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Читать книгу: «Die Pyrenäenträumer - Band 2», страница 3

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FRÜHLING IN ARIEGE

An den Stellen, wo die Sonne hinkommt, ist der Schnee schon geschmolzen. Als erstes lassen wir die Geißlein hinaus. Die finden genügend Gestrüpp, das sie niedermachen können. Nach weiteren drei Tagen ist es an den Schafen, etwas Sonne zu tanken, und das vom Frost vergilbte und vom Schnee flachgedrückte Gras wieder aufzustellen. Sogar die Maulwürfe machen Hausputz und schaffen ihren Mist nach oben! Es sind ein paar vorgezogene Frühlingstage, wie sie den Winter in den Pyrenäen prägen. „On va payer ça!“, sagen die alten Leute im Dorf, „das werden wir noch büßen müssen!“ Die Kühe aber bleiben drinnen. Die Hänge sind noch zu nass, deren Gewicht zu tragen. Vor April oder Mai kommen die nicht hinaus. Erst muss die Erde trocken sein und das Gras knöchelhoch stehen!

*

Es ist Mittwoch, schulfrei. Die Kinder schlafen aus. Solange die Sonne noch nicht hinterm Berg rausgekommen ist, mache ich nach der Stallarbeit die Buchführung fertig, denn sie soll bald abgegeben werden. Am Nachmittag fährt Doris mit den Kindern nach Castillon zum Turnen. Ich habe die Kleine zu Hause. Ich setze sie mit Filou, dem Hund, an einem sonnigen Fleck auf eine Decke. Da habe ich sie im Blick, denn ich will mit dem Traktor den Anhänger aus dem Schuppen ziehen. Doch einmal aus dem Trockenen heraus, rutscht der Traktor seitlich weg und kommt erst weiter unten an einem flachen Stück wieder zum Stehen. Ich habe kaum Zeit, zum Reagieren! Und was hätte ich auch machen können, außer abspringen? Doch war der Gedanke, der mich durchzuckt hatte: ‚Wie kann ich die Maschine retten?‘ und nicht ‘wie kann ich mich selber retten!‘ Ich steige mit klopfenden Herzen hinunter. Ich merke, dass nur die oberen 5 Zentimeter aufgetaut sind, darunter ist ‚Permafrost‘! Mit jedem Versuch, den Schlepper wieder frei zu bekommen, rutscht er weiter und schiebt eine Schlammschicht neben sich her. Ich gebe auf, bevor er endgültig wegrutscht und binde ihn mit einem Seil an einen Baum. Lucie schaut von oben am Hang zu, der Hund auch. Jetzt bräuchte es ein paar Tage Sonne, um die Erde aufzutauen und zu trocknen, damit ich den Traktor wieder flott bekomme!


Inzwischen hat sich der Himmel zugezogen. Ich hatte den Blick zu sehr auf den Pass von Portet d’Aspet konzentriert, und nicht den Col de Get beobachtet, von dem unser schlechtes Wetter kommt. Ein paar Windböen lassen ahnen, dass es wieder Schnee geben wird. Die Schafe haben sich etwas zerstreut. Ich hole das Fernglas. Ich sehe, dass drei Schafe Junge bekommen haben, während die restliche Herde weitergezogen ist. Hoffentlich kümmern sich die Mütter und bleiben bei ihren Lämmern!

Um halb fünf, kurz vorm Dunkelwerden, kommt Doris mit den Großen zurück und ich stapfe den Hang hoch. Da oben weht inzwischen ein eisiger Wind und die Schneeflocken stechen mir die Haut. Ich schnappe die eiskalten, blutschleimigen Lämmle und laufe den Hang hinunter, sie alle paar Meter den Müttern zeigend und schnuppern lassend, da sie anfangs mehrmals zum Geburtsplatz zurückgehen, ihr Junges suchend. Doch einmal etwas weiter weg, folgen sie von selber. Der Hund ist hier überflüssig, denn wenn er sich nähert, wird er gleich von den Müttern angegriffen, ein alter Instinkt. Nur seine Schnelligkeit kann ihn retten! Aus sicherer Entfernung verbellt er die Schafe, um mir zu zeigen, dass er da ist…

Auf jeden Fall zeigt sein Bellen den anderen Schafen an, dass es Stallzeit ist, und sie rennen mit scheppernden Glocken hinter mir her. Einmal alle im Stall, melke ich leicht die neuen Mütter an, um zu sehen, ob mit den Eutern alles klar ist. Dann schiebe ich ihnen ihre Kleinen unter, die sich über die Zitzen hermachen. Sie sind ziemlich schlaksig, nichts auf den Rippen! Aber das wird bei der Rasse wohl die Regel sein.

Am nächsten Morgen ist alles weiß und gefroren. Ich fahre die Kinder selber in die Schule, weil es ziemlich schwierig ist, die Gräben und Böschungen zu vermeiden. Nur nicht bremsen, sonst geht das Auto seitlich weg! Das halbe Dorf ist auf der Straße. Die Leute schaufeln ihre Haustür frei, in der Erwartung, dass der Schneepflug sie wieder zuschiebt. Der ist anscheinend gerade auf dem Weg nach St. Lary, bis zur Departements- Grenze. Dort dreht er um, und überlässt den Rest der Straße dem Schneepflug von Aspet, vorausgesetzt, der schafft es, über den Pass zu kommen. Bald kommt auch die Lehrerin mit ihrem ‚Space-Shuttle‘, dem R 16 mit den Gasflaschen auf dem Dach. Sie hatte den Schneepflug abgewartet, um die Straße frei zu haben. Ich treffe auf Elie und seine ganze Familie. Sie haben wegen der Kälte alle Tiere in den Scheunen im Dorf. Sie wollen mich zu einem Kaffee einladen, aber ich habe noch nicht gemolken und lehne ab.

Nach dem Melken sollte ich eigentlich Käse machen. Doch bei der Kälte hält sich die Milch sicherlich und ich verschiebe es auf morgen. Wie soll das werden, wenn wir bald die Schafsmilch haben werden und nächstes Jahr die Ziegenmilch dazu? Auf jeden Fall muss eine Milchkühlung her, und zwar schnell, sonst kommen wir vor lauter Käsen zu gar nichts anderen mehr! Wir müssen sehen, dass wir weniger oft Käse machen, aber mit mehr Milch! Bei Bauern hatte ich Milchtanks gesehen, große, runde Kessel aus Edelstahl. Diese kosten auch gebraucht eine Menge Geld. Freunde von uns hatten ein anderes System, eine große, isolierte Plastikwanne, mit Wasser befüllt, das von einem aufgesetzten Kühlaggregat auf 4 Grad gehalten wurde. Hier hinein setzte man die Kannen. Dieses System hat den Vorteil, dass man hierin verschiedenartige Milch aufbewahren kann, weil sie in Kannen ist. So ein Teil brauchen wir! Und eigenartigerweise sind die gar nicht teuer, da die Bauern, bedingt durch Melkmaschinen, auf Milchtanks umstellen. Nur die Festkomitees der Dörfer suchen solche Kühler, um ihre Bierflaschen darin zu kühlen.

Auf eine Annonce hin finde ich einen Kannen-Kühler in 50 Kilometern Entfernung. Aber es ist ein großes Gerät für 8 Kannen je 30 Liter plus 2 von 20 Litern. Es läuft mit 220 Volt, das ist praktisch! Es erscheint mir riesig, vor allem, als wir es auf den Dachgepäcksträger heben, weil es im Auto keinen Platz findet. 280 Liter Speicherkapazität, so viel Milch werden wir nie haben, denke ich! Zudem gibt mir der Bauer noch seine ganzen Milchkannen mit und die Versicherung, dass das Gerät funktioniert. Zufrieden mache ich mich auf den Rückweg, langsam, um nicht auf dem Dach zu landen!

Wir stellen das Becken gleich auf, in dem Raum, wo der Melkstand für die Schafe gebaut werden soll. Mit der Wasserwaage wird es gut ausgerichtet und anschließend gefüllt. Das Kühlaggregat werfen wir nicht gleich an, damit das Freon, das Kühlmittel, sich absetzen kann! Ab dem nächsten Tag ist es einsatzbereit. Wir fabrizieren jetzt alle 3 bis 4 Tage, wie es uns am besten passt, neben den anderen Arbeiten. Wir bemerken, dass sich der Rahm oben auf der Milch in einer dicken Schicht absetzt. Doch vermischt er sich wieder gut beim Ausleeren der Kannen. Auch erlaubt es uns, ab und zu etwas Rahm mit einer Untertasse abzuschöpfen, wenn Doris eine ‚Schwarzwälder-Kirsch‘ Torte zubereiten will, oder etwas Butter oder Schlagsahne, wenn meine Eltern da sind. Am Kühlaggregat selber formt sich ein dicker Eisblock. Das bedingt, dass die Außenbereiche des Beckens weniger kalt sind als das Zentrum. Das behebe ich, nachdem ich in einem Aquarium-Geschäft zwei kleine Pumpen mit je 3 Watt Leistung gekauft habe, die ich unten auf den Wannenboden lege. Dadurch zirkuliert nun das Wasser langsam im Becken und die Temperatur ist einheitlich.

Dennoch gibt es bei der Käseherstellung kleine Probleme. Die Käse haben Tendenz, in der Mitte einen Kern zu haben, der trocken ist und nicht so reift wie der Rest. Das ist eher ein Zeichen von zu langsamer oder zu später Säuerung. Säuern die Käse zu schnell, gibt das eher Weichlinge! Wir geben Molke von der vorherigen Herstellung dazu, um die Milch anzusäuern, zu aktivieren. Doch wie ist die Molke nach drei Tagen? Wir können ja nicht die Säure messen! Und wissen nicht, ob sich nicht auch unerwünschte Bakterien darin vermehrt haben oder Viren, Bakteriophagen, die sich im Laufe der Zeit entwickeln können. Eric, der Techniker weiß, wie immer, Abhilfe: Entweder ihr nehmt Fermente, oder ihr gebt pro 50 Liter Milch einen Becher Joghurt in den Kessel. Da wir ja möglichst ursprünglich käsen wollen, machen wir den Versuch mit dem Joghurt. Und es klappt! Die Käse entwickeln sich wie sie sollen. Langsam bekommen wir die Sache in den Griff!

*

Als ich morgens die Kinder zur Schule fahre, fällt mir auf, dass an der Gasse, die zur früheren Schmiede führt, eine Gruppe von Leuten rumsteht. Die Schmiede ist schon seit langem abgebrannt, nur ein windschiefer Holzrahmen, in dem früher die Kühe zum Beschlagen angehoben wurden, zeugt noch von dem Treiben an diesem Platz. Ich halte an und geselle mich zu ihnen. Der Mittelpunkt ihres Interesses sind zwei große, rostige Gebilde, in denen sich ein Kupferkessel befindet, innen glänzend blank, außen rußgeschwärzt. Zwei kleinere Kessel befinden sich daneben, durch Rohrleitungen und Schläuche mit den großen verbunden. An dem in eine Ruine gekippten, säuerlich wie Kotze riechenden und aussehenden Trester erkenne ich, was hier vorgeht: Es wird Pflaumenschnaps gebrannt! Philemon, so an die achtzig, ein Gendarm in Ruhestand, hatte sich, weil ihm die Rente zu langweilig war, vor Jahren diese Anlage von dem früheren Schnapsbrenner gekauft.


An den kalten Spätwintermorgen ist hier der ideale Platz, um sich anfangs die Hände zu wärmen, später dann, wenn mal ein feiner Strahl aus dem Überlauf des Destilliergefäßes rinnt, auch das Innere… Philemon selber trinkt nichts von dem Sud. Er scheint die Gefahren die mit dem Brennen verbunden sind, bestens zu kennen. Würde er, wie sein Vorgänger, zu viel Freude am Produkt seiner Arbeit finden, würde er es nicht lange machen. Und so kann auch niemand ihn beschuldigen, den Schnaps anderer zu trinken. Denn jeder, der noch einen ‚Namen‘ hat, wie das Brennrecht hier heißt, kann auf Anmeldung seine Maische, die Pflaumen, die er im Spätsommer gesammelt hat, hierherbringen. Klar, dass da mancher Zucker hinzugibt, damit die Ausbeute etwas besser wird. Philemon sieht das gar nicht gerne, weil ihm dadurch manchmal der Kesselboden anbrennt, wenn der unvergorene Zucker durch die Hitze karamellisiert.

Auch wir hatten im letzten Sommer Pflaumen gesammelt. Nicht immer nur bei uns, mehr bei den Nachbarn, die aber fast nie da waren. Wir hatten die guten und die schlechten in ein Plastikfass geworfen, auf welches wir den Deckel nur gelegt hatten, damit der beim Vergären entstehende Druck rausgehen kann. „Anfang nächster Woche kannst du deine Maische bringen!“, teilt mir Philemon mit. „Ich habe aber keinen ‚Namen‘“, gebe ich zu bedenken. „Das ist nicht schlimm, ich gehe im Altersheim vorbei, und frage diejenigen, die nicht mehr brennen, ob sie mir ihren Namen leihen. Das machen viele so, denn mit den Alten verschwindet auch das Recht zu brennen. Du kannst zwar brennen lassen, hast aber ziemlich hohe Gebühren, hauptsächlich Zoll, darauf. Bringe außer der Maische gut trockenes Holz mit, etwas Stroh und genügend Flaschen!“

Wir stehen um die dampfenden Kessel herum. Die Sonne kommt in dieses Eck vom Dorf nur am Nachmittag, und das auch nur für ein bis zwei Stunden. Wir strecken die Hände zu den dampfenden Kesseln, sie anzufassen geht nicht, sie sind kochend heiß. Hier und da zischt etwas Dampf aus undichten Stellen. Philemon stochert in der Glut, hat die Ofentür ganz offen, damit der Zug die Temperatur in die Höhe treibt. Da huscht ein Leuchten über die Gesichter der Anwesenden, die über Tiere, das Wetter und die letzten Geschehnisse im Dorf reden. Erst nur ein paar Tropfen, dann ergießt sich ein dünner Strahl aus dem ziemlich tief liegenden Rohr, in dem ein Dichtemesser, ähnlich dem Schwimmer einer Angelrute schwimmt, über einen dünnen Schnabel in einen mit Messkerben versehenen Blecheimer.

Philemon schiebt noch ein paar dicke Scheiter in den Brennraum, dann macht er die Tür zu, denn die Betriebs-Temperatur ist erreicht. „Alkohol verdampft bei niedrigeren Temperaturen als Wasser. Beim Brennen sollten 90 Grad nicht überschritten werden!“, erklärt er mir. Der Dichtemesser zeigt auf einer Seite an einer Skala auch den Alkoholgehalt an. „Das ist der Vorlauf! Der darf nicht getrunken werden, der geht später in den nächsten Brand und wird nochmals destilliert. Ebenfalls am Ende, wenn der Schnaps zu schwach läuft, sollte man ihn nicht mehr trinken. Er schmeckt bitter und versaut nur den guten Geschmack!“, erklärt er weiterhin, die anderen werden das sicherlich alle wissen. „Philemon macht den besten Schnaps im ganzen Tal!“, klärt mich Ernest auf, „die Leute kommen von weit her, um hier brennen zu lassen! Es geht um die Qualität, nicht die Menge!“

Nach einer Weile und einem prüfenden Blick auf den Dichtemesser und nachdem er an der Flüssigkeit gerochen hat, leert Philemon den Eimer in ein anderes Gefäß und hält ein Schnapsglas unter den Schnabel, was er im oben offenen Abkühl-Gefäß, in dem der Alkoholdampf in einer Kupferspirale abgekühlt und somit verflüssigt wird, ausgespült hat. Langsam läuft es mit einer glasklaren Flüssigkeit voll. Dann reicht er es mir. Die Unterhaltung ist verstummt, alles schaut auf mich. Durch das Glas spüre ich, dass die Flüssigkeit noch ziemlich warm ist. Ich rieche zuerst dran. Hmm! Ein würziger Duft von Pflaumen und eine Spur von Mirabellen steigt mir in die Nase. „Nix wie runter damit!“, sag ich mir und schütte es mir, nachdem ich mit den Lippen geprüft hatte, ob es nicht zu heiß ist, in den Mund. Mir bleibt die Luft weg! Dann muss ich husten, die Tränen steigen mir in die Augen, wäre ich nicht in Atemnot, würde ich jetzt sicherlich Feuer speien! Das ist ja schlimmer als eine Pur-Pfeife mit bestem Afghanen!

Die Herumstehenden sind in Lachen ausgebrochen, sogar Philemon schmunzelt. Ich reiche schnell das leere Glas einem der Gaffer, damit ich mir die Tränen aus den Augen wischen und mich in Ruhe aushusten kann. Als mein Blick wieder klar wir, merke ich, dass außer einer heißen Welle auch ein leichtes Drehen in meinen Kopf steigt. Das Teufelszeug hats in sich! Ich gehe zum Schnabelauslauf, der jetzt zügig überläuft und schaue auf den Alkoholmesser. 80 Prozent! Als alle ungewohnt maßvoll ihr Gläsle getrunken haben, bietet mir Ernest, denn es ist seine Maische, die hier verkocht wird, noch ein Glas an. Unser Lachen und Husten hat noch andere Durstige angelockt, fast alle männlichen Bewohner des Dorfes sind jetzt anwesend. Plötzlich ist die Welt um eine Nuance heller geworden, wie wenn die Sonne die graue Nebelschicht durchbrochen hätte! Wie drollig die Leute mit mal aussehen, wie gesellig sie sind und was sie da für lustige Sachen erzählen! Eigentlich sollte man drei Mal täglich ein Glas Schnaps zur Pflicht machen, dann würden sich alle viel besser verstehen! Unter solchen Gedanken torkle ich zum Auto, um es noch heil nach oben zu bringen.

Am nächsten Montag in der Früh verfrachten wir über ein Brett unser Fass mit der Maische in den R4. Dazu das Brennholz, Kleinholz, zum Anfeuern, Stroh und die Flaschen. Die Kinder müssen sich beide auf den Beifahrersitz zusammendrängen. Unten angekommen nimmt Philemon das Stroh, von dem ich gedacht hatte, dass es zu Anzünden dient, und legt es innen auf den Kesselboden und spreizt es mit zwei Hölzchen zwischen den Kesselwänden fest. „Das ist, damit der Sud nicht auf dem Kesselboden anbrennt!“, klärt er mich auf, als er meinen fragenden Blick sieht. „Man muss immer damit rechnen, dass einer zu viel Zucker in seine Pflaumen gegeben hat, vor allem hinterher. Tut man ihn gleich zu Anfang rein, und vermischt ihn gut, macht das nichts, verbessert eher noch die Ausbeute, vor allem, wenn es wenig Sonne im Sommer hatte“. Nun leert er mit einem Schöpfer zuerst etwas von der flüssigen Maische in den Kessel, dann etwas Festes, und als unser Fass leichter ist, schütten wir den Rest hinein. Als ich den übelriechenden Brei sehe, kann ich mir schlecht vorstellen, dass daraus mal so etwas Klares und Berauschendes entstehen wird!

Da der Kessel nur halb voll ist, schütten wir noch ein Fass Maische von jemand anderen dazu. Am Schluss werden wir den Schnaps dann durch zwei teilen. Nun geht’s ans Anzünden. Bald steigt der Rauch in den kalten, grauen Morgenhimmel und lockt die an Unterkühlung leidenden Männer des Dorfes an. Auch Jean-Paul stellt sich eine Weile an den Kessel, an den man im Augenblick noch die Hände legen kann. Doch dann verschwindet er wieder, um die Schafe zu tränken. Jeder ist sicher, dass er wiederkommen wird, wenn der Vorlauf vorbei ist! Quatschend stehen wir eine Weile um den Kessel rum, während Philemon den anderen Kessel vorbereitet. Elie und Jean-Paul kommen vorbei. Sie haben gleich mehrere Fässer zu brennen. „Man muss es ausnützen, dass die ‚Alte‘ noch lebt, die hat noch das Brennrecht! Selbst wenn die nichts trinkt, kann man den Schnaps teuer verkaufen! Jean-Paul darf ja auch nichts trinken!“, sagt er zu mir, während Jean-Paul mir grinsend hinter seinem Rücken mit einem Auge zuzwinkert

Als ich mittags die Kinder hole, ist der Brand gerade fertig. Philemon hat die Glut und das Holz unter dem Kessel herausgezogen, welches jetzt daneben liegt und uns beißend in die Augen steigt. Er erklärt mir, dass er bei 30 % aufgehört hat, und den Rest dem nächsten Kessel zusetzen wird. Nur so ist der gute Geschmack gewährleistet, bei einem Mittel von 60 bis 70 %. Es ist besser, ihn später mit destilliertem Wasser zu verdünnen, wenn man ihn schwächer trinken will, aber nicht überlang brennen. Ich helfe ihm noch, den Trester auszuleeren und in die danebenliegende Ruine zu schütten. Unseren Schnaps dürfen wir noch nicht mitnehmen, der muss bis zum Abend hierbleiben, falls der Zoll eine Kontrolle macht. Dann fahre ich mit den Kindern hoch zum Essen.

Am Abend, als ich die Kinder von der Schule hole, wollen diese natürlich zum Feuerchen hin. Unweit vom Kessel steht meine volle Korbflasche mit der Ausbeute von 100 Litern Maische. Philemon lässt die Kinder ein bisschen in der Glut stochern und nimmt mich mit auf die Seite. Er greift unter einen verwelkten Farnhaufen vom letzten Jahr und zieht drei Flaschen heraus. „Schau, dass dich niemand sieht! Nimm hier die Flaschen, versteck sie gut unterm Kittel, damit sie niemand sieht, und bring sie ins Auto!“ „Wieso denn das?“, frage ich erstaunt. „Das hat mehr Alkohol, gegeben als der Durchschnitt. Wenn der Zoll das merkt, musst du dafür Steuern zahlen. Nimm sie mit, dann kosten sie nichts! Und komm so gegen 7 Uhr wieder, den Rest holen!“ Also rufe ich die Kinder und wir gehen zum Auto.

Abends um 7 bin ich wieder da. Die zwei Großen wollten unbedingt mit runter, Feuerle spielen. Philemon hat schon alle Kessel geleert und die Glut verschwelt neben den Kesseln. „Bis um 8 Uhr kann der Zoll noch kommen und prüfen, ob alles seine Richtigkeit hat. Denn ich muss alles genauestens aufzeichnen. Jeden Morgen muss ich in der Gendarmerie in Castillon die Papiere holen und abends wieder abliefern. Doch um1/2 8 kannst du die Flasche nehmen, denn dann kommen die nicht mehr, da sie ja auch noch zurückfahren müssen!“ Wir reden noch eine Weile über Schnapsbrennen, während die Kinder mit den unverbrannten Holzresten ein Lagerfeuer machen. Ich erzähle Philemon die Geschichte von einem Apotheker, der nach dem Krieg schwarz Schnaps gebrannt hatte und aufgeflogen war, weil die Kunden blind geworden sind. „Das ist bei Kernobst, wie Äpfeln der Fall, welches zweimal gebrannt werden muss, weil es giftige Fusel-Alkohole entwickelt. Bei Steinobst ist das nicht notwendig. Meine Kessel sind aber so ausgerüstet, dass in einem Arbeitsgang zweimal destilliert wird, somit ist keine Gefahr gegeben und ich kann auch Kernobst brennen!“ Ich fragte ihn noch, auf wessen Namen ich gebrannt hatte, um der Person ein Stück Käse zu geben und bezahlte ihm die Brennkosten. Eine wirklich geringfügige Summe… Die Kinder haben inzwischen die Geräte inspiziert und lecken die Finger ab, die sie in das Gefäß gesteckt haben, in dem sich der Dichtemesser befindet. Sie ziehen eine Grimasse und schütteln sich. Ich glaube, es ist besser, wir fahren heim…

*

Inzwischen haben weitere Kühe gekälbert und wir melken die Hälfte der Schafe. Das Kühlbecken erweist sich als ideal. Nur ist inzwischen unser Kupferkessel zu klein geworden. Seit einer Weile steht der schon unten in der neuen Käserei auf einem Dreifuss, darunter ein Gasbrenner. Wir bräuchten einen größeren Kessel. Doch ein großer Kupferkessel kostet ein Schweinegeld, wie ich in der Kupferschmiede Savinac erfahre, wo wir unseren ersten Kessel gekauft hatten. Die meisten Kleinkäser haben einen alten Milchtank aus Nirosta-Stahl umgebaut, indem sie unten den Boden von der Umkleidung und die Isolierung weggemacht und einen Gasbrenner darunter gebaut haben. Sie geben mir die Adresse einer Molkerei, welche bald schließen soll.

Was hat eine Molkerei mit Milchtanks zu tun? Das erfahre ich, als ich dort bin: Damit die Werke sicher sind, gute Milch vom Bauern zu bekommen, stellen sie einen Tank zur Verfügung und reparieren ihn auch oder tauschen ihn sofort aus, wenn er kaputtgeht. In einer Halle stehen Dutzende von defekten Milchtanks herum, in allen Größen und anderes Gerät. Und das muss alles weg zum Kilopreis, und der ist nicht hoch! Inmitten des ganzen Schrotts entdecke ich ein Teil, das meinem Kannenkühler sehr ähnlich sieht. Und so etwas ist es auch, oder fast noch. Es ist einer der ersten Milchtanks, die entwickelt worden sind, und man hatte sich bei diesem des gleichen Prinzips bedient wie bei meinem Kühler: Ein 300 Liter fassender Nirosta-Tank in einem Wasserbad, welches von einem Aggregat gekühlt wird. Zudem hat er den Ablauf genau in der Mitte, was mir ermöglicht, ihn auf unseren Gasring zu stellen. Als Stopfen nehme ich einen normalen Badewannenstöpsel mit einer Niro-Scheibe darauf, die den Gummi bedeckt. Da hier nicht viel Metall dran ist, bekomme ich den Kessel für wenig Geld. Und das Plastikbecken dient den Kindern als Planschbecken. Da ich diesmal den Anhänger dabeihabe, nehme ich zusätzlich noch einen 200 Liter Tank als Honiglagergefäß. Dieser ist angeblich kaputt.


Zuhause drehe ich den Kessel mit dem Boden nach oben, lege zwei verschieden große eiserne Ringe von alten Wagenrädern darauf und schneide drei Flacheisen zurecht, die ich zwischen den leicht konisch zulaufenden Kesselboden und die Ringe lege. Ich hefte sie mit dem Schweißgerät aneinander, um sie anschließend richtig zusammen zu schweißen. Anschließend noch drei kurze Winkeleisen darunter als Füße und eine Auflage für den Gasbrenner. Für den Durchlauferhitzer vom heißen Wasser, dessen Abgasrohr oberhalb des Fensters durch eine Blechplatte gehalten nach außen geht, haben wir schon zwei Butangasflaschen mit automatischer Umschaltung in der Käserei stehen. Daran schließe ich nun durch ein T den Schlauch für den Brenner an. Zwei Flaschen sind notwendig, da bei stärkerem Verbrauch das Restgas in der Flasche einfrieren kann. Das erkennt man daran, dass die Gasflasche zuerst außen nass anläuft und dann einen Reifbelag bildet. Stehen die Flaschen im Freien, muss man Propan nehmen. Sehr wichtig ist, sich zur Gewohnheit zu machen, beim Erwärmen immer die Tür offen zu lassen, wegen der Vergiftungsgefahr! Natürlich gibt es Sicherheitsbrenner, die bei zu großem CO-Gehalt abschalten. Doch sind diese sehr teuer!

Den 200 Liter-Tank will ich vollständig zerlegen. Ich nehme den Bolzenschneider und schneide das erste der zwei Kupferrohre durch, die zum Kompressor führen. Ich bekomme einen riesigen Schreck, denn daraus spritzt und strömt das Kühlmittel ins Freie und will schier nicht mehr aufhören! Rundherum vereist alles. Schade um die Ozonschicht! Das Gas hätte abgesaugt und entsorgt werden müssen, doch dachte ich, der Kühlkreislauf sei leer! Es war kein Trost, als ich erfuhr, dass es auch die Professionellen so machen…

Den doppelten Mantel schnitt ich mit der Trennscheibe auf, entfernte die Schaumisolierung und legte ihn flach auf den Boden. Ich markierte an den zwei Längsseiten in 5 Zentimetern Abstand vom Rand eine Linie. An die Linien auf der einen Seite legte ich zwei dicke Bretter, die die Platte in Sandwich nahmen und schraubte diese mit zwei Zwingen zusammen. Nun hämmerte ich den 5 Zentimeter breiten, überstehenden Rand rechtwinklig zu der Platte um. Langsam und nach und nach, damit auch alles glatt blieb und keine Wellen gab! Dann dasselbe mit der anderen Seite. Anschließend noch die zwei Schmalseiten, bis ich eine auf allen Seiten nach oben gefalzte Platte hatte. An einer Ecke schnitt ich den Falz ein, um einen Ablauf zu bilden, denn diese Platte, auf einen Rahmen gelegt, diente von nun an als Formtisch. Hierauf stellte ich die Formen und legte sie mit den Tüchern aus, um sie zu befüllen. Die auslaufende Molke strömte in eine darunter stehende Milchkanne.


Bedingt durch den größeren Kessel war das Herausfischen des Bruches schwierig, vor allem, da ja nun bis zu zehn Käse gleichzeitig zu machen waren. Irgendwie müsste ich die Molke heraussaugen können… Der Kessel stand etwa 30 Zentimeter über dem Boden. Ich stellte nach dem Rühren eine leere Milchkanne daneben, legte eine Form oben in den Kessel, die langsam darin versank. Nun füllte ich einen 32 Millimeter-Schlauch mit Wasser, hielt beide Enden mit den Daumen zu und tauchte ein Ende in die im Kessel schwimmende Form, während ich das andere in die leere Kanne hielt. Dann nahm ich beide Daumen weg und die Molke lief von selber in die Kanne. War eine voll, hielt ich die Öffnung zu und hängte ihn in die nächste. Damit der Schlauch nicht herausrutschen konnte, schob ich einen Hartgummireifen aus dem Märklin-Baukasten des Jungen darüber.


Die frischen Käse mögen es den ersten Tag warm, damit die Fermentation loslegen kann. Da unser Keller ziemlich klein ist, kann man ihn nicht unterteilen, in einen warmen und kühlen Bereich. Da Käse auch Rahm enthält, der bei längerem Aussetzen an Licht ranzig werden kann, ist es gut, diese Käse im Dunkeln zu lagern. Um den frisch geformten Käsen optimale Bedingungen zu schaffen, bohrte ich eine kaputte Gefriertruhe in einem Eck an und schob ein Stück 25 mm Plastikrohr bis ins Innere der Truhe und verkittete es gut. Sie fand an der Rückwand der Käserei Platz. Hierin konnten nun die Käse ihre Pubertät beginnen. Die Molke lief unten in eine Schüssel. Die Oberfläche, der Deckel, konnte als Verkaufstisch dienen… Leider wurde die Truhe innen schnell von Grauschimmel besiedelt. Regelmäßiges Scheuern war angesagt!

365,55 ₽
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669 стр. 82 иллюстрации
ISBN:
9783750216471
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