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Читать книгу: «Ein Liebesabenteuer», страница 5

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Dann, nach einer Unterredung, in welcher ich mit aller möglichen Discretion bei Ferdinand nach dem Grade der Vertraulichkeit, die zwischen ihm und Maria herrschte, erkundigt hatte, und das Resultat vollständig zur Ehre der berühmten Künstlerin ausgefallen war, kam man überein, daß man jeden Abend zwei von den drei Matratzen aus dem Zelte ziehen wollte, und daß Ferdinand und ich auf dem Verdeck schlafen sollten, während die Kajüte das gänzliche Eigenthum Maria bleiben sollte.

Vorhänge, die an Nägeln hingen, bildeten den ganzen Verschluß dieses Heiligthums, welches unser gemeinschaftlicher Respect besser als das eiserne Thor von Derbent schützte.

Wir folgten also dem Programm, und als die Nacht gekommen war, zogen wir unsere beiden Betten auf das Verdeck; aber diese Nacht war so schön, es waren so viele Sterne über diesen Himmel ausgesäet und spiegelten sich in diesem Meere ab, daß es eine Sünde gewesen wäre, wie die Neapolitaner sagen, die Augen zu schließen

Wir setzten uns also auf dem Verdeck nieder und öffneten die Augen weit.

Einer von den Matrosen hatte eine Art Guitarre mit drei Saiten. Maria nahm sie und sang.

Nach fünf Minuten formierten Capitain und Matrosen einen Kreis um uns. Nach zehn Minuten hatten sie einen Chor gebildet und wiederholten mit der bewundernswürdigen musikalischen Leichtigkeit der Völker des Süden die Refrains der Chansons oder Arien, welche Maria sang.

Plötzlich spielte und sang Maria zugleich, ohne Etwas zu sagen, ohne Uebergang, eine jener lebhaftesten Saltarellen.

Die ganze Mannschaft erhob einen Schrei. Einige Minuten lang hielt der Respect unsere Leute zurück, die sich begnügten, sich bald auf dem einen und dann auf dem anderen Fuße zu balancieren; dann ging man von dem Balancieren zum Trippeln und vom Trippeln zum Tanze über.

Nach Verlauf einer Viertelstunde fand ein allgemeiner Ball statt, der um so vollständiger war, da die Tänze des Süden von einem großen unbekannten Balletmeister in der Voraussicht angeordnet worden, daß wahrscheinlich eine Zeit kommen werde, wo es an Frauen fehlen dürfte.

Das Weib ist also kein durchaus nothwendiges Element zu den Tänzen des Süden.

Während dieser Zeit trieb das Schiff, einen Rest des Windes benutzend, nach eigenem Gefallen und wie ein verständiges Wesen weiter.

Man tanzte und sang bis ein Uhr Morgens.

Endlich zog sich Maria in die Kajüte zurück; Ferdinand und ich legten uns auf dem Verdeck nieder; die Matrosen stiegen durch die Luken hinunter und der Steuermann blieb allein auf seinem Platze.

Der Wind wurde schwächer und schwächer, das Meer war ruhig wie ein Spiegel; kaum fühlte man die Bewegung des Schiffes.

Man hätte sagen sollen, es treibe in der Luft dahin.

IX

Wir erwachten mit dem ersten Strahle des Tages.

Das Schiff hatte während der ganzen Nacht keine Seemeile zurückgelegt. Wir waren im Angesichte, von Caprä eingeschlafen, wir öffneten die Augen wieder im Angesichte von Caprä. Es war vortreffliches Wetter; der Himmel war glänzend; die Liebenden allein; wenn sie sich nach ihrer Vereinigung sehnten, konnten sie sich über ein solches Wetter beklagen.

Maria streckte ihren blonden Kopf durch die Vorhänge der Kajüte.

»Nun?« fragte sie.

»Nun, liebe Freundin,« sagte ich zu ihr, »wir haben auf acht Tage genug.«

»Haben wir auf acht Tage Lebensmittel?«

»Wahrhaftig, mit dem Fischfange können wir einer Windstille von einer Woche Trotz bieten.«

»Also auf eine Windstille von einer Woche!«

Und sie zog ihren Kopf in die Kajüte zurück. Die Vorhänge schlossen sich wieder hinter der blonden Erscheinung. »Und mir,« sagte Ferdinand, »bleibt mir Nichts übrig?«

»Ja,« antwortete die Stimme aus der Tiefe der Kajüte, »tausend Zärtlichkeiten.«

»Hm!« sagte Ferdinand, »tausend Zärtlichkeiten, das ist sehr wenig.«

Ich näherte mich dem Capitain.

»Und Sie?« fragte ich ihn, »wie viele Tage glauben Sie, daß dieses Wetter dauern wird?«

»Ich weiß es nicht. Fragen Sie den Propheten. Aber sehen Sie, es begegnete uns ein Priester, als wir uns einschiffen wollten, und es würde mich, sehr wundern, wenn unsere Reise ohne Unfall vorüberginge.«

Der Prophet war der Steuermann, ein alter Seewolf Namens Nunzio, der mit zehn Jahren, zur See gegangen war und seit vierzig Jahren Seereisen machte.

Ich näherte mich ihm.

»Schönes Wetter, Prophet?« fragte, ich ihn..

Er sah nach Westen hin.

»Das muß man erst noch sehen,« sagte er.

»Wie, erst noch sehen?«

»Ja.«

»Was?«

»Ob dies von Dauer sein wird.«

»Wenn es sich verändert, um uns ein wenig Wind zu geben, so wird es kein großer Schade sein.«

»Ja, aber wenn es sich verändert, um uns viel zugeben.«

»Was nennen Sie viel?«

»Viel, das bedeutet zu viel.«

»Ah! Sie fürchten einen Sturm?«

»Nein, einen Wirbelsturm;«aber sagen Sie es der Dame nicht.«

»Warum nicht?«

»Vielleicht würde sie nicht mehr singen.«

»O, alter Prophet; 'man sieht wohl, daß wir indem Lande der Sirenen sind.«

»Ah! gestern hat sie alle möglichen Arien unseres Landes gesungen, und Sie wissen nicht, welches Vergnügen es ist, den Gesang seines Landes zu hören, wenn man sich zwischen Himmel und Wasser befindet.«

»Nun, sei ruhig, sie wird singen.«

»Versuchen Sie', sie zu bewegen, so nahe wie möglich am Steuerruder zu singen.«

»Ich will ihr Deinen Wunsch mittheilen, und da Dein Wunsch ein Compliment ist, so wird sie einwilligen.«

In diesem Augenblick fühlte ich eine leichte Erschütterung. Wir führten nur den Klüver und eine Art Focksegel; ich glaubte an eine Rückkehr des Windes.

»Nein,« sagte mir Nunzio, welcher meinen Irrthum bemerkte; »es sind die Kameraden, welche zu rudern versuchen.«

In der That hatten sechs Matrosen sechs lange Ruder aus dem Zwischendeck genommen und begannen damit zu rudern.

Wie bei den gewöhnlichen Booten lagen die Ruder zwischen Pflöcken; nur ruderten die Leute stehend, um mit dem Ende ihrer Ruder das Wasser erreichen zu können.

Es war eine anstrengende Arbeit, aber bald erleichterten sie sich dieselbe dadurch, daß sie ein Lied von bezaubernder Schwermuth sangen, wovon die ersten Worte waren: »Spannet die Segel.«

Am Ende der ersten Strophe war Maria aus ihrer Kajüte hervorgegangen und stand horchend da, während Ferdinand, sein Album in der Hand, diese Melodie von außerordentlicher Einfachheit notierte.

Bei der zweiten Strophe näherte sich mir Maria.

»Machen Sie mir doch Verse dazu,« sagte sie zu mir.

»Gut!« entgegnete ich, »Sie werden sie aber nicht in einem Concerte singen?«

»Nein, aber ich werde sie mir selber vorsingen, das wird eine Erinnerung sein.«

»Sie werden zugestehen müssen, daß es sehr gut von mir ist, Ihnen beizustehen, eine Erinnerung an Ihre eheliche Wallfahrt zur heiligen Rosalie zu bewahren.«

»Sie schlagen es mir ab?«

»Verhüte der Himmel!«

»In Wahrheit würden Sie Unrecht gethan haben, denn es ist meine Absicht, diese Erinnerung ganz von der Gegenwart zu trennen, um sie an eine andere Erinnerung aus der Vergangenheit anzuknüpfen.«

»Frau Baronin, Frau Baronin!«

»Ich bin es noch nicht.«

»Nicht ein klein wenig?«

»Nickt im geringsten.«

Ich verneigte mich.

»Sie sollen Ihre Verse in einer Viertelstunde haben.«

Ich setzte mich Ferdinand gegenüber, und während er am Backbord seine Musik niederschrieb, scandirte ich am Steuerbord meine Verse.

Nach Verlauf einer Viertelstunde hatte sie ihre Verse.

»Warten Sie.« sagte ich. »es ist noch etwas Besseres zu thun.«

»Was?«

»Schreiben Sie das Original ab.«

»Und dann?«

»Will ich einen Refrain dazu machen, der im Chor wiederholt wird.«

»Und dann?«

»Wird Ferdinand sogleich die Musik dazu machen.«

»Und dann?«

»Nun, dann wird es zu Ende sein; Sie singen die Solo's und alle unsere Matrosen wiederholen den Refrain im Chor.«

»Ei das ist eine Idee.«

»Es begegnet mir zuweilen, daß ich eine habe; als Beweis dient die, welche ich Ihnen gestern mittheilte.«

»Wo denn?«

»Am Ufer des Meeres.«

»Welche?«

»Daß Sie eine Thorheit begehen, indem Sie sich verheiraten.«

»Lassen Sie uns nicht mehr davon reden. Wir würden eine andere begehen.«

»Ja, aber diese würde wenigstens nicht unwiderruflich sein.«

»Warum?«

»Weil wir Beide nicht so einfältig sein wurden, uns zu verheirathen.«

»Sie unmoralischer Mensch – lassen Sie mich in Ruhe.«

»Gehen Sie, Ihre Verse abzuschreiben und die Musik zu studieren.«

»O! die Musik, die weiß ich schon.«

Und sie begann die Arie zu singen.

Die Matrosen ließen bei der ersten Note ihre Ruder in der Luft schweben.

»Sie sehen, Sie machen Effect,« sagte ich zu ihr.

»Beschäftigen Sie sich nicht mit mir, sondern machen Sie Ihren Refrain.«

Ich machte einen Refrain von zwei italienischen Versen in dem Sinne des Liedes.

Dann brachte ich diese beiden Verse dem Capitain, damit er sie in den sicilianischen Volksdialect übersetze.

Dies währte nicht lange. In Sicilien und Arabien ist Jeder Dichter und Musiker.

Meine beiden in den sicilianischen Volksdialect übersetzten Verse brachte ich zu Ferdinand, der in einem Augenblick die Musik dazu gemacht hatte.

»Jetzt gebt Acht,« sagte ich zu unseren Ruderern.

Ferdinand stand auf und ließ sie den Refrain wiederholen.

Dann näherte sich ihnen Maria, und auf dem Verdeck stehend, die Augen zum Himmel erhoben, begann sie den melodiereichen Gesang.

Als die erste Strophe beendet war, sangen die Matrosen den Refrain mit wunderbarem Einklange, dann fuhr Maria fort.

Es würde mir unmöglich sein, den, Zauber dieser Scene zu schildern; der Steuermann lag auf dem Dache seiner, Kajüte und hatte völlig aufgehört, sich mit dem Steuerruder zu beschäftigen, jeder Matrose hatte sein Ruder unter das, Bein geschoben und hielt es mit der Kniekehle fest, um die beiden Hände zum Beifallklatschen frei zu haben; was uns betraf, wir sahen Maria an – Ferdinand mit unaussprechlicher Liebe – ich mit wirklicher Bewunderung.

Nur Pietro, der, eine Schüssel in jeder Hand und ein Brod unter dem Arm, aus einer Luke hervorkam, hatte allein die Macht, uns aus unserer Betrachtung zu erwecken.

Die Matrosen beeilten sich, uns ein Segel auszubreiten, und wir setzten uns nieder, um im Schatten dieses Segels zu frühstücken.

Nach der Mahlzeit ließ ich Ferdinand mit Maria plaudern und, näherte mich dem Steuermanne.

»Nun, dieser famose Wind.« sagte ich zu ihm, »es scheint, als beeile er sich nicht?«

»Haben Sie gut gefrühstückt?« fragte der Steuermann.

»Sehr gut.«

»Wenn ich Ihnen einen Rath geben kann, so speisen Sie noch besser zu Mittag.«

»Warum denn das?«

»Weil Sie morgen nicht aufgelegt sein werden zu frühstücken oder zu Mittag zu speisen.«

»Bah! Sie scherzen.«

»Die Kameraden müssen Ihnen gesagt haben, daß ich niemals scherze.«

»Und Sie sagen. Prophet?«

»Ich meine, daß wir von Glück sagen können, wenn wir diese Nacht nicht eine Aufwallung bekommen.«

»Warum rudern wir denn da nicht auf irgend eine Bucht von Calabrien zu?«

Nunzio warf seine Blicke auf die Küste von Pästum, die zu unserer Linken wie eine azurblaue Linie mit sanften wellenförmigen Erhöhungen erschien.

»Wir würden nimmermehr Zeit haben.« entgegnete er kopfschüttelnd; »wir würden zehn oder zwölf Stunden dazu bedürfen.«

»Während der Wirbelsturm dazu bedürfen würde?«

»Nur sieben oder acht.«

Ich zog meine Uhr heraus.

»Also dann wird es um neun Uhr sein?«

»Ja, um diese Zeit,« sagte Nunzio, »eine oder anderthalb Stunden nach dem Ave Maria. Aber sagen Sie Nichts davon; es ist unnöthig, die kleine Dame vorher zu beunruhigen.«

»Alter Prophet,« sagte ich lachend zu ihm, »Du hast eine Schwäche für sie.«

»Ich verstehe nicht, * antwortete er.

«Ich sage, Du bist in unsere schöne Reisegefährtin verliebt.«

»Ja, aber wie ich in die Madonna verliebt bin.«

Und er grüßte, wie man thut, wenn man an einem Heiligenbilde vorübergeht.

Ich ging wieder zu meinen Reisegefährten. Der Tag wurde wieder damit zugebracht, Guitarre zu spielen und zu singen. Ich sagte ihnen Verse von Victor Hugo, von Lamartine und Barbier vor, und ich horte, wie meine Matrosen, die mich nicht verstanden und glaubten, daß ich aus dem Stegreif spreche, mich einen Improvisatore nannten. Das flößte ihnen einen großen Respect vor mir ein. In Neapel ist der Improvisator ein Halbgott, in Sicilien ist er vollends ein Gott.

Während des Nachmittags verblich dieser so tiefe und so durchsichtige Azur des Himmels ein wenig; das Firmament nahm eine milchige und kränkliche Farbe an; die Sonne ging in Gewölken unter, die den Dünsten der pontinischen Sümpfe glichen.

Die Stunde des Ave Maria war gekommen. Der Steuermann nahm den Sohn des Capitains in seine Arme, ließ ihn auf das Dach der Kajüte hinknieen und das Kind sprach für sich und für uns dieses in Italien so feierliche Abendgebet, welches auf dem Meere noch feierlicher ist, als irgend sonst wo.

Während das Kind sein Gebet, hersagte, stieg eine große schwarze Wolke, vom Südwestwinde getrieben, auf.

Es war,die, von Nunzio versprochene Aufwallung. Auch berührte er mich, als das Gebet zu Ende war, mit dem Ellenbogen indem er einen Finger auf seine Lippen, legte.

Ich sehe es wahrhaftig gut genug,« antwortete ich ihm.

Von Zeit zu Zeit richteten die Matrosen und selbst der Capitain die Augen auf das Gewölk, welches rasch naher kam und, wie es ein riesenhafter Adler gethan haben würde, den eine Flügel gegen Norden und den anderen gegen Süden ausbreitete.

Der Mond erschien oder blickte vielmehr durch einen bläulichen Dunst, der bald von diesem Gewölk bedeckt wurde, welches, mit raschen Schritten näher kam.

Von Zeit zu Zeit färbten sich die dunklen Seiten und, ein Blitz lief wie eine feurige Sehlage in dieser dichten Finsterniß dahin.

Man hörte den Donner noch nicht, aber man fühlte, wie er herankam.

Das Meer kräuselte sich, ohne daß noch ein Windhauch in der Atmosphäre wehte, als ob ein unterirdisches Feuer, welches sich vom Vesuv bis zum Aetna kreuzte, es schaudern machte.

Bald darauf sahen wir am Horizont, woher dieses Gewölk kam und mit ihm Schritt haltend, eine Linie vor Schaum herantreiben, während man hie und da auf der Oberfläche jene gekräuselten Wellen, welche die Seeleute Katzenpfoten nennen, sich abzeichnen sahen.«

Endlich fuhr ein glühender Windstoß in unser Takelwerk und machte das einzige Segel erbeben, welches außer dem Klüver noch wehte.«

»Nehmt zwei Reffe, rief der Steuermann den Matrosen zu, während der Capitain sich uns näherte und Maria besonders anredete.

»Signora, und Sie, meine Herren,« sagte er zu uns, »ich habe Ihnen keine Rathschläge zu ertheilen, »aber meiner Meinung nach würden Sie wohlthun, in die Kajüte zu gehen.«

»Ist Gefahr vorhanden?« fragte Maria in ziemlich ruhigem Tone.

»Nein; aber wir werden einen Wirbelsturm, das heißt Regen und Wind bekommen, und Sie könnten nicht auf dem Verdeck bleiben, wo Sie in wenigen Augenblicken völlig durchnäßt und wo Sie übrigens uns auch im Wege sein würden.«

Ich kannte diese Rathschläge und wendete mich zu Maria um.

»Sie hören, Madame?« sagte ich zu ihr. »Wollen Sie uns für diese Nacht Gastfreundschaft gewähren?«

»Sie zweifeln doch nicht daran?« sagte sie; »ich hoffe es wenigstens.«

In diesem Augenblick fuhr ein so heftiger Windstoß über den Speronare dahin, daß das Fahrzeug sich auf die Seite neigte und die Spitze der Segelstange in s Wasser tauchte.

Zu gleicher Zeit spaltete ein Blitz den Himmel, während dessen Dauer man so deutlich sah, wie am hellen Tage.

»Lassen Sie uns hineingehen,'' sagte ich zu Maria. »Wie der Capitain eben sagte, sind wir hier hinderlich.«

Zu gleicher Zeit ließ sich Nunzio's Stimme hören:

»Alle Segel herunter!« rief er.

Die Matrosen stürzten sich auf das Segel zu, dessen Segelstange sich wie ein Rohr bog. Ich ließ Maria in die Kajüte eintreten. Ich drängte Ferdinand hinein und trat nach ihnen ein.

Kaum waren die Vorhänge hinter mir gefallen, als ein entsetzlicher Donnerschlag sich hören ließ und das Fahrzeug eine solche Erschütterung erhielt, daß Maria mit einem Schrei auf ihre Matratze niederfiel, während Ferdinand und ich nur dadurch stehen blieben, daß wir uns an einander anklammerten.

X

Es war die erste Ankündigung des Sturmes. Gleich einem edlen Feinde, der seinem Gegner Zeit lassen will, seine Kräfte zu sammeln, schien er uns eine Ruhe von einigen Minuten gestatten zu wollen.

Alles war zur Dunkelheit und zum Schweigen, und ich möchte fast sagen zur Unbeweglichkeit zurückgekehrt.

Ferdinand und ich benutzten den Waffenstillstand, um uns auf eine Matratze niederzusetzen, die vor derjenigen ausgebreitet war, auf welcher Maria lag.

Eine Lampe, die an der Decke hing, gab uns ein zitterndes Licht.

Maria sah uns abwechselnd an, sie schien sich zu fragen, an wen von uns Beiden sie sich im Augenblick der Gefahr wenden könne, um Hilfe zu verlangen.

Ferdinand war klein, schmächtig und blaß; seine schwächliche und nervöse Organisation gab im Falle einer Katastrophe wenig Sicherheit. Dagegen hatte ich, stark und kräftig gebaut, ohne eine Anwandlung von Seekrankheit, selbst beim Sturme, jenes Ansehen der Ruhe und Stärke, welches, sei es nun mit Recht oder mit Unrecht, Vertrauen hervorruft und das Herz beruhigt.

Maria's Blick blieb endlich auf mir ruhen; dieser Blick sagte mir deutlich: »Sie wissen, daß ich auf Sie rechne.«

Ich gestehe, daß ich mich ganz stolz fühlte über diesen Vorzug, der Ferdinand keine Eifersucht einzuflößen schien.

Ferdinand hatte übrigens etwas ganz Anderes zu thun, als eifersüchtig zu sein. Er war seekrank.

Ich begriff, daß seine Unbeweglichkeit und seine Blässe nicht von Furcht herrührten, ich hatte so oft um mich her die Symptome dieser entsetzlichen Krankheit, die sich nach und nach seiner bemächtigten, sich entwickeln sehen, daß ich mich keinen Augenblick darin irrte.

»Sie sind unwohl?« sagte ich zu ihm.

Er bejahte es mit einem Kopfnicken.

Alles macht Anstrengung in dieser Lage und ein einsylbiges Wort auszusprechen, ist schon etwas Großes.

»Wenn Sie seekrank sind,« sagte ich zu ihm, »so ist es, wie auch das Wetter sein mag, für Sie immer besser draußen, als hier drinnen.«

»In der That,« sagte er, »der Geruch dieser Lampe verursacht mir Uebelkeit.«

Es ist unglaublich, welche Schärfe bei solchen Gelegenheiten der Geruchssinn annimmt; man sollte denken, er verstärke sich durch die Schwächung der vier andern. Dieser Geruch, der ihm unerträglich war, roch ich nicht einmal.

Ferdinand hatte alle seine Kräfte gesammelt, um den obigen Satz auszusprechen. Er ergriff meinen Arm. Ich stellte mich auf meine Füße, und indem ich mich aufrichtete, nahm ich ihn mit mir: zwei- oder dreimal strauchelten wir, so schwankend war die Bewegung unserer Barke, und fielen Beide nieder, ehe wir die Thür erreichten. Endlich klammerte ich mich an den Vorhang an und es gelang mir strauchelnd das Tauwerk zu,erreichen und mich daran fest zu halten

Als uns der Capitain, einen so unsicheren Ausfall machen sah, begriff er, daß etwas Außerordentliches vorgehe, und kam herbeigelaufen.

Ferdinand faßte ihn um den Hals.

Ein Ertrinkender, sagt man, würde eine glühende Stange ergreifen.

Ein Seekranker ist noch viel beharrlicher.

»Ach, Capitain,« sagte Ferdinand mich loslassend, um sich an den Capitain der Speronare anzuklammern, »ich bitte Sie, führen Sie mich an das andere Ende des Schiffe«

Es war einleuchtend, daß er sich nicht nur in der Lage, worin er sich befand, sondern auch in der noch schlimmeren, die er vorhersah, noch nicht weit genug von Maria entfernt glaubte.

Sein Wunsch wurde erfüllt. Mit so sicherem Fuße, wie es bei einem solchen Aufruhr möglich war, führte der Capitain Ferdinand fort und ich sah ihn, sich nicht nur an der Schulter des Capitains, sondern auch an Allem, was ihm begegnete, an Menschen oder Takelwerk festhaltend, in der Dunkelheit verschwinden.

So viel ich mit Hilfe meiner langen Erfahrung beurtheilen konnte, schätzte ich die Angelegenheiten, welche Ferdinand im Vordertheil der Speronare zu besorgen hatte, auf eine Dauer von zwei oder drei Stunden.

Ich konnte Maria nicht allein lassen; das Ungewitter nahm jeden Augenblick zu. Sie mochte meines Beistandes bedürfen.

Ich kehrte in die Kajüte zurück; Maria war durchaus nicht beruhigt, aber sie fühlte nicht das geringste Symptom von Unpäßlichkeit; dies war ihre fünfte oder sechste Seereise und sie war gewissermaßen abgehärtet.

Sie sah mich mit einem Vergnügen wieder, welches sie nicht zu verbergen suchte.

»Ah!« sagte sie zu mir, »ich fürchtete schon, Sie würden nicht wiederkommen.«

»O! Sie hätten gewiß sein können, daß ich wiederkommen würde.«

»Sie konnten unwohl werden, wie Ferdinand.«

»Und Sie waren im Begriff, über uns Beide zu lachen?«

»Nein. Wissen Sie, was ich eben bei mir selber sagte, als ich Sie Beide neben einander sah?«

»Wiederholen Sie es.«

»Nun, ich sagte bei mir, wenn Gefahr wäre, würde ich zu Ihnen Vertrauen haben und nicht zu ihm.«

Ich reichte ihr die Hand und sie drückte sie mir zwischen den ihrigen.

Dieser Händedruck traf gerade mit einem furchtbaren Donnerschlag zusammen. Ohne Zweifel fand sie, daß ich ein zu guter Leiter sei, denn sie sagte, indem sie mich sanft zurückschob:

»Dort drüben – legen Sie sich dort nieder auf die Matratze, Sie können bei solcher Bewegung nicht stehen bleiben.«

In der That theilte die Welle, die auf das kleine Fahrzeug drückte, demselben eine so heftige schwankende Bewegung mit, daß ich schon zwei- oder dreimal beinahe umgefallen wäre.

Da ich in der That fühlte, daß der Rath, den mir Maria gab, sehr verständig war und daß ich, je mehr ich mich von ihr entfernte, um so weniger in Gefahr gerieth, die heiligen Gesetze der Freundschaft zu verletzen, gelang es mir, mich ohne zu große Ungeschicklichkeit auf meine Matratze zu werfen.

Wir befanden uns einander gegenüber, nur getrennt durch einen Raum von etwa zwei Fuß, der sich zwischen unseren beiden Matratzen befand.

Sie stützte sich auf ihren rechten Ellenbogen und ich mich auf meinen linken Ellenbogen, und so sahen wir einander lächelnd an.

Jeden Augenblick drohte die Lampe, der es an Oel fehlte, zu erlöschen.

Der Sturm nahm immer an Heftigkeit zu; man hörte die Fußtritte der Matrosen, das Knarren des Mastbaumes und des Takelwerks, so wie die kurzen und abgebrochenen Befehle Nunzio's.

Von Zeit zu Zeit fragte Maria mit klarer und volltönender Stimme:

»Es ist doch keine Gefahr, Capitain?«

Und von dem einen oder dem anderen Orte antwortete der Capitain:

»Nein, nein, nein, sein Sie ruhig, Signora.«

Und ein heftigerer Windstoß und eine noch stärkere Welle kamen, den Capitain Lügen zu strafen und machten, daß Maria einen leichten Schrei ausstieß.

Die Lampe begann zu erlöschen.

»O Himmel!« sagte Maria, »wir werden ohne Licht bleiben.«

»Wir öffnen unsere Vorhänge,« entgegnete ich ihr, »und die Blitze werden unsere Lampen ersetzen.«

»Nein,« sagte sie, »ich ziehe die Dunkelheit noch diesem Lichte vor.«

Die Bewegung des Fahrzeuges, das Grollen des Donners, welcher beständig fortrollte, das Rufen der Seeleute, welches als eine Ankündigung der Gefahr, die man zu bekämpfen hatte, und als eine Aufforderung an den Muth der Matrosen ertönte, dies Alles nahm zu und wurde beunruhigender.

Maria wiederholte fast mechanisch die Frage:

»Doch keine Gefahr, Capitain?«

Während dieser Zeit knisterte unsere Lampe und warf ihren letzten Schein.

Plötzlich verdoppelte sich das Schreien. Der Donner krachte, als falle er auf das kleine Fahrzeug selber. Eine ungeheure Woge hob es und legte es so sehr auf die Seite, daß Maria das Gleichgewicht, welches sie nur mit Mühe auf ihrer Matratze behauptet hatte, verlor, auf den Fußboden, der wie ein Dach geneigt war, niederglitt und sich in meinen Armen befand.

Die Lampe erlosch.

»Diesmal ist Gefahr vorhanden,« sagte ich lachend zu ihr. –

In der That war die Gefahr groß, nur hatte sie sich verändert.

»Ah!« sagte Maria aufathmend zu mir, als die Gefahr vorüber war, »wer hätte denken sollen, daß Sie in einem solchen Augenblicke nicht mehr bewegt wären!«

* *
*

Der Sturm währte die ganze Nacht. Glücklicher Sturm! er ließ sich nicht träumen, daß unter allen Denen, die er mit dem Tode bedroht hatte, ein Mann war, der ihm ewig dankbar sein würde.

Gegen Morgen begann sich das Meer zu beruhigen.

Ich hatte Ferdinand's Stelle am Vordertheil des Fahrzeuges eingenommen und sah lächelnd diese Berge an, die uns aufhoben, diese Thäler, die uns verschlingen zu wollen schienen. Ich athmete mit diesem tiefen Athemzuge des jungen, starken und glücklichen Mannes.

Ich fühlte, wie ein Arm unter meinen Arm schlüpfte und sich auf den meinigen stützte.

Ich wendete den Kopf herum und sah das sanfte Gesicht Marias, ganz in schmachtende Mattigkeit gebadet.

»Die Gefahr ist vorüber,« sagte ich lachend zu ihr.

»Still!« antwortete sie mir, »und lassen Sie uns ernsthaft reden.«

»Wie ernsthaft?«

»Nun ja, sehr ernsthaft.«

»Und Ferdinand?«

»Er ist erschöpft von seiner Nacht und schläft ganz durchnäßt.«

»Das kommt von der Seekrankheit,« sagte ich zu ihr.

»Lachen Sie nicht, Sie verletzen mich.«

»Wirklich?«

»Ohne Zweifel, der arme Junge!«

»Nun ja, er ist sehr zu beklagen!«

»Sie wissen nicht, wie er mich liebt!«

»Nun! wer wird ihm denn je sagen, was gechehen ist?«

»Ich, gewiß.«

»Wie, Sie?«

»Ja, ich, glauben Sie, daß ich Ferdinand heirathen werde, nach dem, was zwischen uns vorgegangen?«

»Teufel! ist es so ernsthaft?«

»Nun ja, mein Herr, es ist so ernsthaft.«

»Nun! ein Zufall!«

»Darin liegt gerade das Uebel!«

»Erklären Sie mir das.«

»Es ist nämlich nicht ganz ein Zufall.«

»Bah!«

»Von dem Augenblicke an, als ich Sie wiedersah —«

»Nun?«

»Fühlte ich in meinem Herzen. daß ich einst Ihnen angehören würde.«

»Wirklich?«

»Auf Ehre.«

»Von jetzt an war es nur noch eine Angelegenheit der Zeit und der Umstände.«

»Und diese Nacht –«

»Als Sie mir die Hand reichten –«

»Haben Sie errathen, daß die Zeit gekommen und die Lage dringend sei.«

»Wenn Sie lachen, sage ich Ihnen nicht nur nicht das Uebrige, sondern ich spreche auch in meinem Leben nicht mehr mit Ihnen.«

»Verhüte Gott, daß ich mich einer solchen Straft aussetze! Sehen Sie, ich lache schon nicht mehr, ich sehe Sie an.«

Ich weiß nicht, welchen Ausdruck meine Augen angenommen hatten, aber ohne Zweifel gaben sie meine Gedanken wieder.

»Sie lieben mich also ein wenig?« sagte sie zu mir.

»Ohne Umschweife: ich bete Sie an.«

»Wiederholen Sie mir das, um mich zu trösten.«

»Und Sie, beenden Sie, was Sie mir sagen wollten. Sie sehen wohl, daß ich nicht mehr lache.«

»Nun, ich wollte Ihnen sagen, daß ich mich in dieser Nacht nicht so gut an meine Matratze festgehalten, als ich es hätte thun sollen, und daß das Schwanken des Schiffes weniger, als man glauben möchte, an dem Unfall schuld war, der mir begegnete.«

»O!« sagte ich zu ihr, »Sie sind doch noch immer das anbetungswürdige Wesen, welches ich mir schon in Paris vorstellte.«

»Ja,« antwortete sie mir ernsthaft; »aber anbetungswürdig oder nicht, dieses Wesen ist ein redliches Weib. Zwischen Ferdinand und mir war verabredet, daß nie von der Vergangenheit die Rede sein sollte; aber der Sturm dieser Nacht, das ist die Gegenwart; ich habe also mein Wort verletzt, und diese Verbindung kann nicht mehr stattfinden.«

»Gestehen Sie, daß es Ihnen nicht leid ist, einen Vorwand gefunden zu haben.«

»Lassen Sie sehen, würde es Ihnen leid sein, einen Monat mit mir in dem schönsten Lande der Welt zuzubringen?«

»Nein, denn dieser Monat würde wahrscheinlich der glücklichste meines Lebens sein.«

»Und was werden Sie anfangen, wenn Sie nach Palermo kommen?«

»Für's Erste muß ich Ihnen sagen, daß wir nicht nach Palermo gehen, sondern nach Messina.«

»Warum denn das?«

»Weil uns der Wind nach Messina und nicht nach Palermo treibt, und weil der Capitain mir eben gesagt hat, wenn wir nach Messina steuerten, so würden wir morgen Abend dort sein, während, wenn wir darauf beständen, nach Palermo zu reisen, der Himmel weiß, wann diesen Ort erreichen würden.«

»Nun, es sei; gehen wir nach Messina, es liegt mir wenig daran. Ich mache den übrigen Theil der Reise zu Lande. Hören Sie also, was Sie zu thun haben, wenn Sie in Messina ankommen –«

»Befehlen Sie, ich werde Ihnen pünktlich gehorchen.«

»Sie verlassen Ferdinand und mich, um Ihre Reise fortzusetzen; wenn Sie abgereist sind, sage ich ihm Alles.«

Ich machte eine unwillkürliche Bewegung.

»O! sein Sie ruhig!« sagte sie zu mir, »ich werde mich eben so frei gegen ihn aussprechen, wie gegen Sie; mit dem ersten Dampfboote wird er nach Neapel zurückkehren,«

»Sie werden sich rühren lassen –«

, Nein, ich bin unbeugsam, wenn ich im Unrecht bin.«

»Und ich – was wird aus mir werden?«

»Wenn Sie es nicht sehr eilig haben, mich wiederzusehen, so machen Sie eine Reise durch Sicilien; wenn Sie es aber eilig haben sollten, so nehmen Sie in Girgenti oder in Selimonte Pferde oder Maulthiere, durcheilen Sicilien und kommen zu mir nach Palermo.«

»Ich werde Pferde oder Maulthiere nehmen und zu Ihnen nach Palermo kommen.«

»Ganz gewiß?«

»O! Sie können darauf rechnen.«

Sie reichte mir die Hand.

»Ich rechne darauf,« sagte sie; »nicht wahr, bis dahin kein Wort, welches den geringsten Verdacht von dem erregen könnte, was geschehen ist. Man muß nicht errathen, ich muß gestehen.«

Dies Alles war so logisch und so voll Delikatesse, daß Nichts dagegen zu sagen war.

Ich versprach also, mich in allen Dingen nach Maria's Instructionen zu richten.

Wir hatten eben diesen Vertrag geschlossen, als Ferdinand wieder erschien. Er sah aus, als komme er aus der anderen Welt.

Da Maria sich nie sehr liebevoll gegen ihn gezeigt hatte, so durfte sie Nichts an ihrem Benehmen andern.

Ich ließ sie mit einander allein. Ich gestehe, daß ich meinem armen Freunde gegenüber sehr verlegen war, obgleich die Schuld nicht an mir, sondern an dem Sturme lag.

Als wäre er nur aus der Grotte des Aeolus hervorgegangen, um den eben erzählten Unfall herbeizuführen, beruhigte er sich eben so schnell wieder. Aus alle diese Winde, die aus allen vier Himmelsgegenden herwehten, war ein guter Nordwestwind gefolgt, der das Meer ebnete und den Himmel von Wolken befreite. Die Ufer von Calabrien erschienen wie eine azurblaue Linie, und gegen vier Uhr Abends fuhren wir so nahe an der Küste dahin, daß der Capitain uns den Namen aller Gruppen von weißen Bergspitzen sagte, die sich am Ufer abzuzeichnen begannen.

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Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
Объем:
130 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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