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Читать книгу: «Der Frauenkrieg», страница 38

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XIV

Die Nacht lagerte sich über Bordeaux und abgesehen von dem Quartiere der Esplanade, nach dem sich alle Welt drängte, schien die Stadt verlassen. Kein anderen Geräusch in den entfernten Straßen diesen bevorzugten Orten, als die Tritte der Patrouillen; keine andere Stimme, als die irgend einer Alten, welche ihre Thüre voll Schrecken schließend nach Hause kehrte.

Aber auf der Seite der Esplanade, im Abendnebel, hörte man einen dumpfen, fortwährenden Lärmen, ähnlich dem Tosen der Fluthen, wenn sie in das Meer zurückstürzen.

Die Frau Prinzessin hatte ihre Correspondenz beendigt und ließ dem Herrn Herzog von Larochefoucault sagen, sie könnte ihn empfangen.

Zu den Füßen der Frau Prinzessin, demüthig auf einen Teppich gekauert, mit der lebhaftesten Angst ihr Gesicht und ihre Laune studierend, schien Frau von Cambes den Augenblick zu erwarten, wo sie, ohne lästig zu sein, sprechen könnte; aber diese erzwungene Geduld, diese geflissentliche Sanftmuth wurden durch die krampfhaften Zuckungen ihrer Hände, welche ein Taschentuch zerknitterten, gewaltig Lügen gestraft.

»Siebenundzwanzig Unterschriften,« rief die Prinzessin, »Ihr seht, daß nicht Alles Vergnügen ist, wenn man eine Königin spielt.«

»Oh! Wohl, Madame,« erwiederte die Vicomtesse; »denn indem Ihr die Stelle der Königin einnahmet, verliehet Ihr Euch zugleich ihr schönsten Vorrecht, das, Gnade zu üben.«

»Und das, zu strafen, Claire,« versetzte stolz die Prinzessin von Condé,

»Und die achtundsiebzigste kommt unter einen Begnadigungebrief, nicht wahr, Madame?« sprach Claire.

»Was sagst Du, Kleine?«

»Ich sage, meines Erachtens sei es für mich Zeit, hinzugehen und meinen Gefangenen zu befreien; soll ich ihn nicht mit dem furchtbaren Schauspiel, seinen Gefährten zum Tode führen zu sehen, verschonen? Ah! Madame, da Ihr Gnade üben wollt, so laßt sie vollständig angedeihen.«

»Meiner Treue, ja, Du hast Recht, Kleine; aber ich vergaß in der That mein Versprechen unter diesen ernsten Geschäften, und Du hast wohl gethan, daß Du mich daran erinnertest.«

»Also?« rief Claire ganz freudig.

»Also thue, was Du willst.«

»Noch eine Unterschrift, Hoheit,« sagte Claire mit einem Lächeln, welchen das härteste Herz erweicht hätte, mit einem Lächeln, das kein Maler wiederzugeben vermöchte, weil es nur der Frau, welche liebt, das heißt dem Leben in seinem göttlichsten Wesen eigen ist.

Und sie schob ein Papier auf den Tisch der Frau Prinzessin und bezeichnete mit der Fingerspitze die Stelle, worauf sich ihre Hand legen sollte.

Frau von Condé schrieb.

»Befehl an den Herrn Gouverneur den Schlosses Trompette, die Frau Vicomtesse von Cambes zu Herrn Baron von Canolles, dem wir hiermit die volle Freiheit geben, einzulassen.«

»Ist es so gut?« fragte die Prinzessin.

»Oh! ja, Madame!« rief Frau von Cambes.

»Und ich soll unterzeichnen?«

»Ganz gewiß.«

»Liebe Kleine, man muß Alles thun, was Du willst,« sagte die Prinzessin mit ihrem freundlichsten Lächeln.

Und sie unterzeichnete.

Claire fiel über das Papier her, wie ein Adler über seine Beute. Sie nahm sich kaum Zeit, der Frau Prinzessin zu danken, drückte die Schrift an ihr Herz und stürzte aus dem Gemache.

Auf der Treppe begegnete sie Herrn von Larochefoucault, dem stets ein ziemlich zahlreichen Cortege von Kapitänen und Leuten aus der Bürgerschaft bei seinen Gängen durch die Stadt folgte.

Claire warf ihm einen kleinen freudigen Gruß zu: Herr von Larochefoucault blieb einen Moment auf dem Ruheplatz der Treppe stehen und folgte ihr, ehe er bei Frau von Condé eintrat, mit den Augen bis zu den untersten Stufen.

Als er zu Ihrer Hoheit kam, sagte er:

»Madame, Alles ist bereit.«

»Wo?«

»Dort unten.«

Die Prinzessin suchte in ihrem Geiste.

»Auf der Esplanade,« fuhr der Herzog fort.

»Ah! sehr gut,« erwiederte die Prinzessin, große Ruhe heuchelnd, weil sie fühlte, daß man sie beobachtete, und weil sie, trotz ihrer Frauennatur, die ihr zu schauern gebot, auf ihre Würde als Parteihaupt hörte, welche ihr keine Schwäche zu zeigen vorschrieb. »Wohl, wenn Allen bereit; ist, so geht, Herr Herzog«

Der Herzog zögerte.

»Haltet Ihr eo für angemessen, daß ich dem Akte beiwohne?« sagte die Prinzessin mit einem Zittern der Stimme, das sie trotz ihrer Selbstbeherrschung nicht völlig zu bewältigen vermochte.

»Ganz wie es Euch beliebt, Madame,« erwiederte der Herzog, der in diesem Augenblick vielleicht eine von seinen physiologischen Studien machte.

»Wir werden sehen, Herzog, wir werden sehen; Ihr wißt, daß ich viele Verurtheilte begnadigt habe.«

»Ja, Madame.«

»Und was sagt Ihr zu dieser Maßregel?«

»Ich sage, daß Allen, was Eure Hoheit thut, wohl gethan ist.«

»Ja,« sprach die Prinzessin, »ich ziehe das vor. Es ist würdiger von uns, den Epernonisten zu zeigen, daß wir uns nicht fürchten, Repressalien zu gebrauchen, als Macht gegen Macht mit Ihrer Majestät zu unterhandeln, daß wir aber auf unsere Kräfte vertrauend das Böse ohne Wuth, ohne Uebertreibung zurückgeben.«

»Das ist sehr politisch.«

»Nicht wahr?« sagte die Prinzessin, welche aus dem Ton von Larochefoucault seine wahre Ansicht zu erkennen suchte.

»Doch,« fuhr der Herzog fort, »es ist immer noch Eure Meinung, daß Einer von Beiden den Tod von Richon sühnen soll; denn bliebe dieser Tod ohne Rache, so könnte dies auf den Gedanken führen, Eure Hoheit schütze die braven Leute, welche sich ihrem Dienste widmen, sehr gering.«

»Oh! gewiß; Einer von Beiden wird sterben, bei meinem Fürstenworte.«

»Darf ich wissen, welchem Eure Hoheit Gnade bewilligt hat?«

»Herrn von Canolles.«

»Ah!«

Dieses Ah! wurde auf eine seltsame Weise ausgesprochen.

»Solltet Ihr etwas Besonderes gegen diesen Edelmann einzuwenden haben, Herr Herzog?« fragte die Prinzessin.

»Ich, Madame, habe ich je etwas für oder gegen Jemand? Ich theile die Menschen in zwei Kategorien: in die Hindernisse und die Stützen. Man muß die einen niederwerfen und die andern aufrecht erhalten, . . . so lange sie uns aufrecht erhalten; das ist meine Politik, Madame, und ich möchte beinahe sagen, meine Moral.«

»Was Teufels sucht er und wo will er hinaus?« fragte sich ganz leise Lenet; »es kam mir doch immer vor, als haßte er den armen Canolles.«

»Nun wohl,« sagte der Herzog, »wenn mir Eure Hoheit nichts Anderes zu befehlen hat . . .«

»Nein, Herr Herzog.«

»Ich verabschiede mich von Eurer Hoheit.«

»Also noch diesen Abend?« fragte Frau von Condé.

»In einer Viertelstunde.«

Lenet schickte sich an, dem Herzog zu folgen.

»Ihr wollt das ansehen, Lenet?« fragte die Prinzessin.

»Oh! nein, Madame,« antwortete Lenet; »Ihr wißt, ich bin nicht für die heftigen Gemüthsbewegungen, und werde mich begnügen, halbwegs, das heißt bis zu dem Gefängniß zu gehen, um das rührende Schauspiel der Befreiung des armen Canolles durch die von ihm geliebte Frau zu sehen.«

Der Herzog machte eine Philosophenmiene; Lenet zuckte die Achseln, und der Leichenzug verließ den Pallast, um sich nach dem Gefängniß zu begeben.

Frau von Cambes hatte nicht fünf Minuten gebraucht, um diesen Raum zurückzulegen; sie kam an, zeigte den Befehl der Schildwache bei der Zugbrücke, dann dem Concierge des Schlosses und ließ endlich den Gouverneur rufen.

Dieser prüfte den Befehl mit dem trockenen Auge einen Gefängnißgouverneur, das sich weder vor Todesurtheilen, noch vor Gnadenbriefen belebt, erkannte das Siegel und die Unterschrift von Frau von Condé, verbeugte sich vor der Bötin, wandte sich sodann gegen die Thüre um und sagte:

»Ruft den Lieutenant.«

Hiernach bedeutete er Frau von Cambes durch ein Zeichen, sie möge sich setzen; aber Frau von Cambes war zu aufgeregt und ungeduldig, und blieb stehen.

Der Gouverneur glaubte ein Wort an sie richten zu müssen.

»Ihr kennt Herrn von Canolles?« fragte er mit demselben Tone, mit dem er: »Wie viel Uhr ist es?« gefragt haben dürfte.

»Oh! ja, mein Herr,« antwortete die Vicomtesse.

»Es ist vielleicht Euer Bruder, Madame?«

»Nein, mein Herr.«

»Euer Freund?«

»Es ist . . . mein Bräutigam,« antwortete Frau von Cambes, in der Hoffnung, nach diesem Geständnisse würde der Gouverneur die Erlösung den Gefangenen etwas beschleunigen.

»Ah!« versetzte der Gouverneur mit demselben Tone, dessen er sich bis jetzt bedient hatte, »ich mache Euch mein Kompliment, Madame.«

Und da der Gouverneur keine Frage mehr an Claire zu richten hatte, so kehrte er in seine Unbeweglichkeit und sein Stillschweigen zurück.

Der Lieutenant trat ein.

»Herr d’Qutremont,« sagte der Gouverneur, »ruft den Oberschließer und laßt Herrn von Canolles in Freiheit setzen; hier ist sein Auslaßbefehl.«

Der Lieutenant verbeugte sich und nahm das Papier.

»Wollt Ihr hier warten?« fragte der Gouverneur.

»Ist es mir denn verboten, dem Herrn zu folgen?«

»Dann folge ich ihm; Ihr begreift, ich will die Erste sein, die ihm verkündigt, daß er gerettet ist.«

»Geht, Madame, und empfangt die Versicherung meiner Hochachtung.«

Frau von Cambes machte eine rasche Verbeugung vor dem Gouverneur und folgte dem Lieutenant.

Es war gerade derselbe junge Mann, der mit Canolles und Cauvignac gesprochen hatte, und er schritt daher mit der Eile der Sympathie voran.

In einem Augenblick waren Frau von Cambes und er im Hofe.

»Der Oberschließer?« rief der Lieutenant.

Dann sich gegen Frau von Cambes umwendend, sagte er:

»Seid unbesorgt Madame, er wird sogleich hier sein.«

Der zweite Gefangenwärter erschien und meldete:

»Herr Lieutenant, der Oberschließer ist verschwunden; man hat ihn vergebens gerufen.«

»Oh! Herr,« rief Frau von Cambes, »wird dies abermals einen Verzug veranlassen?«

»Ihr habt doppelte Schlüssel von allen Kerkern?« fragte Herr d’Qutremont.

»Ja, mein Herr,« antwortete der Gefangenwärter.

»Oeffnet das Zimmer von Herrn von Canolles.«

»Herr von Canolles, Nro. 2?«

»Allerdings Nro. 2, öffnet rasch.«

»Ich glaube, es sind überdies Beide beisammen,« versetzte der Gefangenwärter: »man wird den Guten wählen.«

Die Gefangenwärter sind stets spaßhaft gewesen.

Aber Frau von Cambes war zu glücklich, um sich über diesen grausamen Scherz zu ärgern. Sie lächelte im Gegentheil; sie würde diesen Mann umarmt haben, wenn es nöthig gewesen wäre, damit sie Canolles eine Sekunde früher hatte sehen können.

Endlich öffnet sich die Thüre. Canolles, der Tritte im Gange gehört, der die Stimme der Vicomtesse erkannt hat, Canolles wirft sich in ihre Arme, und über jede Rücksicht erhaben, vergißt sie, daß er weder ihr Gatte, noch ihr Bruder ist, und preßt ihn mit aller Gewalt an ihre pochende Brust.

Die Gefahr, der er preisgegeben war, die ewige Trennung, an der sie so nahe wie an einem Abgrunde gestanden sind, reinigen Alles.

»Nun, mein Freund,« sagte sie strahlend vor Freude und Stolz, »Ihr seht, daß ich Wort halte; ich habe Eure Begnadigung erlangt, wie ich es Euch versprach, und komme, um Euch zu holen.«

Und während sie sprach, zog sie Canolles nach dem Gange fort.

»Mein Herr,« sagte der Lieutenant, »Ihr möget Euer ganzen Leben dieser Dame widmen, denn ihr habt Ihr es offenbar zu verdanken.«

Canolles antwortete nicht, aber sein Auge schaute zärtlich den Befreiungsengel an, und seine Hand drückte die Hand der Frau . . .

»Oh! eilt nicht so sehr,« sagte der Lieutenant lächelnd, »es ist vorbei und Ihr seid frei; laßt Euch also Muße, Eure Flügel zu öffnen.«

Aber ohne diese beruhigenden Worte zu berücksichtigen, zog Frau von Cambes Canolles unablässig durch die Gänge fort. Canolles ließ sich, mit dem Lieutenant Zeichen austauschend, von Claire leiten. Man kam an die Treppe, man sprang hinab, als ob die zwei Liebenden die Flügel gehabt hatten, von denen der Lieutenant sprach. Endlich befand man sich im Hofe; noch eine Thüre, und die Atmosphäre des Gefängnisses wird nicht mehr auf diesen zwei armen Herzen lasten.

Nun öffnet sich auch diese letzte Schranke.

Aber auf der andern Seite der Thüre versperrte eine Truppe von Edelleuten, Leibwachen und Bogenschützen die Zugbrücke; es war Herr von Larochefoucault mit seinen Trabanten.

Frau von Cambes schauerte, ohne zu wissen warum. Es war ihr immer ein Unglück widerfahren, so oft sie diesen Mann begegnet hatte.

Ging in Canolles irgend eine Bewegung vor, so blieb sie im Grunde seines Herzens und stieg nicht auf sein Gesicht empor.

Der Herzog grüßte Frau von Cambes und Canolles und blieb sogar stehen, um ihnen einige Artigkeiten zu sagen. Dann machte er dem Haufen von Edelleuten und Leibwachen die ihm folgten, ein Zeichen, und ihre Reihen öffneten sich.

Plötzlich vernahm man eine Stimme aus dem Hintergrunde des Hofes, und es erschollen die Worte:

»He! Numero 1 ist leer, der andere Gefangene ist seit fünf Minuten nicht mehr in seinem Zimmer; ich suche ihn vergebens und kann ihn nirgends finden.«

Bei diesen Worten durchlief ein langes Schauern Alle, die sie hörten: der Herzog von Larochefoucault bebte, und unfähig, eine erste Bewegung zu unterdrücken, streckte er seine Hand aus, als wollte er Canolles festnehmen.

Claire sah diese Bewegung und erbleichte.

»Kommt, kommt,« sagte sie zu dem jungen Manne, »laßt uns eilen.«

»Verzeiht, Madame,« sprach der Herzog; »ich bitte Euch um einen Augenblick Geduld: wir wollen, wenn es Euch gefällig ist, diesen Irrthum sich aufklären lassen; ich stehe Euch dafür, es ist in einer Minute abgemacht.«

Und auf ein zweites Zeichen des Herzogs schloß sich der Haufen wieder, der sich geöffnet hatte.

Canolles schaute Claire, den Herzog, die Treppe an, von wo die Stimme kam, und erbleichte ebenfalls.

»Aber, mein Herr,« fragte Claire, »wozu soll es nützen, daß ich warte? Frau von Condé hat die Freilassung von Herrn von Canolles unterzeichnet; hier ist der Befehl, er enthält seinen Namen; nehmet, seht.«

»Ja wohl, Madame, und es ist auch nicht meine Absicht, die Gültigkeit dieses Befehles in Abrede zu ziehen, er wird in einem Augenblick eben so gut sein, als jetzt; faßt also Geduld, ich habe Jemand abgeschickt, der ungesäumt zurückkommen muß.«

»Aber was geht das uns an?« fragte Claire, »und was hat Herr von Canolles mit dem Gefangenen Nro. 1 gemein?«

»Herr Herzog,« sprach der Kapitän der Garden, welchen Herr von Larochefoucault abgeschickt hatte, »wir haben vergebens gesucht; der andere Gefangene ist nirgends zu finden; der Oberschließer ist ebenfalls verschwunden, und das Kind des letzteren, das man befragt hat, sagt, sein Vater und der Gefangene seien durch die geheime Pforte, welche nach dem Flusse führt, abgegangen.«

»Ho! Ho!« rief der Herzog, wißt Ihr etwas hiervon, Herr von Canolles? Eine Entweichung!«

Bei diesen Worten begreift und erräth Canolles Alles. Er begreift, daß es Nanon ist, welche über ihm wachte; er begreift, daß er es ist, den man holen wollte, daß er es ist, den man unter dem Namen des Bruders von Fräulein von Lartigues bezeichnete; daß Cauvignac, ohne es zu wissen, seinen Platz eingenommen und die Freiheit da gefunden hat, wo er den Tod zu treffen glaubte. Alle diese Gedanken bilden sich gleichzeitig in seinem Kopfe; er fährt mit den Händen an die Stirne, erbleicht und wankt ebenfalls, und erholt sich erst wieder, da er die Vicomtesse an seinem Arme zittern und keuchen sieht; keines von diesen Zeichen eines unwillkührlichen Schreckens ist dem Herzog entgangen.

»Schließt die Thore,« rief dieser. »Herr von Canolles habt die Güte, zu verweilen; Ihr begreift, es muß sich Alles aufklären.«

»Aber, Herr Herzog, rief die junge Frau, »es ist hoffentlich nicht Euer Wille, Euch dem Befehle der Prinzessin zu widersetzen?«

»Nein, Madame,« erwiederte der Herzog, »doch ich halte es für wichtig, sie von dem, was vorgeht, in Kenntniß zu setzen. Ich sage Euch nicht: »»Ich werde selbst dahin gehen;«« Ihr könntet glauben, es sei meine Absicht, einen Einfluß auf unsere erhabene Gebieterin auszuüben, sondern ich sage Euch: »»Geht Ihr, Madame, denn besser, als irgend Jemand, werdet Ihr die Gnade von Frau von Condé zu erflehen wissen.««

Lenet machte Claire ein unmerkliches Zeichen.

»Oh! ich verlasse ihn nicht,« rief Frau von Cambes, krampfhaft den Arm des jungen Mannes pressend.

»Und ich,« sagte Lenet, »ich laufe zu Ihrer Hoheit; kommt mit mir, Herr Kapitän, oder Ihr selbst, Herr Herzog.«

»Wohl, ich begleite Euch; der Herr Kapitän wird hier bleiben und die Nachsuchungen in meiner Abwesenheit fortsetzen; vielleicht findet er den andern Gefangenen.«

Und als wollte er dem letzten Theile seiner Rede noch einen besonderen Nachdruck geben, sagte der Herzog von Larochefoucault dem Officier einige Worte in das Ohr, wonach er sich mit Lenet entfernte. Zu demselben Augenblick werden die zwei jungen Leute durch die Woge von Reitern, welche Herrn von Larochefoucault folgten, und hinter denen sich das Thor wieder schließt, in den Hof zurückgedrängt.

Seit zehn Minuten hat die Scene einen so ernsten, so düsteren Charakter angenommen, daß sich die Anwesenden bleich und stumm einander anschauen, und in den Augen von Claire und Canolles zu lesen suchen, wer von Beiden am meisten leide. Canolles begreift, daß alle Kraft von ihm kommen muß; er ist liebevoll gegen seine Freundin, welche bleich, die Augen geröthet, die Kniee zitternd, sich an seinen Arm hängt, ihn drückt, an sich zieht, ihm mit einer Miene erschreckender Zärtlichkeit zulächelt und irre Blicke auf allen den Menschen umherlaufen läßt, unter denen sie vergebens einen Freund sucht.

Der Kapitän, welcher seiner Seits Befehle von dem Herzog von Larochefoucault erhalten hat, spricht ebenfalls leise mit seinen Officieren. Canolles, dessen Auge sicher ist, dessen Ohr auf die geringsten Worte horcht, welche seinen Zweifel in Gewißheit verwandeln können, hört ihn, obgleich er die Vorsicht gebraucht, so leise als möglich zu reden, die Worte sprechen:

»Man müßte jedoch ein Mittel finden, die arme Frau zu entfernen.«

Er trachtet nur danach, seinen Arm von dem liebevollen Drucke zu befreien, der ihn zurückhält. Claire bemerkt seine Absicht und klammert sich mit ihrer ganzen Kraft an ihn an.

»Man muß noch mehr suchen,« ruft sie; »man hat vielleicht schlecht gesucht und wird diesen Menschen wiederfinden. Suchen wir, suchen wir Alle, er kann unmöglich entwichen sein. Warum wäre Herr von Canolles nicht mit ihm, nicht so gut wie er entwichen? Auf Herr Kapitän, ich flehe Euch an, gebt Befehle, daß man sucht.«

»Man hat gesucht, Madame,« antwortete er, »und sucht noch in diesem Augenblick. Der Kerkermeister weiß wohl, daß die Todesstrafe seiner harrt, wenn er seinen Gefangenen nicht zum Vorschein bringt; Ihr begreift also wohl, daß er ein Interesse dabei hat, die thätigsten Nachsuchungen anzustellen.«

»Mein Gott!« murmelte Claire, »und Herr Lenet kommt nicht zurück!«

»Geduld, theuere Freundin, Geduld,« sagte Canolles, mit jenem weichen Tone, in welchem man mit den Kindern spricht, »Herr Lenet ist so eben erst weggegangen und vermochte kaum die Wohnung der Frau Prinzessin zu erreichen; laßt ihm wenigstens Zeit, das Vorgefallene auseinanderzusetzen und sodann mit der Antwort zu uns zurückzukehren.«

Und während er diese Worte sprach, drückte er sanft die Hand der Vicomtesse.

Als er sodann den starren Blick und die Ungeduld des Officiers, wahrnahm, der an der Stelle von Herrn von Larochefoucault befehligte, sagte er:

»Kapitän, wollt Ihr mit mir sprechen?«

»Allerdings, mein Herr,« antwortete der Kapitän, dem die Ueberwachung der Vicomtesse höchst peinlich wurde.

»Mein Herr,« rief Frau von Cambes, »führt uns zu der Frau Prinzessin, ich bitte Euch inständig. Was thut das Euch? Es ist besser, Ihr führt und zu ihr, als daß wir hier ins Ungewißheit bleiben; sie wird ihn sehen, mein Herr, sie wird mich sehen, ich rede mit ihr, und sie wiederholt ihr Versprechen.«

»Madame,« sagte der Offizier, mit allem Eifer den von der Vicomtesse ausgesprochenen Gedanken ergreifend, »Madame, das ist eine vortreffliche Idee; geht selbst, geht, Ihr habt alle Hoffnung auf einen günstigen Erfolg.«

»Was sagt Ihr, Baron?« erwiederte die Vicomtesse, glaubt Ihr, daß es gut sein wird? Wollt Ihr mich nicht täuschen? was soll ich thun?«

»Geht, Madame,« sprach Canolles mit einer äußersten Anstrengung gegen sich selbst.

Die Vicomtesse ließ seinen Arm los, versuchte es, einige Schritte zu machen, kehrte aber dann wieder zu ihrem Geliebten zurück und rief:

»Oh! nein, nein, ich werde ihn nicht verlassen.«

Dann, als sie hörte, daß das Thor wieder geöffnet wurde:

»Gott sei gelobt, Herr Lenet und der Herr Herzog kommen zurück.«

Hinter dem Herrn Herzog, welcher mit seiner unempfindlichen Miene wieder eintrat, erschien wirklich Lenet, das Gesicht verstört und die Hände zitternd. Bei dem ersten Blick, den der arme Rath mit ihm austauschte, begriff Canolles, daß er nichts mehr zu hoffen hatte und daß er wirklich verurtheilt war.

»Nun?« fragte die junge Frau, während sie eine so, heftige Bewegung gegen Lenet machte, daß sie Canolles mit sich fortzog.

»Nun,« stammelte Lenet, »die Frau Prinzessin ist in Verlegenheit.«

»In Verlegenheit?« rief Claire, »was soll das bedeuten?«

»Das bedeutet, daß sie nach Euch verlangt,« sagte der Herzog, »daß sie Euch sprechen will.«

»Ist das wahr, Herr Lenet?« rief Claire, ohne sich darum zu bekümmern, was in dieser Frage Beleidigendes für den Herzog lag.

»Ja, Madame,« stammelte Lenet.

»Aber er?« fragte sie.

»Wer?«

»Herr von Canolles?«

»Nun, Herr von Canolles kehrt in sein Gefängniß zurück und Ihr dringt ihm die Antwort der Prinzessin,« erwiederte der Herzog.

»Werdet Ihr bei ihm bleiben, Herr Lenet?« fragte Claire.«

»Madame . . . «

»Werdet Ihr bei ihm bleiben?« wiederholte sie.

»Ich verlasse ihn nicht.«

»Ihr verlaßt ihn nicht, Ihr schwört es mir?«

»Mein Gott!« murmelte Lenet, den jungen Mann anschauend, der sein Urtheil erwartete, und die junge Frau, welche ein Wort von ihm tödten sollte; mein Gott! da eines von Beiden verurtheilt ist, so gib mir wenigstens die Kraft; das andere zu retten.«

»Ihr schwöret nicht, Herr Lenet?«

»Ich schwöre es Euch,« antwortete der Rath und legte mit der größten Anstrengung seine Hand an sein Herz, das unter dieser Marter beinahe brach.

»Ich danke, mein Herr,«t sagte ganz leise Canolles, »ich begreife.«

Dann sich gegen die Vicomtesse umwendend, sprach er:

»Geht, Madame, Ihr seht wohl, daß ich zwischen Lenet und dem Herrn Herzog keine Gefahr laufe.«

»Laßt sie nicht gehen, ohne sie zu küssen flüsterte Lenet.

Kalter Schweiß brach aus der Stirne von Canolles; er fühlte es wie einen Nebel vor seinen Augen hinziehen; er hielt Claire, welche wegzugehen im Begriffe war, zurück, stellte sich, als hätte er ihr einige Worte leise zu sagen, näherte sie seiner Brust und sprach, sich an ihr Ohr bückend:

»Bittet ohne Erniedrigung; ich will für Euch leben, aber es muß Euer Wille sein, daß ich geehrt lebe.«

»Ich werde so bitten, daß ich Dich rette;» erwiederte sie; »bist Du nicht mein Gatte vor Gott?«

Und sich zurückziehend, fand Canolles ein Mittel, ihren Hals mit seinen Lippen zu berühren, aber mit so viel Vorsicht, daß sie es nicht fühlte, und daß die arme Wahnsinnige sich entfernte, ohne ihm seinen letzten Kuß zurückzugeben. Doch in dem Augenblick, wo sie den Hof verließ wandte sie sich um; aber es hatte sich zwischen ihr und dem Gefangenen eine Hecke von Menschen gebildet.

»Freund,« sagte sie, »wo bist Du? ich kann Dich nicht mehr sehen; ein Wort, noch ein Wort, daß ich mich mit dem Tone Deiner Stimme entferne.«

»Geht, Claire,« rief Canolles, »ich erwarte Euch.«

»Geht, geht, Madame,« sprach ein mildherziger Officier, »je früher Ihr geht, desto eher könnt Ihr zurückgekehrt sein.«

»Herr Lenet, lieber Herr Lenet,« rief die Stimme von Claire in der Ferne, »ich baue auf Euch, Ihr seid mir verantwortlich!«

Und das Thor schloß sich hinter ihr.

»Gut,« murmelte der Herzog, »es macht sich nicht ohne Mühe; aber wir sind doch wenigstens in die Möglichkeit versetzt.«

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Дата выхода на Литрес:
04 декабря 2019
Объем:
670 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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