichte ihr einen Strauß, Maiblumen und Veilchen. Sie nahm den Strauß, aber ehe sie es an die Brust steckte, zog sie einen andern verwelkten Blumenstrauß hervor, welcher wahrscheinlich seit dem letzten Spazirgange in ihrem Busen gesteckt hatte, und tauschte ihn gegen den eben erhaltenen aus. Er küßte den Strauß mit jener leidenschaftlichen Glut, die er einst —. Mehr vermochte ich nicht zu ertragen. Ich eilte fort; aber ich war so verwirrt, daß ich den Weg verlor und noch einmal in die Nähe der beiden Liebenden kam. Sie gingen Arm in Arm; sie schwiegen, aber ihre Augen sprachen. Der zärtliche Blick des jungen Mädchens zeigte, daß sie kein Kind mehr war; eine innere Stimme, die nie trügt, sagte mir, daß sie einander liebten.

Ja, Madame, sie lieben einander. Ich bezeuge es bei der schon lange blutenden Wunde, welche diese letzte getäuschte Hoffnung in meiner Seele zurückgelassen hat, bei den Thränen, die ich vergossen, bei dem unendlichen Weh, das ich empfunden. Jetzt habe ich Alles überwunden, ich wünsche nur ihr beiderseitiges Glück; ich liebe Ihre Nichte um seinetwillen, dessen Geschick sie theilen wird. Ich finde einen Trost in dem Gedanken, daß das Vermögen, welches ich ihr anbiete, eine Verbindung erleichtern wird, welche Sie wegen der beiderseitigen Armuth für unmöglich hielten.

Er ist gut. Die sorgsame Pflege, die er der armen Susanne während ihrer traurigen Krankheit gewidmet, die aufrichtige Trauer, mit welcher er sie zu Grabe geleitet hat, würde es beweisen, wenn es nöthig wäre. Aber er hat die Schwäche der überspannten Gefühle; je schwärmerischer seine Gefühle, desto schwächer ist er. Sein Wankelmuth, kann gefährliche Folgen haben. Er lebe mit seiner Erwählten auf dem Lande; in der Ruhe eines regelmäßigen Lebens, in der leichten Pflichterfüllung wird sich sein leidenschaftliches, rastloses Gemüth beruhigen, wird sein Geist nach und nach eine feste Richtung nehmen. Ach, hätten wir doch nie das Clos-beni verlassen!

Ich wollte die letzte Zeile ausstreichen; aber ich habe mich besonnen und lasse sie stehen: sie beweist mir, daß für, mich die Sühne erst beginnt. Denn wie sehr ich mich bis jetzt auch bestrebt habe, die lebhaften Erinnerungen an die Vergangenheit zu ertödten, so sind sie doch noch stärker, als meine Reue, als meine Furcht vor der ewigen Gerechtigkeit. Bitten Sie für mich, daß mich der Schmerz läutere, daß er jede selbstsüchtige Regung aus meiner Seele verbanne. Mein größter Wunsch ist, daß mich Gott bald zu sich rufe. Dort oben kann ich ihn vielleicht ohne Sünde lieben. Ich schaudere, während ich diese Worte niederschreibe; aber unter allen Freuden des Paradieses scheint mir diese die kostbarste.

Leben Sie wohl Madame, und empfangen Sie die Versicherung der ebrerbietigsten Zuneigung Ihrer Schwester

Martha.«

Drei Monate nach dem Empfange dieses Briefes vermählte sich Louis von Fontanieu mit seiner Cousine Octavia. Montglas war sein Zeuge, obschon das Programm, welches der alte Edelmann für die Hochzeit seines jungen Freundes entworfen hatte, einige Abänderungen erlitt.

Die alte Frau von Fontanieu glaubte ihrem Sohne, so lange sie lebte, verhehlen zu müssen, woher das unerwartete Vermögen kam, welches sie im Namen ihrer Nichte – angenommen hatte. Sie fürchtete mit Recht seinen Wankelmuth und die Rückkehr seiner früheren Leidenschaft.

Die Marquise von Escoman starb im Jahre 1836. Louis von Fontanieu, der ein Landedelmann geworden und mit seinen landwirthschaftlichen Verbesserungen sehr beschäftigt war, empfing die Nachricht von diesem Tode mit einer Gleichgültigkeit, welche seine Mutter in Schrecken setzte.

Die Liebe mancher Männer ist den Blumen ähnlich, welche, wenn sie vertrocknet sind, weder ihre Farbe noch ihren Duft bewahren.

Der vormalige Chevalier und nunmehrige Graf von Montglas erreichte ein sehr hohes Alter. Er wollte hundert Jahre alt werden, um die Gräfin, die er zwanzig Jahre mit Argusaugen bewachte, zu ärgern. Aber die Gicht beschloß, daß Margarethe zuerst Trauer anlegen sollte; die Trauerkleider standen ihr zwar nicht mehr so gut wie früher, als sie Witwe zur linken Hand geworden war, aber sie erfüllte diese Pflicht doch in recht anständiger Weise.

E n d e
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0+
Дата выхода на Литрес:
30 ноября 2019
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410 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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