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Читать книгу: «Ein Liebesabenteuer», страница 4

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VII

Wir kamen um neun Uhr Abends in Koblenz an.

Meine Reisegefährtin war so an unsere Brüderschaft gewöhnt, daß sie sich nicht mehr um die Topographie unserer Zimmer kümmerte und keine Bemerkung gemacht haben würde, wenn man uns nur ein Zimmer gegeben hätte, vorausgesetzt, daß zwei Betten darin gewesen wären.

Unsere Zimmer befanden sich neben einander; Lilla's Zimmer hatte zwei Betten.

Wir soupierten zu Dreien, da unsere Freundin, die Wiener Dame, das Triumfoeminavirat angenommen hatte.

Wir hatten einen köstlichen Nachmittag zugebracht.

In Wahrheit, wenn die Männer wüßten, welcher Zauber in der Freundschaft von einer Frau und selbst von zwei Frauen liegt, so würden sie vielleicht eine Thräne der Freude, aber gewiß eine Thräne des Bedauerns vergießen, sobald sie die Grenzen der Freundschaft überschritten, um das Gebiet der Liebe zu betreten.

Wir brachten einen bezaubernden Abend zu. Man servierte uns den Thee in Lilla's Zimmer und wir tranken ihn in der Nähe eines großen Fensters, welches auf den Rhein hinausging, ein wenig oberhalb der Brücke, die zu der Festung Ehrenbreitenstein führt, dann jenseits des Rheins aus die Hügel, welche in Berge überzugehen begannen.

Der Mond ging auf und ließ über die Berge Fluthen milden Lichts dahin rieseln, die auf dem Rhein endeten und ihn in einen unermeßlichen silbernen Spiegel verwandelten.

Was sprachen wir im Angesicht dieser wunderbaren Natur? Ich erinnere mich dessen nicht mehr; wahrscheinlich sprachen wir von Shakspeare und Victor Hugo, von Goethe und Lamartine. Die großen Dichter besingen die großen Schauspiele der Natur, und ohne Zweifel aus Erkenntlichkeit machen die großen Naturschauspiele, daß wir an die großen Dichter denken.

Ohne Zweifel, um so viel wie möglich diese Vertraulichkeit fortzusetzen, bat unsere wiener Freundin Lilla, ihr Zimmer theilen zu dürfen. Lilla wendete sich zu mir, als wollte sie fragen, ob ich nichts dagegen habe.

Ich brach in ein Lachen aus.

Ich zog mich in das meinige zurück und ließ die beiden Frauen mit einander allein.

Um diesen schönen Mond, nachdem das Licht ausgelöscht war, von meinem Bette aus zu sehen, hatte ich meine Fensterladen und Vorhänge offen gelassen, so daß ich durch meine Fensterscheiben das azurblaue Firmament, von einer weißen Spur durchschnitten, erblickte – es war die Milchstraße – während ich in der Tiefe des Himmels einen abwechselnd rothen und blauen Stern funkeln sah – es war das Stierauge.

Wie lange ich dieses liebliche und schwermüthige Schauspiel mit offenen und halbgeschlossenen Augen betrachtete, weiß ich nicht. Endlich schlief ich wieder ein, und als ich die Augen wieder öffnete, glaubte ich, noch voll von diesem nächtlichen Azur und diesen flammenden Sternen eine Feuersbrunst vor mir zu sehen.

Alles, was vorher blau gewesen, war jetzt purpur roth. Dieser noch vor einigen Stunden so ruhige und klare Himmel schien Feuerwogen daherzuwälzen. Die Morgenröthe begann und kündigte die Sonne an.

Ich war in Begeisterung bei diesem Schauspiel, als ich mich in dem anstoßenden Zimmer rufen zu hören glaubte.

Ich horchte, und in der That gelangte mein Vorname Alexander bis zu mir.

»Sind Sie es, Lilla?« fragte ich halb laut von meiner Seite.

»Ja; Sie sind wach, desto besser,« versetzte sie noch immer mit leiser Stimme; »finden Sie die Decoration, die uns der liebe Gott im Augenblick zum Besten giebt, nicht prächtig?«

»Glänzend! aber wie ärgerlich ist es, daß jedes einen so schönen Himmel allein sehen muß.«

»Wer verhindert Sie zu kommen und ihn von hier zu sehen?«

»Aber unsere Wienerin, erlaubt sie es?«

»Ei, sie schläft.«

»So öffnen Sie mir die Thür.«

»Oeffnen Sie sie selber, sie ist nie geschlossen gewesen.«

Ich sprang aus dem Bette, zog ein Pantalon und meinen Schlafrock an, schlüpfte in meine Pantoffeln und trat so leise, wie ich konnte, in das Zimmer meiner Nach»darinnen.

Um mich der Theater-Ausdrucke zu bedienen, lag Lilla nach der Seite des Hofes und ihre Nachbarin nach der Seite des Gartens hin. Das hohe Fenster gestattete einem Strahle des anbrechenden Tages, ihr Bett und ihr Gesicht, welches in einem rosigen Lichte zu schwimmen schien, mit Purpur zu bemalen. Ich nahm einen Spiegel und trug ihn zu ihr, damit sie sich darin sehe, ohne mich zwischen sie und das Licht zu stellen.

Es war mir nicht schwer, an ihrem Lächeln zu erkennen, daß sie mir dankbar war, sich so schön zu sehen.

»Nun,« sagte ich zu ihr. »küssen Sie einander.«

Ich näherte den Spiegel ihren Lippen.

»Nein,« sagte sie, »küssen Sie mich, das wird besser sein.«

Ich küßte sie und wünschte ihr eine lange Reihe von Auroren, ebenso schön wie die, welche wir sich erheben sahen, und dann hing ich den Spiegel wieder an seinen Nagel.

»Nehmen Sie einen Stuhl und setzen Sie sich an mein Bett,« sagte sie; »ich habe eine Bitte.«

»Welche?«

»Daß Sie mir eine Geschichte erzählen, die in meiner Erinnerung beständig mit diesem schönen Sonnenaufgang vereint bleiben wird.«

»Welche Geschichte soll ich Ihnen bei einer so feierlichen Gelegenheit erzählen? Sie kennen Werther, Sie kennen Paul und Virginie?«

»Haben Sie mir nicht gesagt, daß Sie eine der schönsten Erinnerungen Ihres Lebens einer Landsmännin von mir verdanken?«

»Es ist wahr, das habe ich Ihnen gesagt.«

»Haben Sie mir nicht auch gesagt, daß diese Erinnerung mit keinem Schmerze gemischt gewesen und daß die einzigen Thränen, die Ihnen drei Monate des Glücks gekostet, diejenigen gewesen, welche Sie in dem Augen»blick des Scheidens vergossen?«

»Das ist auch wahr.«

»Betrachten Sie es als eine Indiscretion, mir diese Geschichte zu erzählen?«

»Leider nicht, denn diese Person ist seit zwei Jahren todt.«

»Sie haben mir gesagt, daß sie nicht nur meine Landsmännin, sondern, wie ich, eine dramatische Künstlerin gewesen sei.«

»Sie war nur dramatisch im Singen.«

»Erzählen Sie mir das. ich bitte Sie; nur reden Sie leise wegen meiner Nachbarin, welche schläft.«

»Es war im Jahre 1839; ich war schon alt, wie Sie sehen, denn ich hatte schon mein siebenunddreißigstes Jahr erreicht,«

»Werden Sie denn je alt?'

»Gott erhöre Sie! Ich befand mich zum dritten Mal in Neapel und immer unter einem angenommenen Namen. Diesmal führte ich den ziemlich poetischen Namen Monsieur Durand.

Ich wollte nach Sorrento, Amalsi und Pompeji zurückkehren, welches ich bei meiner ersten Reise nur flüchtig gesehen und welches man übrigens nie genug sehen kann. Folglich begab ich mich zum Hafen und miethete eine von jenen großen sicilianischen Barken, mit welchen ich schon 1835 meine Reise gemacht hatte.

Diesmal war ich allein und hatte nicht mehr jene beiden guten Gesellschafter bei mir, wovon der Eine Jadin, der Andere Mylord hieß.

Diesmal war Duprez nicht mehr in Neapel, die Malibran war nicht mehr in Neapel, die Persiani war nicht mehr in Neapel.

Auch erschien mir Neapel sehr traurig.

Indessen hatte ich am Tage zuvor, als ich eine Barke miethen wollte, einer großen musikalischen Feierlichkeit beigewohnt.

Ihre Landsmännin, Madame D., die Sie mir erlauben werden, Ihnen nur unter ihrem Vornamen Maria zu bezeichnen, hatte in Neapel ihre letzte Vorstellung gegeben; sie wollte in dem Theater zu Palermo singen.

Madame D. war eine große und schöne Person von dreißig Jahren, die wie Sie, alle Sprachen redete, eine sehr schöne Stimme hatte, aber besonders eine bewundernswürdig dramatische Stimme.

Ihr Triumph war Norma.

Ich hatte sie in Paris gekannt, wo man sie komische Rollen hatte spielen lassen, und unter anderen die Zerline, in welcher sie einen sehr großen Erfolg gehabt hatte. Ich war ihr damals nach einer Vorstellung des Don Juan vorgestellt worden, und wir hatten eine solche Sympathie für einander empfunden, daß sie, als ich ihr ganz einfach sagte, daß ich sie reizend finde und daß ich sehr glücklich sei, daß sie übermorgen abreise, mir naiv antwortete:

»Welches Unglück im Gegentheil!«

»Aber,« beeilte ich mich, ihr zu antworten, »zwei Tage, das sind achtundvierzig Stunden, achtundvierzig Stunden, das sind zweitausend siebenhundert zwanzig Secunden – das ist eine Ewigkeit, wenn man sie zu benutzen weiß.«

Aber sie schüttelte den Kopf und antwortete:

»Nein. In achtundvierzig Stunden werde ich Zeit haben, Ihnen zu zeigen, daß Sie mir gefallen, aber nicht Ihnen zu beweisen, daß ich Sie liebe.«

Die Antwort schien mir überzeugend und ich bestand nicht weiter darauf. Ich küßte ihr die Hand, indem ich sie verließ. Sie war nach Deutschland, ich nach Italien abgereist: wir hatten einander nicht wiedergesehen.

Der Zufall vereinte uns in Neapel.

Da ich unter einem angenommenen Namen reiste und erst am Abend angekommen war, wußte sie nicht, daß ich da war, während ich um ihre Erfolge, ihren Beifall, ihre Triumphe wußte. Ihr Name war nicht nur auf allen Anschlagzetteln, sondern auch in jedem Munde.

Ich hatte mich nach ihr erkundigt, und wo sie wohnte. Man hatte mir geantwortet, in der Toledostraße, und mir ihre genaue Adresse angegeben. Ich war im Begriff, zu ihr zu eilen, als man mich mit den Worten aufhielt:

»Sie wissen, daß sie sich verheirathen wird?«

Sie können sich vorstellen, welche Douche von eiskaltem Wasser dieser Ausspruch über meinen Kopf schüttete.

»Sich verheirathen! und mit wem?«

»Mit einem Ihrer Landsleute, mit einem jungen Komponisten, den Sie gewiß kennen, der als Dilettant componirt: mit dem Baron Ferdinand de S.«

»Ah! mein Gott!« rief ich.

Und in der That konnte mich nichts mehr in Erstaunen setzen, als diese Verbindung.

Aber da ich die unglaublichen Dinge zuerst glaube, da das Unglaubliche wirklich sein muß damit man es sage, so blieb ich erstaunt, aber überzeugt.

Von diesem Augenblick an hatte ich nicht einmal den Gedanken gehabt, sie wiederzusehen; wenn sie es nicht für gut gehalten hatte, auf mich zu achten, da sie in zwei Tagen abreisen sollte, um so mehr Grund, daß sie mich nicht wieder erkannte, da sie sich in acht Tagen verheirathen wollte.

Vielleicht wäre ich ohne diese Nachricht noch einige Tage in Neapel geblieben, auf die Gefahr, mich verhaften zu lassen, wie das erste Mal; aber im Gegentheil beschleunigte sie meine Abreise. Ich ging also, wie gesagt, zum Hafen und miethete dort die einzige oder den einzigen Speronare, der sich dort befand. Ich bin nie über das Geschlecht des sicilianischen Fahrzeuges klar geworden, und ich trat den Rückweg zu meinem Hotel wieder an.

Auf dem Molo begegneten mir Maria und Ferdinand.

Beide stießen einen Schrei des Erstaunens aus.

»Wie kommen Sie Hierher, ohne daß wir es wissen?« fragten mich Beide zugleich.

»Aus dem unendlich einfachen Grunde, daß die Welt nicht weiß, daß ich hier bin, wegen des glücklichen Widerwillens, den Seine Majestät, der König von Neapel gegen Ihren ergebensten Diener empfindet.«

»Aber Sie wußten, daß wir hier waren,« sagte Ferdinand zu mir; »warum sind Sie nicht gekommen, uns zu besuchen?«

»Ich wußte, daß Madame hier war, und gestern Abend in San Carlo habe ich ihr meinen Tribut des Beifalls gezollt.«

»Und Sie haben mich im Theater nicht aufgesucht?« sagte ihrerseits Maria.

»Nein, und zwar aus zwei Gründen.«

»Ein Beweis, daß beide nicht triftig sind.«

»Ein Beweis, daß im Gegentheil alle beide gut sind.«

»Wir wollen sehen.«

»Der erste ist, um auf die Bühne zu gelangen, hätte ich meinen Namen sagen müssen, und wenn ich meinen wahren Namen, nämlich Alexander Dumas, gesagt, würde man mich im Augenblick gefangen genommen und auf die Polizei geführt haben; wenn ich meinen falschen Namen Pierre Durand angegeben, würde mich freilich Niemand erkannt haben, aber Sie ebenso wenig wie die Anderen, und folglich würde ich nicht bis zu Ihrer Loge gelangt sein.«

»Hm!« sagte Maria, »ich muß sagen, wenn der erste Grund nicht durchaus gut ist, so ist er doch auch nicht ganz schlecht. Lassen Sie den zweiten hören.«

»Der zweite ist, nachdem ich Ihre bevorstehende Verbindung erfahren, wollte ich mich nicht Ihrer Liebe gerade in den Weg werfen, um wie ein Hund beim Kegelspiel empfangen zu werden.«

»Und wer sagt Ihnen, daß man Sie so empfangen hätte?«

»Ich kenne die Verliebten nicht, nicht wahr, ich, der ich mein Leben damit zubringe, sie zu schildern?«

»Haben wir Sie eben so empfangen?«

»Ich glaube es wohl, auf der Straße! Es würde nur fehlen, mir eine Scene zu bereiten, weil ich Sie beunruhige.«

»Ich habe indessen große Lust dazu für meinen Theil.«

»Wie denn das?«

»Weil ich wüthend bin.«

»Und Sie, Madame, sind Sie auch wüthend?«

»Vermöge des Rückschlages, ja.«

»Nur vermöge des Rückschlages, ich danke.«

»Was begegnet Ihnen denn?«

»Es begegnet uns – da Sie wissen, daß wir uns verheirathen, so habe ich Ihnen von dieser Seite her Nichts weiter zu sagen.«

»Nein.«

»Nur wissen Sie nicht, wo wir uns verheirathen wollen?«

»Ich kann es mir nicht vorstellen.«

»Nun, wir wollen uns in der Kirche der heiligen Rosalie in Palermo, für welche Madame eine ganz besondere Verehrung hat, trauen lassen. Sie wissen doch, was die heilige Rosalie ist?«

»Vollkommen: sie war die Tochter eines reichen Herrn in Rom, der von Karl dem Großen abstammte, die sich in eine Grotte des Monte Pellegrino zurückzog, wo sie zu Anfang des zwölften oder gegen Ende des elften Jahrhunderts starb.«

»Ist der so gut mit seiner heiligen Rosalie bekannt!«

»Das will ich meinen! Ich war bei ihrem Feste in Palermo, und da sie die Patronin der Stadt ist, so habe ich nicht verfehlen wollen, dabei zugegen zu sein.«

»Und das ist Alles, was Sie von der heiligen Rosalie wissen?«

»Verzeihen Sie, ich weiß auch noch, daß sie in Palermo dieselben Functionen erfüllt, welche ein gewisser Hufschmied in Gretna-Green verrichtet.«

»Nun, das ist es gerade, warum wir uns an die heilige Rosalie in Palermo wenden wollen, nämlich um sie zu bewegen ihre Functionen für uns auszuüben.«

»Ah! vortrefflich! Und sie hat sich geweigert?«

»Nein, nicht im Geringsten.«

»Sie sagen, daß Sie wüthend sind, lieber Freund?«

»Ich bin wüthend, weil wir morgen mit dem sicilianischen Dampfschiffe abzureisen gedachten.«

»Nun, es geht nicht ab?«

»Es wird ausgebessert; es ist ein Rad zerbrochen.«

»Ah! das Mißgeschick! machen Sie es da wie ich.«

»Was haben Sie gemacht?«

»Ich habe einen Speronare gemiethet.«

»Wir kommen eben von dort; es ist keiner mehr da; ein gewisser Monsieur Durand hatte eben den einzigen gemiethet, welcher da war. Ah! aber da fällt mir ein!« rief der Baron.

»Was?« fragte Maria.

»Nun, daß er Monsieur Durand ist; er hat es uns eben gesagt.«

»Ohne Zweifel bin ich es.«

»Treten Sie uns Ihr Boot ab.«

»Nun, und ich?«

»Sie reisen später ab; Sie haben es nicht eilig; Sie verheirathen sich nicht.«

»Glückliche Unwissenheit!«

»Treten Sie uns Ihr Boot ab.«

»Und wenn man mich erkennt, und wenn man mich verhaftet?«

»Teufel! treten Sie es uns dennoch ab.«

»Es bleibt dabei!«

»Warten Sie doch, und Sie sollen umsonst nach Messina oder Palermo fahren.«

»Aber ich gehe weder nach Messina, noch nach Palermo.«

»Sie werden doch dorthin gehen; was ist denn für ein großes Unglück dabei?«

»Es fehlt Maria gerade ein Zeuge, und Sie können es sein.«

»Madame lade mich ein, und ich werde sehen, was sich thun läßt.«

»Hören Sie es. Maria?«

Aber Maria schwieg, das Blut stieg ihr in's Gesicht und sie wurde bis an die Ohren roth.

»Nun,« rief der Baron, »Sie sagen Nichts?«

»Ich wage es nicht.«

Die Verlegenheit der Madame D. war meine Rache; ich beschloß, sie aufs Aeußerste zu treiben.

Zum ersten Mal war ich boshaft.

»Nun,« sagte ich zu ihr, »ich nehme es an, aber unter einer Bedingung.«

»Welche ist das?«

»Daß ich, der ich Ihnen mein Boot borge, Sie führen und Sie in Sicilien an's Land setzen soll.«

»Topp,« rief Ferdinand, »ich nehme es an.«

»O!« murmelte Maria, »es ist eine Indiscretion –«

»Zum Henker! wer den Zweck will, muß auch die Mittel wollen, und ich will den Zweck.«

»Schweigen Sie doch.«

»Aber nein, ich will nicht schweigen. Ich will es im Gegentheil von den Dächern ausrufen, und die Sache ist um so bequemer, da hier die Dächer platt sind.«

»Nun, Madame,« sagte ich zu Maria, »lassen Sie sich überzeugen.«

»Wie! auch Sie?«

»Ohne Zweifel auch ich, ich zuerst.«

»Nein, wenn's gefällig ist, Sie sind der Zweite.«

»Es ist richtig. Und wann reisen wir, ab?«

»Wann denken Sie abzureisen?«

»Morgen, bei Tagesanbruch, wenn der Wind gut ist.«

»So wollen wir morgen bei Tagesanbruch abreisen.«

»Wir sollten erst übermorgen abreisen.«

»Wir wollen noch einen Tag zugeben – mit dem Speronare wie mit dem Dampfschiff – das kommt auf eins heraus.«

»Aber meine Toilette?«

»Es ist verabredet, daß Sie sich im grauen Kleide und im Hut trauen lassen.« »Aber unsere Pässe?«

»Mein lieber Dumas, nehmen Sie den Arm der Dame und gehen Sie einen Augenblick mit ihr nach Chiaja spazieren; ich gehe auf die französische Gesandtschaft, dann auf das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten und bringe die Pässe mit.«

»Ferdinand! Ferdinand!«

Ferdinand war schon fern.

Ich nahm Maria's Arm, welchen ich bei der Berührung des meinigen erbeben fühlte, und ich machte mich mit ihr auf den Weg durch Chiaja.

Wir kamen bis zu dem Damm, an welchem sich das Meer bricht, ohne ein einziges Wort zu sprechen.

Dann blieben wir schweigend stehen, die Augen in die Ferne gerichtet.

Nach einem Augenblick stieß ich einen Seufzer aus, worauf Maria mit einem Seufzer antwortete.

»Ich glaube, meine liebe Maria,« sagte ich zu ihr, »daß Sie alle Beide eine große Thorheit begehen.«

»Sie glauben es?« sagte sie; »und ich bin dessen gewiß.«

In diesem Augenblick machte unsere wiener Freundin eine Bewegung in ihrem Bette. Ich wendete mich zu ihr um.

»Achten Sie nicht auf sie,« sagte Lilla, »es ist nur, um besser zu athmen.«

»Sollte es nicht vielleicht sein, um besser zu hören?« entgegnete ich.

»Sie scherzen, sie schläft wie Eva vor dem Sündenfall.«

»Gehen Sie mir mit Ihrer Eva vor dem Sündenfall, ich, sehe nicht nur einen Apfel, sondern zwei.«

Es war nichts dergleichen, aber dennoch stieß unsere Wienerin einen lauten Schrei aus und machte eine furchtbare Bewegung, um ihr Betttuch bis zu den Augen zu erheben.

»Ah! ich ertappe Sie, Neugierige!« sagte ich zu ihr.

Sie streckte beide Hände aus dem Bette und faltete sie, wie ein Kind es gethan haben würde.

»Ich stehe Sie an!« sagte sie.

»Gut, aber ich kann nicht zugleich für zwei Personen sprechen – nach der rechten Seite hin sprechen und nach der Linken Hinsehen – das Geringste, was mir begegnen könnte, wäre, mir den Hals zu verdrehen.«

»Was verlangen Sie denn?« sagte die schöne Wienerin.

»Ich verlange nicht, ich fordere.«

»O! Sie fordern?« rief Lilla.

»Ja, ich fordere oder ich schweige.«

»Nein, nein, nein, was fordern Sie?« fragte die Wienerin.

»Ich will die Augen schließen, Sie legen sich dann zu Ihrer Freundin in's Bett. Vielleicht werde ich wahnsinnig werden, zwei solche Köpfe auf demselben Kopfkissen zu sehen. Aber wenigstens werde ich mir nicht den Hals verdrehen.«

»Muß man thun was er will, Lilla?«

»Ohne Zweifel, da Sie in seiner Macht sind.«

»Aber Sie werden die Augen schließen?«

»Auf Ehre!«

»Wird er sein Wort halten, Lilla?«

»Ich stehe für ihn ein.«

»So schließen Sie die Augen.«

»Ich hörte etwas dahin schweben wie einen Schatten, ich fühlte wie ein Duft mich anwehte, dann sagte eine leise noch zitternde Stimme zu mir:

»Es ist geschehen, Sie können Hersehen.«

Die beiden bezaubernden Frauen waren neben einander, die Arme verschlungen und die Wange der Wienerin aus Lilla's Kopfe.

Ah! wenn ich wie Correggio hätte sagen können:

»Auch ich bin ein Maler!«

VIII

Ich fuhr fort:

»Ferdinand hatte das italienische Sprichwort in Anwendung gebracht: Wer will, geht selber, wer nicht will, schickt einen Anderen.

Er war gegangen und eine halbe Stunde später kehrte er, wie er gesagt hatte, mit den Pässen zurück.

Wie ich erzählt, hatte er Maria und mich am Ufer des Meeres zurückgelassen.

Während wir mit einander allein waren, hatte Maria mit jener Selbstgefälligkeit, welche die am wenigsten coquette Frau in einen solchen Bericht legt, erzählt, wie sich Ferdinand auf wahnsinnige Weise in sie verliebt habe, wie sie ihn, da sie ihn nicht hinlänglich geliebt, um einer solchen Leidenschaft zu entsprechen, strenge behandelt habe; wie diese Strenge, die er nicht erwartet, Ferdinand außer sich gebracht und wie er ihr, da er daran verzweifelt, sie zu seiner Geliebten zu haben, den Antrag gemacht, seine Frau zu werden.

Es muß für das arme Geschöpf, welches sich außerhalb der allgemeinen Bedingungen der Gesellschaft befindet, etwas sehr Lockendes in den drei Worten liegen: »Werde meine Frau,« denn fast immer werden sie, wenn auch nicht wie ein Ball im Fluge, aber doch, ehe er die Erde berührt, aufgefangen. Maria war schön, sie hatte ein Talent voll glänzender Triumphe und stolzer Freude. Sie gewann mit diesem Talent 50,000 Franken jährlich, wovon sie, obgleich sie ein glänzendes Leben führte, kaum den dritten Theil ausgab. Sie hatte weder Vater noch Mutter, welche das Recht hatten, ihre Aufführung zu beaufsichtigen; sie konnte sich ganz gehen lassen, ohne daß irgend Jemand wegen der Neigungen ihres Herzens oder selbst ihre Sinne einen Vorwurf an sie richten durfte; sie konnte endlich mit ihrer Schönheit, ihrem Vermögen, mit ihrer Intelligenz in der ganzen Fülle einer Freiheit spielen, die Niemand Rechenschaft abzulegen hatte. Ferdinand dagegen besaß kein Vermögen und ein fragliches Talent, und wenn auch geistreich und von guten Manieren, waren doch, wie wir gesehen haben, seine physischen Eigenschaften nicht so vortheilhaft, daß Maria eine gewisse Abneigung, die sie für ihn empfand, überwinden konnte. Seitdem er die drei magischen Worte: »Werde meine Frau!« ausgesprochen, hatte der Zauber gewirkt, und der Mann, der ihr nicht Neigung genug hatte einflößen können, um ihr Geliebter zu werden, war für einen Ehemann als genügend angesehen worden.

Freilich durfte ich, wie der Ritter Ubaldo, nur meinen Zauberstab schwingen, um alle Wunder des bezauberten Waldes verschwinden zu lassen, und als Entgegnung auf die Worte: »Ich glaube daß Sie eine Thorheit begehen,« hatte sie mit einem unwillkürlichen Schrei geantwortet: »Und ich bin dessen gewiß,«

Aber es war nicht weniger wahr, daß Maria, sei es nun der Zauber der Ehe, sei es die Scham, ihr Wort zu brechen, sei es der Widerwille zurückzutreten, entschlossen war aufzuhören Maria D. zu sein, das heißt, eine Künstlerin ohne Gleichen, um Frau Baronin Ferdinand von S. zu werden, was alle Welt sein konnte.

Die Sache wurde mir deutlich durch die Hartnäckigkeit, womit sie daraus bestand, am folgenden Tage abzureisen.

Ich kehrte in meine Wohnung zurück und dachte über die seltsame Rolle nach, die der Zufall, der mich nach Neapel führte, mich in dem Leben unserer beiden Liebenden spielen ließ. Ich sage unserer beiden Liebenden, denn Ferdinand schien allein genug Liebe für Beide zu haben.

Warum war ich es und nicht ein Anderer, den der Zufall gewählt hatte? Ich gestehe, mir kam der Gedanke in den Sinn, daß dieser Gott, den man mit verbundenen Augen darstellt, seine Binde in dem Augenblick, als ich vorüberging, ein wenig erhoben und mich bezeichnet habe.

Aber ich gestehe, daß diese Absicht so gut verborgen war, daß es mir unmöglich blieb, die kleinste Spitze ihres Ohrs zu entdecken.

Die Lage erschien mir selbst einen Ausblick so lächerlich, daß ich bereit war, meinen beiden Pilgern meinen Speronare zu überlassen und den Weg zu Lande zu machen.

Als ich untersuchte, welches Gefühl mich zurückhielt, hegte ich die Vermuthung, daß es dasselbe sei, welches den guten Mercier am Leben erhielt: nämlich die Neugierde.

War es nun Neugierde oder irgend ein anderes Gefühl, ich schlief schlecht. Es war verabredet, daß wir bei Tagesanbruch abfahren sollten; aber wenn eine Frau eine Reise mitmacht, so wenig coquet sie auch sein mag, so reist man niemals zur bestimmten Stunde ab; um acht Uhr stiegen wir zur heiligen Lucie hinunter, wo wir uns einschiffen sollten.

Der Capitain des kleinen Fahrzeuges begleitete uns.

Kaum hatten wir hundert Schritte zurückgelegt, als uns ein Priester begegnete; dieser Priester bekreuzte uns und ging an unserer linken Seite vorüber: eine doppelt schlimme Vorbedeutung.

Der Capitain schüttelte den Kopf.

»Was giebt's, Capitain?« fragte ich ihn.

»Nun, Signor,« sagte der Capitain, abergläubisch wie ein echter Sicilianer, »wenn Sie mir nur glauben wollten.«

Er hielt inne, als schäme er sich dessen, was er sagen wollte.

»Nun, wenn wir Ihnen glauben wollten, Capitain, was würden wir thun?«

»Sie würden die Abreise auf einen andern Tag verschieben.«

»Warum denn das?«

»Sie haben nicht gesehen?«

»Nun ja: einen Priester.«

»Nun?«

Ich wendete mich zu Ferdinand.

»Nun,« wiederholte ich.

»Bah!« sagte lachend der Baron, »ein Priester macht mir keine Furcht. Das ist es gerade, was wir suchen wollen.«

»Es ist nicht schlimm, die Priester zu treffen, die man suchen will,« sagte der Capitain; »aber die, weiche man nicht sucht, das ist, eine andere Sache.«

»Und Sie glauben, daß dieser Priester uns Unglück bringen wird?«

»Sei es nun Ihnen oder Ihrem Vorhaben.«

»Was mich betrifft,« sagte ich, »ich habe kein Vorhaben, und der Beweis ist, daß ich nach Amalsi oder Sorrento zu gehen dachte, und daß ich nach Palermo gehe. Es mögen also die den Wink benutzen,« fügte ich, zu Maria und Ferdinand gewendet, hinzu, welche sich ein Vorhaben vorgesetzt haben.«

Ferdinand begann die Arie zu singen:

»Klar ist der Himmel, das Meer ist schön.«

Es war eine Antwort wie jede andere, besser sogar, als eine andere. Wir setzten also unseren Weg zum Hafen fort. Unser kleiner Speronare schaukelte sich dort graziös. Die Mannschaft, die aus zehn Matrosen und einem Schiffsjungen, dem Sohne des Capitain, bestand, erwartete uns in festlichem Aufzuge. Vier von ihnen standen an den beiden Enden an der Planke, die man von dem Ufer zu dem Fahrzeuge hinüber gelegt, und man hatte von zwei Ruderstangen ein doppeltes Geländer gemacht.

Maria ging zuerst hinüber. Ich bemerkte, daß sie sehr blaß war und daß ihre Hand, die sie auf die improvisierte Rampe stützte, sehr zitterte.

Ferdinand folgte ihr leicht und freudig wie ein Fink.

Ich kam zuletzt, indem ich an die Vorbedeutung des Capitains dachte und mich fragte, welches Vorhaben die unheilvolle Begegnung des Priesters könnte scheitern machen, und ich fand in meinem Geiste kein einziges Vorhaben, dessen Mißlingen mir einen Seufzer kosten konnte, und ich begann zu glauben, daß die Vorbedeutung mich nicht angehe.

Man ging über die Planke an Bord des Fahrzeuges und lichtete den Anker. Unsere Matrosen begannen mit einem Gesange von unendlicher Lieblichkeit zu rudern, und wir glitten zwischen einem Himmel und einem Meere von Azur dahin.

Wir hatten einen sanften Wind, in jeder Hinsicht günstig und gerade so, daß wir Neapel langsam und majestätisch dahinschwinden sahen. Caprä, in die Morgensonne getaucht, erschien wie ein lichtes Gewölk, während die ganze Küste von Castelamare zu unserer Linken ihre graziöse azurblaue Silhouette zeigte.

Es war elf Uhr Morgens.

»Nun.« rief Plötzlich Ferdinand, »und das Frühstück?«

»Wie!« fragte Maria, »Sie haben nicht an die Lebensmittel gedacht?«

»Ich! durchaus nicht. Sollte der Capitain vielleicht den Proviant vergessen haben?«

»Ah! das nenne ich einen Thoren!« rief Maria.

»O! oder einen Verliebten, Madame,« sagte ich. »Zum Glück habe ich mehr Vorsicht angewendet, als Ferdinand.«

»Das beweist,« sagte Maria, »daß Sie weder ein Thor, noch ein Verliebter sind.«

»Zum Glück nicht nur für mich, sondern auch für die ganze Welt,« sagte ich, mich verneigend; »denn wenn ich die eine oder die andere von diesen Krankheiten in demselben Grade hätte, wie unser Freund Ferdinand, würden wir in nicht geringere Gefahr gerathen, als vor Hunger zu sterben.«

»Bah!« sagte Ferdinand, »man lebt von der Liebe.«

»Ja,« entgegnete ich; »aber wie ist es mit Denen, welche die Verliebten Ambrosia essen und Nectar trinken sehen? – Ah! übrigens, lieber Freund,« fuhr ich fort, indem ich einem von den Matrosen, der an Bord das Geschäft des Kochs versah, ein Zeichen gab, und welcher auf meine Einladung einen ungeheuren Korb herbeibrachte, »steht es Ihnen frei, von der Liebe zu leben und die Rolle des Zuschauers zu spielen; da aber Madame vermöge des Magens noch an der Erde hängt, so will ich mich beeilen, ihr ein Stück von dieser Pastete oder einen Flügel von diesem Truthahn anzubieten. Bringe den zweiten Korb, Pietro. Der zweite Korb, mein Freund, ist eine für die Liebenden noch verächtlichere Sache, als Truthahn und Pastete: es ist Wein – ziemlich mittelmäßiger Bordeaux und Larose; auch würde ich an Ihrer Stelle keinen Tropfen davon kosten.«

»Bah!« sagte Ferdinand, »wenn Sie essen, esse ich auch.«

»Ja, uns zu Gefallen; nun, gestehen Sie nur ganz einfach, daß Sie Hunger hatten.«

»Nein, auf Ehre, Sie haben mich daran erinnert.«

Maria aß ein wenig von einer Pastetenkruste und von ihrem Truthahnflügel; sie tunkte ihre Lippen in ein Glas Bordeauxwein; sie hatte endlich die außerordentliche Geschicklichkeit, welche die Frauen besitzen, verhältnißmäßig eben so viel wie die Männer zu essen, ohne daß es das Ansehen hat, als ob sie irgend Etwas anrührten.

Ferdinand aß gierig.

Man sieht, die Reise begann nicht unter so unheilvollen Vorbedeutungen, wie der Capitain es vermuthete. Wir hatten einen guten Wind, wir legten zwei Seemeilen in der Stunde zurück, und es war wahrscheinlich, je mehr wir uns der hohen See näherten, daß der Wind zunehmen und wir folglich schneller fortkommen würden.

Aber gegen diese Voraussicht, welche die des Capitains selber war, ließ im Gegentheil der Wind gegen Abend nach und die Bewegung des kleinen Fahrzeuges wurde sichtbar langsamer.

Wir beschäftigten uns dann mit den Vorbereitungen auf die Nacht.

Der Speronare war auf seinem Hintertheil mit einer Art Zelt verziert, welches von großen runden Reifen gebildet war, die von einem Bord bis zum anderen gingen und mit Wachsleinewand bedeckt waren; in dieses Zelt, welches ursprünglich zu meinem Schlafzimmer bestimmt war, hatte ich damals, als ich allein zu reisen dachte, eine Matratze von Maroquin, die beste aller Matratzen in den heißen Ländern, da sie immer kühl bleibt, bringen lassen.

Aber in dem Augenblick, als ich das liebende Paar von Neapel nach Palermo brachte und bedachte, daß aller Wahrscheinlichkeit nach die Reise vier oder fünf Tage und ebenso viele Nächte dauern würde, hatte ich mein Material um zwei Matratzen vermehrt.

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06 декабря 2019
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