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Читать книгу: «Ein Liebesabenteuer», страница 2

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III

Es versteht sich von selber, daß ich mein Zimmer auf der anderen Seite des Vierecks wählte.

Ich nahm ein Bad und legte mich nieder.

Als ich erwachte, erkundigte ich mich nach meiner Reisegefährtin. Sie war schon ausgegangen und hatte ihre fünfzehn bis zwanzig Colli besorgt, die mit dem Frachtzuge abgehen sollten, während sie ihre Kunstreise machte, um Madame Schröder aufzusuchen.

Wie alle Künstler und Künstlerinnen, welche die Gewohnheit der raschen Ortsbewegung haben, hatte meine Reisegefährtin das Bewundernswürdige, daß sie ebenso wenig in Verlegenheit war, wie ein Mann, daß sie ihre Koffer packte und zuschnürte, daß sie ihre Reisesäcke füllte und schloß, und daß sie immer fünf Minuten vor der Stunde bereit war, was man sich nicht die Mühe geben darf, von einer Weltdame zu verlangen.

Während ich mich nach ihr erkundigte, kehrte sie zurück.

»Ah! meiner Treu!« sagte ich zu ihr, »ich glaubte Sie schon ausgeflogen.«

»Ich war es in der That.«

»Ja, aber auf immer.«

»Ich bin von der Natur der Schwalben, ich kehre zu dem Neste zurück.«

»Was haben Sie gethan?«

»Ich habe alle meine Koffer abgeschickt und habe die Scheine dafür in Empfang genommen, so daß ich weiter nichts habe als das Kleid, welches ich anhabe, ein anderes in meinem Reisesack und sechs Hemden. Ein Student, das sehen Sie wohl, würde es nicht besser machen können.«

»Und wann reisen Sie ab?«

»Wann Sie wollen.«

»Sie wollen indessen doch Brüssel sehen?«

»Was ist in Brüssel zu sehen?«

»Der Rathhausplatz und der St. Hubertusgang.«

»Und dann?«

»Dann die grüne Allee.«

»Und dann?«

»Das ist Alles.«

»Nun, führen Sie mich in irgend ein Gasthaus; ich gebe Ihnen dort ein Frühstück.«

»Sie?«

»Ja. Meine Colli kosten weniger Fracht, als ich glaubte: ich bin reich. Was ißt man hier?«

»Austern von Ostende, geräuchertes Rindfleisch, Krebse.«

»Und was trinkt man?«

»Faro und Lambick.«

»Nun so lassen Sie uns Faro und Lambick trinken und Krebse, geräuchertes Rindfleisch und Austern von Ostende essen.«

»Kommen Sie.«

Wir machten uns auf den Weg.

Ich schwöre Euch zu, wenn meine Begleiterin Pantalons und einen Oberrock getragen hätte, anstatt eines Kleides und eines Burnus, hätte ich mich von meiner Illusion täuschen lassen und mir vorgestellt, ich sei der Mentor eines schönen jungen Mannes, anstatt der Cavalier einer bezaubernden Frau zu sein.

Wir frühstückten, wir besuchten den St. Hubertusgang, den Rathhausplatz, wir machten einen Umweg zu der grünen Allee und kehrten in das Hotel zurück.

»Da haben wir Alles gesehen, was in Brüssel zu sehen ist?« fragte mich meine Reisegefährtin.

»Alles, mit Ausnahme des Museums.«

»Was giebt's im Museum?'

»Vier oder fünf prächtige Rubens und zwei oder drei bewundernswürdige Vandyk.«

»Warum sagten Sie mir das nicht sogleich?«

»Ich hatte es vergessen.«

»Schöner Cicerone! Lassen Sie uns das Museum sehen!«

Wir gingen, das Museum zu besuchen; die große Künstlerin, welche mit Shakspeare wie mit Schiller, mit Victor Hugo wie mit Shakspeare, mit Calderon wie mit Victor Hugo vertraut war, kannte Rubens und Vandyk wie Calderon und sprach von der Malerei wie sie von dem Theater sprach.

Wir blieben zwei gute Stunden im Museum.

»Nun,« sagte sie hinausgehend zu mir, »was bleibt mir in der Hauptstadt Belgiens zu sehen übrig?«

»Madame Pleyel, wenn Sie wollen.«

»Madame Pleyel! Madame Pleyel, die große Künstlerin? die, von welcher Lißt mir so viel gesagt hat?«

»Dieselbe.«

»Sie kennen sie?«

»Sehr gut.«

»Und Sie können mich ihr vorstellen?«

»In einer halben Stunde.«

»Einen Wagen.«

Und meine ungarische Enthusiastin gab einem Kutscher ein Zeichen, welcher herbeieilte, und als er mich erkannte, seinen Wagenschlag mit Eifer öffnete.

Zu einer besonderen Verwunderung gereichte meiner Reisegefährtin diese Bekanntschaft, welche nicht nur macht, daß auf den Straßen von Paris von zehn Personen, die mir begegnen, fünf mich mit dem Kopfe oder mit der Hand begrüßen, sondern mich auch in die Provinz begleitet, die Grenze mit mir überschreitet und mir ins Ausland folgt. Nun waren wir in Brüssel angekommen, und in Brüssel waren es, die Kutscher mit inbegriffen, nicht mehr fünf, sondern acht Personen von zehn, die mich kannten.

Wir stiegen in einen Wagen; Madame Pleyel wohnte sehr weit entfernt in der Tiefe der Vorstadt Searbeck, so viel ich mich erinnern konnte, so daß meine schöne Begleiterin Zeit genug hatte, mich über die große Künstlerin zu befragen, die wir besuchen wollten, und ich, auf ihre Fragen zu antworten.

Ich kannte Madame Pleyel seit etwa fünfundzwanzig Jahren. Eines Tages meldete man sie mir an, als sie noch keinen anderen Nimbus hatte, als die commmerzielle Berühmtheit ihres Mannes. Ich kannte sie nicht persönlich; ich sah bei mir eine junge magere braune Frau mit weißen Zähnen, schwarzen, prächtigen Augen und einer unglaublichen Beweglichkeit der Physiognomie eintreten.

Beim ersten Anblick begriff ich, daß ich eine Künstlerin vor mir habe.

Und in der That, noch in der Unbestimmtheit treibend, ein enthusiastisches Herz in sich schlagen fühlend, wußte sie noch nicht, zu welcher Kunst sie hingezogen wurde; und kam, mich um Rath zu fragen, was sie thun solle.

Zu dieser Zeit glaubte sie im Theater ihre Bestimmung zu finden.

Ich war im Begriff, Kean zu schreiben. Ich ging zu meinem Tische, ich nahm mein Manuscript, ich öffnete es bei der Scene zwischen Kean und Anna Damby und las es ihr vor; die Situation war eine ähnliche.

Ueberdies war Madame Pleyel nicht frei: sie hatte einen Mann; um aufs Theater zu gehen, mußte sie mit gesellschaftlichen Verhältnissen brechen, deren Zerreißung immer schmerzlich ist.

Ich hatte das Glück, sie wenigstens augenblicklich zu überzeugen, daß alle Bühnentriumphe nicht so viel Werth sind wie die ruhige Monotonie des ehelichen Lebens.

»Sie spann Wolle und blieb zu Hause,« schrieben die alten Römer auf das Grab ihrer Matronen.

Ich selber, damals ein Mann von zwei und dreißig Jahren, war ganz erstaunt, einer Frau von zwanzig gegen über so vernünftig gewesen zu sein.

Ich hatte seit einem oder zwei Jahren nicht mehr von ihr reden hören. Plötzlich erfuhr ich, daß ihr ein Unglück begegnet sei. Ich habe vergessen von welcher schändlichen Schlinge sie das Opfer gewesen – sie war genöthigt, sich zu verbannen.

Sie dachte nicht an mich in ihrem Unglück, so groß, daß sie an nichts dachte, als Frankreich zu verlassen.

Sie reiste mit ihrer Mutter ab.

Alle Beide waren in Hamburg nahe daran, vor Hunger zu sterben, als sie eines Tages beim Vorübergehen vor einem Laden von musikalischen Instrumenten eine große Lust bekam, einzutreten, als ob sie ein Piano kaufen wolle, um ihr Herz mit ein wenig Harmonie zu erfrischen.

Sie war damals noch nicht die bewundernswürdige Künstlerin, die sie gegenwärtig ist; aber indessen hatte das Unglück bei ihr die Flamme des Genies belebt. Sie setzte sich vor das Instrument, ließ ihre Finger auf die Klaviatur fallen, und gleich die ersten Accorde, die sie hervorbrachte, glichen einem herzzerreißenden Geschrei.

Der Kaufmann, der sie nicht kannte, und nur die kaufmännische Höflichkeit für eine gewöhnliche Käuferin gezeigt hatte, näherte sich ihr und hörte zu.

Sie spielte keine bekannte Arie: sie improvisirte; aber in dieser Improvisation lag Alles, was sie seit drei Monaten gelitten; Liebestäuschung, Schmerzen, vereitelte Hoffnungen, Thränen, Verbannung. Da war selbst das entsetzliche Geschrei eines Geiers, der über ihr schwebte, und welchen man dm Hunger nennt.

»Wer sind Sie, und was kann ich für Sie thun?« fragte sie der Kaufmann, als sie geendet.

Sie brach in Thränen aus und erzählte ihm Alles.

Da machte ihr der vortreffliche Mann begreiflich, welch' ein strenger aber erhabener Lehrer der Schmerz sei; er zeigte ihr die geheimnißvolle Stimme, vermöge welcher die Vorsehung sie zum Glück, zur Berühmtheit, vielleicht zum Ruhme treibe; sie zweifelte an sich selber, er, beruhigte sie, ließ sein bestes Piano zu ihr bringen und redete ihr zu, ein Concert zu geben.

Ein Concert! ein Concert, zu geben sie, welche noch am Tage zuvor mit ihrem Genie unbekannt war.

»Der Kaufmann bestand darauf, übernahm alle Kosten, kurz, er stand für Alles.

Die arme Marie entschloß sich dazu.

Sie hieß Marie, wie die Malibran, wie die Dorval.

Ich bin der vertraute Freund dieser berühmten und unglücklichen Frauen gewesen.

Ich habe Unrecht, das Beiwort unglücklich ist nur auf die beiden Anderen, auf die Sängerin und die Schauspielerin anwendbar; das Beiwort glücklich muß man dagegen mit dem Namen Marie Pleyel in Verbindung setzen.

»Sie war glücklich, denn ihr Concert fand Beifall, und sie sah die Zukunft des Erfolges vor sich, die ihr bevorstand.

Zehn Jahre lang ertönten Petersburg, Wien, Dresden von ihren Erfolgen. Sie kehrte in ihr Vaterland Belgien zurück, und gegen alles Herkommen ließ man ihr Gerechtigkeit widerfahren.

Man ernannte sie zum Professor am Conservatorium.

Da kehrte sie nach Paris zurück, wohin ihr der Ruf vorangegangen war: sie gab Concerte und machte Fourore.

Ich sah sie wieder.

Dann ging ich nach dem zweiten December nach Belgien, und zum dritten Mal fand ich sie wieder.

Als wir an ihrer Thür klingelten, kannte Madame Bulyowsky sie ebenso gut wie ich.

Ihre Kammerfrau stieß ein Freudengeschrei aus, als sie mich erkannte!

»O! wie erfreut wird Madame sein!« rief sie.

Und ohne daran zu denken, die Thür hinter uns zu schließen, eilte sie in den Salon, indem sie meinen Namen ausrief.

»Nun,« fragte ich meine Reisegefährtin, »zweifeln Sie noch, daß wir gut empfangen werden?«

Sie hatte keine Zeit zu antworten, als Marie Pleyel uns majestätisch wie eine Königin, graziös wie eine Künstlerin entgegenkam.

»Umarmen Sie sich vorher einander,« sagte ich zu den beiden Frauen, »Sie werden hernach Bekanntschaft machen.«

Meine Reisegefährtin umschlang Marie Pleyel's Hals mit ihren beiden Armen, und einen Augenblick brachte ich damit zu, diese beiden Wesen von so verschiedenem Anblick und so wahrhaft schön? jede von einer der anderen entgegengesetzten Schönheit zu bewundern.

Madame Bulyowsky, schlank, biegsam, blond? und? rosig, voll Innigkeit, wie die deutschen und die ungarischen Frauen.

Madame Pleyel, groß, mit wunderbar ausdrucksvollen Formen, braun, ruhig, fast strenge.

Ein Bildhauer, der diese Gruppe hätte wiedergeben, diese beiden so entgegengesetzten Naturen hätte darstellen können, würde einen glänzenden Erfolg gehabt haben.

Nachdem sie einander umarmt hatten, nahm ich eine unter jeden Arm. Ich trat mit ihnen in den Salon, ließ sie sich niedersetzen, die eine zu meiner Rechten, die andere zu meiner Linken, und setzte mich zu ihnen nieder.

Dann erklärte ich der Madame Pleyel unseren Besuch.

»Sie haben also Lust, mich zu hören?« sagte Madame Pleyel zu der Fremden.

»Ich sterbe vor Verlangen!«

»O Himmel! es ist sehr leicht! Sie kommen mit einem Manne, der das Vorrecht hat, mich Alles thun zu lassen, was er will.«

Ich fiel ihr um den Hals; ich hatte sie noch nicht umarmt.

»Was wollen Sie, daß ich Ihrer Tragödin spiele?« fragte sie mich ganz leise.

»Irgend Etwas in dem Genre von dem, was Sie bei Ihrem Instrumentenhändler in Hamburg gespielt.«

Sie lächelte mit jenem traurigen und bezaubernden Lächeln, welches an die vergangenen Leiden erinnert, und warf ein brillantes Vorspiel in die Lüfte.

»Ah! Marie, Marie.« sagte ich zu ihr, »Sie sind glücklich. Wir. verlangen kein Glück von Ihnen.«

»Und wenn mein Herz brechen will, wie das der Antonia?«

»Nun, so werde ich meine Hand darauf legen, und verhindern, daß es bricht.«

Sie sah mich an, zuckte leicht die Achseln und sagte zu mir:

»Geck!«

Und sie begann.

Ich will nicht versuchen, Euch zu sagen, was die große Künstlerin uns vorspielte; nie haben unter irgend einer Hand Elfenbein und Holz solche Accorde hervorgebracht; ohne Unterbrechung folgten einander eine Stunde lang die ergreifendsten Empfindungen, die berauschendsten Schmerzen; das Instrument selbst schien zu leiden, zu klagen, zu seufzen.

Endlich, nach Verlauf einer Stunde stand sie mit einem Schrei aus.

»Sie haben kein Mitleiden mit mir,« sagte sie zu mir, »sehen Sie nicht, daß Sie mich tödten?«

Ich sah Madame Bulyowsky an. Sie war blaß, bebend, fast ohnmächtig.

Zuhörerin und Spielerin waren einander würdig.

Die beiden Frauen umarmten einander von Neuem; ich zog Madame Bulyowsky fort; ich fürchtete mehr für diese schwache und nervöse Natur, als für die kräftige und mächtige Natur der Marie Pleyel.

»Nun,« fragte ich sie, als ich auf der Straße war, »wollen Sie noch Etwas in Brüssel sehen?«

»Und was sollte ich sehen, nachdem ich diese bewundernswürdige Frau gesehen und gehört habe?« fragte sie mich.

»Was wollen wir denn thun?«

»Ich reise nach Spaa ab – und Sie?«

»Wahrhaftig, ich. ich folge Ihnen.«

Eine Viertelstunde später waren wir auf dem Bahnhofe und reisten nach der Stadt der Mineralwasser und, der Spiele ab, welche ich, während meines dreijährigen Aufenthalts in Belgien nicht die Neugierde gehabt hatte zu besuchen.

IV

Einmal auf der Eisenbahn, athmete meine Begleiterin wieder auf.

»Welche bewundernswürdige Künstlerin,« sagte sie zu mir.

»Sie sind ebenso groß wie sie, liebe Lilla, da Sie sie verstehen.«

»Indessen bin ich auf acht Tage krank.«

»Bah! wie denn das?«

»Ich habe keinen Nerv im ganzen Körper, der nicht zerrissen ist.«

Sie stieß einen Seufzer aus.

»Wollen Sie, daß ich versuche, Sie zu beruhigen?« fragte ich sie.

»Wie denn das?«

»Indem ich Sie magnetisire. Wir sind allein in dem Waggon, und Sie haben Vertrauen genug zu mir, um sich einen Augenblick einschläfern zu lassen? Sie werden, wenn nicht geheilt erwachen, doch aber Erleichterung empfinden.«

»Recht gern, versuchen Sie es; aber ich sage Ihnen vorher, daß es den Magnetiseurs noch immer mißlungen ist, wenn sie mich einschläfern wollten.«

»Weil Sie sich widersetzt haben. Haben Sie den Willen, mir unterwürfig zu sein, und Sie werden sehen, wenn ich Sie nicht vollständig in Schlaf bringe, daß ich Sie doch wenigstens schläfrig machen werde.«

»Ich werde nicht widerstreben, das verspreche ich Ihnen.«

»Was empfinden Sie?«?

»Eine heftige Hitze im Kopfe.«

»Man muß also den Kopf zuerst beruhigen.«

»Und wie wollen Sie das anfangen?«

»O! fragen Sie nicht darnach, ich habe den Magnetismus nicht als Wissenschaft studiert, ich habe ihn als Instinct gefühlt. Ich habe es gethan, um mir selber über seine Macht und seine Wirkungen Rechenschaft abzulegen, in dem Augenblicke, als ich Balsamo schrieb, und seitdem, wenn man mich gebeten hat es zu thun, aber nie zu meinem Vergnügen; die Sache strengt mich zu sehr an.«

»Das beweist wenigstens, daß Sie redlich sind; so ist der Magnetismus also für Sie Etwas, was über das Materielle hinausgeht?«

»Verständigen wir uns; nach meiner Meinung hängt ein Theil der Macht des Magnetismus mit der physischen und folglich mit der materiellen Welt zusammen. Diesen Theil will ich Ihnen als Philosoph zu erklären versuchen. Als die Natur den Mann und das Weib schuf, hatte sie, so vorausblickend sie auch ist, nicht die geringste Idee von den Gesetzen, welche die menschlichen Gesellschaften regieren würden; ehe sie daran dachte, den Mann und das Weib zu erschaffen, wollte sie, wie bei den anderen lebenden Wesen nur ein Männchen und ein Weibchen erschaffen. Das große Geschäft dieser großen Isis mit hundert Brüsten, der griechischen Cybele, der guten römischen Göttin war die Fortpflanzung der Gattungen. Daher der ewige Kampf der fleischlichen Triebe mit den socialen Gesetzen, daher endlich die Herrschaft des Mannes über das Weib und der Zug des Weibes zu dem Manne. Eins von den tausend Mitteln nun, welche die Natur anwendet, um zu ihrem Zwecke zu gelangen, ist der Magnetismus. Die physischen Ausströmungen sind ebenso viel Kräfte, welche das Schwache zu dem Starken hinziehen, und es ist so wahr, daß ich glaube, der Magnetiseur gewinnt einen unwiderstehlichen Einfluß über den Gegenstand, den er magnetisirt, nicht nur, wenn dieser Gegenstand eingeschlafen, sondern auch, wenn er wach ist.«

»Und Sie gestehen mir das?«

»Warum sollte ich Ihnen das nicht gestehen?«

»In dem Augenblicke, wo Sie den Vorschlag machen, mich einzuschläfern!«

»Halten Sie mich für einen redlichen Mann oder nicht?«

»Ich halte Sie für einen redlichen Mann, und der Beweis liegt in der Art, wie ich gegen Sie handle, denn wer würde Sie verhindern zu sagen, daß ich Ihre Geliebte gewesen?«

»Und was sollte mir diese Lüge nützen?«

»Nun, ich weiß nicht, was es den Männern von gutem Glück nützt.«

»Ei, liebe Lilla, haben Sie mir je die Beleidigung angethan zu glauben, daß ich die Anmaßung habe, ein Mann von gutem Glück zu sein, oder dafür zu gelten?«

»Man hatte mir dort drüben gesagt, daß Sie der eitelste Mann in Frankreich wären.«

»Es ist möglich, aber meine Eitelkeit hat nie, so jung ich auch gewesen sein mag, das gute Glück, wie Sie es nennen, zum Gegenstande gehabt. In einem gewissen Grade des Reichthums oder der Berühmtheit hat man nicht Zeit zu suchen und nicht nöthig zu lügen. Ich habe die hübschesten Frauen von Paris, Florenz, Rom, Neapel, Madrid und London, oft nicht nur die hübschesten Frauen, sondern die größten Damen, am Arme gehabt, und ich habe nie ein Wort gesagt, welches diejenige, welche ich am Arme hatte, zu dem Glauben bringen konnte, mochte sie nun Grisette, Schauspielerin, Prinzessin oder Königin sein, daß ich für diese Frau etwas Anderes empfinde, als den Refseet oder die Erkenntlichkeit, die ich immer für die Dame empfunden habe, die sich unter meinen Schutz stellte, wenn sie schwach war, die mich unter ihren Schutz nahm, wenn sie mächtig war.«

Lilla sah mich an und murmelte zwischen ihren Lippen.

»Wie wunderlich es mit dem Rufe ist, den man den Menschen beilegt!«

Dann fügte sie sogleich ohne Uebergang hinzu:

»Mein Kopf brennt; schläfern Sie mich ein.«

Ich stand auf, nahm ihr den Hut ab, blies ihr auf den Kopf und fuhr nach jedem Athemzuge mit der Hand über ihr Haar, bis sie mir sagte:

»Ah! ich fühle mich besser, mein Kopf wird freier.«

Dann setzte ich mich vor sie und legte ihr einfach die Hand auf den oberen Theil der Stirn, indem ich halblaut, aber gebieterisch zu ihr sagte:

»Jetzt schlafen Sie!«

Zehn Minuten später lag sie in einem so ruhigen Schlummer, wie ein Kind.

Seltsam! weder meine Begleiterin, noch ich waren je in Spaa gewesen; weder sie, noch ich kannten den Namen der Stationen; als wir von der letzten abfuhren, begann sie unruhig zu werden und sich zu bewegen, und stotterte einige unverständliche Worte hervor.

Ich berührte ihr die Lippen mit der Fingerspitze und sagte zu ihr:

»Reden Sie!«

Dann sagte sie ohne alle Anstrengung:

»Wir kommen an; erwecken Sie mich.«

Ich erweckte sie, und in der That kündigte fünf Minuten später das Pfeifen der Locomotive an, daß wir auf der Station ankamen.

Sie fühlte sich viel besser.

Wir stiegen im Hotel de l'Orange, dem besten in der Stadt, ab; und da man noch die Badesaison nicht beendet hatte, war es fast ganz voll.

Es waren mir noch zwei Zimmer übrig, die mit einander in Verbindung standen; nur stand vor der Verbindungsthür auf jeder Seite ein Bett. Auf der einen Seite war vermöge des Schlosses und auf der anderen vermöge des Riegels für die Sicherheit des Reifenden gesorgt.

Es versteht sich von selber, daß sich die Thür nach der Seite öffnete, wo das Schloß sich befand.

Ich zeigte meiner Reisegefährtin die Topographie des Gasthauses. Ich ließ die Herrin des Hauses heraufkommen, damit sie ihr selber die Versicherung gebe, daß kein Fallstrick mit dieser Nähe in Verbindung stehe, und ließ ihr die Wahl zwischen den beiden Zimmern.

Sie wählte die Seite des Riegels, indem sie mich nur bat, mein Bett an die Wand zu stellen, anstatt es an der Thür zu lassen, was ich auch eiligst that.

Es war um zehn Uhr Abends, meine Reisegefährtin trank eine Tasse Milch und legte sich zu Bette. Ihr Kopf war ruhig und frei, aber sie empfand einige Magenschmerzen.

Ich speiste solider zu Abend, nahm einen Band von Michelet aus meinem Reisesack, legte mich nieder und begann zu lesen.

Nachdem ich eine Stunde gelesen, und in dem Augenblick, als ich eben mein Licht gelöscht hatte, hörte ich leise an die Verbindungsthür klopfen.

Ich glaubte mich geirrt zu haben; aber auf die Aufforderung folgten die beiden mit leiser Stimme ausgesprochenen Worte:

»Schlafen Sie?«

»Noch nicht; aber es scheint, als ob Sie auch nicht schlafen.«

»Ich habe Schmerzen.«

In der That war die Stimme verändert.

»Was fehlt Ihnen?«

»Ich habe furchtbare Magenkrämpfe.«

»Mein Himmel!«

»Beunruhigen Sie sich deshalb nicht, das begegnet mir zuweilen; es ist schmerzlich, hat aber nichts Beunruhigendes.«

»Wollen Sie, daß ich rufe?«

»Nein, der Aether selbst nützt dabei nicht.«

»Und ich, vermag ich mehr, als der Aether?«

»Vielleicht.«

»Wie denn?«

»Versuchen Sie, mich einzuschläfern.«

»Durch die Thür?«

»Ja.«

»Ich Zweifle, daß es mir gelingen wird, ich will es versuchen.«

Ich versuchte, meinen Willen in jenes Zimmer eintreten zu lassen, aus welchem mich die Schamhaftigkeit der Kranken ausschloß; aber ich erlangte nur einen halben Erfolg.

»Nun?« fragte ich sie.

»Ich fühle, daß ich betäubt werde; aber bei dieser Betäubung leide ich fortwährend.«

»Ich müßte Ihre Brust berühren können, wie ich Ihren Kopf berührt habe; dann würde der Schmerz aufhören.«

»Glauben Sie es?«

»Ich glaube es.«

»Nun, wenn, Sie die Thür öffnen wollen, den Riegel habe ich eben aufgezogen.«

Ich zog ein Pantalon an, und von dem Lichte ihrer Wachskerze geleitet, welches durch die Spalten der Thür drang, ging ich zu dem Schlüssel, den ich umdrehte, und als ich oben und unten die Riegel geöffnet hatte, gingen die beiden Flügelthüren auf.

Mein erster Blick war prüfend; spielte meine Nachbarin eine Komödie, oder litt sie wirklich Schmerzen?

Sie war blaß; ihr Mund war in den Winkeln verzogen und die Gesichtsmuskeln wurden von leichten Kampf»haften Zuckungen bewegt.

Ich faßte ihre Hand, sie war kalt, feucht und zitternd; sie litt wirklich.

»Finden Sie es nicht sehr seltsam, daß ich, anstatt einem Mädchen des Gasthauses zu klingeln und irgend ein beruhigendes Mittel zu verlangen, Sie rufe und Sie verhindere zu schlafen?«

»Durchaus nicht, im Gegentheil finde ich es sehr einfach, sehr natürlich.«

»Ich will Ihnen Eins gestehen.«

»Bah! sollten Sie mich vielleicht lieben?«

»Sie wissen wohl, daß ich Sie liebe, und zwar sehr, aber das ist es nicht. Warten Sie, ich leide.«

Und das Gesicht der Kranken nahm in der That einen Ausdruck des Schmerzes an, den man nicht verkennen konnte.

Ich legte meinen Arm unter ihren Kopf und hob ihn auf, sie erstarrte, ein Schauder überlief ihren ganzen Körper, sie kehrte zur Unbeweglichkeit zurück.

»Es ist vorüber,« sagte sie.

»Sie wollten mir Etwas sagen, mir ein Geständniß ablegen.«

»Ja, ich wollte Ihnen gestehen, daß mein Schlummer im Waggon nicht nur eine Ruhe, sondern auch ein liebliches Gefühl hatte, wie ich es nie empfunden. Schläfern Sie mich also ein, ich bitte Sie, und ich bin gewiß, daß meine Schmerzen aufhören werden.«

»Und Sie fürchten nicht, sich einschläfern zu lassen, Sie in Ihrem Bette, ich nahe an Ihrem Bette?«

Sie richtete ihr großes blaues Auge voll Erstaunen auf mich.

»Haben Sie mich nicht gefragt,« sagte sie zu mir, »ob ich Sie als einen redlichen Mann betrachte, und habe ich es Ihnen nicht bejaht?«

»Es ist wahr, ich dachte nicht mehr daran.«

»Nun, so versuchen Sie, mich einzuschläfern, denn in Wahrheit leide ich sehr.«

Und sie legte meine Hand auf ihre Stirn.

»Diesmal,« sagte ich ihr, »ist der Schmerz nicht im Kopfe, und damit der Schmerz zugleich, wenn der Schlummer kommt, erlösche, glaube ich, daß meine Hand den Sitz des Schmerzes berühren muß.«

Sie führte meine Hand auf ihren Magen, aber sie ließ das Betttuch und die Decke zwischen meiner Hand und ihrer Brust.

Ich schüttelte den Kopf und zuckte leicht die Achseln.

»Versuchen Sie es so,« sagte sie zu mir.

»Es ist gut; sehen Sie mich an. Ich zweifle nicht, daß ich Sie einschläfern, aber ich zweifle, daß ich Sie heilen werde.«

Sie antwortete nicht und fuhr fort, mich anzusehen, und meine Hand an der Stelle, wo sie war, festzuhalten.

Bald senkten sich ihre Augenlider sanft, schlossen sich, öffneten sich von Neuem und schlossen sich nochmals; sie schlief.

Nach Verlauf eines Augenblicks fragte ich sie:

»Schlafen Sie?«

»Schlecht.«

»Was muß man thun, damit Sie besser schlafen?« »Legen Sie Ihre Hand auf meine Stirn.«

»Aber Ihr Magenkrampf?«

»Schläfern Sie mich erst ein.«

Sie ließ meine Hand los, die ich auf ihre Stirn legte. Nach Verlauf von fünf Minuten fragte ich sie wieder:

»Schlafen Sie?«

»Ja,« entgegnete sie mir.

»Ist es ein guter Schlummer?«

»Ein guter Schlummer; indessen leide ich.«

»Was muß man thun, damit Sie nicht mehr leiden?«

»Legen Sie Ihre Hand auf meine Brust, mit der Absicht, mir den Schmerz wegzunehmen.«

»Auf welche Stelle der Brust?«

»Auf die Herzgrube.«

»Legen Sie sie selber hin, wo Sie glauben, daß sie sein muß.«

Dann erhob sie ohne Bedenken die Bettdecke und legte, meine Hand auf ihr Hemd welches wie das eines Kindes um den Hals zugeschnürt war, so keusch wie es eine Schwester gethan haben würde.

Ich kniete nieder, um mich bequemer zu befinden, und lehnte meinen Kopf auf das Bett.

Nach Verlauf einer halben Stunde athmete sie. Ihre Hand ließ die meinige los.

»Nun?« fragte ich sie.

»Nun, ich leide nicht mehr.«

»Muß ich bei Ihnen bleiben?«

»Noch einige Augenblicke.«

Dann, nach Verlauf von fünf Minuten sagte sie:

»Ich danke Ihnen. Ah! mein Gott, ohne Sie würde ich zwei oder drei Tage entsetzliche Schmerzen haben; jetzt –«

Sie zauderte.

»Was?«

»Sein Sie gut gegen mich, die ich Vertrauen zu Ihnen gehabt habe.«

»Es ist gut,« sagte ich lächelnd, »ich verstehe Sie.«

Ich zog meine Hand zurück.

Ihre Hand suchte die meinige und drückte sie sanft.

»Soll ich das Licht auslöschen?«

»Wenn Sie wollen?«

»Aber wenn Ihre Schmerzen wieder kommen sollten?«

»Sie werden nicht wiederkommen. Uebrigens haben Sie Streichhölzer in der Schublade Ihres Nachttisches.«

Ich blies das Licht aus; ich suchte ihre Stirn, ich drückte meine Lippen darauf.

»Guten Abend,« sagte sie mit der Ruhe einer Jungfrau zu mir.

»Guten Abend,« murmelte ich meinerseits, schloß die Thür wieder und legte mich nieder.

Als ich am folgenden Morgen erwachte, sang Lilla wie die Lerche, die der ausgehenden Sonne entgegen singt.

»Nun, liebe Nachbarin,« fragte ich sie. »Sie sind also geheilt?«

»Vollkommen.«

»Wirklich wahr?«

»Auf Ehre!«

Es war so wahr, daß wir ein vortreffliches Diner annehmen konnten, weiches uns an demselben Tage Cherville und Delahaye gaben, zwei Freunde, mit welchen die Leser, wie ich glaube, schon Bekanntschaft gemacht haben; und an demselben Abend im Stande waren, nach Aachen abzureisen.

Es war während des Tages verabredet worden, daß ich sie bis Mannheim begleiten sollte.

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Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
Объем:
130 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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