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Erfolgsgeschichte

Während Stournaras sich im heißen Sommer des Jahres 2012 im Finanzministerium einrichtete, versuchten die EU und der IWF, selbst ein schwieriges Problem zu lösen. Die Auszahlung der Kredite im Rahmen des zweiten Rettungspakets hatte sich wegen der beiden Wahlen in Griechenland verzögert und konnte nicht vor Herbst beginnen. Leider musste Athen bis zum 20. August knapp 3,5 Milliarden Euro an die EZB überweisen, eine von vielen Schuldentilgungen, die es nicht leisten konnte. Wie sollte das gehen, wenn die Tresore leer waren?

Wenn die Troika etwas will, findet sie auch einen Weg. Und das war der Trick, mit dem sie die notwendige Illusion erzeugte; ich schildere ihn in Zeitlupe, damit die Leser die magischen Schritte gut nachvollziehen können:

• Die EZB gewährte Griechenlands bankrotten Banken das Recht, neue Schuldverschreibungen mit einem Nominalwert von 5,2 Milliarden Euro auszugeben – wertloses Papier, da die Tresore der Banken leer waren.

• Weil kein vernünftiger Mensch diese Schuldverschreibungen kaufen würde, trugen die Banker sie zu Finanzminister Stournaras, der das Kupfersiegel des bankrotten Staates als Garantie daraufdrückte – tatsächlich eine nutzlose Geste, da ein bankrottes Gebilde (der Staat) nicht ernsthaft für die Schuldverschreibung eines anderen bankrotten Gebildes (die Banken) geradestehen kann.

• Die Banker trugen ihre wertlosen Schuldverschreibungen danach zur Zentralbank von Griechenland, die natürlich ein Ableger der EZB ist, und hinterlegten sie als Sicherheit für neue Kredite.

• Die Eurogruppe gab daraufhin der EZB grünes Licht, der griechischen Zentralbank zu erlauben, dass sie die Schuldverschreibungen als Sicherheiten akzeptierte und im Gegenzug den Banken echtes Geld aushändigte, in Höhe von 70 Prozent des Nominalwerts der Schuldverschreibungen (das heißt etwas mehr als 3,5 Milliarden Euro).

• Unterdessen gaben die EZB und die Eurogruppe Stournaras’ Finanzministerium grünes Licht für die Ausgabe neuer Staatsanleihen mit einem Nominalwert von 3,5 Milliarden Euro – das heißt für Schuldverschreibungen des Staates, die in Anbetracht der leeren Staatskassen natürlich kein Investor, der bei Sinnen war, anfassen würde.

• Die Banker gaben die 3,5 Milliarden, die sie von der griechischen Zentralbank erhalten hatten – de facto von der EZB selbst –, wieder aus, als sie ihre eigenen wertlosen Schuldverschreibungen verpfändeten, um die ebenfalls wertlosen Schuldverschreibungen des Staates zu kaufen.

• Und zuletzt nahm der griechische Staat diese 3,5 Milliarden und bezahlte damit … die EZB!

Solche einfallsreichen Volten trieben die Logik von Art und Conn zu neuen Höhenflügen. Dahinter verblassen die Gaunereien, die Bankern von der Wall Street weltweite Verachtung eintrugen. Und Walter Scotts berühmter Ausspruch bekommt eine ganz neue Dimension: »Oh, welch verworren Netz wir weben / wenn wir nach Trug und Täuschung streben!« Wie hätte man der Welt ohne ein solches verworrenes Netz vorgaukeln können, dass Griechenland solvent und nun auf dem Weg der Besserung war, nachdem die Griechen die richtige Regierung ins Amt gewählt hatten? Aber kaum war das eine Netz fertig, brauchte man schon ein weiteres.

Während all das passierte, setzten IWF-Mitglieder außerhalb Europas – Länder wie Brasilien, Indien, Japan und Malaysia – Christine Lagarde unter Druck, die Scharade zu beenden und insbesondere Berlin zu sagen, dass der IWF ohne eine Umschuldung Griechenlands nicht mehr mitmachen würde. Im Herbst 2012, als das zweite Rettungspaket beschlossen wurde, enthüllte Lagarde in einem bemerkenswerten Schritt, wie stark der Druck geworden war: Sie schlug Stournaras vor, gemeinsam in die Eurogruppe zu gehen und vom deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble einen drastischen Schuldenschnitt für Griechenland zu verlangen.

Doch statt diese einzigartige Gelegenheit zu ergreifen und ein Bündnis mit dem IWF zu schmieden, informierte Stournaras Schäuble von Lagardes Vorschlag, gemeinsame Sache zu machen, und bat um seine Erlaubnis, zustimmen zu dürfen. Natürlich sagte Schäuble zu Stournaras, er solle »es vergessen«. Und genau das tat Stournaras dann auch.26

Zu der Zeit nahm ich zufällig an einer Bankenkonferenz in den Vereinigten Staaten teil. Dort lief ich einem hohen Tier vom IWF über den Weg. »Was hat er [Stournaras] sich bloß gedacht?«, fragte mich der IWF-Mitarbeiter wütend. »Haben diese Burschen eine bessere Idee, wie man das regeln kann? Gibt es einen Plan? Ich verstehe es einfach nicht.«

Sie hätten einen Plan, teilte ich ihm mit. Nur sah der Plan vor, in der Regierung zu bleiben unter dem Vorwand, das Land befinde sich auf dem Weg der Besserung. Der Codename für den Plan lautete (so stelle ich es mir jedenfalls vor): Griechische Erfolgsgeschichte.

Die Griechische Erfolgsgeschichte bestand aus vier Akten: dem Merkel-Boom, der spekulativen Blase, der EZB-Verkaufsoption und der angeblichen Umschuldung. Der erste Teil, der Merkel-Boom, war bereits im Gang. Im September 2012 hatte Kanzlerin Merkel auf Anregung des EZB-Präsidenten Mario Draghi und wahrscheinlich auch von Beijing auf dem Weg von China nach Berlin einen Stopp in Athen eingelegt.27 In den wenigen Stunden ihres Aufenthalts klopfte sie Ministerpräsident Samaras auf die Schulter und signalisierte damit den internationalen Medien, dass der Grexit vom Tisch war und dass Griechenland, nachdem es die richtige Regierung gewählt hatte, in der Eurozone bleiben durfte.

Das kurze Theaterstück reichte aus, um eine Minirally bei den griechischen Immobilienpreisen zu erzeugen, die im Mai und Juni 2012 abgestürzt waren, als alle Welt angesichts des Aufstiegs von Syriza und des Patts im Parlament über den Grexit spekuliert hatte. Wie bereits erklärt, wären nach einem Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone alle Preise in Drachmen neu festgesetzt worden, die Drachme wäre sofort eingebrochen, und dadurch hätten Aktien, Villen und Jachten erheblich an Wert verloren. Aber die Märkte haben eine Tendenz zur Überreaktion. Wenn sie fallen, fallen sie übermäßig stark, und bei guten Nachrichten schießen sie unvernünftig in die Höhe. Der Merkel-Boom war ein Beispiel dafür: Ein Markt, der fast schon tot war, erlebte auf einmal in irrationalem Überschwang einen Höhenflug.

Der zweite Punkt des Plans, natürlich ebenfalls abgesegnet von der Troika, sah vor, den Überschwang mittels einer Spekulationsblase rund um die griechischen Banken richtig anzuheizen. Die Idee dahinter war einfach. Weil die Investoren dank des Merkel-Booms Griechenland für ein unterbewertetes Investment hielten, würde die Regierung ihnen ein Angebot machen, das sie nicht ablehnen konnten: Wenn sie jetzt Anteile an Griechenlands bankrotten Banken kauften, würden sie in der Zukunft, wenn deren Preise weiter gestiegen wären, weitere Anteile zum ursprünglichen niedrigen Preis bekommen, und wenn die Preise fallen sollten, würden die griechischen Steuerzahler großzügig die Verluste tragen. Welcher Investor kann da schon widerstehen?

Auf diese Weise wollte man einen Strom von spekulativem Geld in Griechenlands marodes Bankensystem lenken, das dann als Beleg für die wirtschaftliche Erholung präsentieren und damit weitere Spekulanten in den Immobiliensektor locken, den natürlichen Verbündeten jeder Blase auf den Finanzmärkten. Wenn Athen der deutschen Regierung und der EZB bewiesen hätte, dass die neue, von der Troika gelenkte Regierung das angeschlagene Schiff wieder flottgemacht hatte, würden die Griechen mit einer Bitte an die EZB herausrücken: Bürgt für unsere Schulden, so wie ihr für die von Irland, Portugal, Spanien und Italien gebürgt habt.28 Wenn Ministerpräsident Samaras und Finanzminister Stournaras erst einmal diese Zusage hatten, würde sie nichts mehr davon abhalten, privaten Investoren neue griechische Schulden zu verkaufen: Selbst wenn Griechenland weiter im Treibsand versinken sollte, wären die Bonds der Investoren durch die EZB garantiert. Dann könnte man den griechischen Wählern sagen, dass die internationalen Investoren dem Land wieder vertrauten und es folglich nicht bankrott war. Das war der dritte Teil ihres Plans: die EZB-Verkaufsoption.

Das vierte und letzte Element war eine vollkommen inadäquate, aber symbolisch wichtige Umschuldung. Bei einer Sitzung der Eurogruppe im November 2012, um die Zeit, als Stournaras Christine Lagarde abblitzen ließ, belohnte Schäuble Stournaras mit dem Versprechen einer möglichen, wenngleich nur oberflächlichen Umschuldung Ende Dezember 2014 unter der Bedingung, dass Athen sich an das Programm der Troika halten, es wie vereinbart erfüllen und einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen würde.29

Man hoffte, diese vier Akte der Griechischen Erfolgsgeschichte würden den Eindruck erzeugen, dass die Erholung im Gang war, und ihn bis Ende 2014 erhalten, gerade rechtzeitig für Neuwahlen Anfang 2015.30 Doch nach einem vielversprechenden Start, bei dem die finanziellen Kennzahlen einen robusten Merkel-Boom und eine vielversprechende Spekulationsblase signalisierten, gerieten die Pläne der Regierung im Sumpf der gnadenlosen Realität ins Stocken. Denn zwar gingen die Kennzahlen nach oben, die für die Spekulanten an der Wall Street zählen – wie den berüchtigten John Paulson, der genau rechtzeitig auftauchte, um Profit aus der Blase rund um die griechischen Banken zu schlagen –, aber die Zahlen, die das Alltagsleben der durchschnittlichen Griechen betrafen, wurden immer unerträglicher.

Die Regierung rührte ab Anfang 2013 die Trommel für ihre große Erfolgsgeschichte. In dem Jahr schrumpfte das griechische Volkseinkommen um über 5,6 Prozent, eine herzzerreißende Zahl, die in Ländern wie Großbritannien, Deutschland und den Vereinigten Staaten einen Aufstand ausgelöst hätte. In Griechenland war es der fünfte massive Rückgang in Folge. Doch nicht nur die Armen glaubten nicht an die Erfolgsgeschichte. Um den Primärüberschuss zu erzielen, den die Regierung Schäuble als Gegenleistung für die Umschuldung im folgenden Jahr versprochen hatte, führte sie eine Bodensteuer ein und verlor dadurch auch noch die Unterstützung der oberen Mittelschicht, die vielleicht noch reich an Besitz war, aber infolge der Rezession arm an Einkommen wie alle anderen. Ein neuer Witz machte die Runde: Eltern drohen ihren Kindern, dass sie ihnen ihre Immobilien hinterlassen, wenn sie sich nicht anständig benehmen.

Die Regierung muss erkannt haben, dass die Erfolgsgeschichte auf taube Ohren stieß, denn um diese Zeit herum traten einflussreiche Konservative aus Ministerpräsident Samaras’ innerem Kreis an die Nationalsozialisten von der Goldenen Morgenröte heran, um zu sondieren, ob sie sie unterstützen, womöglich sogar unter einem neuen Namen ein Wahlbündnis eingehen würden.

Im April 2014, als die Meinungsumfragen sehr schlecht aussahen und die Europawahlen näher rückten, brachte die Regierung Samaras die EZB-Verkaufsoption auf den Weg. Mithilfe der EZB, die hinter den Kulissen signalisierte, dass sie bereit sei, für die neuen Staatsanleihen zu bürgen, feierte das Finanzministerium seine Rückkehr an die privaten Kreditmärkte und das Ende des Bankrotts und sammelte ein paar Milliarden von institutionellen Investoren ein, die sich vorab bereit erklärt hatten, bei der Scharade mitzuspielen. Niemand fiel darauf herein. Investoren und Wähler sahen, dass die Einkommen weiter schrumpften und die Schulden wuchsen. Bei den Wahlen zum Europaparlament einen Monat später trug Syriza den Sieg davon. Zum ersten Mal hatte die griechische Linke eine landesweite Wahl gewonnen, zwar eine europäische, aber eine, die den Weg für den richtig großen Sieg Anfang 2015 bereitete.

In einer meiner Unterredungen mit dem deutschen Finanzminister nach dem Zusammenbruch der Griechischen Erfolgsgeschichte im Januar 2015, als Syriza an der Macht war, fragte ich ihn aus reiner Neugier, ohne eine Antwort zu erwarten: »Wolfgang, wann hast du beschlossen, [die Regierung] Samaras nicht mehr zu unterstützen?«

Ohne Zögern und entwaffnend ehrlich antwortete er: »Im Juni 2014.«

Das leuchtete ein. Samaras hatte die Europawahlen im Mai 2014 trotz der Unterstützung durch die im April von der EZB vermittelten Anleiheverkäufe verloren. In Schäubles Augen war Samaras eine lahme Ente. Er muss es gründlich sattgehabt haben, bei jedem Gesetzesvorschlag, der ins griechische Parlament eingebracht wurde, damit rechnen zu müssen, dass sich Samaras’ hauchdünne Mehrheit verflüchtigen könnte. Nach der Niederlage bei der Europawahl hatte überdies Samaras’ Eifer nachgelassen, und er setzte die Anweisungen der Troika nur zögernd um. Schäuble dürfte das ziemlich geärgert haben. Kein Wunder, dass er Samaras’ Regierung in dem Monat fallen ließ.

Es war kein Zufall, dass ebenfalls im Juni 2014 Stournaras vom Finanzministerium auf den frei gewordenen Platz an der Spitze der griechischen Zentralbank wechselte. Auch er verließ das sinkende Schiff.

Eine Fünf-Punkte-Strategie

Das Jahr 2013 hindurch tat ich von meinem Zufluchtsort in Austin aus alles, was ich konnte, um Alexis bei der Entwicklung einer überzeugenden Strategie zu helfen, und hielt mich dabei von Syrizas inneren Kämpfen fern. Anfang des Jahres bot sich eine Gelegenheit, Alexis dabei zu unterstützen, Freunde in Washington D. C. zu gewinnen, wo er eine Rede vor dem angesehenen Brookings-Institut halten sollte. Pappas bat mich, die Rede zu schreiben, was ich gerne tat. Ich wollte die politischen Strategen in Amerika von zwei mittlerweile vertrauten, aber fundamental wichtigen Punkten überzeugen. Erstens, dass Syriza eine proeuropäische Partei war, die alles in ihrer Macht Stehende tun würde, um Griechenland in der Eurozone zu halten, was aber nicht bedeutete, eine verfehlte, selbstzerstörerische Politik zu verfolgen. Um in der Eurozone zu bleiben, um überhaupt das Überleben der Eurozone zu sichern, war ein neues Programm nötig, das die Umschuldung an die erste Stelle setzte und dann Reformen vorsah, die die Wirtschaft aus dem Würgegriff der griechischen Oligarchie befreien würden.31 Zweitens mussten wir den Vereinigten Staaten klarmachen, dass sie von der Wirtschafts- und Außenpolitik einer Syriza-Regierung nichts zu befürchten hatten, ein Punkt, den ich später in einer Kolumne in der New York Times vertiefte, die ich zusammen mit Jamie Galbraith schrieb.32 Wie bereits erwähnt, war meine Überlegung, dass wir keine zweite Front mit Washington eröffnen sollten, wenn wir drauf und dran waren, uns gegen Brüssel, Frankfurt, Berlin und Paris zu stellen. Aber natürlich ergriffen viele in Griechenland und bei Syriza die Gelegenheit, mich als Handlanger Amerikas darzustellen.

Zwei Monate später, im März 2013, hörte ich Nachrichten aus Zypern, die mich aufschreckten. Sofort setzte ich mich hin und schrieb eine lange, eindringliche E-Mail an Pappas, die sich an ihn und Alexis richtete. »Ich beschwöre euch, nehmt ernst, was in Zypern passiert. Stellt es euch wie eine Generalprobe für das vor, was die Troika mit euch machen wird, wenn ihr die Wahlen gewonnen habt.« Zypern hatte soeben eine neue Regierung gewählt. Am Tag darauf schloss die Troika alle Banken auf der Insel und diktierte dem neuen Präsidenten die Bedingungen, unter denen sie wieder geöffnet werden sollten. Der neue Präsident war fassungslos, aber unvorbereitet, und unterschrieb auf der gepunkteten Linie.

»In Nikosia probieren sie ihre Taktik aus«, erklärte ich, »nicht weil Zypern so wichtig wäre, sondern eher weil es relativ unbedeutend ist und deshalb den perfekten Schießplatz abgibt, auf dem sie ihre neue Bazooka testen können, bevor sie sie auf euch richten, auf unsere Kameraden in Spanien, Italien und so weiter. Ihnen geht es um den Demonstrationseffekt, ihr sollt wissen, dass die Troika entschlossen und in der Lage ist, die Banken eines Landes zu schließen und der Regierung ihren Willen aufzuzwingen – besonders einer neu gewählten Regierung, die Souveränitätsrechte zurückverlangt. Seht euch das an und lernt daraus!«

Am nächsten Tag sprachen Alexis und ich am Telefon miteinander. Er klang angemessen angstvoll.

»Kann man sie irgendwie aufhalten?«, fragte er.

»Ja, aber dafür brauchst du die richtige Abschreckungsstrategie und ein Team, das fest zusammenhält, für die praktische Durchsetzung«, erwiderte ich.

»Schick mir einen Vorschlag.«

Ich versprach, dass ich ihm meinen Vorschlag persönlich überbringen würde.

Im Mai traf ich in Athen in Alexis’ großzügigem Büro im Parlamentsgebäude erstmals mit seinem Wirtschaftsteam zusammen. Neben Pappas und Dragasakis, dem Schattenfinanzminister, gehörten ihm noch zwei Syriza-Mitglieder an, die ich kannte und mochte: Euklid Tsakalotos, ein geschätzter Kollege von der Universität Athen, und Giorgos Stathakis, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Kreta. Bei dem Treffen legte ich den Vorschlag vor, um den Alexis gebeten hatte, eine erweiterte Version des Strategiepapiers, das ich im Juni 2012 ausgearbeitet hatte: Eine Fünf-Punkte-Strategie für ein nachhaltiges Griechenland in einer nachhaltigen Eurozone.

Die Stimmung im Raum war begeistert und bestätigte, dass meine früheren Bemühungen, Alexis vom Grexit als Ziel wie als Drohung abzubringen, nicht umsonst gewesen waren. Während ich auf der Linken insgesamt und bei Syriza viele Freunde verloren hatte, die mir meinen Anteil daran, den Grexit aus dem politischen Programm von Syriza zu streichen, nicht vergaben, wollte Alexis’ innerer wirtschaftlicher Beraterkreis offensichtlich unbedingt eine praktikable Lösung innerhalb der Eurozone finden. Mein Paper sollte sie überzeugen, dass das nicht nur wünschenswert war, sondern auch machbar, dass ein Coup wie in Zypern vermieden werden konnte, und ich schlug ihnen einen Weg vor, wie das gelingen konnte. Erst kam die Abschreckung:

1. Die EZB auf Distanz und die Banken offen halten

Ab Ende 2012 schaffte es Mario Draghi, der clevere Präsident der EZB, den bröckelnden Euro zusammenzuhalten, indem er versprach, den strauchelnden europäischen Volkswirtschaften – Italien, Spanien, Irland und dem Rest – Berge von Schulden in Form von Staatsanleihen abzunehmen.33 Draghi sicherte sich zwar grünes Licht von Angela Merkel für seine Pläne, trotzdem war sein größter Feind die deutsche Zentralbank, die Bundesbank, deren Präsident Draghis Recht und Befugnis infrage stellte, ausfallgefährdete griechisch-römische Schulden zu kaufen – tatsächlich war das ein Verstoß gegen die Satzung der EZB, und Draghi musste sich ein paar Tricks einfallen lassen, um sie zu umgehen. Die Bundesbank verklagte Draghi deswegen.34 Sollte Draghis Versprechen sich angesichts dieser beträchtlichen juristischen Herausforderung in Luft auflösen, dann war die einzige Möglichkeit, den Euro weiter am Leben zu erhalten, weg. Die Bundesbank argumentierte, Draghi sei rechtlich nicht befugt, Verluste aus Aufkäufen von Staatsanleihen zu übernehmen. Das gab der griechischen Regierung erheblichen Spielraum, denn in den Büchern der EZB standen noch Tausende Milliarden griechischer Staatsanleihen, die die EZB zwischen 2010 und 2011 unter ihrem vorigen Präsidenten im Rahmen des Securities Markets Programme (SMP) gekauft hatte. Mein Rat an Syriza lautete, wenn die EZB mit der Schließung der griechischen Banken drohen sollte, sollte ihre Regierung einen einseitigen Haircut bei den sogenannten SMP-Anleihen vornehmen. Damit würde sie die Position der Bundesbank in ihrem Kampf gegen Draghis Plan stärken, die Eurozone durch den Ankauf französischer, italienischer, spanischer, irischer und portugiesischer Staatsanleihen zu retten. Diese Absicht sollten sie klar und deutlich ankündigen. Dann würde Draghi mit Sicherheit zögern, mit Griechenland so umzuspringen, wie er mit Zypern umgesprungen war.

2. Die bankrotten Banker unschädlich machen

Wie Pappas, Alexis und ich schon früher diskutiert hatten, bedeutete die Zerschlagung von Bailoutistan 2.0 die Übergabe der Banken an ihre neuen Besitzer, die Steuerzahler Europas, und die Herauslösung ihrer Verluste aus den griechischen Staatsschulden. Eine Syriza-Regierung sollte deshalb mit der Troika darüber verhandeln, die Anteile an den Banken und ihre Leitung auf europäische Institutionen zu übertragen, deren Aufgabe es dann wäre, sie im Namen aller Europäer wieder aufzupäppeln. Dafür musste Syriza die linken Kräfte, die an die Sozialisierung von Banken glauben, mit den Liberalen vereinen, denen der Gedanke missfällt, bankrotte Banker mit Kapital zu unterstützen, das von machtlosen Steuerzahlern stammt.

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9783956142185
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