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Читать книгу: «Der Frauenkrieg», страница 39

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XV

Sobald die Vicomtesse verschwunden und ihre Stimme in der Ferne erloschen war, sobald sich das Thor wieder hinter ihr geschlossen hatte, zog sich der Kreis der Officiere enger um Canolles zusammen, und man sah zwei Menschen mit Unglück weissagenden Gesichtern erscheinen, welche sich dem Herzog näherten und ihn demüthig um seine Befehle fragten.

Der Herzog begnügte sich, ihnen statt jeder Antwort Canolles zu bezeichnen.

Hierauf trat er auf den Gefangenen zu, grüßte ihn mit der ihm eigenthümlichen eisigen Höflichkeit und sprach:

»Ihr habt ohne Zweifel begriffen, daß der Abgang Eures Unglücksgefährten auf Euch das Schicksal zurückfallen läßt, für das er bestimmt war.«

»Ja, mein Herr,« antwortete Canolles, »ich vermuthe es wenigstens; aber dessen bin ich gewiß, daß die Frau Prinzessin meine Person namentlich begnadigt hat. Ihr konntet so eben meinen Auslaßbefehl in den Händen der Frau Vicomtesse von Cambes sehen, wie ich ihn gesehen habe.«

»Er ist wahr, mein Herr,« sprach der Herzog; »aber die Frau Prinzessin konnte das was vorgefallen ist, nicht ahnen.«

»Also nimmt die Frau Prinzessin ihre Unterschrift zurück?«

»Ja,« antwortete der Herzog.

»Eine Prinzessin von Geblüt bricht ihr Wort!«

Der Herzog blieb unempfindlich.

Canolles schaute umher und fragte dann:

»Ist der Augenblick gekommen?«

»Ja, mein Herr.«

»Ich glaubte, man würde die Rückkehr der Frau Vicomtesse von Cambes abwarten; man hat ihr versprochen, es würde nichts in ihrer Abwesenheit vorgehen. Bricht denn heute Jedermann sein Wort!«

Und der Gefangene heftete einen vorwurfsvollen Blick, nicht auf den Herzog von Larochefoucault, sondern auf Lenet.

»Ach! Herr,« rief dieser, Thränen in den Augen, »vergebt uns. Die Frau Prinzessin hat Eure Begnadigung auf das Entschiedenste verweigert; daß ich sie darum angefleht habe, ist der Herr Herzog Zeuge und Gott auch. Aber es sollten Repressalien für den Tod des armen Richon genommen werden, und sie war von Stein. Urtheilt nun selbst, Herr Baron: statt die furchtbare Lage, in der Ihr Euch befindet, zur Hälfte auf Euch, zur Hälfte auf der Vicomtesse lasten zu lassen, wagte ich, verzeiht mir, denn ich fühle, ich bedarf Eurer Verzeihung, wagte ich es, sie auf Euch allein lasten zu lassen, auf Euch, der Ihr Soldat, auf Euch, der Ihr Edelmann seid.«

»Ich werde sie also nicht mehr sehen!« stammelte Canolles, den die Erschütterung beinahe erstickte. »Als Ihr mich sie zu küssen auffordertet, war es zum letzten Male?«

Ein Schluchzen, stärker als der Stoicismus, als die Vernunft, als der Stolz, brach die Brust von Lenet; er zog sich zurück und weinte bitterlich. Canolles ließ nun seinen durchdringenden Blick auf allen den Menschen umhergehen, die ihn umgaben; er sah nur durch den grausamen Tod von Richon verhärtete Leute, welche seine Haltung beobachteten.

»Oh! es ist ein furchtbarer Gedanke,« murmelte der junge Mann in einem Momente übermenschlicher Hellsichtigkeit, welche der Seele unermeßliche Horizonte auf Alles eröffnet, was man das Leben nennt, das heißt auf einige kurze Augenblicke, welche wie Inseln mitten in einen Ocean von Thränen und Leiden geworfen sind . . . »es ist gräßlich. Ich hatte da eine angebetete Frau, welche mir zum ersten Male sagte, sie liebe mich! eine lange und schöne Zukunft, die Erfüllung eines Traumes meinen ganzen Lebens! und in einer Sekunde nimmt der Tod die Stelle von allem Dem ein!«

Sein Herz schnürte sich zusammen, und er fühlte ein Prickeln in seinen Augen, als ob er weinen sollte; doch er erinnerte sich, daß er, wie Lenet gesagt hatte, Soldat und Mann war!

»Stolz,« dachte er, »einziger Muth, welcher wirklich besteht, komm’ mir zu Hilfe! Ich soll ein so erbärmliches Ding wie das Leben beweinen! Wie man lachen würde, wenn man sagen könnte: »»Als Canolles erfuhr, daß er sterben sollte, weinte er.«« Wie machte ich es an dem Tage, als man Saint-George belagerte und die Bordelesen mich wie heute tödten wollten? Ich kämpfte, ich scherzte, ich lachte . . . Wohl, beim Himmel der mich hört und vielleicht Unrecht gegen mich hat, und beim Teufel, der in diesem Augenblick mit meinem guten Engel kämpft, ich werde es heute machen, wie ich es an jenem Tage gemacht habe, und wenn ich nicht mehr kämpfe, so werde ich wenigstens noch scherzen, so werde ich wenigstens immer lachen.«

Sogleich wurde sein Gesicht ruhig, als ob jede Erschütterung aus seinem Herzen entflohen wäre; er fuhr mit der Hand durch seine schonen schwarzen Haare« näherte sich mit festen Schritten und ein Lächeln auf den Lippen Herrn von Larochefoucault und Lenet, und sprach:

»Meine Herren, in dieser Welt voll verschiedenartiger, seltsamer, unerwarteter Vorfälle muß man sich an Alles gewöhnen; ich habe, und es war Unrecht von mir, daß ich Euch nicht um Erlaubniß hierzu bat, ich habe mir eine Minute genommen, um mich an den Tod zu gewöhnen; ist dies zu viel, so genehmigt meine Entschuldigung, daß ich Euch warten ließ.«

Ein tiefes Erstaunen durchlief die Gruppen; der Gefangene selbst fühlte daß man vom Erstaunen zur Bewunderung überging, und dieses so stolze Gefühl erhob ihn und verdoppelte seine Kräfte.

»Wenn Ihr wollt, meine Herren,« sagte er, »so erwarte ich Euch.«

Eine Minute lang von Bewunderung ergriffen, nahm der Herzog sein Phlegma wieder an und machte ein Zeichen.

Auf dieses Zeichen öffneten sich die Thore abermals und der Zug wollte sich in Marsch setzen.

»Einen Augenblick,« rief Lenet, »um Zeit zu gewinnen, »einen Augenblick, Herr Herzog!«

»Nicht wahr, wir führen Herr von Canolles zum Tode?«

Der Herzog machte eine Geberde des Erstaunens und Canolles schaute Lenet verwundert an.

»Ja,« sprach der Herzog.

»Nun wohl,« versetzte Lenet, »wenn dem so ist, so kann dieser würdige Edelmann eines Beichtigers nicht entbehren.«

»Verzeiht, verzeiht, mein Herr,« entgegnete Canolles, »ich kann seiner wohl entbehren und zwar vollkommen.«

»Wie so?« fragte Lenet, indem er dem Gefangenen Zeichen machte, die dieser nicht verstehen wollte.

»Weil ich Hugenott bin,« erwiederte Canolles, »und zwar ein starker Hugenott, das sage ich Euch. Wenn Ihr mir ein letztes Vergnügen bereiten wollt, so laßt mich sterben, wie ich bin.«

Und während er sich weigerte, bewies Lenet eine Geberde der Dankbarkeit, daß der junge Mann seine Absicht sehr gut verstanden hatte.

»Nun vorwärts, wenn uns nichts Anderen mehr zurückhält,« sprach der Herzog.

»Er soll beichten! er soll beichten!« schrien einige Wüthende.

Canolles erhob sich auf den Fußspitzen, schaute mit ruhigem, sicherem Auge umher, und sagte in strengen Tone zu dem Herzog:

»Wollen wir Feigheiten begehen? Es scheint mir, wenn irgend Jemand hier das Recht hat, seinen Willen zu thun, so bin ich dies, ich der Held des Festes; ich schlage also einen Beichtiger aus, aber ich verlange das Schaffot, und zwar so bald als möglich; ich bin meiner Seits des Wartens müde.«

»Stille dort!« rief der Herzog, sich nach den Gruppen umwendend. Dann, als die Macht seiner Stimme und seinen Blickes das Stillschweigen wirklich wiederhergestellt hatte, sagte er zu Canolles:

»Mein Herr, Ihr werdet thun, wie Euch beliebt.«

»Ich danke, gnädigster Herr. Und nun wollen wir aufbrechen und unsere Schritte beschleunigen, wenn es Euch gefällig ist? . . .«

Lenet nahm Canolles beim Arm und sagte zu ihm:

»Geht im Gegentheil langsam. Wer weiß? Ein Aufschub, eine Ueberlegung, ein Ereigniß liegen im Bereiche der Möglichkeit. Geht langsam, ich beschwöre Euch im Namen derjenigen, welche Euch liebt, welche so sehr weinen wird, wenn Ihr zu schnell geht. . . «

»Oh! sprecht mir nicht von ihr, ich bitte Euch,« erwiederte Canolles; »mein ganzer Muth scheitert an dem Gedanken, daß ich für immer von ihr getrennt werden soll; aber was sage ich? . . . »im Gegentheil, Herr Lenet, sprecht mir von ihr, wiederholt mir, daß sie mich liebt, daß sie mich stets lieben wird, und besondere, daß sie mich beweinen wird.«

»Auf! theures, unglückliches Kind, erweicht Euch nicht, bedenkt, daß man uns beobachtet, und daß man nicht weiß, wovon wir sprechen.«

Canolles hob stolz das Haupt empor und seine schönen Haare rollten durch eine Bewegung voll Anmuth in schwarzen Locken über seinen Hals herab. Man war in die Straße gelangte zahlreiche Fackeln erhellten seinen Zug; so daß man sein Gesicht ruhig und lächelnd sehen konnte.

Er hörte einige Frauen weinen und andere sagen:

»Armer Baron, so jung und so schön!«

Man setzte stillschweigend den Marsch fort, dann sprach er plötzlich:

»Oh! Herr Lenet, ich möchte sie doch noch ein Mal sehen!«

»Soll ich sie holen? soll ich sie Euch bringen?« fragte Lenet, der keinen Willen mehr hatte.

»Oh! Ja,« murmelte Canolles.

»Wohl, ich laufe, aber Ihr werdet sie tödten.«

»Desto bessert!« gab die Selbstsucht dem Herzen des jungen Mannen ein, »wenn Du sie tödtest, so wird sie nie ein Anderer besitzen.«

Doch rasch diese letzte Schwäche überwindend hielt er Lenet am Arme zurück und sagte zu ihm:

»Nein, nein; Ihr habt ihr versprochen, bei mir zu bleiben; bleibt.«

»Was sagt er?« fragte der Herzog den Kapitän der Garden.

Canolles hörte die Frage und erwiederte:

»Herr Herzog, ich sage, ich hätte nicht geglaubt, daß es von dem Gefängniß bis zu der Esplanade so weit wäre.«

»Ach!« sprach Lenet, »beklagt Euch nicht, armer junger Mann, denn wir sind an Ort und Stelle.«

Die Fackeln, welche die Vorhut beleuchteten, die der Escorte voranging, verschwanden wirklich in diesem Augenblick an der Wendung der Straße.

Lenet drückte dem jungen Manne die Hand und ging, da er, ehe man auf den Richtplatz käme, einen letzten Versuch wagen wollte, auf den Herzog zu und sagte zu ihm:

»Herr Herzog, noch einmal flehe ich Euch um Gnade an; Ihr bereitet unserer Sache ein sicheres Verderben, »wenn Ihr Herrn von Canolles hinrichten laßt.«

»Im Gegentheil,« erwiederte der Herzog, »wir beweisen, daß wir sie als gerecht erachten, da wir uns nicht fürchten, Repressalien zu gebrauchen.«

»Die Repressalien sind unter Gleichgestellten üblich, Herr Herzog! Ihr möget aber sagen, was Ihr wollt, die Königin wird stets die Königin sein, und wir sind ihre Unterthanen.«

»Streiten wir nicht über solche Dinge in Gegenwart von Herrn von Canolles,« antwortete mit lauter Stimme der Herzog, »Ihr seht wohl, daß dies unschicklich ist.«

»Sprecht nicht von Gnade in Gegenwart des Herrn Herzogs,« sagte Canolles, »Ihr seht wohl, daß er Staatsstreich auszuführen im Begriffe ist; stören wir ihn nicht wegen solcher Kleinigkeiten . . .«

Der Herzog erwiederte nichts, aber an seinen zusammengepreßten Lippen, an seinem ironischen Blicke sah man, daß der Pfeil getroffen hatte. Mittlerweile wurde der Marsch fortgesetzt, und Canolles befand sich nun ebenfalls am Eingange der Esplanade; in der Ferne, das heißt am andern Ende des Platzes, sah man die gedrängte Menge und den weiten Kreis, welchen die glänzenden Musketenläufe bildeten; in der Mitte erhob sich etwas Schwarzes, Ungestaltes, was Canolles in der Finsterniß zu erkennen nicht bemüht war, denn er glaubte, es wäre ein gewöhnliches Schaffot; aber zum Mittelpunkte den Platzen gelangend, beleuchteten die Fackeln plötzlich diesen Anfangs unkenntlichen schwarzen Gegenstand und hoben die furchtbare Silhouette einen Galgens hervor.

»Ein Galgen!« rief Canolles stille stehend und die Hand nach der Maschine ausstreckend. »Ist es nicht ein Galgen, was ich dort sehe, Herr Herzog?«

»In der That, Ihr täuscht Euch nicht,« antwortete dieser mit kaltem Tone.

Die Röthe der Entrüstung färbte die Stirne den jungen Mannes, er schob die zwei Soldaten, welche an seinen Seiten gingen, zurück, befand sich mit einem Sprunge vor Herrn von Larochefoucault und rief:

»Mein Herr, vergeßt Ihr, daß ich Edelmann bin? Alle Welt weiß und dem Henker selbst ist es nicht unbekannt, daß ein Edelmann darauf Anspruch zu machen hat, daß man ihm den Kopf abhaut.«

»Mein Herr, es gibt Umstände . . .«

»Mein Herr, nicht in meinem Namen spreche ich zu Euch, sondern im Namen des ganzen Adels, bei welchem Ihr einen so hohen Rang einnehmt, Ihr, der Ihr Prinz, Ihr Herzog seid; es wäre eine Schmach, nicht für mich, der ich unschuldig bin, sondern für Euch Alle, so viel Ihr Eurer seid, wenn Einer der Eurigen am Galgen sterben müßte.«

»Mein Herr, der König hat Richon hängen lassen!«

»Richon war ein braver Soldat, so edel dem Herzen nach, als irgend ein Mensch auf dieser Welt; aber er war nicht adelig seiner Geburt nach; ich bin dies. . .«

»Ihr vergeßt, daß es sich hier um Repressalien handelt,« sagte der Herzog: »man würde Euch hängen, selbst wenn Ihr ein Prinz von Geblüt wäret.«

Mit einer unüberlegten Bewegung suchte Canolles seinen Degen an seiner Seite, als er ihn aber nicht fand, gewann das Gefühl seiner Lage wieder seine ganze Kraft, sein Zorn verschwand, und er begriff, daß sein Uebergewicht gerade in seiner Schwäche lag.«

»Herr Philosoph,« sagte er, »wehe denen, welche Repressalien gebrauchen, und zweimal wehe denen, welche, wenn sie dieselben gebrauchen, der Menschlichkeit kein Gehör schenken! Ich verlangte nicht Gnade, ich verlangte Gerechtigkeit. Es gibt Menschen, welche mich lieben, mein Herr, ich lege auf diesen Wort einen besonderen Nachdruck, weil es Euch, wie ich wohl weiß, nicht bekannt ist, daß man lieben kann. In das Herz dieser Menschen werdet Ihr für immer mit der Erinnerung an meinen Tod, das gemeine Bild des Galgens einprägen. Ich bitte Euch, einen Schwertstreich, eine Musketenkugel; gebt mir Euren Dolch, daß ich ihn mir selbst in die Brust stoße, und dann henkt meinen Leichnam, wenn es Euch Vergnügen macht.«

»Richon ist lebendig gehenkt worden,« erwiederte kalt der Herzog.

»Es ist gut. Doch höret mich: eines Tags wird Euch ein furchtbares Unglück treffen; eines Tags werdet Ihr Euch erinnern, daß diesen Unglück der Himmel als Strafe über Euch verhängt; ich meines Theils sterbe mit der Ueberzeugung daß mein Tod Euer Werk ist.«

Und ganz bebend, ganz bleich, aber voll Muth und Begeisterung, näherte sich Canolles dem Galgen und setzte stolz und verächtlich vor dem Volke den Fuß auf die erste Sprosse der Leiter.

»Meine Herren Henker,« sprach er, »thut nun, was Eures Amtes ist.«

»Es ist nur Einer,« rief die erstaunte Menge; »der Andere! Wo ist der Andere? man hat uns zwei versprochen.«

»Ah! das tröstet mich,« sagte Canolles lächelnd, »dieser vortreffliche Pöbel ist nicht einmal mit dem, was Ihr für ihn thut, zufrieden: hört Ihr es, Herr Herzog?«

»Tod! Tod! Rache für Richon!« brüllten zehntausend Stimmen.«

»Wenn ich sie aufhetzte,« dachte Canolles, »sie sind im Stande, mich in Stücke zu zerreißen, dann würde ich nicht gehenkt, und der Herzog wäre wüthend. Ihr seid, Feige,« rief er, »ich erkenne unter Euch Menschen, welche Bei dem Angriffe auf das Fort Saint-George waren, und die ich habe fliehen sehen. Ihr rächt Euch heute an mir dafür, daß ich Euch geschlagen habe.«

Ein Gebrülle antwortete ihm.

»Ihr seid Feiglinge!« fuhr er fort, »Rebellen, Elende!«

Tausend Messer funkelten und es fielen Steine der dem Galgen nieder.

»Vortrefflich,« murmelte Canolles; dann mit lauter Stimme: Der König hat Richon hängenlassen, und daran hat er wohl gethan; wenn er Bordeaux nimmt, wird er noch viele Andere hängen lassen.«

Bei diesen Worten stürzte die Menge wie ein Strom gegen die Esplanade, warf die Wachen nieder, zertrümmerte die Palissaden und drang brüllend gegen den Gefangenen vor.

Indessen hatte einer von den Henkern, auf ein Zeichen des Herzogs, Canolles unter den Armen emporgehoben, während ihm der Andere eine Schlinge um den Hals zog.

Canolles fühlte den Druck des Strickes und verdoppelte seine Schmähungen; wollte er zu rechter Zeit getödtet werden, so hatte er keine Minute zu verlieren. In diesem äußersten Momente schaute er umher, aber überall sah er nur flammende Augen und drohende Waffen.

Ein Mensch allein, ein Soldat zu Pferde, zeigte ihm seine Muskete.

»Cauvignac! es ist Cauvignac!« rief Canolles sich mit seinen beiden Händen, die man nicht gebunden hatte, an die Leiter anklammerd.

Cauvignac machte demjenigen welchen er nicht hatte retten können, mit seinem Gewehre ein Zeichen und schlug auf ihn an.

Canolles verstand ihn und rief, mit einer Bewegung des Kopfes:

»Ja, ja.«

Nun haben wir zu erzählen, wie Cauvignac hierher kam.

XVI

Wir haben Cauvignac von Libourne abgeben sehen und wissen, in welcher Absicht er abging.

Als er zu seinen von Ferguzon befehligten Soldaten gelangte, hielt er einen Augenblick an, nicht um Athem zu schöpfen, sondern um den Plan auszuführen, den ein so rascher Ritt seinem erfindungsreichen Geiste zu bilden gestattet hatte.

Zuerst hatte er sich gesagt, und zwar mit sehr viel Vernunft, wenn er nach dem, was vorgefallen war, vor der Frau Prinzessin zu erscheinen wagte, so wurde die Frau Prinzessin, welche Canolles, gegen den sie nichts hatte, hängen ließ, nicht verfehlen, auch ihn hängen zu lassen, dem sie wohl etwas vorwerfen könnte, und seine Sendung, in der Beziehung erfüllt, daß Canolles vielleicht gerettet wäre, würde dadurch mißglücken, daß man ihn henkte. . . Er beeilte sich daher, mit einem von seinen Soldaten die Kleider zu wechseln, ließ Barrabas, welcher der Frau Prinzessin weniger bekannt war, als er sein schönstes Gewand anziehen, nahm ihn mit sich und sagte auf der Straße nach Bordeaux fort. Eines beunruhigte ihn jedoch: der Inhalt den Briefes, welchen er bei sich trug,, und den seine Schwester mit so großem Vertrauen geschrieben hatte, daß man ihn ihrer Meinung nach nur der Prinzessin zu übergeben brauchte, damit Canolles gerettet wäre; diese Unruhe nahm dergestalt zu, daß er ganz einfach den Brief zu lesen beschloß, wobei er sich selbst die Bemerkung machte, ein guter Unterhändler könne in seiner Negociaton nicht siegen; wenn er nicht ganz mit der Angelegenheit, mit der man ihn beauftragt, bekannt wäre, . . . und dann sündigte Cauvignac allerdings nicht aus einem übertriebenen Zutrauen zu seiner Verwandtin, und Nanon, obgleich sie seine Schwester war und gerade weil sie seine Schwester war, konnte wohl gegen ihren Bruder, einmal wegen des Abenteuers in Jaulnay, und dann wegen seiner unerwarteten Entweichung aus dem Schlosse Trompette einen Groll hegen und, die Rolle den Zufalls spielend, Alles wieder an seine Stelle bringen, was nur eine einfache Familien-Ueberlieferung gewesen wäre.

Cauvignac öffnete leicht den Brief, der mit einem Wachssiegel verschlossen war, und wurde von einem seltsamen, schmerzlichen Eindrucke ergriffen, als er denselben las:

Nanon schrieb Folgendes:

»Frau Prinzessin, es bedarf eines Sühneopfers für den unglücklichen Richon; nehmt keinen Unschuldigen, nehmt die wahre Schuldige; Herr von Canolles soll nicht sterben, denn Herrn von Canolles tödten, hieße einen Mord durch einen andern Mord rächen. Zu dem Augenblick, wo Ihr diesen Brief leset, habe ich nur noch eine Meile zurückzulegen, um mit Allem, was ich besitze, nach Bordeaux zu gelangen; Ihr liefert mich dem Volke aus, daß mich haßt, denn es wollte mich bereite zweimal erwürgen, und behaltet meine Reichthümer, welche sich auf zwei Millionen belaufen. Oh! Madame, auf den Knieen flehe ich Euch um diese Gnade an; ich trage zum Theil die Schuld an diesem Kriege; bin ich todt, so ist der Friede in der Provinz hergestellt, und Eure Hoheit triumphiert. Madame, eine Viertelstunde Frist Ihr laßt Canolles nicht eher frei, als bis Ihr mich in Händen habt; »aber dann, bei Eurer Seele, nicht wahr, dann laßt Ihr ihn frei? «

»Und ich bin Eure ehrerbietige und dankbare,

Nanon von Lartigues.«

Cauvignac war, nachdem er diese Zeilen gelesen hatte, ganz erstaunt, als er sein Herz übervoll und seine Augen feucht fühlte.

Er blieb einen Augenblick unbeweglich und stumm, als könnte er nicht an diese Worte glauben.

Plötzlich aber rief er:

»Es ist also wahr, es gibt auf dieser Welt edle Herzen, nur aus Vergnügen, so zu sein! Mord und Tod! man wird sehen, daß ich so gut wie jeder Andere im Stande bin, Edelmuth zu üben, wenn es sein muß.« Und da er sich am Thore der Stadt befand, übergab er seinen Brief Barrabas mit der einfachen Instruktion:

»Auf Alles, was man Dir sagen wird, antworte nur: »»Befehl des Königs!«« und händige diesen Brief keiner andern Person als Frau von Condé selbst ein.«

Während Barrabas nach dem von der Frau Prinzessin bewohnten Pallaste eilte, schlug Cauvignac den Weg nach dem Schlosse Trompette ein.

Barrabas stieß auf kein Hinderniß; die Straßen waren verlassen, die Stadt schien leer, die ganze Bevölkerung war nach der Esplanade gezogen. An dem Thore des Pallastes wollten ihm die Wachen den Eingang verwehren; aber gemäß der Vorschrift von Cauvignac schwang er seinen Brief in der Luft und rief:

»Auf Befehl den Königs . . . auf Befehl des Königs!«

Die Wachen hielten ihn für einen Boten vom Hofe und hoben ihre Hellebarden auf.

Barrabas drang also in den Pallast, wie er in die Stadt gedrungen war.

Es war aber, wie man sich vielleicht erinnern wird, nicht das erste Mal, daß der würdige Lieutenant von Meister Cauvignac die Ehre hatte, vor Frau von Condé zu erscheinen. Er sprang also vom Pferde, und da er seinen Weg kannte, so lief er rasch nach der Treppe und drang mitten durch die geschäftigen Bedienten in die fürstlichen Gemächer; hier blieb er stille stehen, denn er befand sich einer Dame gegenüber, in welcher er die Frau Prinzessin erkannte, zu deren Füßen eine andere Frau lag.

»Oh! Gnade, Hoheit, Gnade im Namen den Himmels!« rief diese.

»Claire,« erwiederte die Prinzessin, »laß mich, sei vernünftig, bedenke, daß wir unserer Eigenschaft als Frauen entsagt haben, wie wir unsern Kleidern entsagten: wir sind die Statthalter des Herrn Prinzen, und die Staatsraison befiehlt.«

»Oh! Madame, es gibt keine Staatsraison mehr für mich,« rief Claire, »es gibt keine politische Partei, keine Meinung mehr für mich, er nur allein ist für mich in dieser Welt vorhanden, die er verlassen soll, und wenn er sie verlassen hat, gibt es für mich nur noch den Tod.«

»Claire, mein Kind, ich habe Dir bereits gesagt, es wäre unmöglich,« versetzte die Prinzessin; »sie haben uns Richon getödtet, wenn wir ihnen nicht Gleichen mit Gleichem vergelten, sind wir entehrt.«

»Oh, Madame, man hat sich nie dadurch entehrt, daß man Gnade übte; man hat sich nie dadurch entehrt, daß man von einem dem Könige des Himmels und den Königen der Erde vorbehaltenen Vorrechte Gebrauch machte; ein Wort, Madame, ein einziges Wort, der Unglückliche erwartet es.«

»Claire, Da bist toll, ich sage Dir, es ist unmöglich.«

»Aber ich habe ihm gesagt,– er sei gerettet; ich habe ihm seine, eigenhändig von Euch unterzeichnete, Begnadigung gezeigt; ich habe ihm gesagt, ich würde mit der Bestätigung des Gnadenbriefes zurückkehren!«

»Ich ertheilte dieses unter der Bedingung, daß der Andere für ihn bezahlen würde; warum hat man den Andern entkommen lassen?«

»Er ist nicht an dieser Entweichung Schuld, das schwöre ich Euch; überdies ist der Andere vielleicht nicht gerettet; man wird ihn am Ende wiederfinden.«

»Oh! ja, nimm Dich wohl in Acht,« sagte Barrabas, der gerade in diesem Augenblick eintrat.

»Madame, sie werden ihn fortführen; Hoheit, die Zeit läuft ab; sie werden des Wartens müde werden!«

»Du hast Recht, Claire,« sprach die Prinzessin; »denn ich habe befohlen, daß um elf Uhr Alles vorüber sein soll, es schlägt gerade elf Uhr, und Alles muß beendigt sein.«

Die Vicomtesse stieß einen Schrei aus und erhob sich; als sie sich umwandte, stand sie Barrabas gegenüber.

»Wer seid Ihr? was wollt Ihr?« rief sie; »kommt Ihr schon, um seinen Tod zu verkündigen?«

»Nein, Madame,« antwortete Barrabas mit seiner freundlichsten Miene, »ich komme im Gegentheil, am ihn zu retten.«

»Wie dies?« rief die Vicomtesse; » sprecht geschwinde.«

»Indem ich diesen Brief der Frau Prinzessin übergebe.«

Frau den Cambes streckte den Arm aus, entriß den Brief den Händen des Boten, überreichte ihn der Prinzessin und rief:

»Ich weiß nicht, was dieser Brief enthält, aber im Namen des Himmels, leset.«

Die Prinzessin öffnete den Brief und las ganz laut, während Frau von Cambes, bei jeder Zeile erbleichend, die Worte verschlang, wie sie von den Lippen der Prinzessin fielen.«

»Von Nanon!« rief die Prinzessin, nachdem sie gelesen hatte. »Nanon ist hier! Nanon liefert sich aus. Wo ist Lenet? wo ist der Herzog? Ist Niemand da?«

»Ich bin da, bereit zu laufen, wohin Eure Hoheit will.«

»Lauft auf die Esplanade, lauft nach dem Richtplatz, sagt man solle die Vollziehung des Urtheils verschieben; doch nein, man würde Euch keinen Glauben schenken.«

Und die Prinzessin sprang nach einer Feder und schrieb unten an das Billet: »Verschiebt,« und übergab den Brief offen Barrabas, der aus dem Zimmer eilte.

»Oh!« murmelte die Vicomtesse, »sie liebt ihn mehr als ich; und ich Unglückliche! ihr wird er das Leben zu verdanken haben.«

Und dieser Gedanke wirft sie wie vom Blitze getroffen auf einen Stuhl nieder, sie, die aufrecht flehend alle Schläge diesen furchtbaren Tages ertragen hatte.

Barrabas verlor indessen keine Sekunde; er eilte die Treppe hinab, als ob er Flügel hätte, sprang wieder auf sein Pferd und ritt im Galopp nach der Esplanade fort.

In derselben Zeit, in der er sich nach dem Pallaste begab, war Cauvignac geraden Wegs nach dem Schlosse Trompette geritten. Beschützt durch die Nacht, unkenntlich gemacht durch den breitkrempigen, über die Augen herabgeschlagenen Hut, fragte er hier und erfuhr seine Entweichung in allen Einzelheiten, und wie Canolles für ihn bezahlen sollte. Da jagte er instinktartig und ohne zu wissen, was er dort thun wollte, sein Pferd mit aller Wuth spornend, die Menge durchschneidend, Alles niederwerfend, was sich ihm in den Weg stellte, nach der Esplanade; hier angelangt, erblickt er den Galgen und stößt einen Schrei aus, der sich unter dem Gebrülle des Volkes verliert, welchen Canolles herausfordert und aufstachelt, um sich von ihm zerreißen zu lassen.

In diesem Augenblick gewahrt ihn Canolles; er erräth seine Absicht und bedeutet ihm mit einem Zeichen den Kopfes, er sei willkommen.

Cauvignac erhebt sich auf den Steigbügeln, schaut umher, ob er nicht Barrabas oder einen Boten der Prinzessin kommen sehe, horcht, ob er nicht das Wort »Gnade!« erschallen höre, aber er sieht nichts, er hört nichts, als Canolles, den der Henker von der Leiter loszumachen und in die Luft zu schleudern im Begriffe ist, während er mit einer Hand auf sein Herz deutet.

Da senkt Cauvignac seine Muskete in der Richtung des jungen Mannen schlägt an, zielt und gibt Feuer.

»Ich danke,« sprach Canolles die Arme öffnend; »ich sterbe wenigstens den Tod eines Soldaten.«

Die Kugel hatte ihm die Brust durchbohrt.

Der Henker stieß den Körper ab, und dieser blieb am, Ende des entehrenden Stranges hängen, . . . aber es war nur noch eine Leiche.

Der Knall wirkte wie ein Signal, tausend andere Musketenschüsse donnern gleichzeitig. Eine Stimme ruft:

»Haltet ein! haltet ein! schneidet den Strick ab.«

Aber diese Stimme verliert sich im Gebrülle der Menge; überdies wird der Strick von einer Kugel abgeschnitten; vergebens leistet die Wache Widerstand, sie wird von den Volkswogen zurückgeworfen; der Galgen wird zertrümmert, niedergerissen, vernichtet; die Henker fliehen, die Menge breitet sich wie ein Schatten aus, bemächtigt sich des Leichnams, zerfleischt ihn und schleppt ihn ihn in Fetzen durch die Stadt.

Dumm in ihrem Hasse, glaubte die Menge die Strafe des Edelmanns zu schärfen, während sie ihm im Gegentheil die Ehrlosigkeit ersparte, die er so sehr fürchtete.

Während dieser Volksbewegung erreichte Barrabas den Herzog, und obgleich er selbst einsah, daß er zu spät kam, übergab er ihm doch seine Depeche.

Der Herzog zog sich mitten unter den Flintenschüssen nur etwas beiseit, denn er war kalt und ruhig in seinem Muthe, wie in Allem, was er that; dann entsiegelte er den Brief und las seinen Inhalt.

»Das ist Schade,« sprach er, sich gegen seine Officiere umwendend, »was diese Nanon vorschlug, wäre vielleicht mehr werth gewesen, aber was geschehen ist, ist geschehen.«

Nach kurzer Ueberlegung fügte er bei.

»Doch, wenn ich bedenke . . . da sie unsere Antwort jenseits des Flusses erwartet, so könnte man diese Angelegenheit vielleicht dort wieder anknüpfen.«

Und ohne sich weiter um den Boten zu bekümmern, gab er seinem Pferde die Sporen und kehrte mit seiner Escorte zu der Prinzessin zurück.

In demselben Augenblick brach der seit einiger Zeit dräuende Sturm über Bordeaux los, und von Blitzen begleitet fiel ein gewaltiger Regen auf den Platz der Esplanade, als wollte er das unschuldige Blut abwaschen.

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Дата выхода на Литрес:
04 декабря 2019
Объем:
670 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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