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Читать книгу: «Ein Liebesabenteuer», страница 3

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V

Heutiges Tages fährt man von Spaa nach Köln auf der Eisenbahn. Ehemals, das heißt vor zwanzig Jahren, fuhr man nur bis Lüttich und man legte den Rest des Weges in Wagen zurück.

Die Verwaltung der Wagen war preußisch und folglich jener Strenge unterworfen. welche in dem Reiche des großen Friedrich sprichwörtlich geworden.

Die Billette, die man vertheilte, waren halb deutsch, halb französisch.

Eine von den Klauseln dieser Billette, welche einem jeden seine Nummer anwiesen, war folgende:

»Es ist den Reisenden verboten, ihre Stellen mit ihren Nachbarn zu vertauschen, selbst mit Zustimmung dieser.«

Ehemals hielt man in Lüttich und in Köln an. Heutiges Tages macht man den Weg in einem Zuge.

Ich war bezaubert, nicht in Lüttich anhalten zu dürfen. Ich bin seit einer Reihe von Jahren mit der guten wallonischen Stadt im Kriege; sie hat mir noch nicht verziehen, daß ich in meinen Reisebildern gesagt, ich habe gemeint, dort vor Hunger zu sterben; und man hat mir die Versicherung gegeben, daß der Besitzer des Hotel d'Albion, wo mir dieses Unglück beinahe begegnet wäre, mich in ganz Europa aufgesucht habe, um mich wegen dieser entsetzlichen Aeußerung zur Rechenschaft zu ziehen.

Zum Glück war ich in Afrika, wo ich, wie ich sagen muß, noch schlechter aß, als bei ihm.

Ich wäre um so weniger dem Schicksal entgangen, womit er mir drohte, da er unterwegs einen anderen Feind von mir angeworben: den Postmeister von Martigny, den der mir im Jahre 1832 das famose Bärenbeefsteak servirt hatte, welches ganz einfach die Reise um die Welt gemacht hat; und welches zu uns wie die Seeschlange durch die amerikanischen Journale zurückgekehrt ist.

In Wahrheit muß ich hier von den beiden ehrwürdigen Industriellen sagen, daß, wenn der Eine Grund hatte, Groll gegen mich zu hegen, nämlich der Besitzer des Hotel d'Albion, der Andere nur Ursache hatte, mir zu danken, nämlich der Besitzer des Hotels zur Post

Ein französischer Gastwirth hätte eine Ankündigung, die so wunderbare Verbreitung gefunden, mit Gold aufgewogen, er hätte auf sein Schild geschrieben: »Zum Bärenbeefsteak,« und er hätte sein Glück gemacht.

Uebrigens hat er vielleicht ohnedies sein Glück gemacht.

Ich bin seit 1832 mit Extrapost durch Martigny gekommen. Er beeilte sich, da er mich nicht erkannte, die Pferde vor meinem Wagen zu wechseln; er ist wohl, beleibt und fett wie ein Mann, der weder Haß noch Gewissensbisse hat.

Wenn er gewußt hätte, daß ich es sei, was würde da geschehen sein, guter Gott.

Wir kamen um sechs Uhr Morgens bei herrlichem Wetter in Köln an. Wir eilten zur Dampfschifffahrtsgesellschaft; das Dampfschiff fuhr um acht Uhr ab, wir hatten noch zwei Stunden vor uns.

»Schlafen Sie oder nehmen Sie ein Bad?« fragte ich meine Begleiterin.

»Ich nehme ein Bad.«

«Ich führe Sie dorthin.«

»Sie wissen, wo es ist?«

»Ich weiß immer, wo die Bader der Städte sind, wo ich durchgekommen bin.«

Ich führte sie zu dem Bade.

Ihre Schamhaftigkeit machte sie ein wenig erröthen bei der Frage: »Nehmen Sie ein Zimmer oder zwei?« Aber ich beeilte mich zu antworten: »Zwei.« Und man führte uns in zwei Badezimmer, ebenso nahe bei einander, wie unsere beiden Schlafzimmer es gewesen waren.

Wir hatten unser Gepäck, welches sich für Lilla auf einen Koffer und für mich auf einen Reisesack beschränkte, direct auf das Dampfschiff von Mainz bringen lassen. Wir hatten also, als wir aus dem Bade kamen, nur denselben Weg zu nehmen, wie unser Gepäck.

Seit unserem Eintritt in Preußen hatte meine Reisegefährtin gefühlt, daß ihre Wichtigkeit sich verdoppelte, sie war meine Dolmetscherin geworden, und sie war es, welche mit den Verhandlungen hinsichtlich des Geldes beauftragt war.

Die Rheinreise ist übrigens eine von den am wenigsten kostspieligen Reisen auf der Welt: für vier oder fünf Thaler, glaube ich, das heißt für einige zwanzig Franken fährt man den von Boileau verherrlichten und von Körner besungenen Fluß von Köln bis Mainz hinauf, und für denselben Preis fährt man abwärts von Mainz bis Köln.

Es bleibt noch die Küchenfrage übrig: die Speisen sind billig, aber verwünscht schlecht; die Weine sind theuer – und schlecht.

Man hat diesen herben Rheinweinen, bei dem Reflex der Kiesel gereift, einen nach meiner Meinung sehr angemaßten Ruf bereitet. Liebfrauenmilch und der Brauneberger sind allein erträglich. Was den Johannisberger betrifft, so will ich hinsichtlich seiner an diesem Orte folgendes Paradoxon aussprechen, daß ich keinen guten Wein kenne, wenn er fünfundzwanzig Franken die Flasche kostet.

Von Köln an, obgleich man die Karte französisch-deutsch abgefaßt, ist die Küche ganz preußisch. Man erwartet ein saures Gericht zu essen, und man ißt ein süßes Gericht; man verlangt ein Zuckergericht, und man serviert Euch eine gepfefferte Speise; man tunkt sein Brod in einer Sauce, die brauner Butter gleicht, und man ißt Marmelade.

Das erste Mal als ich in Deutschland Salat verlangte, gab ich ihn dem Kellner zurück, indem ich ihm sagte:

»Man hat vergessen, den Salat abzulassen, er ist voll Wasser.«

Der Kellner sah die Salatschüssel an, neigte sie und sah mich mit Erstaunen an.

»Nun?« sagte ich zu ihm.

»Nun, mein Herr,« versetzte er, »es ist kein Wasser, es ist Weinessig.«

Ich glaubte, daß der Salat mir den Mund wegnehmen würde; er hatte durchaus gar keinen Geschmack.

In allen Ländern der Welt schüttet man Weinessig auf den Salat; in Deutschland schüttet man Salat auf den Weinessig.

Es ist viel von den deutschen Sitten in der deutschen Küche. Man thut Zucker in den Essig und Honig in den Haß.

Aber ich weiß nicht was man in den Kaffee mit Sahne thut.

Man trinke Alles, was man will, auf einem Rheindampfschiffe; man trinke Selterser, Wasser von Spaa, von Homburg, von Baden, selbst das von Sedlitz; aber trinkt keinen Kaffee mit Sahne, wenn Ihr Franzosen seid.

Ich will darum nicht sagen, daß man in Frankreich guten Kaffee mit Sahne trinkt; aber ich sage, daß man überall außer Frankreich, und besonders in Deutschland abscheulichen Kaffee mit Sahne trinkt.

Dies fängt in Quievrain an und nimmt immer zu bis Wien.

Ihr werdet nicht glauben, daß dieses Problem, welches sehr einfach scheint: »Warum trinkt man im Allgemeinen schlechten Kaffee in, Frankreich?« eine völlig politische Lösung hat.

Völlig politisch, wiederhole ich.

Man hat guten Kaffee in Frankreich getrunken seit der Erfindung des Kaffees bis zu dem Continentalsystem. das heißt von l800 bis 1809.

Der Zucker kostete 1809 acht Franken das Pfund; das hat uns zu dem Runkelrübenzucker verholfen.

Im Jahre 1809 kostete der Kaffee zehn Franken das Pfund; das hat uns die Cichorie eingebracht.

Noch ein Wort von den Runkelrüben. In meiner Eigenschaft als Jäger ist es mir nicht leid, wenn das Getreide eingeerntet, wenn der Hafer abgesichelt und der Klee abgemäht ist, zwei oder drei Morgen Runkelrüben zu finden, wo ich bei jedem Schritte in Gefahr gerathe, mir eine Verrenkung zuzuziehen, aber wo sich die Rebhühner niederlassen und wo die Hasen ihr Lager haben.

Ueberdies ist die Runkelrübe, unter der Asche gekocht, wohl gemerkt, nicht im Ofen, wenn sie vierundzwanzig Stunden in gutem Weinessig, aber nicht in deutschem Weinessig, gelegen, kein übles Beigericht.

Aber die Cichorie! Welchen Göttern der Unterwelt wird man die Cichorie widmen?

Ein Schmeichler während des Kaiserreiches hat gesagt: »Die Cichorie ist erfrischend.«

Es ist unglaublich, was man das französische Volk mit dem Worte erfrischend thun lassen kann.

Man hat gesagt, daß das französische Volk das geistreichste Volk der Welt sei.

Man hätte sagen sollen, das erhitzteste Volk.

Die Köchinnen haben sich des Wortes erfrischend bemächtigt. Und unter dem Schutze dieses Wortes vergiften sie ihre Herren jeden Morgen, indem sie ein Drittel Cichorie unter den Kaffee mischen.

Ihr werdet Alles von Eurer Köchin erlangen: daß sie weniger salzt, daß sie mehr pfeffert, daß sie sich mit dem Sou für's Pfund, welches ihr der Schlächter, der Material- und der Fruchthändler liefert, begnügt.

Ihr werdet nicht von Eurer Köchin erlangen, daß sie keine Cichorie unter Euren Kaffee thut.

Die lügenhafteste Köchin ist die unverschämteste hinsichtlich der Cichorie. Sie gesteht die Cichorie ein, sie rühmt sich derselben und sagt zu ihrem Herrn:

»Sie sind erhitzt, mein Herr, es ist zu Ihrem Besten.«

Wenn Ihr sie wegjagt, geht sie mit erhobenem Kopfe und mit beleidigendem Blicke von Euch.

Sie ist die Märtyrin der Cichorie.

Ich bin vollkommen überzeugt, daß eine geheime Gesellschaft unter den Köchinnen existiert, eine Unterstützungskasse für die Cichorienschwestern.

Wenn die Materialhändler dies gesehen haben, wenden sie diesen Grundsatz an: Höret und verstehet!

Sie haben verstanden, sie, die kein leichtes Verständniß haben.

Ehemals verkauften sie die Cichorie besonders – dies war noch ein Ueberrest von Scham. Heutigen Tages verkauft man Cichorienkaffee, wie man Vanillenchocolade verkauft.

Ihr wißt das, Ihr Kaffeeliebhaber, die Ihr Euren Mokka rein trinkt und nicht mit einem Drittel Martinique und einem Drittel Bourbon versetzt. Ihr laßt Euren Mokka ungemahlen kaufen.

Ihr sagt, ich will ihn selber brennen, ich will ihn selber mahlen. Ich will ihn unter Schloß legen, ich will den Schlüssel in die Tasche stecken. Ich habe eine Spiritusmaschine, um den Kaffee zu machen, ich werde meinen Kaffee beim Mittagessen auf meinem Tische machen, und auf diese Weise werde ich der Cichorie entgehen.

Ihr werdet doch damit vergiftet!

Die Materialhändler haben eine Kaffeebohnenform erfunden, wie die Waffenschmiede eine Kugelform erfunden haben.

Ihr habt ein Drittel Cichorie in Eurem Mokka, den Ihr selber gebrannt, gemahlen, eingeschlossen und bereitet habt.

Seit der Cichorie sind die Materialhändler sehr lasterhaft geworden.

Das sage ich meiner Reisegefährtin, wenn ich sie in deutscher Sprache Kaffee mit Sahne verlangen höre, aber man denke, was sie auf meine Erörterung antwortet:

»Ich verabscheue die Cichorie nicht, sie ist gut für's Blut.«

So gilt bis in Deutschland und selbst bis in Ungarn hinein diese nicht nur anticulinarische, ja noch mehr, antikünstlerische Theorie:

Die Cichorie ist erfrischend!

Ich entfernte mich von Lilla. Ich hatte eine widerliche Empfindung, diese Lippen, so frisch wie zwei Rosenblätter, diese Zähne, so weiß wie Perlen, sich mit diesem abscheulichen Getränke in Berührung setzen zu sehen.

Ich ging zum Vordertheil des Schiffes.

In einer blauen Ferne sah man bereits den dunkleren Azur der großen Hügel sich abzeichnen, die den Rhein begrenzen und die indem sie sich zusammenziehen, den so malerischen Uebergang der Lorelei bilden.

Ich blieb aus bis ich vermuthete, daß die Tasse Kaffee mit Sahne adsorbiert sei.

Dann kehrte ich zurück.

Ich fand meine Reisegefährtin in der lebhaftesten Unterhaltung mit einer reizenden Frau von dreiundzwanzig bis vierundzwanzig Jahren, blond, voll, von sanftem Gesichte und biegsamen Wuchse.

Es war einleuchtend, daß die beiden Frauen von mir sprachen.

Ich errieth nicht nur, daß sie von mir sprachen, sondern glaubte auch den Gegenstand ihrer Unterhaltung zu verstehen.

Da sie Lilla und mich zusammen auf dem Dampfschiffe hatte ankommen sehen, fragte die hübsche Wienerin – die blonde Dame war aus Wien – in welchem Verhältnisse wir zu einander ständen.

Und meine Begleiterin antwortete die Wahrheit, nämlich, daß wir rein und einfach Freunde wären.

Es war klar, daß die Andere nichts davon glauben wollte.

Ich näherte mich, und an der respectvollen Art, wie ich mit Madame Bulyowsky sprach, konnte ihre schöne Landsmännin sehen, daß sie ihr die reine Wahrheit gesagt.

Die Unterhaltung wurde allgemein. Lilla stellte mich der schönen Reisenden als ihren Freund vor; dann stellte sie mir die schöne Reisende als eine leidenschaftliche Bewunderin der französischen Literatur vor, was mir gestattete, meinen Antheil an der Bewunderung hinzunehmen, die sie meinen Kollegen zutheilte.

Die schöne Wienerin sprach französisch wie eine Pariserin.

Ich weiß nicht ihren Namen, und folglich kann ich sie nicht herabsetzen durch das Portrait, welches ich von ihr entworfen, aber ich habe allen Grund zu denken, daß, wenn ich mit ihr die Reise gemacht hätte, die ich mit Lilla machte, und sie nach vier Tagen und vier Nächten mich als einen Freund vorgestellt hätte, sie eine grobe Lüge würde ausgesprochen haben.

Indessen stieg die Sonne am Horizont empor.

»Wo haben Sie meinen Sonnenschirm hingelegt?« fragte mich meine Begleiterin?

»Unten im Salon bei meinem Reisesack.«

Ich stand auf.

Lilla reichte mir mit der reizenden Bewegung der dramatischen Künstlerin die Hand, indem sie mit jener Grazie, welche das vorzüglichste Verdienst der Mademoiselle Mars ausmachte, Komödie spielte.

»Verzeihen Sie die Mühe, die ich Ihnen mache,« fügte sie hinzu.

Ich machte eine Bewegung, um ihr die Hand zu küssen.

»O! warten Sie.«

Sie zog ihren Handschuh aus.

Ich küßte ihr die Hand und ging, den Sonnenschirm zu suchen.

Als ich den Fuß auf die erste Stufe der Treppe setzte, wendete ich mich um.

Ich sah die schöne Wienerin, die lebhaft ihre Hand ergriff und das Ansehen hatte, eine Bitte an sie zu richten.

»Geben Sie, gehen Sie,« sagte Lilla zu mir.

Ich stieg die Treppe hinunter, und fünf Minuten später kam ich mit dem Sonnenschirm wieder herauf.

Lilla war allein.

»Was sagte Ihnen denn die reizende Frau, die bei Ihnen war, und die nicht mehr da ist?« fragte ich sie.

»Wann denn?«

»In dem Augenblick, als ich mich umwendete.«

»Neugieriger!«

»Sagen Sie es. ich bitte Sie.«

»Nein, meiner Treu; Sie haben ohnedies schon Eigenliebe genug.«

»Wenn Sie es mir nicht sagen, werde ich gehen und sie selber darnach fragen.«

»Thun Sie nicht dergleichen.«

»So sagen Sie es mir.«

»Sie wollen wissen, um was sie mich bat?«

»Ja.«

»Nun, sie bat mich, meine Hand an der Stelle küssen zu dürfen, wo Sie sie mir geküßt hatten.«

»Und Sie haben es ihr gestattet, will ich hoffen?«

»Ohne Zweifel; es ist sehr deutsch, nicht wahr?«

»Ja; nur würde ich viel darum geben, wenn es französisch wäre.«

»Hat nicht eine von Ihren Königinnen selbst die Lippen eines Dichters geküßt, während er schlief?«

»Ja; nur war diese Königin eine Schottin und sie ist, von ihrem Manne vergiftet, gestorben, indem sie sagte: Pfui über das Leben! ich bedauere es nicht!«

Freilich war diese Königin die Gemahlin Ludwig des Elften.

VI

Kaum hatte mich die hübsche Wienerin der Madame Bulyowsky näher kommen sehen, als sie sich zu ihr niedersetzte, ohne sich darum zu kümmern, was diese mir eben erzählt hatte.

Die deutschen Frauen haben das Bewundernswürdige, daß sie ihre Begeisterung nicht verbergen und daß ihr Mund weder ihre Augen noch ihr Herz Lügen straft; was sie denken, sprechen sie einfach, frei und unumwunden aus.

Ich glaube nicht, daß es zugleich mildere und schmeichelhaftere Eindrücke giebt, als sich von dem Munde einer hübschen Frau, die vierhundert Meilen von Euch geboren ist, die eine andere Sprache spricht, als Ihr, die Ihr zufällig trefft, die Euch leicht gar nicht hätte kennen lernen mögen und die sich freudig Glück wünscht, Euch kennen gelernt zu haben, auf naive Weise loben zu hören. Wenn man ihre liebkosenden Ergießungen des Herzens und der Augen, die man von dem Augenblicke an findet, wo man die Grenze überschritten, mit dieser kalten Prüfung des Talents, mit dieser ewigen Verleugnung des Genie's vergleicht, woran uns unsere Tagesblätter, Wochen- und Monatsschriften gewöhnen, fragt man sich, warum man immer in seinem Lande und unter seinen Landsleuten jene Enttäuschung findet, welche geradeswegs zur Entmuthignng führen würde, wenn man nicht von Zeit zu Zeit im Auslande frische Lebenskraft schöpfte. Antäus fand seine Kräfte wieder, als er den Boden Afrika s berührte. Ich bin nicht Antäus, aber ich weiß, daß ich jedes mal die meinigen verliere, wenn ich den französischen Boden berühre.

Uebrigens erwartete mich eine zweite Ueberraschung gleich der ersten; zugleich mit uns hatte sich eine Gesellschaft eingeschifft, die aus zwei Männern von dreißig bis fünfunddreißig Jahren, aus zwei Frauen von fünfundzwanzig bis dreißig und aus einem Kinde von sieben bis acht Jahren bestand.

Dies Alles hatte ein fremdes Ansehen, welches die Bewohner einer Welt ankündete, die der tropischen Sonne näher liegt, als die unsrige; das Kind besonders mit seinen langen schwarzen Haaren, seinem matten Teint, seinen Flammenaugen, war ein lebendiger Typus des Südamerikaners.

Die eine von den beiden Frauen hatte einen Augenblick später, nachdem das Boot sich in Bewegung gesetzt, einige leise Worte in das Ohr des Kindes gesagt, und von dieser Zeit an hatte es nicht aufgehört, mich mit einer naiven Neugierde anzusehen. Da die Gruppe, der der Knabe angehörte, derjenigen, die wir bildeten, sich gegenüber befand, und da wir mir durch die Entfernung, die sich zwischen der Bank an der Treppenkappe und der Bank au der Schanzverkleidung befindet, von einander getrennt waren, so vereinigte ich alle Brocken meiner philologischen Wissenschaft, um ihm in spanischer Sprache zu sagen:

»Mein schöner Knabe, wollen Sie Ihre Frau Mutter für mich um die Erlaubnis? bitten, Sie umarmen zu dürfen?«

Zu meinem großen Erstaunen sagte dann eine von den beiden Frauen in vortrefflichem Französisch zu ihm:

»Alexander, geh' und umarme Deinen Pathen.«

Der Knabe, gestützt auf diese Erlaubnis;, kam gelaufen und stürzte sich in meine Arme.

»Ah! das ist stark!« rief ich. »Das ist ebenso vortrefflich, als daß Don Juan von der anderen Seite des Manzanares vom Satan Feuer forderte, um seine Cigarre anzuzünden, und dieser ihm damit antwortete, daß er den Arm über den Fluß ausstreckte und Don Juan an der Cigarre am Ende desselben die seinige anzündete. Aber daß ich, ohne mich dessen zu versehen, die beiden Hände ausgestreckt, um in Rio Janeiro oder in Buenos Aures ein Kind über den Taufstein zu halten, das hätte ich mir nie träumen lassen.«

»So ist die Sache freilich nicht eigentlich zugegangen,« antwortete mir die fremde Dame.

»Ist es eine Unbescheidenheit, weiter zu fragen?« fuhr ich fort.

»O! mein Himmel, nein,« antwortete mir die Amerikanerin; »wir sind weder von Buenos Ayres noch von Rio Janeiro, sondern von Montevideo, dessen wunderbare Vertheidigung Sie erzählt haben. Als Rosas nach geschlossenem Frieden zurückgedrängt wurde und wir wieder aufathmen konnten, war unser erster Wunsch, um mit der Cvilisation Schritt zu halten, den vorzüglichsten Städten Europa's in der Schöpfung ihrer nützlichsten oder menschenfreundlichsten Anstalten nachzuahmen. Die erste oder eine der ersten war ein Findelhaus. Der Knabe, welchen Sie da sehen, war der erste, welcher in diese Anstalt kam, und Ihr Name ist in Montevideo so bekannt, daß man ihm Ihren Namen gab, damit er der neuen Anstalt Glück bringen möchte. Wir hatten keine Kinder und entschlossen uns, eins aus dem Findelhause zu nehmen. Wir wählten dieses wegen seines Namens.«

Ich hielt das schöne Kind in meinen Armen, ich drückte es an meine Brust, zu stolz, daß von der einen Seite der Welt bis zur anderen ein so glücklicher Druck aus diese arme kleine Existenz ausgeübt worden.

Von meinen Armen ging er in die meiner beiden Reisegefährtinnen über; dann weiß ich nicht, wie die Hände des Kindes, Lilla's Hand, die der Wienerin und die meinige fast eine halbe Stunde mit einander verschlungen waren, während wir uns mit jenem sympathetischen Erbeben, welches an die Extase grenzt, mit einander unterhielten.

Diese halbe Stunde war vielleicht nicht die glücklichste, aber sie war gewiß die lieblichste meines Lebens.

Plötzlich mit einem Lächeln und einem Kusse entfloh der Knabe und lief zu seinen Pflegeeltern, wie der Vogel, welcher entflieht, um in sein Nest zurückzukehren.

Ich machte meine so sanft gefaßte Hand los, folgte dem Knaben und ging, um mich bei meinen Spaniern aus dem Süden nach den Leuten zu erkundigen, die ich gekannt und die in Montevideo wohnten.

Der Erste, nach dem ich mich erkundigte, ist ein Landsmann von mir, ein junger Waffenschmied aus Senlis. Ich war im Stande, ihn zu unterstützen, als er gewünscht hatte, nach Paris zu kommen, um sich dort zu etablieren. Sein Geschäft blühte, bis die Revolution von 1848 kam, die, indem sie einen Thron umstürzte, allen Existenzen einen Stoß gab.

Ich hatte ihn dem General Pacheco y Obes empfohlen, als dieser seine Sendung in Paris erfüllt hatte. Er schickte ihn nach Montevideo und ließ ihn zum Waffenschmied der Regierung ernennen. Er – der Waffenschmied – war auf gutem Wege, sein Glück zu machen.

Ich habe ihn seitdem auf einer seiner Reisen in Frankreich wiedergesehen. Er hat mir Banknoten von tausend Franken, die er mir schuldig war, und für die Zinsen ein prächtiges Bärenfell wiedergebracht.

Dies brachte mich dahin, von einem anderen Franzosen zu sprechen, den ich auch dem General Pacheco empfohlen hatte: es war der Graf d'Horbourg, der Sohn eines Adjutanten meines Vaters.

Eines Tages, als er mit meinem Vater auf dem Nildelta jagte, trat der Graf d'Horbourg, der Vater dessen, von dem ich rede, auf den Schwanz einer jener Boa der kleinen Gattung, welche man Pythons nennt.

Die Schlange richtete sich auf und streckte ihren ungeheuren Kopf vor, um ihn zu beißen.

Überschneller, als die Schlange, hatte mein Vater seine Flinte angelegt, Feuer gegeben und das Thier getödtet, ohne daß ein einziges Schrotkorn seinen Adjutanten traf.

Der Graf d'Horbourg ließ sich ein Degengehänge von der Haut dieser Schlange machen.

Dann beim Sterben hatte er mir das Degengehänge als Erinnerungszeichen an meinen Vater hinterlassen.

Sein Sohn, ganz in Trauer gekleidet, hatte es mir gebracht.

Daher meine Bekanntschaft mit ihm.

Er hatte in Afrika gedient und es fehlte ihm nicht an Wissen; aber seine Gesundheit und sein Verstand, wie es bei so Vielen der Fall ist, war durch den Absynth zu Grunde gerichtet. Wenn man seiner physischen Kräfte bedurfte, so hatte er das Fieber; bedurfte man seiner Geisteskräfte, so war er betrunken.

Diesen hatte ich dem General Pacheco nicht empfohlen: er hatte ihn von mir verlangt. Er hatte einen Officier zum Unterricht aus ihm gemacht.

Er war unglücklicherweise bei der Ausübung seiner Functionen gestorben.

Eines Tages, als er ein Regiment in der Mitte hohen Grases manövrieren ließ, glitt ihm sein Säbel aus der Hand und fiel nieder. Mit der fieberhaften Aufregung, die ihn nicht verließ, stieg er ab. Der Säbel stand aufrecht da, der Griff im Boden, die Klinge in die Lust gerichtet. Bei der Bewegung, die er machte, stieß er sich die Klinge durch den Leib und lebte nach dem Unfall nur noch zwei Stunden.

Pacheco y Obes, der wichtigste Mann aller Revolutionen von Montevideo, war auch todt, in Ungnade gestorben, wie Scipio; arm wie Cincinnatus, hatte er, wie Lamartine, Millionen in Umlauf gesetzt; nur war der Letztere einer von jenen Dichtern mit offenen Händen, zwischen deren Fingern die Millionen durchschlüpfen.

In Paris mit einer vertrauten Botschaft angekommen, war er von den kleinen Journalen verspottet worden. Die Spötterei war bis zur Beleidigung gegangen. Er hatte Genugthuung verlangt, man hatte sie ihm verweigert; er hatte dann zur Zuchtpolizei seine Zuflucht genommen, und obgleich er ziemlich schlecht französisch sprach, wollte er doch seine Sache dort selber verhandeln.

Er hatte vor dem Gericht eine jener Anwandlungen von Beredtsamkeit gehabt, wie sie die großen Herzen haben, wie sie der General Foy, wie sie der General Lamarque, wie sie Monsieur de Fitz-James hatte.

Man hatte ihn besonders mit der Kleinheit seiner Republik, wegen der Bedeutungslosigkeit seiner Sache verspottet.

Er hatte geantwortet:

»Die Größe der Ergebenheit ist nicht nach der Größe der Sache abzumessen, die man vertheidigt. Wenn ich das Glück hatte, all' mein Blut für die Freiheit von Montevideo zu vergießen, so werde ich eben so viel gethan haben, wie Hector, der das seinige für die Vertheidigung Troja's vergoß.«

Nun erlosch dieses große Herz, dieser große Vertheidiger einer kleinen Sache war gestorben, so arm gestorben, daß dieser junge Waffenschmied, den ich ihm zur Zeit seiner Macht empfohlen hatte, ihn in seinen letzten Tagen erhielt und die Kosten seiner Beerdigung übernahm.

Diese Nachrichten waren traurig. Ach! es kommt eine Lebenszeit, wo die Blicke sich umher bewegen und überall nur schwarze Punkte sehen: es sind Flecke der Trauer. Die Aerzte sagen, es ist das Gesicht, welches sich ermüdet, es ist die Netzhaut, die mit Blut unterlaufen ist, es ist der schwarze Staar, der sich der Netze des Augapfels bemächtigt.

Sie nennen das »Mückensehen.«

Wenn man aufhört, diese Mücken zu sehen, so ist man selber todt.

Ich kehrte zu meinen beiden Reisegefährtinnen zurück, nachdem ich sie vergebens gesucht hatte, wo ich sie verlassen. Sie hatten ihren Aufenthaltsort zu einem Tische versetzt, und auf diesem Tische befand sich Papier, Dinte und Federn.

Ich begriff.

Ich war zur Tortur des Autographen verurtheilt.

Die gewöhnliche Tortur ging ganz natürlich zu der ungewöhnlichen über.

Von dem Augenblicke an, als ich den Fuß auf das Dampfschiff gesetzt, hatte man gewußt, wer ich war.

In dem Augenblicke, als ich die Feder in die Hand nahm, machte man Queue.

Zum Unglück war eine gewisse Anzahl von Engländern und besonders von Engländerinnen an Bord.

In Hinsicht der Selbstbiographie sind die Engländer indiscret, die Engländerinnen unersättlich.

Uebrigens führte mich die Sitzung in der Mitte von einem Dutzend Engländerinnen jeden Alters, von zwölf bis zu sechszig Jahren, zu einer großen philologischen und physiologischen Entdeckung.

Ich bemerkte, daß die Verunstaltung des Mundes, so gewöhnlich bei den alten Engländern und den alten Engländerinnen, erst in einem gewissen Alter vor sich geht, und daß alle jungen Engländer und jungen Engländerinnen im Allgemeinen einen reizenden Mund hatten.

Was kann denn den Mund der alten Engländer und der alten Engländerinnen so entstellt haben, daß es bei den Ersteren eine Schnauze und bei den Anderen einen Rüssel hervorbringt?

Es ist das th.

Wie das th? werdet Ihr fragen.

Ei ja, mein Himmel!

Fragt Euren englischen Lehrer, wie man zu dem nothwendigen Zischen gelangt, um das th auszusprechen und ein thz daraus zu machen.

Er wird Euch antworten:

Drückt die Zunge stark gegen die obere und untere Kinnlade zugleich und sprecht zu derselben Zeit das th aus.

Indem Ihr nun das th aussprecht, welches sich in jeder Secunde in dem englischen Wörterbuche findet, und gegen die obere und untere Kinnlade stoßt, um das verwünschte th auszusprechen, gewinnt der weiche Körper, nämlich die Zunge, die Oberhand über den harten, die Zähne, und bis die Barrikade völlig eingestürzt wird, neigt sie sich unter dem Drucke.

Wenn Ihr, liebe Leser und schöne Leserinnen, eine andere Lösung dieses Problems wißt, warum die Engländer und die Engländerinnen von fünfzehn bis zwanzig Jahren fast alle einen reizenden Mund haben, und warum die Engländer und die Engländerinnen von fünfzig bis sechszig Jahren fast alle einen abscheulichen Mund haben – wenn Ihr, sage ich, eine andere Lösung wißt, so theilt sie mir mit.

Und ich will Euch ein Autograph geben.

Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
Объем:
130 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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