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Читать книгу: «Liebesdramen», страница 22

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»Mir keinen Vergleich, mein junger Freund,« erwiederte Montglas »Ich habe Ihnen schon wiederholt erklärt, daß ich eine Ausnahme mache. Ich bin kein junger Freier mehr; der Teufel konnte mir seine Hand anbieten, ich würde sie annehmen, und alle vernünftigen Leute würden sagen, daß ich gar nicht so unrecht gethan. Aber mit fünfundzwanzig Jahren, als mir die Welt noch offen stand, würde ich nicht um eine Million vergessen haben, daß ich ein Edelmann bin.«

Louis von Fontanieu schlug beschämt die Augen nieder.

»Ein der That,« setzte der Chevalier hinzu, »ich vergesse meinen Entschluß, zu schweigen. Ich habe Ihnen ausnahmsweise einen Rath gegeben, weil ich Ihre Schwäche ahnte. Ich glaubte, diese Schwäche würde alle Ihre glänzenden Vorzüge in den Schatten stellen, wenn Sie keine starke Stütze fänden. Sie hörten nicht auf meine Worte, und ich habe mich nicht geirrt. Sie vermochten Ihre Leidenschaften nicht zu beherrschen; Sie sind ein Spielball derselben, denn Sie haben nicht die Kraft, wie ich, dieselben nutzbar zu machen. Sie glaubten an die Versprechungen Ihrer Phantasie, Sie lebten im Lande der Träume, Sie werden auf Ihre Kosten die Wirklichkeit kennen lernen. Trotz meiner Laster bin ich doch einigermaßen geachtet; mit Ihrer Schwäche und Charakterlosigkeit wird es Ihnen schwer sein, der Achtung einigermaßen werth zu bleiben. Sie sind jetzt verloren; Sie werden in einem Eimer Wasser ertrinken, und Sie finden bei mir nur jene alltägliche Theilnahme, die man einem Spieler widmet, für den man nicht wettet.«

»Chevalier, verurtheilen Sie mich noch nicht,« sagte Fontanieu entschlossen.

In diesem Augenblicke wurde zum Souper gerufen, und Margarethe gab dem jungen Manne einen Wink, die Tochter des Baron Verdières in den Speisesaal zu führen.

Er zögerte. Er bestand einen schweren inneren Kampf zwischen dem Ehrgefiihl, das im Gespräch mit dem Chevalier endlich geweckt worden war, und den Schwierigkeiten seiner Lage.

Margarethe warf einen zornigen Blick auf den Chevalier, dem sie die plötzliche Umwandlung Fontanieu’s zuschrieb.

Plötzlich fühlte sich dieser beim Arm ergriffen. Er sah sich um und bemerkte Susanne, welche den Augenblick, wo die Dienerschaft im Speisesaale war, benutzt hatte, nur trotz der Abwehr des meldenden Bedienten in den Salon zu stürzen.

Die alte Frau sah mit ihren beschmutzten Kleidern, ihren fliegenden Haaren und starren Blicken wie ein mitten unter die glänzende Gesellschaft tretendes Gespenst aus.

»Wo ist sie? wo ist sie?« rief Susanne, indem sie Fontanieu heftig rüttelte.

Fontanieu wurde leichenblaß. Er verstand, daß Emma gemeint wurde. Er ahnte eine furchtbare Katastrophe.

»Werfet die tolle Person zur Thür hinaus,« sagte Margarethe, welche die Dienerin der Marquise von Escoman erkannte.

Aber Susanne hörte nicht, sie sah nur Louis von Fontanieu.

»Wo ist mein Kind?« sagte sie zu ihm. »Sie ist todt – für Dich in den Tod gegangen, während Du hier lachst und tändelst zu den Füßen dieser Verworfenen. Kennst Du denn keine Reue, Elender? Könnte ich Dir doch meine Reue mittheilen!l Ja, ich habe diesen Engel zu diesem Fehltritte getrieben, ich gestehe es vor Allen, ich habe die reine, tugendhafte Emma in deine Arme geführt. Ich glaubte sie zu retten, und habe sie ins Verderben gestürzt. – Mein Gott, wenn man wüßte, wo sie zu finden ist, würde man vielleicht noch zeitig genug kommen. Ein Wort von ihm, und sie würde leben. – Doch nein, sie ist gewiß todt. Ich lief über den Quai, und als ich in den Fluß schaute, flüsterte mir eine geheime Stimme zu: »Sie ist da!« Aber Du sollst Dich deines Verbrechens nicht erfreuen. Du sollst mit uns kommen, Elender, in die Hölle, die unser wartet!«

Bei diesen Worten ergriff Susanne ein kleines Messer, welches in ihrem Gürtel geblieben war, und führte gegen Fontanieu einen heftigen Stoß. Die Klinge durchlöcherte seine Kleider und streifte seine Brust.

Alle Anwesenden schrien laut auf vor Entsetzen. Die Frauen verbargen sich das Gesicht mit den Händen, und der Chevalier von Montglas entwand der wüthenden Susanne die Waffe, welche sie zückte, um noch einmal zu stoßen.

»Haltet sie fest! Bindet sie!l« rief Margarethe im höchsten Zorn.

»Niemand lege Hand an diese Frau!l« rief Louis von Fontanieu und trat zwischen Susanne und die Diener, welche herbeieilten, um sie zu ergreifen.

»Sie ist in ihrem Rechte, sie hat die Wahrheit gesagt; ich habe mich gegen ihre Herrin wie ein Elender benommen.«

Susanne war erschöpft zu Boden gesunken. Sie lag regungslos auf dem Teppich; sie sprach kein Wort; ihre Glieder zuckten krampfhaft und ihre Zähne klapperten.

Louis von Fontanieu umschlang sie mit beiden Armen und versuchte sie aufzuheben.

»Sie haben eine andere Pflicht,« sagte aber der Chevalier von Montglas zu ihm. »Lassen Sie die arme Frau los, ich werde mich ihrer annehmen.«

Der junge Mann verstand ihn.

»Adieu!« sagte er zu dem Chevalier und eilte fort.

»Nein, ans Wiedersehen!« erwiederte Montglas und drückte ihm mit Wärme die Hand.

»Wenn Sie Antheil haben an dem dummen Streiche unseres Freundes, so wünsche ich Ihnen nicht Glück dazu,« sagte Margarethe leise zu dem Chevalier, während zwei Diener die bewußtlose Susanne in den Fiaker trugen, den Montglas hatte vorfahren lassen.

»Bah! dieser dumme Streich hat schon Glück gebracht,« sagte der alte Edelmann.

»Was meinen Sie?«

»Daß er ihm eine Beschämung und einen Verdruß erspart hat.«

»Ich verstehe Sie nicht.«

»Nemlich den Verdruß, die Million in dem Augenblicke, wo er sie einstecken würde, davonfliegen zu sehen.«

»Warum sollte das der Fall sein?«

»Weil mir ein Freund der Familie Verdières so eben erzählt hat, daß der arme Baron diesen Abend zwischen fünf und halb sechs Uhr vom Schlage getroffen sei, und daß er möglicherweise kein Testament hinterlassen habe.«

Margarethe stieß einen lauten Schrei des Schreckens ans und gab sich alle Mühe, ebenfalls in Ohnmacht zu fallen. Aber der Chevalier wartete den Erfolg ihrer Bemühungen nicht ab; er beurlaubte sich mit einer zierlichen Verbeugung und entfernte sich, um sich Susannens anzunehmen.

Louis von Fontanieu suchte die ganze Nacht. Er setzte seine Nachforschungen in Paris und in der Umgegend länger als einen Monat fort, aber es war ihm unmöglich, die Marquise von Escoman aufzufinden.

Achtes Capitel.
Das Alter schadet der Thorheit nicht

Der Baron Verdières harte ein Testament gemacht.

Nach dem neuen Beweise, den Fontanieu von seinem Wankelmuth gegeben hatte, war es Margarethen ziemlich gleichgültig, ob der reiche Banquier seine natürliche Tochter in seinen letztwilligen Anordnungen vergessen hatte oder nicht; aber es lag ihr sehr viel daran, selbst in dem Testament bedacht zu werden.

Ihre Hoffnung ward nicht getäuscht. Der Gönner hatte sich nach dem Tode eben so freigebig zeigen wollen, wie er im Leben gewesen war. Er hatte jede Liebe bedacht, die sein Leben verschönert hatte. Wie im Himmel, wurden die Letzten am reichsten betheiligt. Margarethe erhielt ein glänzendes Vermächtniß, welches ein Dutzend Familien hätte glücklich machen können.

Trotzdem war Margarethe nicht glücklich. Ihr Ehrgeiz war tief getränkt worden. Der Unglücksabend, an welchem die unterbrochene Brautschau stattgefunden, hatte unangenehme Erinnerungen hinterlassen. Die höhnischen Blicke vieler Leute, welche sie mit Backwerk und Eis gefüttert hatte, waren ihr nicht entgangen.

Wenn die Leidenschaft des Weibes erloschen ist, so vereinigen sich alle übrigbleibenden Geisteskräfte im Ehrgeiz.

Trotz ihres gänzlichen Mangels an Bildung hatte Margarethe eingesehen, daß das Publicum, wie nachsichtig es auch sei, einen Schein von Ehrenhaftigkeit verlangt, um seine Achtung zu rechtfertigen, und daß sie, um diesen Schein zu bewahren, nicht mehr Margarethe Gelis heißen dürfe.

Der Phönix opferte sich den Flammen, um neu aus der Asche hervorzugehen; die Sünderinnen von Margarethens Art verheiraten sich, um sich zu häuten und in neuer Gestalt aufzutreten. Der Phönix soll dabei die Jugend und den ewigen Glanz seines Gefieders gewonnen haben. Was diese Damen bei der Häutung verlieren, soll leichter zu berechnen sein, als was sie gewinnen.

Aber Margarethe ließ sich durch warnende Beispiele nicht abschrecken. Sie wollte Andere demüthigen, eine Rolle in der Welt spielen; sie brauchte dazu Namen und Titel und Wappen, und um diese Auszeichnungen zu erringen, war sie bereit, Alles zu wagen.

Zuerst dachte sie an den einzigen Mann, den sie geliebt hatte. Aber Louis von Fontanieu war nicht mehr zu sehen. Eine Zeitlang hatte man ihn noch in Paris gesehen; er war so mit seinen Gedanken beschäftigt, so eilig gewesen, daß er Niemanden erkannt hatte. Dann war er plötzlich verschwunden. Margarethe hatte wohl gehört, man habe ihn im Walde von Saint-Germain mit einer alten Dame und einem jungen Mädchen gesehen. Sie hatte mehrmals den Pavillon Henri IV. zum Ziele ihrer Spazirfahrten genommen; sie hatte sich auf der Terrasse in tiefer Trauer gezeigt, durch welche sie ihren Dank gegen den freigebigen Verstorbenen zu erkennen gab. Aber Fontanieu war nicht zu sehen. Sie dachte, er habe die Marquise wieder gefunden und in tiefer Einsamkeit eine neue Idylle angefangen. Sie nahm sich vor, den Chevalier von Montglas bei nächster Gelegenheit auszufragen; denn trotz der Sorge für ihre persönlichen Angelegenheiten war ihr Groll keineswegs erloschen.

Inzwischen öffnete sie ihre Salons wieder, die Freier kamen schaarenweise. Allein obgleich sie das männliche und weibliche Personal, dessen Anwesenheit auf eine Fortsetzung ihres früheren Lebens hätte deuten können, von ihren Einladungen sorgfältig ausschloß, bemerkte sie sogleich, daß ihre eifrigsten Verehrer keineswegs nach ihrer Hand strebten.

Ihre Eigenliebe wurde dadurch auf’s neue verletzt. Da die Berge nicht von der Stelle rückten, um zu ihr zu kommen, so ging sie den Bergen entgegen. Diese wichen zurück, oder wenn sie sich gefügig zeigten, so erkannte Margarethe, daß es Berge von Pappendeckel waren. Mit andern Worten, sie erkannte, daß die adeligen Herren, welche bereit waren, der reichen Erbin ihr Wappen anzuhängen, Industrieritter waren.

Je offenbarer sie ihre Ansprüche aussprach, desto leerer wurde es um sie. Einige waren lachend, Andere achselzuckend fortgegangen, aber Alle schienen verabredet zu haben, nicht wieder zu kommen. Margarethe war eine Klippe geworden und als solche auf der Pariser Seekarte verzeichnet.

Eines Abends war sie allein. Sie sann über die unangenehmen Folgen ihres Ehrgeizes nach, und kam zu dem Schlusse, daß sie bald der Lächerlichkeit, dem bürgerlichen Tode der Demi-Monde, als Beute zufallen müsse, wenn sich ihre Lage nicht sehr bald änderte. Da es die Franzosen gar zu genau nahmen, so sah sie nicht ein, warum sie nicht auf die früher verschmähten Fremden ihr Augenmerk richten sollte. Sie nahm daher eine Karte von Deutschland und suchte unter den Badeorten die ergiebigste Fundgrube für heiratslustige Französinnen.

Der Chevalier von Montglas wurde gemeldet. Margarethe dachte an Louis von Fontanieu.

Der Chevalier war nicht mehr so witzig und übermüthig wie an dem Tage, wo er der Marquise von Escoman und seinem jungen Freunde seine Eroberungspläne auseinandersetzte. Er war düster gestimmt, obgleich noch häufige Witzfunken aus seinem umdüsterten Gemüthe hervorleuchteten.

Er küßte der Courtisane höflich die Hand.

Margarethe begann von ganz gewöhnlichen Dingen zu sprechen. Dann lenkte sie das Gespräch auf Châteaudun, auf ihre früheren Bekannten, auf den Marquis von Escoman, der einer von ihren Getreuen geblieben war. Von dem Marquis zur Marquise war der Uebergang ganz natürlich.

Aber wie geschickt auch die Mine gelegt war, mit einem Gegner wie der Chevalier mußte sie auf ihrer Hut sein. Er ließ es auch an beißendem Spott nicht fehlen, als sie, um ihre Neugierde zu rechtfertigen, von ihrer lebhaften Theilnahme an dem Geschicke der beiden Liebenden sprach. Sie verschwendete nutzlos ihr Pulver und erfuhr nichts.

Der Chevalier wollte sich entfernen. Margarethe hatte zwar einen heimlichen Groll auf ihn, aber sie war zu schlau, als daß sie ihn hätte vernachlässigen, oder wohl gar gegen sich erbittern mögen. Sie reichte ihm die Hand und bat ihn, mit seinen Besuchen nicht so geizig zu sein.

»Mit dem besten Willen von der Welt könnte ich Ihnen nicht versprechen, wieder zu kommen,« sagte Montglas.

»Warum nicht?«

von Montglas« der Zusatz stand: »Um Abschied zu nehmen« – »Ich wollte Ihrem Hausmeister diese Karte übergeben, falls ich nicht so glücklich wäre, Sie zu Hause zu finden.«

Grafen auf der Karte las.

»Sie sind also Graf geworden?« fragte sie seufzend.

»Sie kennen mich lange genug, um zu wissen, daß ich einen Titel, den ich nicht zu führen berechtigt bin, nicht annehmen würde.«

»Und Sie wollen abreisen?«

»Ja wohl.«

»Sie gehen wieder nach Châteaudun?«

»Nein, ich – gehe auf Reisen.«

»Vielleicht nach Deutschland?«

»Noch etwas weiter.«

»Sagen Sie mir wohin. Ich träume seit zwei Tagen beständig von Postchaisen. Vielleicht würde ich mich entschließen, Sie zu begleiten.«

»Ich glaube nicht.«

»Reden Sie doch, Chevalier. Ich hasse die Charaden. Ich reife mit Ihnen, das verspreche ich Ihnen. – Sagen Sie, ist das Land unterhaltend?«

»Einige behaupten, man schlafe dort: Andere nennen es ein Land der Träumer. Ich werde es morgen erfahren.«

»Sie wollen Fontanieu aufsuchen?«

»O, der arme Junge! Ich hoffe um seinetwillen, daß wir uns dort, wohin ich reise, so bald nicht begegnen werden.«

Margarethe sah den Chevalier bestürzt an. Sie hatte ihn verstanden. Montglas lachte.

»Nun ja,« sagte er, »morgen zwischen elf und zwölf Uhr erschieße ich mich. Es freut mich, daß Sie mir dieses Geständniß entlockt haben; Sie müssen doch morgen zur bestimmten Stunde an mich denken. Ich schwöre Ihnen, schöne Dame, daß diese Gemeinsamkeit der Gedanken meine letzten Augenblicke sehr versüßen wird.«

»Sie sind von Sinnen!«

»Ich wünsche, daß ich’s noch zwölf Stunden bleibe.«

Margarethe sann nach.

»Entschuldigen Sie, schöne Dame,« sagte Montglas, »ich habe noch drei Diners zu bezahlen, und ich möchte mir nicht nachsagen lassen, daß ich nicht zu leben wisse.«

»Chevalier von Montglas,« sagte Margarethe mit raschem Entschlusse, »haben Sie eine Abneigung gegen den Ehestand?«

»Je nachdem.«

»Gegen die Vermälung mit einer reichen Frau?«

»Ich habe mir mein Leben lang alle Mühe gegeben, meine Antipathien zu besiegen; in einem solchen Falle, glaube ich, würden sie besiegt werden.«

»Auch wenn diese Frau Margarethe Gelis hieße?«

»Warum nicht?«

»Nun, dann erschießen Sie sich nicht, Chevalier. Hier ist meine Hand.«

Montglas schien weder erstaunt noch gerührt.

»Ei der tausend!« sagte er, »es ist eine Schande für mich, der sonst für Alles Rath weiß, daß ich nicht schon früher an Sie gedacht habe. Ich wußte doch, daß Sie einen Mann suchen. Wahrhaftig, Sie hätten nicht wohlfeiler zu einem Titel kommen können, ich kann es Ihnen nicht verhehlen. Ich bin schon siebenundsechzig Jahre alt und habe zum Schlagflusse, dem Sie schon vielen Dank schuldig sind, eine nicht genug zu schützende Anlage. Vielleicht mache ich aber von uns Beiden das beste Geschäft. Denn es versteht sich von selbst, daß wir Beide diese Heirat nur als Geschäftssache betrachten.«

Margarethe nickte zustimmend.

Montglas stand auf und verneigte sich.

Margarethe Gelis stand auf und machte einen Knix.

Beide waren einig. Das Geschäft war abgeschlossen.

extremis gefaßt, allein das ließ man als keine Entschuldigung gelten. Die Freunde, welche Montglas in Paris hatte, wandten sich von ihm ab und gingen ihm aus dem Wege. Er war übrigens so beschäftigt, daß er den Gleichgültigen nicht viel Zeit zu widmen hatte. Seine Zeit war getheilt zwischen den officiellen Besuchen bei seiner schönen Braut und den sehr langen täglichen Sitzungen in einem Zimmer des Hotels, wo er wohnte. Diese Sitzungen hielt er in Gesellschaft eines ziemlich verdächtig aussehenden Fremden, der ihm, seit dem die Heirat beschlossen war, wie sein Schatten folgte.

Margarethe war sehr erfreut. Sie hatte das Pariser Leben und Treiben kennen gelernt und wußte daher, daß nichts gegen die vollbrachte Thatsache etwas vermag. Sie erwartete die Unwilligsten an dem Tage, wo die Gräfin von Montglas ihren ersten Ball geben würde. Sie konnte sich jedoch an den Charakter ihres künftigen Gemahls nicht gewöhnen. Der Chevalier machte ihr zwar mit aller aus dem achtzehnten Jahrhundert überkommenen Grazie den Hof, aber er behielt den ihm eigenen sarkastischen Ton, und manchmal zogen sich die olympischen Brauen der Schönen zusammen, wenn er sich beißende Anspielungen erlaubte und unter den Blumen seiner Galanterie die spitzigen Dornen hervorkommen ließ.

Dieser kleine Nachtheil wog jedoch nicht die Vortheile auf, welche Margarethe in dieser Verbindung fand. Der Tag kam, an welchem dieselbe geschlossen werden sollte.

Die Hochzeit wurde in der Stille gefeiert. Margarethe hatte selbst auf den Brautkranz verzichtet, den sie, wie jede andere »Demoiselle«, zu tragen berechtiget war. Aber obgleich außer den vier Zeugen und dem Beamten, der ihre Hände in einander legen sollte, Niemand anwesend war, erschien sie dabei in glänzender Toilette.

Montglas zeigte sich ziemlich gleichgültig. Die Stunde, in welcher er sich in das Gemeindehaus begeben sollte, war längst vorüber, und er war noch nicht da.

Margarethe, die im Gespräch mit den beiden alten Schmarotzern, welche sie als Zeugen gewählt hatte, wenig Unterhaltung fand, gab große Ungeduld zu erkennen und zerriß in ihrem Aerger das mit Spitzen besetzte Schnupftuch welches sie in der Hand hielt.

Endlich rollte ein Wagen in das Hausthor und gleich darauf hörte man an der Treppe die schallende Stimme des neugebackenen Grafen und angehenden Ehemanns. Er erschien Arm in Arm mit einem eleganten jungen Manne, in welchem Margarethe den Marquis von Escoman erkannte.

Sie wurde sehr blaß. Sie erinnerte sich, daß sich Montglas bis dahin geweigert hatte, ihr die Namen der von ihm gewählten Zeugen mitzutheilen, und die sonderbare Bevorzugung ihres vormaligen Geliebten schien ihr eine boshafte Absicht zu verbergen.

Ehe sie ihre Fassung wieder bekam, trat Montglas auf sie zu und sagte mit dem natürlichsten unbefangensten Tone:

»Verzeihen Sie, schöne Gräfin, daß ich Sie warten ließ. Die Ueberraschung war wohl der Mühe werth. Ich wußte, daß es Ihnen angenehm sein würde, unsere alten Freunde als Zeugen unseres Glückes zu sehen, und ich habe alle meine Redekunst aufgeboten, um den einen zu bewegen, sein kleines Reich in Dubois zu verlassen und den andern, sich für einen Tag von seiner Mutter loszumachen. Mit dem ersten ist es mir gelungen und der andere – ei! das ist er ja« setzte Montglas hinzu und zeigte auf Louis von Fontanieu, der in der Thür erschien. »Fürwahr, der Himmel ist mir günstig.«

Margarethe sah abwechselnd die beiden Helden ihrer früheren Abenteuer an. Die Gesichter Beider boten einen ziemlich auffallenden Gegensatz.

Der Marquis von Escoman zeigte gar keine Verlegenheit in der Rolle, die ihm sein Freund Montglas bei seiner vormaligen Maitresse zugetheilt hatte. In der Komödie, wo diese die Epauletten einer ehrsamen Frau verdienen sollte, schien er durch die Anwesenheit des Mannes, der zweimal sein Nebenbuhler gewesen war, nicht im mindesten belästigt zu werden. Er beantwortete die Begrüßung Fontanieu’s mit einer kalten, aber höflichere Verbeugung und drückte dem alten Edelmann mit großer Herzlichkeit die Hand. Louis von Fontanieu hingegen schien sehr befangen. Er mied die unmittelbare Nähe des Marquis und schlug die Augen nieder, wenn der Blick Margarethens auf ihn fiel.

Diese wußte recht gut, was sie von der complimentenreichen Zutraulichkeit des Chevaliers zu halten hatte. Die Absichtlichkeit, mit welcher er in dem Augenblicke, wo sie sich von ihrer Vergangenheit lossagen sollte, die Erinnerung an dieselbe weckte, war in ihren Augen eine Kriegserklärung. Es ward ihr bange; sie hob die Hand, um ihren Hut abzunehmen, und öffnete den Mund, um zu erklären, daß sie auf die Ehre verzichte, Gräfin von Montglas zu werden; aber sie schämte sich ihrer Schwäche. Sie warf einen höhnischen Blick auf den alten Mann, dessen Namen sie führen sollte, und ihr Mund verzog sich zu einem eigeuthümlichen Lächeln, in welchem zugleich Verachtung und Drohung lag.

Der Marquis von Escoman bot ihr den Arm, aber sie benutzte einen Augenblick, wo sich der Marquis umsah, um einige Worte mit Montglas zu sprechen, und nahm den Arm Fontanieu’s.

Auf dem Wege vom Hotel zum Gemeindehause und zur Kirche, so wie während der doppelten Ceremonie war Fontanieu sehr unruhig. Seine Blässe wich einer lebhaften Röthe; seine Lippen bebten; er athmete schwer und obgleich die Hitze sehr erträglich war, mußte er sich öfter den Schweiß von der Stirn wischen.

Margarethe hatte indeß noch nicht mit ihm gesprochen. Sie schien von ganz natürlichen Gefühlen bewegt; ihre schmachtenden Augen waren himmelwärts gerichtet; ihre Lippen schienen zu beten. Der Zufall wollte freilich, daß sie die himmlischen Regionen immer auf der Seite suchte, wo Fontanieu saß.

Als sie aus der Sacristei traten, waren Fontanieu und die neue Gräfin von Montglas einige Augenblicke von den Uebrigen entfernt. Sie neigte sich zu ihm und flüsterte ihm einige Worte zu, die er allein verstehen konnte. Seine Befangenheit wurde immer größer und er vergaß sich so weit, daß er Margarethens Hand faßte und an seine Lippen zog.

Sie machte schnell ihren Arm los und wandte sich zu ihrem Manne mit dem lächelnden Gesichte einer Neuvermälten, deren Wünsche erfüllt sind. Montglas reichte ihr die Hand, um in seinen Wagen zu steigen.

Die neue Gräfin erwiederte die Artigkeiten des alten Edelmannes, ließ aber Fontanieu nicht aus den Augen. Nach einigem Zögern entfernte er sich rasch in der Richtung der Rue Saint-Honors; er schien einen ungleichen Kampf vermeiden zu wollen.

Das freudestrahlende Gesicht Margarethens verfinsterte sich.

»Wie,« sagte sie, »Herr von Fontanieu verläßt uns schon?«

Montglas sah nach der Seite hin, welche Margarethens Augen andeuteten, machte ihr eine leichte Verbeugung und eilte dem Flüchtlinge nach. Der Marquis von Escoman, der aus dem Wagen Alles beobachtet hatte, lachte herzlich.

»Ventrebleu! mein junger Freund, es ist nicht schön von Ihnen, einem alten Invaliden, wie ich bin, seine letzten Kräfte zu rauben,« sagte Montglas zu Louis von Fontanieu, als er diesen nach einigen Minuten eingeholt hatte.

Der junge Mann sah sich um.

»Was fällt Ihnen denn ein?« setzte der alte Edelmann hinzu. »Fürchten Sie sich etwa jetzt vor den schönen Augen, die Ihnen vormals so lieb waren?«

»Nein,« antwortete Fontanieu. »Aber ich habe meiner Mutter versprochen, Abends wieder nach Hause zu kommen, und ehe ich wieder nach Saint-Germain zurückkehre, wollte ich Susanne in der Heilanstalt besuchen, in welche Sie sie gebracht haben.«

»Wie geht’s ihr? Wissen Sie es? Ich habe nicht Zeit gehabt, mich um sie zu kümmern.«

»Leider ist ihr Wahnsinn zur Tobsucht geworden,« antwortete Fontanieu.

»An der gehörigen Behandlung und Pflege fehlt es ihr nicht. Ihr Besuch würde gar kein Trost für sie sein, denn sie erkennt Niemand. Sie können den Besuch auf einen andern Tag verschieben. Kommen Sie mit mir. Die Gräfin hat mir befohlen, Sie zurückzubringen – lebend oder todt. Und fürwahr, ich möchte ihr gerade diesen Abend die Laune nicht verderben; ich könnte sonst eine unangenehme Brautnacht haben.«

»Nein, Chevalier,« antwortete Fontanieu, der seinem alten Freunde noch den alten Titel gab, »ich gehe nicht mit.«

»Lieber Fontanieu, Sie sind ein Narr, oder ich muß seltsamen Argwohn gegen Sie hegen. Ich habe Sie und Escoman zu Zeugen genommen, weil ich überzeugt war, daß Sie in Margarethe nichts Anderes mehr sehen würden, als die Frau Ihres alten Freundes, und daß Margarethe ihrerseits in den guten Vorsätzen bestärkt werde, welche ihr mein Name einflößen muß, wenn sie die Mitschuldigen ihrer früheren Verirrungen als die Zeugen ihres neuen Gelöbnisses sieht. Was ist also zwischen ihr und Ihnen vorgefallen?«

»Fragen Sie mich nicht, ich werde Ihnen nicht antworten. Lassen Sie mich fort in meine Einsamkeit. Ich habe ohnedies genug quälende Gedanken, welche meinen Frieden stören; ich habe genug an dem Gespenst der Verblichenen, welches mir Tag und Nacht vorschwebt. Wenn Sie einige Freundschaft für mich hegen, Montglas, so lassen Sie mich fort, ich beschwöre Sie. Das Maß meiner Leiden ist voll, mehr würde ich nicht ertragen können.«

Louis von Fontanieu sprach diese Worte mit seltsamer Erregtheit. Montglas hörte ihm zu, und das Gesicht des alten Edelmannes drückte kein Erstaunen über diese räthselhaften Worte, sondern eine fast zärtliche Theilnahme aus.

»Gut, gut, armer junger Freund,« sagte er, ihm die Hand drückend. »Ich achte Ihr Zartgefühl; ich will Sie nicht zur Mittheilung dessen zwingen, was ich leicht geahnt habe. Sie benützen die so theuer erkaufte Erfahrung, und Sie haben Recht. Ihr Rückzug ist der erste Kampf, den Sie gegen sich selbst kämpften, und fliehend haben Sie gesiegt. Warum haben Sie sich nicht sechs Monate früher dazu entschlossen? Sie würden dann der quälenden Gedanken überhoben sein.«

Louis von Fontanieu seufzte und wischte eine Thräne ab.

»Sie müssen sich aber nicht allzu sehr martern,« setzte Montglas hinzu. »Sie sind nicht so schuldig, wie Sie glauben. Die Schuld liegt mehr in dem Geiste unserer Zeit, als in Ihnen. Wir alten Leute hatten Liebschaften; Sie aber sind mit Ammenmärchen aufgefüttert worden, in denen die sentimentale Liebe eine so allerliebste Rolle spielte, daß Sie begierig wurden, sie kennen zu lernen. Sie haben nicht gewartet, daß die Liebe zu Ihnen komme, Sie haben sie aufgesucht, ja nöthigenfalls erfunden, und zwar in einem Alter, wo die Liebe in Ihrem Herzen noch keine tiefe Wurzeln schlagen konnte. Die moderne Sentimentalität verhinderte bei Ihnen die Geistesreife, welche nothwendig ist, um die aus tiefen Gefühlen hervorgehenden Kämpfe zu bestehen. Zehn Jahre später würden Sie die Uebereilung, gegen die ich Sie in Schutz nehmen wollte, vielleicht nicht begangen haben; aber hätten Sie sie auch begangen, so würde das Ende gewiß nicht so kläglich ausgefallen sein. Die arme Marquise wäre dann nicht so unglücklich geworden.

»Wenn sie nur nicht todt wäre!« unterbrach Louis von Fontanieu. »Der Gedanke, daß sie sich um meinetwillen den Tod gegeben, wird mein ganzes Leben vergiften.«

»Ich habe Ihnen ja hundertmal gesagt, daß sie nicht todt ist! Ich habe Ihnen zu bedenken gegeben, daß sich wohl ein alter Heide, wie ich, oder ein junger Tollkopf, wie Sie, aus Gründen oder aus Verzweiflung erschießen kann, daß aber ein liebendes Weib, wie Emma, sich nicht ins Wasser stürzt, so lange sie hienieden noch einen Hoffnungsanker hat, so lange sie noch gläubig zum Himmel aufblickt. Ich habe es Ihnen hundertmal gesagt, und heute will ich’s Ihnen beweisen.«

»Wie, Montglas, haben Sie denn Emma gesehen?«

»Nein, aber vor acht Tagen kam ein mir ganz unbekannter Mann, der allen meinen Fragen sehr geschickt auswich, zu mir und übergab mir die viertausend Francs, die ich der Marquise vor einigen Monaten geliehen hatte.«

»Sie hätten ihm folgen sollen, Montglas, um zu ermitteln, wer es ist.«

»Ich hatte mein Wort gegeben, nichts zu thun, was ihn verrathen könnte. Ich hatte sogar versprochen, Ihnen zu verschweigen, was zwischen ihm und mir vorgegangen war; aber Sie haben sich heute meiner Freundschaft werth gezeigt, und wenn das Gespenst der Marquise bisher Ihre Nächte beunruhigte, so soll Ihnen von nun an ein freundlich holdes Traumbild vorschweben. Emma ist nicht todt, und vielleicht wird es Ihnen vergönnt sein, sie einst wiederzusehen. Wer weiß? ich werde vielleicht auf Ihrer Hochzeit sein, wie Sie heute auf der meinigen waren.«

Louis von Fontanieu war so erfreut über die Kunde, welche ihn von einem quälenden Gedanken befreite, daß er die letzten absichtlich betonten Worte des alten Edelmannes kaum beachtete. Er fiel seinem alten Freunde um den Hals und küßte ihn zum Abschiede.

Montglas begab sich in Margarethens Hotel. Seine Heiterkeit war nicht im mindesten getrübt worden; er ging mit unternehmend schiefgesetztem Hut und ein altes Liedchen pfeifend, durch die Straßen und warf einigen ihn lächelnd ansehenden Leuten höhnische Blicke zu.

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30 ноября 2019
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