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Читать книгу: «Der Frauenkrieg», страница 37

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XIII

Es bedarf nun eines Wortes der Erläuterung, wonach wir den Faden unserer Geschichte wieder aufnehmen werden.

Ueberdies ist es Zeit zu Nanon von Lartigues zurückzukehren, welche beim Anblick des unter der Halle des Marktplatzes von Libourne verscheidenden, unglücklichen Richon einen Schrei ausgestoßen hatte und in Ohnmacht gefallen war.

Nanon war indessen, wie man bereits wahrnehmen konnte, keine Person von schwächlicher Natur; trotz der Zartheit ihres Körperbaus hatte sie lange anhaltenden Kummer ertragen, Anstrengungen erduldet, Gefahren getrotzt, und diese zugleich kräftige und liebende, mit einer ungewöhnlichen Stählung ausgerüstete Seele wußte sich nach den Umständen zu biegen und bei jeder Erholung, die ihr das Schicksal gönnte, stärker wieder aufzuspringen.

Der Herzog von Epernon, der sie kannte oder vielmehr zu kennen glaubte, durfte daher wohl staunen, als er sie beim Anblick eines physischen Schmerzes völlig niedergeschmettert sah, sie, die, als ihr Pallast in Agen von den Flammen verzehrt wurde, beinahe lebendig verbrannt wäre, ohne einen Schrei auszustoßen, aus Furcht, sie könnte dadurch ihre Feinde ergötzen, welche nach dieser Marter lechzten, die Einer von ihnen, wüthender als die Anderen, der Favoritin des verhaßten Gouverneur bereitet hatte; sie, Nanon, welche mitten in diesen Aufruhr zwei von ihren Frauen, die für sie und statt ihrer ermordet wurden, hatte sterben sehen, ohne nur im Mindesten das Gesicht zu verändern.

Die Ohnmacht von Nanon dauerte beinahe zwei Stunden und endigte mit furchtbaren Nervenanfällen, während welcher sie nicht sprechen, sondern nur unartikulierte Schreie austoßen konnte. Es sah so schlimm aus, daß die Königin selbst, nachdem sie viele Boten zu der Kranken geschickt hatte, ihr in Person einen Besuch machte, und daß Herr Mazarin, welcher kurz zuvor angekommen war, sich an ihr Bett setzte, um daran Medicin zu treiben, worin sich seine Eitelkeit stets gefallen hatte: Medicin für den bedrohten Körper, Theologie für die gefährdete Seele!

Nanon kam jedoch erst spät in der Nacht wieder zum Bewußtsein und brauchte hiernach noch einige Zeit, um ihre Gedanken zu sammeln; dann aber drehte sie ihren Kopf zwischen ihre beiden Hände und rief mit herzzerreißendem Tone:

»Ich bin verloren! sie haben ihn mir getödtet!«

Zum Glück waren diese Worte so seltsam, daß die Anwesenden dieselben auf Rechnung des Deliriums setzten.

Ihr Ausruf blieb jedoch den Zeugen desselben im Gedächtniß, und als der Herzog von Epernon am Morgen von einer Expedition zurückkehrte, die ihn seit dem vorhergehenden Tage von Libourne entfernt gehalten hatte, erfuhr zugleich den Verlauf der Krankheit und die Worte, die sie gesprochen hatte, als sie wieder zu sich gekommen war. Der Herzog kannte genau das aufbrausende Wesen dieser Feuerseele; er begriff, daß dies mehr als Delirium war, begab sich zu Nanon und sagte, den ersten Augenblick des Alleinseins benutzend, den ihr die Besuche ließen:

»Theure Freundin, es ist mir mitgetheilt worden, was Ihr Alles in Folge des Todes von Richon, den man unter Euren Fenstern zu henken so unklug war, gelitten habt . . .«

»Ja, ja,« rief Nanon, »das ist schändlich! das ist abscheulich!»

»Seid unbesorgt, nun, da ich weiß, welche Wirkung es auf Euch hervorbringt, werde ich in Zukunft die Rebellen auf dem Promenadeplatz und nicht mehr auf dem Marktplatz henken lassen. Aber von wem sprachet Ihr denn, als Ihr sagtet, man habe ihn Euch getödtet? Ich denke, das kann nicht Richon sein, denn Richon ist nie etwas für Euch gewesen, nicht einmal ein einfacher Bekannter.«

»Ah! Ihr seid es, Herr Herzog?« sagte Nanon, indem sie sich auf ihre Ellenbogen erhob und den Herzog beim Arme faßte.

»Ja, ich bin es, und es freut mich, daß Ihr mich wiedererkennt, denn das beweist, daß es besser bei Euch geht. Aber von wem sprachet Ihr denn?«

»Von ihm! Herr Herzog, von ihm!« sagte Nanon mit einem Reste von Delirium: »Ihr habt ihn getödtet! Oh! der Unglückliche!«

»Theure Freundin, Ihr erschreckt mich. Was sagt Ihr denn?«

»Ich sage, daß Ihr ihn getödtet habt. Begreift Ihr nicht, Herr Herzog?«

»Meine liebe Freundin,« erwiederte der Herzog von Epernon, der Nanon dadurch zum Sprechen zu bringen versuchte, daß er in die Gedanken einging, welche ihr vom Delirium eingegeben wurden, »wir kann ich ihn getödtet haben, da ich ihn gar nicht kenne?«

»Wißt Ihr nicht, daß er Kriegsgefangener ist, daß er Kapitän, daß er Gouverneur war, daß er dieselben Titel und denselben Grad hatte, wie der arme Richon, und daß die Bordelesen an ihm den Tod dessen rächen werden, den Ihr habt ermorden lassen: denn Ihr möget Euch immerhin den Anschein der Gerechtigkeit geben, es ist doch ein wahrer Mord.«

Durch diese Rede, durch das Feuer dieser funkelnden Blicke, durch die fieberhafte Thätigkeit dieser energischen Geberde aus der Fassung gebracht, wich der Herzog erbleichend zurück und rief:

»Oh! das ist wahr! das ist wahr; der arme Canolles, ich hatte es ganz vergessen.«

»Mein armer Bruder,« rief Nanon, glücklich, aussprechen zu können, indem sie ihrem Geliebten den Titel gab, unter welchem Herr von Epernon ihn kannte.

»Bei Gott, Ihr habt Recht, und ich bin ein Mann ohne Gehirn. Wie Teufels konnte ich unsern armen Freund vergessen! Aber noch ist keine Zeit verloren; zu dieser Stunde kann die Nachricht kaum nach Bordeaux gelangt sein; bis man sich dann versammelt, Gericht gehalten hat . . . Ueberdies werden sie zögern.«

»Hat die Königin gezögert?«

»Die Königin ist die Königin; ihr steht das Recht über Leben und Tod zu. Sie aber sind Rebellen.«

»Ach! ein Grund mehr für sie, nichts zu schonen; doch sagt, was wollt Ihr thun?«

»Ich weiß noch nicht, aber verlaßt Euch auf mich.«

»Oh!« rief Nanon, indem sie sich zu erheben suchte, »er wird nicht sterben, und wenn ich selbst nach Bordeaux gehen und mich statt seiner ausliefern müßte.«

»Seid ruhig, meine liebe Nanon, das ist meine Sache. Ich habe das Schlimme gethan, und werde es gut machen so wahr ich ein Edelmann bin. Die Königin hat noch einige Freunde in der Stadt; seid also unbesorgt.«

Der Herzog leistete dieses Versprechen aus dem Grunde seines Herzens.

Nanon las in seinen Augen den Entschluß, die Offenherzigkeit und besonders den Willen; sie wurde von einer solchen Freude erfaßt, daß sie, die Hände des Herzogs ergreifend und ihre feurigen Lippen darauf drückend, ausrief:

»Oh! Monseigneur, wie werde ich Euch lieben, wenn Euch das gelingt!«

Der Herzog fühlte sich bis zu Thränen gerührt: es war das erste Mal, daß Nanon mit einem solchen Ergusse zu ihm sprach und eine solche Verheißung von sich gab.

Er versicherte Nanon abermals, daß sie nichts zu befürchten hatte, entfernte sich sodann aus ihrem Zimmer, ließ einen von seinen Dienern kommen, dessen Geschicklichkeit und Treue ihm bekannt waren, befahl ihm, sich nach Bordeaux zu begeben, in die Stadt zu dringen, und müßte er die Wälle mit Sturmleitern ersteigen, und dem Advocaten Lavie folgende, ganz eigenhändig von ihm geschriebene, Note zu übergeben:

»Verhindern, daß Herrn von Canolles, Kapitän, Platzcommandanten im Dienste Seiner Majestät irgend etwas Mißliches widerfährt.

»Wenn dieser Officier verhaftet ist, wie man annehmen

»muß, ihn durch alle erdenkliche Mittel befreien; die

»Wächter durch alles Gold, das sie verlangen mögen,

»verführen; bis auf hunderttausend Thaler, bis auf eine

» Million gehen, wenn es sein muß, und das Wort des

»Herrn-Herzogs von Epernon für die Oberaufsicht eines

»königlichen Schlosses verpfänden.

»Scheitert die Bestechung, Gewalt versuchen; vor

»Nichts zurückweichen: der Brand, der Mord, Alles wird entschuldigt.

»Signalement:

»Wuchs hoch, Augen braun, Nase gekrümmt. Im

»Falle eines Zweifels, fragen: »» Seid Ihr der Bruder von Nanon?««

» Schnelligkeit; es ist keine Minute zu verlieren.«

Der Bote ging ab. Drei Stunden nachher war er in Bordeaux. Er trat in einen Pachthof, vertauschte, seine Kleider gegen einen leinenen Bauernkittel, und drang, einen Wagen voll Mehl führend, in die Stadt.

Lavie erhielt den Brief eine Stunde nach der Entscheidung des Kriegsrathes. Er ließ sich das Thor des befestigten Schlosses öffnen, sprach mit dem Kerkermeister, bot ihm zwanzigtausend Livres, die dieser ausschlug, dann dreißigtausend Livres, die er abermals ausschlug, und endlich vierzigtausend Livres, welche er annahm.

Man weiß, wie Cauvignac, getäuscht durch die Frage, welche nach der Meinung des Herzogs von Epernon vor jedem Mißgriff schützen solltet »Seid Ihr der Bruder von Nanon?« in der einzigen Regung des Edelmuthes, die er vielleicht sein ganzes Leben hindurch gehabt hatte: »Ja!« antwortete und, die Stelle von Canolles einnehmend, zu seinem großen Erstaunen die Freiheit erlangte.

Cauvignac wurde auf einem raschen Rosse nach dem: Dorfe Saint-Loubès fortgetragen, das den Epernonisten gehörte. Hier fand man einen Boten des Herzogs, der dem Flüchtling auf dem Leibpferde des Herzogs, einer spanischen Stute von unschätzbarem Werthe, entgegengeritten war.«

»Ist er gerettet!« rief er, sich an den Anführer der Escorte wendend, welche Cauvignac geleitete.

»Ja,« rief dieser, »wir bringen ihn.«

Mehr verlangte der Bote nicht; er wandte sein Pferd um und jagte schnell wie ein Meteor in der Richtung von Libourne fort. Anderthalb Stunden nachher stürzte das verschlagene Roß an dem Thore der Stadt nieder und wälzte seinen Reiter zu den Füßen von Herrn von Epernon, der das Worte »Ja,« erwartend vor Ungeduld zitterte. Obgleich halb gerädert, hatte der Bote doch noch die Kraft, dieses so kostspielige Worte »Ja,« auszusprechen, und der Herzog eilte, ohne eine Sekunde zu verlieren, in die Wohnung von Nanon, welche, immer noch auf dem Bette ausgestreckt, ihren starren Blick auf die von einer Schaar von Dienern besetzte Thüre heftete.

»Ja,« rief der Herzog von Epernon, »ja, er ist gerettet, theure Freundin, er folgt mir, und Ihr sollt ihn sehen.«

Nanon hüpfte gleichsam vor Freude in ihrem Bette; diese Worte nahmen von ihrer Brust die Last, die sie erstickte; sie hob ihre Hände zum Himmel empor und rief, das Antlitz in Thränen gebadet, die dieses unerwartete Glück ihren Augen entriß, welche die Verzweiflung trocken gemacht hatte, mit einem unbeschreiblichen Ausdruck:

»Oh! mein Gott, mein Gott, ich danke Dir.«

Dann ihre Augen vom Himmel zur Erde senkend, sah sie an ihrer Seite den Herzog von Epernon, der über ihr Glück so glücklich war, daß man hätte glauben sollen, er nehme nicht weniger Antheil an dem theuren Gefangenen, als sie selbst. Jetzt erst regte sich in ihrem Geiste der beunruhigende Gedanke:

»Wie wird der Herzog für seine Güte, für seine Sorge belohnt, wenn er den Fremden an der Stelle des Bruders sieht? wenn er den Betrug einer beinahe ehebrecherischen Liebe dem so reinen Gefühle brüderlicher Freundschaft unterschoben wahrnimmt?« Die Antwort von Nanon an sich selbst war kurz und energisch.

»Nun wohl, gleichviel,« dachte dieses an Verleugnung und zärtlicher Ergebenheit erhabene Herz, »ich werde ihn nicht mehr länger täuschen, ich werde ihm Alles sagen; er wird mich fortjagen, er wird mich verfluchen; dann werfe ich mich zu seinen Füßen, um ihm für das zu danken; was er seit drei Jahren für mich gethan hat.

Dann gehe ich, zwar arm, gedemüthigt, aber reich durch meine Liebe und glücklich durch das neue Leben, das unserer harrt, von hinnen . . .«

Mitten unter diesem Verleugnungstraume, in welchem der Ehrgeiz der Liebe geopfert wurde, öffnete sich die Reihe der Diener, ein Mann stürzte in das Zimmer, in welchem Nanon lag, und rief:

»Meine Schwester! meine gute Schwester!«

Nanon richtete sich in ihrem Bette auf, öffnete erschrocken die Augen, wurde weißer, als das gestickte Kissen hinter ihrem Kopfe, fiel wie vom Blitze getroffen wieder zurück und schrie:

»Cauvignac! mein Gott! Cauvignac!«

»Cauvignac!« wiederholte der Herzog und ließ einen Blick umherlaufen, der offenbar denjenigen suchte, an welchen dieser Ausruf gerichtet war. »Cauvignac,« sagte er, »wer heißt denn Cauvignac?«

Cauvignac hütete sich wohl, zu antworten; er war noch zu wenig gerettet, um sich eine Offenherzigkeit zu erlauben, welche überdies selbst unter den gewöhnlichen Lebensverhältnissen keine Eigenschaft seines Charakters war; er begriff, daß er seine Schwester verlor, wenn er antwortete, und unfehlbar sich selbst zu Grunde richtete, wenn er seine Schwester verlor; so erfindsam er war, so blieb er doch stecken, und überließ es Nanon, zu sprechen, mit dem Vorsatze, ihre Worte nöthigenfalls zu verbessern.

»Und Herr von Canolles!« rief diese, auf Cauvignac den doppelten Blitz ihrer Augen schleudernd, in einem Tone wüthenden Vorwurfs.

Der Herzog faltete die Stirne und fing an auf seinen Schnurrbart zu beißen. Die Anwesenden, Francinette, welche sehr bleich war, und Cauvignac ausgenommen, der sich alle erdenkliche Mühe gab, um nicht zu erbleichen, wußten nicht, was dieser unerwartete Zorn bedeuten sollte, und schauten sich erstaunt an.

»Arme Schwester,« flüsterte Cauvignac dem Herzog in das Ohr, »sie hat so bange für mich gehabt, daß sie deliriert und mich nicht wiedererkennt.«

»Mir hast Du zu antworten, Elender,« rief Nanon, »mir. Wo ist Herr von Canolles? Was ist aus ihm geworden? Antworte, antworte doch!«

Cauvignac faßte einen verzweifelten Entschluß; er mußte Alles gegen Alles einsetzen und sich in seiner Unverschämtheit feststellen; denn sein Heil in einem Geständnisse suchen, den Herzog von Epernon mit der doppelten Person des falschen Canolles, den er begünstigt, und des wahren Cauvignac, welcher Soldaten gegen die Königin angeworben und dieselben Soldaten an die Königin verkauft hatte, bekannt machen, hieß offenbar sich mit Richon an dem Galgen auf dem Marktplatze vereinigen wollen. Er näherte sich daher dem Herzog von Epernon und sagte, Thränen in den Augen:

»Oh! gnädiger Herr, das ist nicht mehr Delirium, das ist Wahnsinn; der Schmerz hat ihr, wie Ihr seht, den Geist so verwirrt, daß sie ihre nächsten Verwandten nicht mehr erkennt. Kann ihr Jemand die verlorene Vernunft zurückgeben, so bin ich es; laßt also, ich bitte Euch, alle diese Diener abtreten, Francinette ausgenommen, welche hier Reihen soll, um ihr Beistand zu leisten, wenn sie dessen bedarf; denn, wie ich, würdet Ihr wohl ärgerlich sein, müßtet Ihr Gleichgültige ans Kosten dieser armen Schwester lachen sehen.«

Vielleicht hätte sich der Herzog nicht so rasch in das von Cauvignac eröffnete Mittel ergeben, denn dieser fing an, so leichtgläubig Herr von Epernon auch war, demselben einiges Mißtrauen einzuflößen, wäre nicht ein Bote erschienen, um ihm im Auftrage der Königin zu melden, man erwarte ihn im Palast, wo Herr von Mazarin einen außerordentlichen Rath zusammenberufen habe.

Während der Abgesandte sich seiner Botschaft entledigte, neigte sich Cauvignac zu Nanon herab und sagte rasch zu ihr:

»Beruhigt Euch in des Himmels Namen, meine Schwester, damit wir ein paar Worte unter vier Augen austauschen können, und Alles wird wieder gut gemacht werden.«

Nanon fiel, wenn nicht beruhigt, doch Herrin ihrer selbst, auf ihr Bett zurück, denn die Hoffnung, in so kleiner Dose sie auch gegeben wird, ist ein Balsam, der die Leiden des Herzens besänftigt.

Der Herzog kehrte sich gegen Nanon um und sagte, ihr die Hand küssend:

»Auf, theure Freundin, die Krise ist hoffentlich vorüber; sammelt Eure Sinne, ich lasse Euch mit diesem Bruder, welchen Ihr so sehr liebt, denn die Königin ruft mich. Glaubt mir, daß es keines geringeren Umstandes, als eines Befehles Ihrer Majestät bedarf, wenn ich Euch in einem solchen Augenblick verlasse.«

Nanon fühlte, daß ihr das Herz beinahe brach. Sie hatte nicht die Kraft, dem Herzog zu antworten, schaute nur Cauvignac an und drückte ihm die Hand, als wollte sie sagen:

»Hast Du mich nicht getäuscht, mein Bruder, darf ich wirklich hoffen?«

Cauvignac erwiederte diesen Händedruck mit einem ähnlichen Drucke und sprach, sich an Herrn von Epernon wendend:

»Ah! Herr Herzog, die heftigste Krise ist wenigstens vorüber, und meine Schwester wird zu der Ueberzeugung gelangen, daß sie einen treuen Freund und ein Herz bei sich hat, das bereit ist, Alles zu unternehmen, um ihr die Freiheit und das Glück wiederzugeben.«

Nanon konnte nicht länger an sich halten, sie, das trockene Auge, der starke Geist, brach in ein Schluchzen aus; es hatten sie so viele Dinge niedergeschmettert, daß sie nur noch ein gewöhnliches Weib, das heißt, schwach war und das Bedürfniß der Thränen fühlte. Der Herzog entfernte sich den Kopf schüttelnd und mit dem Blicke Cauvignac Nanon empfehlend.

Kaum war er weggegangen, als Nanon ausrief:

»Oh! welche Leiden hat mir dieser Mensch bereitet; ich glaube, es hätte mich das Leben gekostet, wenn er einen Augenblick länger geblieben wäre.«

Cauvignac empfahl ihr mit einem Zeichen der Hand Stillschweigen; dann hielt er sein Ohr an die Thüre, um sich zu überzeugen, daß sich der Herzog wirklich entfernte.

»Oh! was ist mir daran gelegen!« rief Nanon, »er mag hören oder nicht hören; Ihr habt mir zwei Worte zugeflüstert, um mich zu beruhigen; sprecht, was denkt Ihr? was hofft Ihr?«

»Meine Schwester,« erwiederte Cauvignac, eine ernste Miene annehmend, welche bei ihm durchaus nicht Gewohnheit war, »ich will Euch nicht versichern, daß ich des Erfolges gewiß bin, aber ich wiederhole, was ich bereits gesagt habe, ich werde Alles in der Welt zu diesem Behufe thun.«

»Des Erfolges, wobei?« fragte Nanon; »verstehen wir uns dießmal auch richtig und findet nicht ein furchtbares Quiproquo unter uns statt?«

»Bei der Rettung des armen Canolles.«

Nanon schaute ihn mit einer furchtbaren Starrheit an und rief:

»Nicht wahr, er ist verloren?«

»Ach! wenn ich Euch meine Meinung offen sagen soll, so muß ich gestehen, daß ich seine Lage für sehr schlimm halte.«

»Wie er das sagt!« rief Nanon. »Weißt Du, Unglücklicher was dieser Mann für mich ist?«

»Ich weiß, daß es ein Mann ist, den Ihr Eurem Bruder vorzieht, da Ihr eher ihn als mich rettetet, und mich, als Ihr mich erblicktet, mit einer Verfluchung empfinget.«

Nanon machte ein Zeichen der Ungeduld.

»Ei bei Gott! Ihr habt Recht,« fuhr Cauvignac fort, »und ich spreche das nicht als einen Vorwurf, sondern eile eine einfache Bemerkung aus; denn höret, die Hand auf dem Herzen, wären wir noch Beide im Kerker des Schlosses Trompette, und ich wüßte, was ich jetzt weiß, so würde ich zu Herrn von Canolles sagen: »»Ihr seid von Nanon ihr Bruder genannt worden, Euch verlangt man und nicht mich;«« und er wäre an meiner Stelle gekommen, und ich wäre an der seinigen gestorben.«

»Er wird also sterben?« rief Nanon mit einem furchtbaren Ausbruche des Schmerzes; »er wird sterben?«

»Meine Schwester, Alles, was ich Euch sagen kann, und worauf wir das, was wir thun wollen, gründen müssen, ist: So eben hat es neun Uhr geschlagen; seit den zwei Stunden, die man mich galoppieren läßt, kann Vieles geschehen sein. Verzweifelt nicht, denn es kann auch gar nichts geschehen sein. Es kommt mir ein Gedanke.«

»Sprecht geschwinde.«

»Ich habe eine Meile von Bordeaux hundert Mann und meinen Lieutenant.«

»Einen sichern Mann?«

»Ferguzon.«

»Nun?«

»Nun, meine Schwester, was auch Herr von Bouillon thun, was Herr von Larochefoucault sagen, was die Frau Prinzessin, welche sich für einen viel größern Feldherrn hält, als ihre zwei Generale, denken mag, ich habe die Idee, daß ich mit hundert Mann, von denen ich die Hälfte opfern werde, zu Herrn von Canolles gelange.«

»Ah! Ihr täuscht Euch, mein Bruder, Ihr gelangt nicht zu ihm!«

»Mord und Tod! ich dringe zu ihm, oder ich lasse mich niederhauen.«

»Ah! Euer Tod wird mir Euren guten Willen darthun, aber ihn nicht retten. Er ist verloren! er ist verloren!«

»Und ich sage Euch, nein, und müßte ich mich statt seiner ausliefern,« rief Cauvignac, mit einem Ergusse von Quasiedelmuth, der ihn selbst in Erstaunen setzte.

»Euch ausliefern!«

»Ja, allerdings, mich; denn es hat am Ende Niemand Ursache diesen guten Herrn von Canolles zu hassen; es liebt ihn im Gegentheil Jedermann, während man mich verabscheut.«

»Euch! und warum verabscheut man Euch?«

»Das ist ganz einfach, insofern ich Euch durch die engsten Bande des Blutes anzugehören die Ehre habe. Verzeiht, meine Schwester, aber was ich Euch da sage, ist äußerst schmeichelhaft für eine gute Royalistin.«

»Wartet einen Augenblick,« sprach langsam Nanon, ihren Finger auf ihre Lippen legend.

»Ich höre.«

»Ihr sagt, ich werde von den Bordelesen verabscheut?«

»Das heißt, sie verfluchen Euch.«

»Ah! wirklich!« rief Nanon mit einem halb nachdenklichen, halb freudigen Lächeln.

»Ich glaubte nicht, Euch damit etwas zu sagen, was Euch so angenehm wäre.«

»Doch, doch,« rief Nanon; »es ist, wenn auch nicht gerade angenehm, doch mindestens sehr gescheit. Ja, Ihr habt Recht,« fuhr sie mehr mit sich selbst, als mit ihrem Bruder sprechend fort; »nicht Herrn von Canolles haßt man, Euch auch nicht. Wartet, wartet.«

Und sie stand auf, legte um ihren geschmeidigem glühenden Hals einen langen seidenen Mantel, setzte sich als einen Tisch und schrieb in aller Eile einige Zeilen, welch Cauvignac, nach der Röthe ihrer Stirne und dem Wogen ihren Busens zu urtheilen, für sehr wichtig halten mußte.

»Nehmt dies,« sagte sie, den Brief versiegelnd; »eilt allein, ohne Soldaten und ohne Escorte nach Bordeaux; es ist in meinem Stalle ein Berberroß, das den Weg in einer Stunde zurücklegt. Erreicht die Stadt so schnell, als menschliche Mittel es gestatten, übergeht diesen Brief der Frau Prinzessin, und Canolles ist gerettet.«

Cauvignac schaute seine Schwester erstaunt an; da er aber die Schärfe dieses kräftigen Geistes kannte, verlor er keine Zeit mit Erläuterung ihrer Worte: er stürzte in den Stall, sprang auf das bezeichnete Roß, und hatte nach einer halben Stunde bereite die Hälfte des Weges zurückgelegt; Nanon aber, sobald sie ihn von ihrem Fenster aus hatte abgehen sehen, kniete – sie, die Atheistin – nieder, verrichtete ein kurzes Gebet, schloß sodann ihr Gold, ihre Juwelen und Diamanten in eine Kiste, bestellte eine Carrosse und ließ sich von Francinette Kleider anziehen.

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Дата выхода на Литрес:
04 декабря 2019
Объем:
670 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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