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Читать книгу: «Liebesdramen», страница 21

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Als sie allein waren, trat Emma auf ihn zu und legte ihre kalte bebende Hand in die seinige.

»Louis,« sagte sie, »hast Du mir nichts mitzutheilen?«

Er erschrak und stammelte einige verneinende Worte.

»Die Liebe muß wohl recht selten sein; denn Ihr Männer wollt sie nicht beobachten, wenn sie sich kundgibt.«

»Was willst Du damit sagen?«

»Ich will damit sagen, daß ich Dir hinlänglich bewiesen zu haben glaube, wie weit meine Liebe gehen kann, um deinen Zweifel, deinen Kaltsinn für unmöglich zu halten.«

Louis von Fontanieu erblaßte ebenfalls, als er diese entschiedene Sprache hörte, welche Emma sonst nicht zu führen pflegte.

»Du solltest nicht mit Vorwürfen anfangen, Emma. Vorwürfe sind immer die Einleitung zu einem Haupttext. Zur Sache also, damit ich weiß, wie ich darin bin.«

»Du bist ungerecht,« erwiederte die Marquise mit schmerzlichem Erstaunen über die Gleichgültigkeit, mit der er diese Worte sprach. »Ich hätte diese Ungerechtigkeit voraussehen können, denn Du liebst mich ja nicht mehr.«

»Ich liebe Dich nicht mehr!« erwiederte Fontanieu auffahrend, um seine Verlegenheit zu verbergen. »Ein so geistreiches Wesen wie Du spricht wie eine erzürnte Grisette! – Ich liebe Dich nicht mehr! mit anderen Worten: Ich habe deine begeisterte Hingebung, mit welcher Du meine Liebe erwiedert, ich habe unser gemeinsames Unglück, unsere Leiden vergessen. Meinst du das? – Und ich erkläre, daß ich dich inniger liebe als je. Meine Liebe gibt sich freilich in anderer Weise kund, sie hat eine andere Gestalt bekommen; doch dies ist das gemeinsame Los aller irdischen Dinge. Aber wenn auch meine Liebe nicht mehr leidenschaftlich ist, so ist sie doch nicht minder stark. Wenn sie auch nicht mehr in den Blüten des Frühlings prangt, so hat sie um so tiefere Wurzeln geschlagen. Nur einige Bäume bleiben ewig grün; einige Herzen behalten den frischen Duft der jungen Liebe. Zu diesen gehört das deinige; aber daraus folgt nicht, daß die mit menschlichen Schwächen und Gebrechen Behafteten kein Gefühl für Pflicht und Dankbarkeit haben sollen. Was liegt denn an der Ursache, wenn das Resultat dasselbe ist? Was liegt daran, wenn ich heute nicht mehr wie früher von Leidenschaft durchglüht bin? Ist es denn nicht genug, daß ich bereit bin, Blut und Leben zu opfern, wenn ich dein Glück dadurch sichern kann?«

»Ich habe weit weniger von Dir verlangt, Louis, und doch hast Du es mir verweigert.«

»Was denn? Sprich.«

»Dein Vertrauen.«

»Wann und wie habe ich es Dir verweigert,Emma?« erwiederte Louis von Fontanieu, unwillkürlich erröthend.

Ein plötzlicher Gedanke durchzuckte die Marquise; ihre Wangen rötheten sich und sie erwiederte mit tiefer Bewegung:

»Höre mich an, Louis. Du weißt nicht, wie sehr wir Frauen durch die Liebe umgewandelt werden können. Du glaubst, eine gemeine Eifersucht habe noch einige Gewalt über mich. Du irrst Dich. Ich war aufrichtig, als ich Dir vor einiger Zeit sagte, Emma von Escoman sei todt; sie sei von der Erde geschieden, indem sie Blumen gepflückt, wie Orphelia. Was von ihr übrig blieb, konnte nur mit Dir dulden, konnte nur lächeln, wenn Du heiter warst. Es schien mir, daß es mit deiner Ehre nicht vereinbar sei, mir dieses bescheidene Glück zu rauben, daß unsere von allen irdischen Banden befreite Liebe unsere Leidenschaft überleben werde. Ich nahm keinen Einfluß auf deinen Willen in Anspruch, keine Controlle über deine Handlungen, ich wollte nur ein Herz und eine Seele mit Dir sein. Ich verzichtete aus den Titel deines Weibes, den Du mir in besseren Tagen gabst; aber ich wollte Dir zugleich Schwester und mütterliche Freundin bleiben. Es war auch wohl nur ein Traum; denn nach dem schonenden Stillschweigen, mit welchem ich die Folge der eben erwähnten Schwächen und Gebrechen beobachtete, hast Du mein Recht nicht anerkannt, die erste Vertraute des Dir bevorstehenden Glückes zu sein.«

»Was meinst Du? ich verstehe Dich nicht.«

»Louis, ich beschwöre Dich, geweihte mir den letzten Trost, Vertrauen zu meiner Liebe zu haben.«

Für wahr, ich verliere die Geduld. Ich weiß nicht, woher diese sonderbaren Grillen kommen.«

»Nun, da Du nicht reden willst, so will ich dir’s sagen.

»Ich höre,« sagte Fontanieu erblassend und in angstvoller Erwartung.

Eine kurze Pause folgte. Emma war tief ergriffen. Sie öffnete den Mund, um zu sprechen, aber sie brach in Thränen aus und sagte Händeringend:

»Nein, ich kann es nicht, es ist nicht möglich!«

»Laß doch die von Lästerungen erfundene Fabel hören,« sagte Fontanieu, der wieder einige Fassung bekommen hatte. »Ich bin ganz Ohr.«

Und als Emma immerfort schluchzte und sprachlos blieb, setzte er hinzu:

»Wahrhaftig, Du bist sehr thöricht, Dich so zu geberden. Ich weiß ja nicht einmal, wovon die Rede ist.«

»O!« rief Emma mit so tiefer Entrüstung, daß Fontanieu ganz bestürzt schwieg. »Du willst Dich vermählen,« setzte sie mit bebenden Lippen hinzu.

»Das ist nicht wahr!«

Die Marquise bückte sich und nahm aus einem Korbe ein Päckchen Wäsche und Modelle von Anfangsbuchstaben mit einer Grafenkrone.

»Du willst Dich vermählen!« wiederholte sie .

»Da man mich als geschickte Arbeiterin kennt, so habe ich die Ausstattung deiner Braut anzufertigen. Du willst Dich mit einer sehr reichen Waise vermählen; ich kann Dir noch mehr sagen, um Dir zu beweisen, daß ich gut unterrichtet bin.«

Louis von Fontanieu antwortete nicht; er bedeckte sein Gesicht mit beiden Händen.

»Du sollst nicht glauben, daß ich in diesem Augenblicke,« wo ich so sehr leide, selbstsüchtige Gedanken hege. Emma hat für sich keine Thränen mehr, sie weint nicht über ein lange vorhergesehenes Unglück, sondern über deine Treulosigkeit, deine Doppelzüngigkeit.«

Fontanieu fiel ihr zu Füßen, faßte ihre Hände und bedeckte sie mit seinen reichlich fließenden Thränen.

»Undankbarer,« setzte die Marquise hinzu, »glaubst Du denn, ich hätte noch eine Täuschung bewahrt? Glaubst Du denn, daß ich die Folgen unserer traurigen Lage nicht sehe? Kannst Du Dir vorstellen, daß ich, sobald meine schönen Träume zerronnen waren, nicht entschlossen gewesen sei, den Leidensbecher bis auf den Grund zu leeren? Du sollst selbst urtheilen, ob meine Liebe im Unglücke geläutert worden, ob ihr noch ein sinnlicher Gedanke geblieben ist. Du sollst wissen, daß ich schon längst dieses Ende vorausgesehen hatte, daß ich es herbeiwünschte, wenn es dein Glück sichern würde. Du weißt, daß ich gleichgültig bin gegen die Noth, wenn sie nur mich trifft. Aber ich bereute, daß ich unserer gemeinsamen Ehre mein Vermögen geopfert, als ich bedachte, daß es mir die Mittel gegeben haben würde, Dir eine deines Standes würdige Stellung zu sichern. Glaube nicht, daß ich Dich anklage, verwünsche, mein Louis; ich mache Dir nur den einen Vorwurf, daß Du mir ein Geheimniß vorenthalten hast, auf dessen Mittheilung ich so viele Ansprüche hatte.«

»Ich schwöre Dir, Emma, daß dein Wohl mein Hauptzweck war. Ich wollte Dich diesem Sclaventhume, dieser sauren Arbeit entreißen.«

»Ich will Dir’s glauben, lieber Louis. Aber vor allem muß für deine Zukunft ein fester, dauernder Grund gelegt werden. Warum hast Du an mir gezweifelt? Das Auge eines liebenden Weibes sieht schärfer, als das Auge eines Mannes. Ich würde ermittelt haben, ob Du in deinen neuen Verhältnissen wirklich die Gewähr des Glückes finden wirst, welches ich Dir sichern will. Deine Erwählte ist jung, wie man mir sagt, sie muß noch rein sein, sie wird Dich lieben,« sagte Emma mit kaum verständlicher Stimme. »Ich will Gott bitten, daß er ihr meine Liebe einflößt.«

»Aber Du, Emma?«

»Warum kümmerst Du Dich um mich?« antwortete die Marquise mit rührender Ergebung. »Es ist ja gleichgültig, was aus dem Leichname wird, wenn die Seele die Fesseln gebrochen hat, welche sie mit ihm verbanden.«

Louis von Fontanieu war ganz erschrocken über den tiefen Schmerz, der aus diesen Worten sprach. Er fühlte aufrichtige Reue und tiefes Mitleid mit dem Wesen, das ihm einst so theuer gewesen war.

»Sprich nicht so,« erwiederte er mit Feuer. »Nein, mein Reichthum, mein Ehrgeiz sollen Dir das Leben nicht kosten. Du hast mir ja so viel geopfert! Ich vergesse Alles, ich verzichte auf Alles. – Komm, wir wollen fort von hier. Weißt Du noch, wie glücklich wir in Clos-beni waren? Wir wollen wieder eine ähnliche Zufluchtsstätte suchen – weit von Paris, wo ich auf Abwege gekommen bin. Eine noch einfachere Wohnung wird uns genügen. Ich will arbeiten, mit meinen Händen die Erde aufwühlen. Ich fühle es, daß mir Alles möglich sein wird, wenn Du in meiner Seele den furchtbaren Gedanken an deinen Tod weckst. – Nein, nein, meine Emma, Du sollst für mich nicht sterben, Du sollst für mich nicht leiden!«

Er faßte mit beiden Händen ihren Kopf, zog sie an sich, und ihre Lippen berührten sich.

Emma konnte nicht zweifeln, daß er’s in diesem Augenblicke aufrichtig meinte; sein Blick, der Ton seiner Stimme bezeugte es. Sie kam in Versuchung, noch einen Versuch zu machen; aber nach so vielen Enttäuschungen konnte sie sich nicht dazu entschließen. Sie suchte neue Kraft in ihrem von tiefem Schmerz zerrissenen Gemüthe und erwiederte mit erzwungenem Lächeln:

»Wie kindisch bist Du! Wer spricht denn vom Tode? Ich werde vielmehr leben und glücklich sein, wenn ich weiß, daß Du glücklich, reich und angesehen bist. Ich sagte, meine Seele werde den Leib verlassen, weil ich glaube, daß sie durch nichts gehindert werden könne, die Lüfte zu durchfliegen und Dir zu folgen. Du hast Recht, Du mußt Paris verlassen, der Aufenthalt ist hier zu gefährlich für deine Schwäche; Du mußt auf’s Land, aber nicht mit mir, sondern mit Der, welche Du vor Gott und den Menschen deine Lebensgefährtin wirst nennen können.«

»Emma, sprich dieses Wort nicht aus. Mein Gott! zum ersten Male fällt mein Blick auf den furchtbaren Abgrund, in den wir gestürzt sind. – Aber was soll aus Dir werden?« setzte er mit Angst hinzu.

»Aus mir?« erwiederte die Marquise mit einem Blicke zum Himmel; »ich werde beten.«

Louis von Fontanieu antwortete ihr durch neue Ausbrüche des Schmerzes und Betheuerungen seiner Liebe. Er war so muthlos, daß Emma die seltsame Rolle einer Geliebten spielen rnußte, die den theuern Mann ermuthigt, sie zu verlassen, und seine eigenen Gewissensbisse beschwichtigt. Sie that es mit so großer Hingebung und Selbstverläugnung, daß es ihr gelang, den jungen Mann einigermaßen zu beruhigen. Sie suchte dem Gespräche eine blos freundschaftliche Wendung zu geben. Sie gewann es über sich, Louis von Fontanieu über seine Zukünftige und ihre Familie zu befragen; sie wünschte zu wissen, wie er sie kennen gelernt und was seine Mutter dazu sage. Sie gab sich vor Allem Mühe, gleichgültig zu scheinen.

Sie bemerkte mit Erstaunen, daß er ihr mit einiger Verlegenheit antwortete. Zugleich sah sie, daß er unruhig nach der Wanduhr schaute. Es war neun Uhr.

Sie konnte nur mit Mühe ihre Fassung bewahren; sie merkte, daß man Louis von Fontanieu erwarte – sie wußte, wer ihn erwartete.

Sie athmete tief auf, wie Einer, der lange ohne Luft gewesen ist. Sie glaubte zu ersticken. Erst nach einer Weile bekam sie wieder so viel Selbstbeherrschung, daß sie ihn auffordern konnte, seinen gewohnten Abendspaziergang zu machen; sie sei von so vielen Gemüthsbewegungen erschöpft und wünsche sich etwas auszuruhen.

Louis von Fontanieu küßte sie, wünschte ihr zärtlich guten Abend und ging fort.

Sie lauschte in angstvoller Spannung auf seine sich entfernenden Fußtritte. Jeder auf der Treppe dröhnende Schritt drang wie ein Dolch durch ihr Herz. Sie kam in Versuchung, ihm nachzueilen, ihn zurückzurufen, ihn um Schonung, um Mitleid anzuflehen.

Die Hausthür schloß sich knarrend. Emma konnte sich nicht mehr halten; sie riß das Fenster auf und rief dem Geliebten. Ihre Stimme verhallte in dem Wagengerassel. Sie lehnte sich hinaus, um zu sehen, ob sie ihn nicht bemerken würde. Es war Nacht, sie konnte nichts unterscheiden.

Sie konnte nun aus Erfahrung lernen, wie wenig der Wille gegen gewisse Gefühle vermag. Es war ihr, als ob sie aus einem Traume erwachte, als ob sie im Schlafe von einem furchtbaren Unglücke betroffen worden wäre. Sie fragte sich, ob es möglich sei, daß sie auf den Besitz des Mannes verzichtet, der ihr einziges Gut war, dessen Liebe ihr so viele Opfer gekostet, und sie antwortete sich, daß es nicht sein könne, daß Gott selbst nicht das Unmögliche von ihr verlangen könne. Ihr sonst so sanftes Gemüth wurde furchtbar aufgeregt. Der Gedanke, daß Fontanieu, der ihr ewige Treue geschworen, in diesem Augenblicke vielleicht zu den Füßen einer Andern lag, machte sie fast rasend. Sie fühlte einen heftigen Haß gegen diese Andere und brach in laute Verwünschungen aus.

Dann nahmen ihre Gedanken eine andere Richtung. Sie dachte, daß sie Fontanieu vielleicht nicht wieder sehen werde, daß er sie zum letzten Male geküßt; daß er ahne, was jetzt in ihrem Gemüthe vorging; daß er nicht wieder kommen werde, um fruchtlose Qualen bei ihr zu suchen, daß sein Lebewohl das letzte sein werde.

Ihre Stimmung wurde nun wieder weich. Sie brach in Thränen aus, ihre bitteren, feindseligen Gefühle schwanden. Sie fühlte nur ihre unendliche Liebe. Sie sammelte Alles, was ihr von ihm bleiben sollte: seine Briefe, einen Ring, einige zerbrechliche Erinnerungen an die Tage des nicht minder zerbrechlichen Glückes. Sie nahm alle diese Gegenstände, drückte sie an ihr Herz und bedeckte sie mit Küssen.

Ein Gegenstand war ihr vor allen theuer: das Goldstück, welches sie ihm gegeben hatte, als sie ihm zum ersten Male begegnet und welches für ihn ein so glücklicher Talisman geworden war. Sie hatte es mit einer Locke von ihrem Haar umwunden und in ein Medaillon gelegt, welches sie mit Fontanieu abwechselnd am Halse getragen hatte. Später hatte sie es am Camin aufgehängt, und selbst in der bittersten Noth hatte sie sich nicht davon getrennt.

Sie nahm das Medaillon und drückte es;an ihre Lippen. Zu ihrem Erstaunen bemerkte sie, daß das Medaillon leer war. Das Goldstück war verschwunden.

Sie glaubte zu träumen, und ohne recht zu wissen was sie that, suchte sie das ihr doppelt kostbare Goldstück.

In diesem Augenblicke hörte sie schwere Fußtritte auf der Treppe. Die Thür that sich auf und Susanne erschien in der Thür.

Emma war so befangen, daß sie den Aufzug nicht bemerkte, in welchem die alte Dienerin erschien und welcher das Räthsel ihres so sorgfältig verheimlichten Erwerbes löste. Susanne trug eine alte, tief über die Stirn gezogene Haube und am Arme einen großen Korb, in welchem noch einige Blumen und Sträuße waren.

Die arme Alte trieb Abends einen Blumenhandel. Sie hatte kein anderes Mittel gefunden, die Noth ihres »lieben Kindes« zu mildern, ohne ihren Dienst aufzugeben.

Emma eilte auf sie zu.

»Wo ist mein Goldstück, Susanne? was hast Du mit dem Goldstücke gemacht, das in dem Medaillon war?«

»Ich bringe Dir’s zurück, mein Kind,« sagte Susanne und legte den Louisd’or auf den Tisch.

Emma nahm das Goldstück mit stürmischer Freude.

»Du fragst mich nicht einmal, wie es in meine Hände gekommen ist?«

Emma sah die alte Dienerin bestürzt an. Sie bemerkte nun, daß Susannens Gesicht von Thränen feucht war und die Merkmale einer großen Aufregung trug.

»Rede! Rede!« sagte sie.

»Ich erkannte dieses Goldstück auf den ersten Blick wieder an dem Loch, welches über dem Kopfe des Königs Carl X. gebohrt ist, und überdies hatte ich unlängst bemerkt, daß es in dem Medaillon fehlte. Er hat mir’s gegeben.«

»Er!«

»Ja, er hat mir’s gegeben – für zwei Sträuße, die er Margarethen gebracht hat.«

»Margarethen! Nein, das ist nicht möglich! Du irrst Dich, Susanne – nein, nein, das kann nicht sein!« .

»Aber es ist doch so. Dieser ist schlimmer als der Andere. Der Andere hatte alle Satanslaster; Dieser aber ist feig, und das ist noch schlimmer. Es ist wirklich so, sage ich Dir. Du kannst und darfst ihn nicht mehr lieben. – O! Susanne läßt sich nicht hinters Licht führen! Als er mir dieses Goldstück gab, als ich sah, daß es dasselbe sei, welches ihm so theuer und werth sein sollte, folgte ich ihm von den Buden, wo er andere Einkäufe machte, bis zu dem Hotel der Dirne, und ich sah, wie er mit seinen beiden Blumensträußen die Treppe hinaufging. Ich wußte längst, daß erwieder zu ihr ging, aber ich mochte Dir‘s nicht sagen. – Dies machte jedoch das Maß voll, und ich nahm mir vor, nicht länger zu schweigen. Er verdient nur deine Verachtung. Ich allein habe Dich geliebt, wie Du es verdienst. Dieser Mensch würde Dich vielleicht einst verkaufen, wie er dein Andenken verkauft hat.«

Emma hörte längst nicht mehr, was ihre alte Freundin sagte. Schon bei den ersten Worten Susannens war der Marquise das Goldstück aus der Hand gefallen. Emma war auf die Knie gefallen und blieb stumm und regungslos.

Susanne schloß sie in ihre Arme; aber die Marquise machte sich schnell von ihr und sprang auf.

»Komm, Susanne,« sagte sie. »Wir wollen fort. – Ich fürchte, daß ich ihn hassen würde, wenn ich ihn wiedersähe.«

Sie eilte hinaus, ohne sich umzusehen, und lief so schnell, daß Susanne ihr nicht zu folgen vermochte. An der nächsten Straßenecke verschwand sie.

Siebentes Capitel.
Das Weib denkt, der Schlagfluß lenkt

Die Egerien sind heutzutage entsetzlich zahlreich geworden.

Man gibt sich das Ansehen, als ob man die frivolen Liebesverhältnisse verachtete, und noch nie hat man denselben die Wichtigkeit beigelegt, die man ihnen jetzt zugesteht.

In einer Zeit, wo die Zahlen eine so bedeutende Rolle spielen, wo man sein Geld nicht anders aus den Fenstern wirft, als wenn auf der Straße ein Gevatter steht, der es aufnimmt, kann es nicht anders sein. Man gibt einer Courtisane monatlich tausend Thaler; wenn man nur Vergnügen von ihr erwartete, so wäre die Bilanz schwer zu ziehen. Um die Rechnung auszugleichen, nehmen die jungen Gimpel die Befriedigung der Eitelkeit, die alten manchen guten – oder schlechten Rath in den Kauf.

Votum in articulo amoris gibt fast immer den Ausschlag wie ein Präsidialvotum.

So sind die Courtisanen nach und nach für die Familie dasselbe geworden, was die Staatsinquisition für Venedig war.

ausgebeutet, denn wir wollen diesen Damen keine dumme Uneigennützigkeit zur Last legen. Wir wollen nicht in Abrede stellen, daß es Fälle gibt, wo die übliche Prämie nicht in klingender Münze gezahlt wird; aber im Allgemeinen geht der Teufel nicht leer dabei aus.

Margarethe, die vormalige Grisette von Châteaudun, hatte für Louis von Fontanieu die im vorigen Capitel erwähnte Braut aufgefunden. Wenn die Vermählung zu Stande kam, so gelangte der junge Mann in den Besitz von einer Million.

Margarethens Rache war noch nicht befriedigt durch die Verlassenheit und die schweren Sorgen, mit denen Emma zu kämpfen hatte; die Courtisane wollte der Unglücklichen auch den Geliebten rauben, den diese ihr einst geraubt hatte. Dies wäre ihr leicht gewesen, wenn sie ihn in ihre eigenen Netze hätte ziehen wollen, aber Louis von Fontanieu hatte Vorurtheile, despotische Gelüste, die ihm für ihre Lage gefährlich schienen. Zu einer Nebenrolle würde er sich gewiß nicht entschlossen haben. Seit einem Jahre hatte sie die Unabhängigkeit und den Reichthum schätzen gelernt, sie war eine geschickte Strategin in der Liebe, eine schlaue Speculantin in Finanzoperationen geworden. Sie wollte nichts aufs Spiel setzen.

Die Finanziers sind vielleicht die einzigen, in deren Kaste sich die Traditionen der Genußmenschen des vorigen Jahrhunderts unverändert fortgepflanzt haben. Herr Verdières hatte als geborner Banquier häufige Abstecher in das Land der heimlichen Liebschaften gemacht. Unter anderen Andenken, die er mitgebracht hatte, war ein Töchterlein, dem er, statt eines Namens, eine jener glänzenden Ausstattungen, welche vormals nur die unehelichen Kinder der Prinzen von Geblüt erhielten, mitgeben wollte; eine Ausstattung, welche in der ganzen Finanzwelt ungeheures Aufsehen machte.

Herr Verdières war zu eitel, zu geldstolz, als daß er Margarethen seine schöne Handlung hätte verbergen mögen. Margarethe fand hier eine vortreffliche Gelegenheit, ihren Fontanieu anzubringen und der Marquise von Escoman den Gnadenstoß zu geben.

Einige böse Zungen hatten dem Banquier zugeflüstert, Margarethe und Herr von Fontanieu würden sich der Vergangenheit vielleicht allzu lebhaft erinnern, und der Vorschlag, den ihm seine Maitresse machte, schien ihm diese Einflüsterungen so gründlich zu widerlegen, daß er ihn mit großer Freude aufnahm.

Es blieb nun noch Fontanieu für den ohne sein Wissen entworfenen Plan zu gewinnen.

Wenn es in dem Leben eines Menschen immer eine schwache Stunde gibt, in welcher er geneigt ist, eine schlechte Handlung zu begehen, so mußte Margarethe hoffen, dieselbe bei Fontanieu zu finden. Sie erlauerte diese schwache Stunde mit der Geduld einer Katze, die eine Maus fangen will.

Louis von Fontanieu war in ihren Netzen gefangen. Das Feuer der Leidenschaft funkelte in seinen Augen. Margarethe hatte diese Leidenschaft zugleich zu zügeln und ihre Fortdauer zu bewirken. Sie sah indeß ein, daß es ihr, trotz der Gewalt, die sie über ihn hatte, schwer sein würde, ihn zu einem energischen Entschlusse zu führen, wenn sie denselben nicht gewissermaßen erzwang.

Sie ging schlau und methodisch zu Werke. Sie hörte plötzlich auf, Emma anzugreifen; sie bedauerte die Unglückliche und stellte rührende Betrachtungen an über die Unbeständigkeit der menschlichen Geschicke. Sie sagte nicht geradezu, daß Fontanieu das Unglück der Marquise verschuldet habe, aber sie gab ihm zu verstehen, daß er zu schwach und willenlos sei, daß er nicht den Muth habe, für Emma das Vermögen wieder zu erringen, welches sie ihm geopfert.

Es wurden eben, um das Leben zu stiften, in der Rue de la Pepinière einige unbedeutende Schmucksachen verkauft.

Dieser grelle Abstand zwischen der Wirklichkeit und seinen beständigen Gedanken machte ihn so traurig, daß Margarethe es bemerkte. Sie entlockte ihm ohne Mühe sein Geheimniß. Diese Stimmung benützte sie. Einige heuchlerische Worte, einige Thränen besiegten seinen Widerwillen. Margarethe zeigte seiner aufgeregten Phantasie große Haufen Banknoten; sie machte ihn berauscht. Noch denselben Tag warb er bei Verdières um die Hand seiner Tochter, die ihm bewilligt wurde.

So standen die Sachen. Margarethe war so begierig, sich ihres Sieges zu erfreuen, daß sie denselben leicht hätte in Frage stellen können. Sie hatte bei der Wäschhändlerin eine angebliche Ausstattung bestellt und den Wunsch ausgesprochen, die Anfertigung derselben der Madame Louis zu übertragen. Die Unglückliche konnte sich nicht zu früh ausweinen.

Inzwischen hatte Louis von Fontanieu seine Braut nicht gesehen. Die Brautschau war auf denselben Abend festgesetzt. Die Einwilligung seiner Mutter hatte er nicht; er hatte an sie geschrieben, aber sie hatte ihm noch nicht geantwortet.

Jede falsche Stellung raubt die Besonnenheit. Louis von Fontanieu sah überall einen Abgrund; er schritt vor, um nicht hineinzustürzen. Er hatte sich wohl vorgenommen, den Chevalier von Montglas um Rath zu fragen, aber er fürchtete die Spöttereien des alten Edelmannes.

Am Morgen vor der Brautschau hatten ihn die allergeringfügigsten Ursachen in seinem Entschlusse bestärkt. Er hatte jederzeit Zutritt bei Margarethe. Sein Anzug kam dabei wenig in Betracht; aber diesen Abend durfte er nicht nachlässig erscheinen. Während der Abwesenheit der Marquise hatte er seine Kleider gemustert; er hatte bemerkt, daß es ihm an jenen Gegenständen fehlte, die für einen eleganten Herrn etwa dasselbe sind, was die Metallkapsel auf dem Stöpsel einer Champagnerflasche.

Er hatte keinen Deut.

Sollte er eine Million im Stich lassen, weil er keine Handschuhe hatte? Das wäre lächerlich und entsetzlich gewesen – so entsetzlich, daß dieser Gedanke die Gewissensbisse erstickte, welche ihn von Zeit zu Zeit quälten.

Er sann nach, ob er nichts mehr zu versilbern hätte.

Das Goldstück, das erste Geschenk der Marquise, war der einzige werthvolle Gegenstand, der den Schiffbruch überlebt hatte.

Er machte das Medaillon los.

Er zögerte.

Aber sein Herz war unempfindlich geworden für das Zartgefühl, welches theure Angedenken heilig hält. Jede Ausschweifung hat eine moralische Herabwürdigung zur Folge. Er dachte nicht an das abergläubische Vertrauen, welches er in diesen Talisman gesetzt hatte. Es war nur ein Stück Gold, nichts weiter. In seiner Gewissenhaftigkeit berechnete er, ob es auch sein Eigenthum sei. Er erinnerte sich, daß er der Marquise im Posthause zu Lonjumeau für dieses Goldstück, welches sie ihm an den Hals gehängt, ein anderes von gleichem Werthe gegeben hatte. Nun schwanden alle Bedenklichkeiten; er nahm das Goldstück aus der gläsernen Hülle und lächelte bei dem Gedanken, daß es ihm einst das Leben gerettet und ihn nun vielleicht zum reichen Manne machen werde.

Wir haben gesehen, wie er, ohne Susanne zu erkennen, für dieses Goldstück zwei Blumensträuße gekauft hatte. Der eine war für Margarethe, der andere für seine Braut bestimmt.

demi-monde« nennt. Sie besteht theils aus Personen, denen von Geburt an ein Makel anklebt, oder die sich durch eigene Schuld des Umgangs mit wahrhaft Gebildeten unwürdig gemacht haben, theils aus alten Sünderinnen, die sich aus Rücksichten in gewissen Schranken halten müssen.

Zu diesen letzteren gehörte die Mutter dieses jungen Mädchens. Es bedurfte großer diplomatischer Kunstgriffe, um ihre Zustimmung zu der Zusammenkunft der beiden jungen Leute in Margarethens Wohnung zu erlangen. Zu ihrer Scheinsprödigkeit kam noch der natürliche Haß der alten Sünderin gegen die junge, der abgedankten Maitresse gegen die neue.

Louis von Fontanieu fand Margarethe in großer Verlegenheit. Der Baron Verdières hatte ihr versprochen, heute mit ihr zu speisen; es war bald zehn Uhr Abends, und er war noch nicht gekommen. Seine Anwesenheit war doch so nothwendig. Margarethe kannte nicht den dritten Theil der Personen, die in ihrem Salon waren. Die Mutter der Braut hatte einen ausgedehnten Gebrauch gemacht von der Erlaubniß, beliebige Personen einzuladen. Sie that, als ob sie hier zu Hause wäre. Daher die Verstimmung, welche Margarethe kaum zu verbergen vermochte.

Die Vorstellung war etwas kalt.

Louis von Fontanieu war übrigens nicht in der Stimmung, sich von einer sehr liebenswürdigen Seite zu zeigen. Je näher er der Verwirklichung des von ihm angenommenen Planes kam, desto mehr erwachten in seinem Herzen wieder die Gefühle, die er für erloschen gehalten hatte. Das Bild der Marquise schwebte ihm von neuem vor.

Bis dahin hatte ihm die Unmöglichkeit des Rücktritts, die Hartnäckigkeit des Schwachen eine gewisse Festigkeit gegeben; aber sobald als sich sein Entschluß als vollendete Thatsache darstellte, fing er an zu wanken. Die Vortheile traten tief in den Schatten, die Hindernisse nahmen Form und Gestalt an, und bald herrschte eine solche Verwirrung in seinem Kopfe, daß er wie ein Betrunkener wankte, als er an Margarethens Hand in den Kreis trat, in welchem die Tochter des Baron Verdières saß.

Es war ein Mädchen von zwanzig Jahren, weder schön noch häßlich, wie es sich für eine Erbin schickte. In ihren jugendlichen Gesichtszügen bemerkte man schon den Einfluß der verdorbenen Lust, in welcher sie gelebt hatte. Hinter der Schminke lugte eine krankhafte Blässe hervor. Ihre Augen waren ohne Ausdruck und Leben.

Louis von Fontanieu würdigte sie kaum eines Blickes. Seit einigen Minuten hatten seine Gedanken eine bestimmte Richtung genommen. Ueber die Schultern der ihn umgebenden Frauen hinweg hatte er das höhnisch lächelnde Gesicht des Chevalier von Montglas bemerkt, und dieses Gesicht mahnte ihn lebhaft an die Vergangenheit. Er machte sich von den ihn umgebenden Personen los und suchte ihn in dem Salon.

Der alte Edelmann stand an der Eingangsthür. Er betrachtete mit philosophischenr Gleichmuth die glänzende Gesellschaft.

Fontanieu reichte ihm die Hand. Der Chevalier drückte sie, ohne Freude oder Unwillen zu erkennen zu geben.

»Mordieu! wer hat denn behauptet, es gebe in Frankreich keinen Adel mehr?« sagte der Chevalier von Montglas zu seinem jungen Freunde. »Seit einer halben Stunde bat der Bediente zum allermindesten Barone und Baroninnen angemeldet! Ich bedaure wirklich, daß ich den Grafentitel noch nicht angenommen habe; ich fühle mich als Chevalier ganz beschämt unter dieser hohen Aristokratie.«

Fontanieu erröthete bis über die Ohren. Der Chevalier schien es nicht zu bemerken. Er sprach in demselben gleichgültigen Tone fort. Er sprach von Wettrennen, von Politik, von der Abwesenheit des Marquis von Escoman, den er zu seinem Erstaunen in Margarethens Hause vermißte. Von Fontanieu’s Heirat sagte er kein Wort.

Der junge Mann hörte ihm mit einer Ungeduld zu, die er nicht zu verhehlen vermochte. Auf die Zustimmung des Chevalier zählte er nicht, er ahnte seine Meinung, aber er fühlte das Bedürfniß, sich in den Augen seines alten Freundes zu rechtfertigen, und er zwang ihn das Stillschweigen zu brechen.

»Wann werden Sie mein Beispiel befolgen?« fragte er mit scheinbarer Gleichgültigkeit.

»Ei! ich bin ja weit älter als Sie,« erwiederte Montglas; »Sie dürfen sich daher nicht wundern, daß ich mir mehr Zeit nehme.«

Fontanieu zögerte; dann erwiederte er mit gepreßter Stimme:

»Was sagen Sie zu meinem Vorhaben, Montglas? Billigen Sie es?«

Der Chevalier lächelte und antwortete nicht.

»Warum lächeln Sie? Warum verweigern Sie mir Ihren Rath?«

»Lieber Fontanieu, wenn Sie den mindesten Werth auf meine Meinung gelegt hätten, so würden Sie mich früher um Rath gefragt haben. Ich habe nur noch kurze Zeit zu leben und mag meine Worte nicht in den Wind reden. Ich säe, um zu ernten. Sind Sie zufrieden?«

Die Zurückhaltung des alten Edelmannes schreckte Fontanieu nicht ab. Sein Entschluß wankte. Er suchte eine Stütze, er griff nach dieser Freundeshand, um nicht zu straucheln. Er suchte den Chevalier zu überzeugen, daß er durch die Annahme des ihm angebotenen Vermögens keinen andern Zweck habe, als Emma den Folgen ihrer traurigen Lage zu entziehen; er suchte seiner Schwäche einen Anstrich von Heroismus zu geben.

»Glauben Sie denn wirklich,« sagte Montglas, ihn unterbrechend, »daß die Marquise von Escoman ein Almosen von dem Fräulein Million annehmen werde? In der That, ich hätte solche Verblendung bei Ihnen nicht gesucht.«

»Im Grunde,« sagte Fontanieu, »thue ich dasselbe, lieber Chevalier, was Sie selbst beabsichtigen.«

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Дата выхода на Литрес:
30 ноября 2019
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410 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
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