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Читать книгу: «Liebesdramen», страница 6

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»Allerdings, es gibt ja sonst keine Margarethe in Châteaudun. Ja, Madame, Margarethe Gelis verschlingt ihn mit den Augen, wie Sie eben thaten; sie ist in ihn vernarrt. Sind Sie nun zufrieden?«

»Was sagen Sie, Chevalier?« sagte Louis von Fontanieu, unwillkürlich erröthend.

»Mordieu! ich sage die Wahrheit, wie immer. Es ist indeß gut, daß Sie es wissen. Margarethe ist in Ihre liebenswürdige Person so vernarrt, daß sie im Stande ist sich Ihnen diesen Abend beim Dessert an den Kopf zu werfen.«

»O das ist viel zu schmeichelhaft für mich, Chevalier, und ich glaube nicht km die Gefahr, die Sie mir in Aussicht stellen. Und wenn‘s wirklich so wäre, so verspreche ich Ihnen, Mademoiselle Margarethe so kalt zu behandeln, daß sie ihre Eroberungsgedanken aufgeben muß.«

»Ta ta ta ta! Wenn Sie ihren wundervollen Nacken, ihre üppigen Schultern, ihre runden Arme, ihren zarten Fuß gesehen haben und an andere verborgene oder halbverhüllte Reize denken, dann bürge ich für Sie nicht mehr als für mich selbst.«

Louis von Fontanieu blieb stumm; nicht als ob die Aufzählung der Reize Margarethens einen tiefen Eindruck auf ihn gemacht hätte, aber die Andeutungen des Marquis über die Laune des schönen Mädchens brachten ihn auf den Gedanken, das Entgegenkommen Margarethens zu benutzen, und den Marquis von ihrer Unwürdigkeit zu überzeugen.

Dieser schnell entworfene Plan machte seiner Unschlüssigkeit ein Ende.

»Chevalier,« sagte er nach einer kurzen Pause, welche Montglas benutzt hatte, um Frau Bertrand zu necken, »ich will aufrichtig sein und Ihnen gestehen, daß ich gekommen bin, Sie um Rath zu fragen.«

»Einen Rath geben, mein junger Freund, ist eine bedenkliche Sache. Diable! ein guter Rath wird selten befolgt, oder wenn man ihn befolgt, so macht man dem Rathgeber Vorwürfe. Ein Rath fordert Ueberlegung, und da es mir unmöglich ist, zwischen einem guten Madeira und einer schönen Frau zwei vernünftige Gedanken zusammenzubringen, so wollen wir Frau Bertrand um Erlaubniß bitten,. auf die Straße zu gehen.

Der Chevalier nahm seinen Hut und drückte einen Kuß aus die Wange der hübschen Wirthin, die sich gerade genug sträubte, um den Werth der Gunstbezeigung zu verdoppeln. Dann gingen die beiden Edelleute Arm in Arme auf die Straße.

Achtes Capitel.
Der Rath des Chevalier von Montglas

Der Chevalier und Louis von Fontanieu gingen Arm in Arm eine kleine Weile aus der Straße fort. Endlich stand der Erstere still, sah seinen Begleiter forschend an und sagte:

»Lassen Sie hören.«

Fontanieu dachte,er müsse mit diplomatischer Klugheit verfahren.

»Sie erinnern sich,« begann er, »daß mich der Marquis nach dem glücklichen Ausgange unseres Kampfes zum Souper eingeladen –«

»Und daß er hinzugesetzt hat: Chevalier von Montglas, schreiben Sie den Küchenzettel.«

»Ganz recht.«

»Sie haben’s gesehen und können’s bezeugen, daß Sie mich bei der Erfüllung dieser wichtigen Function gefunden haben.«

»Jetzt hören Sie weiter, Chevalier. Ich habe einiges Bedenken, meine Functionen anzutreten.«

»Als Gast oder als Courmacher?«

»Haben Sie nicht versichert, daß ich das Eine nicht ohne das Andere sein könne?«

»Ich fürchte es.«

»Aber es ist noch Zeit, Chevalier. Ich kann mich unter irgend einem Vorwande entschuldigen und nicht zum Soupet kommen.«

Der Chevalier sah Louis erstaunt an.

»Ist das Ihr Ernst?«

»Allerdings,« stammelte Fontanieu.

»Nun, so thun Sie es. Es ist ein heldenmüthiger Entschluß, aber der Klugheit angemessen.«

»Wie, Sie geben mir einen solchen Rath?«

»Sie haben mich ja um Rath gefragt.«

»Ja wohl, aber ich glaubte —«

»Sie glaubten, ich würde Ihnen einen andern Rath geben.«

»Aus Ihren gestrigen Aeußerungen glaubte ich zu schließen —«

»Der große Talleyrand hatte vollkommen Recht, man muß seinem ersten Gefühl nicht trauen. – Ich sehe, junger Mann, daß Sie den schlechten Rath, den ich Ihnen gegeben, zu früh befolgt haben. In einer Aufwallung des Zornes behauptete ich, ein hübscher junger Mann, wie Sie sind, könne wie Cäsar sagen: Ich kam, sah und siegte.«

»Ich verstehe Sie nicht, Chevalier.«

»Das glaube ich wohl. Es gibt Augenblicke, wo ich mich selbst nicht verstehe, zum Beispiel wenn die Vernunft, was zum Glück sehr selten der Fall, in meinem Kopfe die Oberhand über die Narrheit bekommt.«

»Erklären Sie sich.«

»Ich will so klar werden wie Krystall. Hören Sie wohl zu, ich predige: Mein lieber Sohn, die Stadt Châteaudun, die Alles weiß und die Herzen wie die Börsen aller Einwohner erforscht, sie versicherte gestern einstimmig, daß keine seidene oder kattunene Schürze dem hoffnungsvollen Louis von Fontanieu den Kopf verdrehe. Ich war, derselben Meinung wie die Stadt Châteaudun. Aber als Sie selbst erkannten, daß das kleine grünseidene Ding, das- Sie in der rechten Westentasche trugen, Ihr Leben so wunderbar gerettet, da bemerkte ich, daß Sie besagtem grünseidenen Dinge verschiedene halb erstaunte, halb schmachtende Blicke zuwarfen. Ich vermuthete daher, daß Liebe dabei im Spiel sei.«

»Und auf wen fiel Ihre Vermuthung?«

»Ich sah mich um und bemerkte nur Margarethe, die eine so schnelle Eroberung gemacht haben konnte.«

» Finden Sie, daß der Erfüllung meines Wunsches ein Hinderniß im Wege steht?« fragte Fontanieu, der den Chevalier gern in seinem Irrthum ließ.

»Ich sehe sehr große Hindernisse,« antwortete Montglas, »sogar Gefahren —«

»Ist diese Margarethe Gelis denn eine Syrene, eine Zauberin, eine Fee?«

»Ja, eine Syrene ist sie – formosa superne. Ich habe freilich nur ihren Oberkörper gesehen, aber ich habe Ursache, an den Fischschwanz zu glauben. Die Gefahr für Sei, mein junger Freund, scheint mir jedoch weniger in der Bekanntschaft mit diesem Mädchen, als in dem täglichen Umgange mit andern Leuten zu liegen, die Ihnen durch diese Bekanntschaft nahegerückt werden. Es würde mir leid thun, einen jungen Mann, für den ich wahre Theilnahme gehe, auf Abwegen zu sehen.«

»Sie sind sehr gütig, Chevalier; aber die Leute, von denen Sie sprechen, sind ja Ihre Freunde.«

»Fürwahr eine schöne Empfehlung!«

»Was für Nachtheile kann denn eine Annäherung für mich haben?«

»Sehr viele Nachtheile. Vor Allem ist für einen unbemittelten Mann, wie Sie sind, ein vertraulicher Umgang mit reichen Leuten ein unangenehmes Verhältniß.

»Ich bin allerdings arm,« erwiederte Louis von Fontanieu erröthend, »aber ich kann in den Herren nur Meinesgleichen sehen.«

»Ich sehe wohl, lieber Freund, daß man Ihnen die nackte Wahrheit sagen muß, wie den Sclaven des Großtürken. Der Adelstitel, an den Sie glauben, ist eine Goldmünze, aus welcher man kupferne Zahlpfennige gemacht hat. Es ist nur noch ein Fetisch, der mit der Burg Ihrer Ahnen niedergeworfen ist. Glauben Sie aber nicht, daß die Gleichmacher den Boden geebnet hätten, wie sie beabsichtigten; ihre Nase hat an dem eingestürzten Gestein tiefe Schatten bekommen. Statt des Fetisch hat man das goldene Kalb aufgestellt. Die Gleichheit ist in unserer Zeit eben so chimärisch, als zu der Zeit unserer Väter; es gibt keine Edelleute und Unadelige mehr, dafür aber gibt es Reiche und Arme, und ich glaube, daß die Dilettanten mehr dabei verloren als gewonnen haben. Die Geburtsaristokratie war im Grunde recht gemüthlich; wie oft habe ich nicht Geist, Talent und Wissen an ihrem Tische gesehen! Die Zahlen hingegen sind Abstractionen, neben denen selbst das größte persönliche Verdienst eine traurige Figur spielt. Der Reichthum ist eine Zahl, eine Ziffer; wenn Sie Ihren Werth nicht mit klingender Münze geltend machen können, so müssen Sie kriechen, und sich krümmen und winden und sich Demüthigungen jeder Art gefallen lassen. – Ist das verlockend für Sie, mein junger Freund? Reden Sie aufrichtig, ich habe in meiner Erinnerung Manches, das Ihnen die Sache verleihen könnte. Es wird Ihnen trotz aller Mühe nicht gelingen, Ihren verstorbenen Adel wieder ins Leben zu rufen, er ist und bleibt todt. Sie sind aus der ersten Kaste in die letzte übergetreten, überschreiten Sie nicht den um Sie gezogenen Kreis. Hüllen Sie sich nicht in moderne Laster, die auf Ihrem Kopfe eben so lächerlich sein würden, wie das Barbierbecken auf dem Kopfe Don Quixotte’s. Sie sind unbemittelt, Sie haben eine Mutter zu unterstützen, eine Schwester zu verheiraten, eine Stelle zu erringen: bedenken Sie das und bequemen Sie sich zur Thätigkeit und Sparsamkeit, führen Sie ein exemplarisches Leben. Es ist freilich unangenehm, ich weiß es wohl; aber es war von jeher das Los der steuer- und frohnbaren Classe, zu welcher Sie gehören.«

»Ich erkenne Sie gar nicht mehr, Chevalier,« erwiederte Louis von Fontanieu erstaunt, »Sie sprechen ja wie einer der sieben Weisen Griechenlands.«

»Lieber junger Freund,« antwortete der Chevalier, indem er seine Hand auf die Schulter Fontanieu‘s legte, »wenn ich weder Schürze noch Flasche noch grünen Tisch vor mir sehe, bin ich selbst ganz erstaunt über den gesunden Verstand, den mir der liebe Gott gegeben, aber diesen gesunden Verstand theile ich nicht allen Leuten mit.«

»Ich bin Ihnen um so mehr zu Dank verpflichtet. Womit habe ich dieses Vorrecht verdient?«

»Sie gefallen mir.«

»Wirklich?« sagte Fontanieu lachend.

»Es ist ja nicht zu verwundern. Man wählt sich eine Geliebte nach dem Wohlgefallen, das man an ihr findet: warum sollte man nicht eben so einen Freund wählen? Und dann ist man ja nicht undankbar – Sie sind ja für mich ein Deus ex machina gewesen.«

»Herr Chevalier, ich bitte Sie, nichts mehr davon zu erwähnen.«

»Glauben Sie denn nicht au Dankbarkeit? Um eine Stellung zu erringen, muß man arbeiten; um zu arbeiten, muß man das Leben lieben; um das Leben zu lieben, braucht man Täuschungen. Mit den Täuschungen ist es aber wie mit den Röcken der Tänzerinnen: sie müssen weder zu lang noch zu kurz sein. – Jetzt ist der Roman zu Ende, junger Freund; jetzt können Sie gehen. Sie haben in Ihrer Schreibstube gewiß manches interessante bürgermeisterliche Schreiben einzuregistriren, manchen musterhaft stylisirten Feldhüterbericht zu studiren; die Polizei nimmt Sie in Anspruch – gehen Sie – retten Sie Frankreich und lassen Sie mich dem Verderben entgegeneilen.«

»Es thut mir unendlich leid, Chevalier, daß ich Ihren guten Rath so schlecht befolge; ich will der Einladung des Marquis auf jeden Fall folgen. Um jedoch Ihre Bedenklichkeiten zu beschwichtigen, gebe ich Ihnen mein Wort, daß ich nicht so große Gefahr laufe, wie Sie glauben.«

»Hm! dahinter steckt ein Geheimniß,« sagte Montglas; »man glaubt vor einer angelehnten Kellerthür zu stehen. Aber ich bin weit entfernt, die Lösung des Räthsels zu verlangen.«

»Sie haben das Räthsel schon errathen,« erwiederte Fontanieu lachend; »ich bin zum Rasendwerden in Margarethe verliebt.«

»Lieber Freund, wenn man zum Rasendwerden verliebt ist, so sagt man’s nicht, und am wenigsten lacht man dabei.«

»Es ist so meine Art.«

»Gut. Und Sie wollen meinen Rath nicht.«

»Nein, Chevalier.«

»Nun, desto besser. Da wir wieder vor Bertrand‘s Thür sind, so gebe ich meine Anwandlung von Vernunft dein Wind und Wetter preis. Meine Weisheit flattert wie die zwei Unschlittkerzen, die das Schaufenster unseres Wirthes erleuchten, und zerstreut sich wie der Nebel in der Morgensonne; meine Gedanken nehmen die Rosenfarbe des Champagners an; meine Kehle wird trocken, und die wenigen Louisdor, die noch in meiner Tasche sind, hüpfen voll Sehnsucht nach dein grünen Teppich. – Wer sprach denn von Armuth und Reichthum? Es gibt hiernieden keine andere Ungleichheit, als die Größe des Magens und die Stärke der Liebe. In diesem Punkte haben wir uns also zu beklagen, nicht wahr, lieber Fontanieu? Mordieu! wer wird wohl die Nacht unter staubigen Acten sitzen, wenn man guten Wein, ein hübsches Mädchen und den grünen Tisch in Aussicht hat? Wie der große Condé bei Rocroy, werfe ich meinen Stock in die feindlichen Reihen – und vorwärts!«

Diese plötzliche Umwandlung, obschon von dem Chevalier selbst vorhergesagt, setzte Fontanieu doch in Erstaunen, und er fragte sich, ob der alte Roué nicht verrückt sei.

»Margarethe soll Ihre Geliebte werden,« setzte der Chevalier hinzu. »Ob, Sie sie lieben oder nicht, ist mir ganz gleichgültig; aber ich will mein Lebenlang Wasser trinken, ich will keinen Louisd’or mehr gewinnen, ich will nie mehr eine Eroberung machen, wenn ich Sie nicht mit ihr einsperre. Ich bin seit vierundzwanzig Stunden begierig zu sehen, wie der falsche Roué Escoman die Sache aufnehmen wird.«

Louis von Fontanieu, etwas erschrocken über diesen feierlichen Schwur, folgte dem Chevalier auf der in das obere Stockwerk führenden Wendeltreppe, die der alte Montglas mit jugendlicher Kraft und Behändigkeit hinaufeilte.

Neuntes Capitel.
Wo der Chevalier von Montglas seinen jungen Freund im Angeln unterrichtet

Bertrand hätte den Wahlspruch des großen Königs: Nec pluribus impar! gern unter die auf seinem Schilde prunkende goldene Sonne gesetzt. Er zollte dem sogenannten »Salon der Herren« die aufrichtigste Bewunderung und erklärte ohne erheuchelte Bescheidenheit, daß selbst in den Gemächern der Unterpräfectur keine kostbarere Einrichtung, keine geschmackvollere Verzierung zu finden sei, als die von Frau Bertrand gewählte.

Diese so gerühmte Einrichtung bestand aus zwei Sophas, sechs Fauteuils und zwölf Stühlen von Mahagoniholz, dessen Politur schon etwas abgenutzt war, und mit amarantfarbenen wollenen Ueberzügen; ferner aus einem großen Tische, dessen grüner, mit Fett getränkter Ueberzug Zeugniß gab von den geleisteten gastronomischen Diensten. Die Fenstervorhänge waren roth und schwarz geblümt, mit gelben Kanten und Fransen, welche letzteren die Form von Schellen hatten. Au den Wänden hingen zwei Schlachtbilder, ein Mazeppa und die Ermordung der Mamelucken: schlechte Lithographien in gepreßten Rahmen. Auf dem Camine stand eine Bronzeuhr, eine Psyche in engem Kleide mit kurzer Taille darstellend. Trotzdem aber hatte die Göttin Flügel und diente den Herren, welche Zutritt in diesem Salon hatten, zur beständigen Zielscheibe des Spottes.

Dies waren die Wunder, auf welche Herr Bertrand so stolz war.

Louis von Fontanieu fand hier einige ihm bereits bekannte junge Männer wieder, aber er sah nur Margarethe Gelis.

Der Chevalier von Montglas sagte ihm, die Geliebte des Marquis von Escoman sei eine jener Personen, die der Speisewirth nur sehr ungern in seinem Hause dulde, sie wohne in demselben Stockwerk.

Als der Chevalier eben die Erklärung gegeben hatte, erschien der Marquis von Escoman mit Margarethe, welche von Louis mit der größten Aufmerksamkeit gemustert wurde.

Margarethe Gelis war fünfundzwanzig Jahre alte sie war schön, aber ihre ganz materiellen Reize entbehrten jener Zartheit und Anmuth, durch welche die Marquise so anziehend wurde. Ihre sehr regelmäßigen Züge waren stark ausgeprägt; ihre langgeschlitzten, beständig feuchten schwarzen Augen nahmen bei den allergewöhnlichsten Anlässen einen schmachtenden Ausdruck an und schwächten dadurch den Eindruck, den sie sonst gemacht haben würden.

Margarethe hatte die Nähe ihrer Wohnung benutzt, um sich in einem einfachen Hauskleide zu zeigen, welches sie dem großen Putz vorzog, weil es ihr schöner stand. Sie trug einen hellblauen seidenen, sehr freigebig ausgeschnittenen Ueberrock, der die ganze blendendweiße Fülle der Brust und Schultern sehen ließ. Die gefügigen Falten dieses Peignoirs schmiegten sich an den üppigen Körper, an welchem man nur die feine, anmuthige Haltung vermißte. Außerdem hatten die Hände der vormaligen Grisette die bräunliche Farbe und die dicken Fingergelenke als Merkmale früherer Arbeit.

Ihr Eintritt in den Salon wurde von den jungen Leuten, von denen Viele ihre Gründe hatten, dem Marquis von Escoman zu schmeicheln, mit Jubel begrüßt.

Louis von Fontanieu blieb kalt. Das Bild der Marquise von Escoman erfüllte seinen Geist und sein Herz. Er mußte ein schlechter Beurtheiler der Schönheit Margarethens sein, um so mehr, da ihm ihre Eroberung leicht schien und die schöne Dunenserin, wie wenigstens der Chevalier von Montglas behauptete, ihn nicht einmal schmachten lassen sollte.

Er meinte, es müsse ihm gelingen den Marquis von seinem Irrthum zu überzeugen, und nur diese gemeine Person hindere die Rückkehr Escoman’s zu seiner liebenswürdigen Frau. Er ward nun ganz begeistert für seinen Plan, an den er noch vor einigen Augenblicken nicht ohne eine gewisse Besorgniß gedacht hatte.

Louis von Fontanieu war nicht der Einzige, der das junge Paar beobachtete: der Chevalier von Montglas ließ es nicht aus den Augen. Als der Marquis seinen neuen Freund Fontanieu unter den Gästen bemerkte, begrüßte er ihn lächelnd; die Augen Margarethens nahmen einen ungemein schmachtenden Ausdruck an, ihre Wangen rötheten sich, und der Chevalier rieb sich frohlockend die Hände.

Der Marquis von Escoman stellte ihr Fontanieu vor. Sein Benehmen hatte nichts von der Heiterkeit und Sorglosigkeit, die er Morgens vor seiner Frau zur Schau getragen hatte. Er war ernst, er behandelte Margarethe sehr höflich, fast ehrerbietig, und an der Mühe, die er sich gab, sie in den Augen seiner Genossen zu erheben, war leicht zu erkennen, daß der junge Edelmann von der schönen Repräsentantin hausbackener bürgerlicher Reize völlig beherrscht wurde.

»Nun, was denken Sie?« fragte der Marquis, der Margarethe zu einem Fonteuil geführt hatte und wieder zu Fontanieu kam.

»Von wem?«

»Von Margarethe.«

»Um aufrichtig zu sein und ohne hier einen sehr unziemlichen Vergleich machen zu wollen, gestehe ich Ihnen, daß die Morgenvorstellung der Abendvorstellung geschadet; man muß die Frau Marquise von Escoman nicht gesehen haben, um diese Demoiselle schön zu finden.«

»Sie haben einen sonderbaren Geschmack,« antwortete der Marquis so gleichgültig, als ob von einer ihm ganz fremden Dame die Rede gewesen wäre, aber sein Gesicht drückte doch Zweifel und Mißtrauen aus.

Diese Worte drangen wie ein glühendes Eisen in das Herz Fontanieu’s. Er fühlte einen Haß gegen Margarethe: konnte er ihr verzeihen, daß man sie über sein Idol stellen wollte?

Der Marquis, der sich entweder schnell beruhigte oder sich nicht durch Eifersucht lächerlich machen wollte, wies Fontanieu, als dem Helden des Tages, einen Platz neben Margarethen an.

In seinem Eifer, die einmal übernommene Rolle zu zu spielen, war Fontanieu ungemein freundlich und zuvorkommend gegen seine hübsche Nachbarin und überhäufte sie mit Schmeicheleien. Aber zu seinem großen Erstaunen blieb Margarethe kalt und ernst; sie antwortete ihm nur mit Gemeinplätzen, so daß er die größte Mühe hatte, das Gespräch in der angefangenen Weise fortzuführen.

Der Marquis von Escoman runzelte die Stirn und bewies dadurch, daß ihm die Galanterie seines neuen Freundes nicht sehr angenehm sei.

Als das Souper beendet war und während der Tisch abgeräumt und zum Spiel hergerichtet wurde, trat der Chevalier von Montglas auf Louis von Fontanieu zu, der noch ganz verblüfft war über die ernste, würdevolle Verbeugung, mit der ihn Margarethe, als er sie wieder an ihren Platz geführt, verabschiedet hatte.

»Nun, wie gehen die Geschäfte?« fragte der alte Edelmann den Secretär.

»Schlecht,« antwortete Fontanieu; »ich glaube, Sie haben Margarethe verleumdet.«

»Bah! lassen Sie sich nur nicht abschrecken. Sie haben’s nur nicht recht angefangen. Die Männer sind sehr albern, und gerade da recht dumm, wo sie recht klug zu sein wähnen. Ich spreche im Allgemeinen, Sie haben nicht das Recht sich beleidigt zu fühlen. Um bei einem Plunder hundert Sous zu verdienen, bieten sie so viel diplomatische Kunstgriffe auf, als ob sie ein Volk verkaufen oder einen König auf den Thron setzen wollten, und sobald ihre Eitelkeit ins Spiel kommt, wollen sie nicht begreifen, daß man ihn noch nicht nimmt, wenn man sagt: Ich möchte ihn wohl haben.«

»Sie finden also —«

»Daß Sie viel zu viel Eifer an den Tag legen,« fuhr der Chevalier fort. »Angeln Sie?«

»Nein. Wozu diese Frage?«

»Sie werden in der Kunst des Angelns ein Geheimniß finden, das für die jetzige Situation sehr gut paßt. – Sie sehen schöne Fische im Wasser schwimmen; das Wasser kommt Ihnen in den Mund, wenn Sie an die leckern Speisen denken; Sie werfen ihnen den Köder hin, aber sie verschmähen ihn, weil er ihnen zu nahe ist. Ziehen Sie aber die Angelschnur etwas zurück, so stürzen die Fische gierig auf den Köder zu und beißen sich fest. Eben so geht’s mit den Weibern, lieber Freund.«

»Ich werde Ihren guten Rath befolgen, Chevalier; aber ich gestehe Ihnen, daß meine Hoffnungen seit einer Stunde sehr herabgestimmt sind.«

»Sie scheinen’s mit ihr nicht gemacht zu haben, wie Sie es diesen Morgen mit Escoman machten. Man muß Freund oder Feind immer in die Augen schauen. Weiberaugen lernen sehr spät lügen.«

»Sie machen mir einigen Muth; ich brauche ihn, denn ich war schon im Begriff diese Eroberung aufzugeben, an der mir doch so viel gelegen ist.«

»Haben Sie etwa ein Gelübde gethan?«

»Vielleicht.«

»Nun, ich gestehe aufrichtig, daß mir an der Erfüllung desselben eben so viel liegt wie Ihnen, obgleich mich wohl andere Gründe dazu bewegen.«

»Ich danke Ihnen verbindlichst, Chevalier – und wenn ich Ihnen etwas Angenehmes erweisen kann. —«

»Das können Sie. – Haben Sie zuweilen gespielt?«

»Nein, ich habe nie gespielt.«

»Desto besser. Hier sind die fünfundzwanzig Louisd’or, die ich noch habe; sie gehören natürlich Ihnen, Sie haben sie mir ja geliehen, ich gebe Ihnen aber nur zwölf und einen halben zurück, die übrigen vertraue ich Ihnen an. Ich vertraue auf das erste Lächeln, welches die Glücksgöttin den jungen Leuten aufspart. Halten Sie mir diesen alten Spielerglauben zu gute. Spielen Sie; den Gewinnst theilen wir.«

Sie nahmen neben einander Platz.

Margarethe setzte sich mit einer gewissen Absichtlichkeit neben den Marquis und sprach ungemein freundlich, ja zärtlich mit ihm.

Zum ersten Male bemerkte Louis von Fontanieu, daß Margarethe ihn ansah, während ihr Mund die Wange des Marquis berührte, und in ihren halb offenen feuchten Augen glaubte er einen Blitz zu sehen, der nicht in gleicher Richtung mit ihren Lippen ging.

Der Zufall wollte, daß die Hoffnung des Chevaliers in Erfüllung ging: Fontanieu hatte dauerndes Glück; die gewagtesten Sätze gelangen ihm, die tollsten Parolis fielen zu seinen Gunsten ans. Aber trotz des vor ihm liegenden und immer größer werdenden Haufens von Gold, Silber und Banknoten, trotz des stark duftenden Punsches, den Bertrand persönlich reichte, trotz der Aufreizungen seines Nachbars, der durch dieses außerordentliche Glück ganz elektrisirt wurde, war er sehr verstimmt. Er sah ein, daß ein solcher Gewinn ihn auf eine Bahn treiben werde, die er nicht betreten mochte.

Der Marquis von Escoman war ein leichtsinniger Spieler, aber die Größe des Verlustes raubte ihm doch seine gewohnte Besonnenheit.

»Zweihundertfünfzig Louisdor auf Ehrenwort!« sagte er, als Alles fort war was er bei sich hatte.

»So viel Sie wollen, lieber Marquis,» antwortete Fontanieu, der eben zwei Figuren aufgelegt hatte, deren eine schon so oft vorgekommen war, daß man glauben mußte, sie sei nicht mehr im Spiel.

»Es war zu spät, um zu reden,» sagte der Chevalier, der die Interessen der Gesellschaft schlecht vertreten glaubte.

»Sie wagen sehr viel, Herr von Fontanieu!»

»Ich schäme mich meines schamlosen Glücks,» erwiederte der Secretär.

Er legte eine dritte Karte auf; sie war der zweiten gleich. Er gewann wieder. Er konnte sich einer Aeußerung des Unwillens nicht erwehren.

»Bravo!l lieber Freund,» sagte Montglas erfreut. »Schmollen Sie nur mit der Fortuna; zeigen Sie ihr, wie wenig Ihnen an ihrer Gunst liegt; sie ist ein Weib und wird Sie um so eifriger verfolgen.»

Margarethe hatte mit einigem Erstaunen die plötzliche Veränderung in dem Benehmen Fontanieu’s bemerkt. Sie sah darin keine Taktik, sondern eine Entmuthigung, und suchte das zu schnell erloschene Feuer wieder anzufachen. Sie war keineswegs unempfänglich für den Zauber des Goldes, und bald waren ihre schmachtenden Blicke zwischen den auf dem Teppich angehäuften Schätzen und deren glücklichen Besitzer getheilt. Bei den letzten Worten des Chevaliers erröthete sie, schlug die Augen nieder und schien ihre Aufmerksamkeit auf eine Karte zu richten, welche sie mit einer Nadel durchstach.

»Fünfhundert Louisdor! Wer hält fünfhundert Louisd’or?» rief der Chevalier von Montglas, die bellende Stimme des Croupiers nachahmend.

»Ich halte sie,« sagte der Marquis von Escoman, der durch seine bald bleiche, bald glühendrothe Gesichtsfarbe, seine weitgeöffneten Augen und seinen tiefen Athem die große Aufregung verrieth, in der er sich befand.

Fontanieu nickte zustimmend. Sei Kopf schwindelte ihm; er wünschte zu verlieren und gleichwohl fühlte er, daß der Dämon des Spiels immer größere Gewalt über ihn bekam. Er vermochte sich nicht mehr der quälenden Angst zu entreißen, die jedem Spieler das Herz zusammenschnürt. Er vergaß Margarethe, und das Bild der Marquise, das er sich zu vergegenwärtigen suchte, erschien ihm wie in einem Nebelmeer.

Eine feierliche Stille folgte. Man hörte nur das Rauschen der fallenden Karten.

Der Marquis von Escoman verlor wieder. Wer ihn ansah, fühlte zugleich Entsetzen und Mitleid.

Er faßte Margarethe beim Arm und forderte sie auf, mit ihm fortzugehen.

Aber sie stand nicht aus; sie drehte die durchstochene Karte zwischen den Fingern.

»Nein,» erwiederte sie, »ich will versuchen, ob das Glück des Herrn nicht höflicher gegen mich ist, als gegen Sie.»

»Tausend Louisdor!» rief Montglas.

»Warum nicht Peru? Ich bin bescheidener, Montglas. Ich wünsche nur das Armband, das mir Escoman längst versprochen hat. Herr von Fontanieu wird so gütig sein, einen Einsatz von fünfundzwanzig Louisdor anzunehmen – so viel kostet mein Armband.«

»Sie haben ja kein Geld mehr!« sagte der Marquis ungeduldig.

»Ja, heute geht’s mir wie Ihnen, aber morgen – bis dahin wird Herr von Fontanieu mein Pfand nicht zurückweisen.«

Sie warf dem jungen Glückskinde das zweimal zusammengelegte Kartenblatt hin.

»Der Fisch beißt an,« flüsterte der Chevalier seinem Nachbar zu; »halten Sie sich bereit, die Angelschnur anzuziehen.«

Der Marquis von Escoman griff mit gieriger Hast nach der letzten Hoffnung, die den letzten Thaler eines Spielers überlebt. Die Vernunft rieth ihm sich zu entfernen, aber die Leidenschaft bedurfte nur eines Vorwandes, um ihn zurückzuhalten, und in solchen Fällen trägt die Leidenschaft immer den Sieg davon. Er ertkärte, den Rest der tausend Louisd’or halten zu wollen.

Das Glück blieb den beiden Gesellschaftern treu.

»Adieu, mein schönes Armband,« sagte Margarethe seufzend und stand auf.

Der Chevalier stieß Fontanieu an.

»Nein,« sagte dieser zu Margarethe, »dieser Abend hat mir ohnedies schon genug Gewissensbisse gemacht. Wenn es der Herr Marquis erlaubt, werde ich Ihnen morgen das Armband anlegen.«

»Schade, daß Sie kein Millionär sind,« setzte Montglas so laut hinzu, daß es Margarethe hören konnte. »Es müßte fürwahr schön sein, Ihre Geliebte oder Ihr Freund zu sein.«

Der Marquis schien nicht verstanden zu haben; er gab Margarethen einen Kuß, der einen guten Abend und zugleich eine Weisung sich zu entfernen bedeutete. Dann ging er fort, mit der Erklärung, daß er Geld holen und wiederkommen werde.

Die Spieler benutzten diese Pause, um sich zu erholen. – Der Chevalier von Montglas nahm den Haufen der vor Fontanieu liegenden Goldstücke und Banknoten, trug ihn in ein Nebenzimmer, legte ihn auf einen Tisch und theilte ihn gewissenhaft.

»Es ist doch eine schöne Sache um das Spiel!« sagte er, indem er das Gold und die Banknoten durch die Finger gleiten ließ. »Sehen Sie, Fontanieu, es ist kein todtes Metall, kein schlechtes Papier, sondern eine Welt von Freuden und Genüssen: Jugend und Liebe, Vergnügen und Freundschaft. Ha, das Leben ist doch schön!«

Als er aber bemerkte, daß sein junger Freund seinen Antheil an dem Schatze kaum beachtete und durch’s Fenster den Sternenhimmel ansah, setzte er hinzu:

»Sie hören ja nicht. Sie wollen doch nicht schlafen? Ich würde Sie dann meinen Freund nicht mehr nennen. Der Schlaf ist nur ein Vorurtheil.«

»Wenn man gewinnt,« antwortete Fontanieu lächelnd.

»Sie werden nie ein Spieler,« sagte Montglas mit dem Tone aufrichtigen Bedauerns. »Doch ich hatte in der Freude meines Herzens vergessen, daß Sie verliebt sind. Es ist freilich eine schlechte Entschuldigung aber ich muß sie wohl gelten lassen. Apropos,« setzte er, auf die Wand zeigend, hinzu: »sie ist da.«

»Wen meinen Sie?«

»Margarethe; wen denn sonst? Eine einfache Wand trennt Sie von ihr, und dieses Flußpapier,« sagte er, auf die Banknoten zeigend, »würde Sie ihr näher bringen, wenn ein großer Theil der Entfernung nicht schon zurückgelegt wäre. Soll ich an die Wand klopfen, um von Ihnen zu reden?«

»Was fällt Ihnen ein? Ist denn der Marquis nicht bei ihr?«

»Haben Sie denn nicht gehört, daß er nach Hause gehen wollte, um seine Börse zu füllen, und Margarethe leert sie zuweilen aus, aber die Marquise füllt sie jedesmal wieder.«

Diese Worte machten einen erschütternden Eindruck ans Fontanieu; er sah sein Gold nicht mehr mit Gleichgültigkeit, sondern mit Widerwillen an.

»Ei, ei!«setzte der Chevalier hinzu, indem er seinen Schatz mit Wohlgefallen betrachtete und betastete, »da finde ich etwas zwischen meinen Banknoten, was nicht in meinen Antheil gehört.«

»Was denn?«

»Das Pfand Margarethens.«

»Zerreißen Sie es. Sie werden doch nicht glauben, daß ich fünfundzwanzig Louisdor für das ihr angebotene Armband nehmen wolle?«

»Nein, aber was von einer lieben Person kommt, ist immer kostbar. Behalten Sie es also. Warten Sie, mich dünkt, es steht etwas auf diesem Papier, das man Ihnen so gleichgültig zugeworfen.«

Montglas faltete die Karte auseinander. Die Nadelstiche waren nicht regellos zerstreut, sondern bildeten deutlich erkennbare Buchstaben, und diese das Wörtchen: »Liebe.«

»Ei der Tausend!« sagte der Chevalier, »der Fisch ist hungriger als ich glaubte. Jetzt, da Sie ihn an der Angel haben, ist er nur noch in die Küche und von da auf die Tafel zu bringen.«

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Дата выхода на Литрес:
30 ноября 2019
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