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Читать книгу: «Die Pyrenäenträumer - Band 2», страница 2

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Inzwischen hatten wir auf unseren Ausflugsfahrten die ganzen Handwerksbetriebe im weiteren Umkreis besucht, uns umgesehen, umgehört, probiert, um uns ein genaueres Bild vom Pyrenäenlaib machen zu können. Meist waren das weiche Käse, anders als die der Alpen, sehr stark im Geschmack, eher dazu bestimmt, bald verzehrt zu werden als eingelagert, zur Veredelung des Aromas. Wir wollten einen Käse herstellen, der auch uns schmeckte, der sich aufbewahren ließ, wenn mal die Kunden fehlten, der einfach herzustellen und zu pflegen war. Mehr in der Art, wie sie manche unserer Bauernfreunde schon herstellten. So natürlich wie möglich, nur mit Vollmilch, Lab und Salz!

Heutzutage würde man das ‚Industrie-Spionage‘ nennen, für mich war das einfach Interesse: die Geräte genau zu analysieren, die Atmosphäre im Keller, die Anordnung der Utensilien in der Käserei und ihr Zweck, die Milchherkunft, den Stall sehen, das Land, den Käser kennen. Denn eines hatte ich bald festgestellt: Je kleiner die Käserei, um so grösser die Liebe des Käsers zu seinem Beruf! Ich kannte Sennereien in den Alpen. Für mich war Senn ein magischer Beruf, die Käser kamen mir fast wie Zauberer vor, wie Zeremonienmeister, denn alle Gesten wurden bewusst und langsam ausgeführt, der Rhythmus des Käsens wurde durch die Entwicklung der ‚Dickete‘, des ‚Bruches‘ bestimmt, für Außenstehende kaum erkennbar. Jesus hatte es da einfacher, das Wasser in Wein zu verwandeln! Der bediente sich eines Wunders, eigentlich ein unfairer Trick! Der Käser tut sich da schwerer, er hat zwar seine Säuremesser und Thermometer, die er zu Hilfe nehmen kann, doch ist vieles reines ‚Fühlen‘ geworden, im Laufe der Jahre…

Doch wir sind hier noch ganz am Anfang. Außer Faszination haben wir etwas Erfahrung durch unsere drei Ziegen in Deutschland. Wir haben letztes Jahr auch bei einem Käselehrgang mitgemacht und zum Glück einiges mitbekommen, wir haben einen Kessel, wir haben einen Galgen im Kamin, um diesen darin aufzuhängen, wir haben unsere Milch. Es kann losgehen! Die erste Kuh hat gekälbert! Erst mal eine Woche melken und das Kolostrum, wie die leicht bräunlich oder von Blut rötlich gefärbte erste Milch genannt wird, mit der Schnuller-Flasche dem Kalb verfüttern. Dabei ist darauf zu achten, dem Kälbchen anfangs nur wenig zu geben, so 2 Liter und dann langsam steigern, da es sich sonst leicht übertrinkt und tagelang jede Nahrung verweigert. Und will es anfangs nicht trinken, ruhig mal hungern lassen! Dann will es von selber! Manche Bauern erhitzen das überschüssige Kolostrum in einer Pfanne, fügen Zucker hinzu und bereiten damit ein breiiges oder pfannenkuchenartiges Gericht.

Unser Kalb war ein Stierkalb. Also war sein Schicksal schon bei der Geburt besiegelt. Maurice kaufte es uns für 950 Francs ab. War das ein guter Preis, hatte er uns gelinkt? Jean-Paul, ein Bauernsohn aus dem Dorf, meinte, man sollte immer versuchen, mehr zu bekommen, doch schwankten die Preise bei Kälbern enorm. Je nach Angebot! „Im Winter gibt es wenige und der Preis steigt. Auch gibt es für Stierkälber rund dreißig Prozent mehr als für Kuhkälber, weil sie sich besser mästen lassen! Sei froh, dass du keine ‚Holstein‘ hast! Manchmal verschenken die Bauern deren Kälber, um die Milch zu haben!“

*

Nach einer Woche ist es so weit und die Milch ist weiß, flüssiger, ist verkäsbar. Früher hatte man 2 Mal am Tag gekäst. In der ‚Barousse‘ ist es jetzt noch so. Das ist das einfachste, da die Milch noch warm und lebendig ist. Doch muss man da in einer Großfamilie oder in einer Kommune leben, um immer jemanden zum Käsen verfügbar zu haben! Wir hatten die Abendmilch in den Brunnentrog gestellt. Das Quellwasser hat eine Temperatur von rund 12 Grad, ideal für die Lagerung der Milch! Über längere Zeiträume braucht man aber eine Kühlanlage, denn die Lagertemperatur von Milch über ein paar Tage ist 4 Grad. Nach dem Melken in der Früh tragen wir die Kanne von gestern und die frische Milch in die Küche und leeren sie in den Kupferkessel, den wir in den Kamin auf das Feuer schwenken.

Die Freundin von Charles, der inzwischen von den Eltern die Kneipe übernommen hat, hatte von ihrem Großvater eine Sammlung von alten Gegenständen geerbt, die in dem zu einem Museum umbenannten alten Pfarrhof ausgestellt werden sollten. Nächteweise waren wir darin zu Gange, um die Sammelstücke zu analysieren, aufzuhängen und zu beschriften. Und bei so manchem Gegenstand saßen wir lange davor, um herauszufinden, wozu er mal gedient haben mochte! Es waren einige hölzerne, schneebesenartige Teile dabei, denen man ansah, dass sie aus der Spitze eines kleinen Tannenbaumes hergestellt waren, deren gestutzte Äste durch in den Siel geschnittene Kerben zu Kreisen zusammengehalten wurden. Wie Christiane uns erklärte, hatten diese zum Rühren der Käsemasse gedient. Unterhalb vom Pfarrhaus lag eine Christbaumpflanzung. Dort besorgte ich mir einen kleinen Wipfel und verwandelte ihn in so eine ‚Toudeilhe‘.


Unsere Milch wird langsam warm. Ab und zu fischen wir etwas Asche und Ruß von der Oberfläche. Ich müsste mal einen Deckel bauen! Doch dann kann man nicht mehr rühren, und nichts schmeckt übler, als angebrannte Milch! „Ein Thermometer!“ „Draußen hängt eins!“ Aber das will ich nicht wegschrauben, außerdem ist es aus Metall. Doris hat eine Idee: „Wir haben noch das alte Badethermometer der Kinder!“

Bei 32 Grad schwenken wir den Kessel aus dem Feuer und geben einen Teelöffel Lab hinzu, das wir in der Apotheke gekauft hatten. Gut verrührt, dann ein Tuch über den Kessel, damit die Milch sauber und warm bleibt. Nach einer halben Stunde stecken wir den gekrümmten Finger in die Milch und bewegen ihn leicht vorwärts. Die Milch ist irgendwie flockig, aber noch nicht so fest wie Joghurt, so wie wir es im Lehrgang gesehen hatten. Also abwarten! Nach einer Stunde ist sie zwar fester, aber immer noch nicht genügend. Wir rufen Eric an, der die Lehrgänge gibt. „Ihr habt bestimmt euer Lab in der Apotheke gekauft“, meint er, da ist es oft überlagert. Was steht drauf, welche Konzentration hat es?“ Wir schauen auf die Flasche. „Da steht nichts!“ „Typisch! Von einem Käser verlangt man alles Mögliche auf die Etiketten zu schreiben, und die schreiben noch nicht mal die Stärke und das Verfallsdatum drauf! Nehmt das nächste Mal die doppelte Menge Lab, noch besser, lasst euch eine Flasche vollfüllen in der Käsefabrik in St. Girons! Da seid ihr sicher, dass es frisch ist und ihr wisst die Konzentration! Deren Lab hat eine 10.000er Konzentration, das heißt, ihr braucht 1 Liter Lab, um 10.000 Liter Milch zum Gerinnen zu bringen, wenn ihr laktischen Käse macht, wie Camembert oder Frischkäse, - in eurem Fall, bei gepresstem Käse, braucht ihr 2,5 Liter!“ „Das ist ja kompliziert!“, ruft Doris in den Hörer. „Ganz und gar nicht!“, hallt es zurück. Schreibt auf, dann könnt ihr selber die Liste vervollständigen: Für eure Käse braucht man 25 ml, um 100 Liter Milch zum Gerinnen zu bringen, das heißt, 2,5 ml auf 10 Liter. Wieviel Liter Milch habt ihr. 20? Dann braucht ihr 5 ml! Jetzt macht erst mal so weiter, irgendwas wird schon rauskommen! Auf diese Art lernt man, durch Fehler und durch Probieren! Essbar wird es schon sein, wenn die Milch gut war! Vielleicht habt ihr gerade eine neue Käsesorte erfunden! Und denkt daran, euch einen Messbecher für das Lab zuzulegen, das vereinfacht die Sache enorm!“

Mit neuer Zuversicht schneiden wir den nun joghurtartigen Inhalt mit einem Küchenmesser in Stückchen von der Größe eines Maiskornes, den Rest macht die Toudeilhe, der Tannenbaum-Quirl, als wir den Kessel wieder über das Feuer schwenken und rühren. In den Käsereien benützt man zum Schneiden eine ‚Harfe‘, einen mit feinen (Klavier-)Drähten bespannten Rahmen, der dazu beiträgt, wenig ‚Staub‘, also Feinteile zu machen, da der entweder als Verlust mit der Molke abgeht oder die Poren im geformten Käse verstopft, und dieser schlecht trocknen kann. Und das war das nächste Utensil, das wir brauchten, denn die Brühe im Kessel war zu trüb!

Auf dem Schrottplatz fand ich drei Millimeter dicke Nirosta-Stahl-Bänder, die ich im Schraubstock zu zwei rechteckigen Rahmen bog und zusammenschweißte, mit einer Halterung daran für einen Griff aus Holz. Den einen Rahmen versah ich oben und unten im Abstand von 2,5 Zentimetern mit kleinen Löchern, den anderen auf beiden Seiten. Für den Klavierdraht musste ich bis St. Gaudens fahren, den gab es auf unserer Seite des Passes nicht. Noch schwieriger war es, die Ringschrauben zu bekommen, die schickte mir mein Bruder aus Deutschland. Bei jedem Rahmen steckte ich die Ringschräubchen von innen her in eine Reihe der Löcher und versah sie auf der anderen Seite mit Flügelmuttern. Durch jeweils zwei Löcher auf der gegenüberliegenden Seite steckte ich ein Stück Draht, dessen Enden ich am Ring zweier Schrauben auf der Gegenseite befestigte. Dazu ist es praktisch, eine Kombizange und eine Spitzzange zur Verfügung zu haben, denn der Draht erwies sich als sehr störrisch! Als alle Drähte befestigt waren, spannte ich sie, bis sie leicht wie eine Harfe klangen, oder sagen wir mal, eher wie eine ‚Teufelsgeige‘. Als Griff benutzte ich abgebrochene Axtstiele, die ich gerade schnitt. Nun hatte ich die passenden Geräte um fachmännisch Käsebruch herzustellen.


Unter langsamen Rühren erhitzen wir die Milch auf 36 Grad und nehmen den Kessel vom Feuer. Dann rühre ich mit der Hand weiter. Man spürt eigentlich keinen Temperaturunterschied mehr. Das heißst sicher, dass die Milch auf Körpertemperatur ist. Langsam bemerke ich, wie die kleinen Milchkörnchen, der Bruch, fester werden! Ich rühre insgesamt 45 Minuten weiter. Dabei gehen einem natürlich viele Dinge durch den Kopf. Und es sind so viele Dinge, die sich tun, dass man eigentlich alles aufschreiben sollte! Doris sucht einen Zettel und schreibt das Wichtige auf, wie Milchmenge, Erwärmungsdauer, Temperaturen, die Uhrzeit, Einlabzeitpunkt, Labmenge, Gerinnungszeit, Zustand der ‚Dickete‘, der geronnenen Milch, Körnchengröße, Endtemperatur, Rührzeit, und warum nicht noch das Wetter draußen, das Datum, ob frischgekalbte Kuh etc.! Denn nur so ist es möglich, gewissen Fehlern auf die Spur zu kommen und den ‚perfekten Käse‘ zu machen! Und wenn man beim nächsten Mal etwas ändert, dann nur einen der Parameter, denn sonst ist nicht klar ersichtlich, wodurch eine Verbesserung (oder auch Verschlechterung) erreicht worden ist! Am besten gleich mehrere Fabrikationszettel anfertigen und alles Wichtige darin vermerken!


Als Form haben wir einen kleinen Plastikeimer an vielen Stellen durchbohrt. Meine Eltern hatten beim letzten Besuch ein Käsetuch aus den Alpen mitgebracht. Das ist ein riesiges Jutetuch, in dem die Emmentaler Käse beim Formen eingepackt werden. Das war fast zwei mal zwei Meter groß, viel zu groß für uns! Doris zerschnitt es in neun Teile und säumte sie ein. Ein Teil hatten wir in warmem Wasser eingeweicht, damit es geschmeidig wurde. Wir lassen den Käsebruch einen Moment absinken, ich versuche, ihn in der Molke vorsichtig zu einer Kugel zusammenzudrücken, was nicht einfach ist. Nun wickle ich einen Rand des Tuches um ein Stück halbkreisförmig gebogenen Weidenzaundraht und versuche, unter der Kugel durch mit dem Tuch den Bruch einzusammeln. Anschließend stopfen wir das Ganze in das Form-Eimerchen, welches im Waschbecken steht. Durch die Löcher sprudelt Molke nach außen. Als wir den Kessel leeren wollen, merken wir, dass noch einiges an Käsemasse darin ist. Wir gießen alles durch ein Sieb, um keinen Verlust zu haben. Dabei kommt uns die Idee, das nächste Mal gleich durch ein Sieb zu schütten, um die Fischerei zu vermeiden! Unser Käsle wird schließlich nur 2 Kilo wiegen, und nicht 50, wie ein Emmentaler!

Langsam sinkt die Käsemasse in der Form zusammen. Nach 10 Minuten heben wir das Tuch heraus und öffnen es. Und welch ein Wunder! Die Masse ist schon ziemlich fest und hält zusammen, als wir das Tuch öffnen! Jetzt legen wir den Klumpen aus dem Tuch auf die andere Hand und legen das Tuch erneut darüber. Dabei reißt die Kugel etwas ein und ein kleiner Schwall Molke läuft hinaus. Nun fassen wir die 4 Ecken des Tuches, heben sie nach oben und ziehen die Hand zurück, die den Käse hält. Jetzt liegt er umgekehrt im Tuch und kommt erneut in die Form. Nach weiteren 6 Stunden drehen wir ihn nochmals um, wobei wir merken, dass er schon ziemlich solide ist. Man kann einen flachen Stein oben in die Form legen, damit der Käse etwas gepresst wird. Doch hat sich das als unnötig erwiesen, wenn die Form höher ist als breit, weil in diesem Fall das Eigengewicht des Käses genügend Druck liefert.

Nach weiteren 12 Stunden kann der Käse ausgeformt werden. Doch wohin damit? Bei Freunden hatten wir gesehen, dass sie die Käse in einem großen, mit Fliegengittern bespannten Schrank lagerten. Also zimmere ich aus neuen Fußbodenbrettern so ein Teil zusammen, hole eine Rolle Fliegengitter, baue in 20 Zentimetern Abstand herausnehmbare (zum Waschen) Bretter hinein. Diesen stellen wir an die Rückwand der Küche. Unten hinein legen wir Abdeckhauben von alten Küchenherden als Wannen, um die wenige noch austretende Molke aufzufangen. Da hinein kommt der erste Käse, nachdem wir ihn mit grobem Salz eingerieben haben.

Am nächsten Tag machen wir den nächsten Käse. Diesmal mit gröber geschnittenen Bruch-Körnern. Mal sehen, was daraus wird! Das Ergebnis werden wir frühestens in einem Monat sehen. Doch wie dann noch wissen, welcher Käse auf welche Weise hergestellt worden ist und wann? Wir brauchen eine Markierung! Eine Nacht lang grübele ich an einem System, das ich hätte auch in 5 Minuten finden können! Das Datum drauf zu schreiben, ist zu lang. Das gibt außerdem eine unebene Oberfläche! Mein System ist einfacher: Wir haben eine Käsesonde. Das ist eine Art halboffenes, seitlich geschärftes Metallrohr an einem T-förmig angebrachtem Griff. Mit dem Rohr kann man in den Käse stechen, dann durch Drehen eine Art Karotte schneiden und herausziehen, um zu testen, wie das Innere beschaffen ist. Nicht vergessen, das äußere Stück als Stopfen wieder einzusetzen! Sonst verschimmelt der Käse im Inneren! Seitlich am Griff befindet sich ein winziges, halbkreisförmiges Messerchen, das erlaubt, millimeterfeine Kerben in das Äußere des Käses zu ritzen. Hiermit markieren wir die Käse, mit nur ein oder zwei Strichen, jedes Mal an einer anderen Stelle des Käses und in verschiedenen Konstellationen zueinander. Am ersten Tag nur ein Strich in der Mitte. Am zweiten zwei Striche. Am dritten einer, aber etwas versetzt. Am vierten einer auf der Außenseite. Das ergibt eine Unmenge von Möglichkeiten, doch bedingt es, dass man genau Buch führt oder auf einem Kalender die Herstellungskriterien aufzeichnet, begleitet von dem Zeichen, welches diesem Käse entspricht.


Im Laufe der Tage bildet sich an der Außenseite der Käse wie ein Fell ein grauer Schimmel, der schwarz wird, wenn man ihn nicht abwäscht. Alle zwei Tage drehen wir die Käse um und waschen sie mit einer gesättigten Salzwasserlösung, ein kleiner Eimer halb voll abgekochtem Wasser, unten drin ein Bodensatz Salz. Das einfachste Waschutensil ist ein Frottee-Waschlappen. Man kann den Käse auch mit Salzlake abbürsten, doch hält man den Keller sauberer, wenn man so einen Waschlappen benutzt! Wir hatten auch das Waschen mit Molke versucht. Die Käse wurden gelb und bitter. Wir kamen also bald wieder auf Salzlake zurück!

Man fängt am besten bei den älteren Käsen mit dem Waschen an, um so schon vorhandene Rindenkulturen (Schimmelpilze) auf die noch jüngeren zu übertragen. Jedenfalls verschwindet der Grauschimmel nach einer Weile und macht einem orangefarbenen Schimmel Platz. Auf diesem setzt sich später bisweilen ein weißer Schimmelrasen an. Das ist ein gutes Zeichen! Am pflegeleichtesten ist der orangene Schimmel, solange er trocken ist. Es gibt eine andere Art von orangenem Schimmel, der sich vor allem dann bildet, wenn die Käsemasse nicht trocken genug war. Er riecht stark nach Ammoniak und die Käse kleben an den Brettern fest. Da ist es manchmal besser, diese schmierige Rinde mit einem Teigkratzer (Plastikspachtel) abzuschaben und sich eine neue bilden lassen, vor allem, wenn man nicht dauernd Bretter schrubben will! Die jungen Käse wollen alle zwei Tage gedreht und gewaschen werden, bei älteren kann man den Abstand vergrößern. Immer saubere, trockene Bretter verwenden! Als Holz ist Fichte gut geeignet. Keine Harthölzer, sie saugen nicht genug die Feuchtigkeit auf, sind zu schwer, können den Geschmack beeinflussen (Gerbsäure)!

Erst mit Genugtuung, dann aber mit Schrecken merkten wir, dass unser Schrank bald voll sein würde. Was dann? Die Käse müssen mindestens zwei Monate alt sein, damit sie schmecken, noch älter, damit sie eine ‚Spezialität‘ darstellen! Fest steht, dass unser Schrank zu klein ist. Und bald wird die nächste Kuh kälbern, dann die dritte… Notstand! Außerdem fangen manche Laibe an, Risse zu bilden, in denen sich bläulicher Schimmel ansiedelt. Sie haben es in der Küche einwandfrei zu trocken! Wir merken, dass unsere Art von Käse einen feuchten Lagerraum braucht, einen richtigen Keller! Das Lagern in luftigen Fliegenschränken ist gut für laktische Käse, wie die kleinen Ziegenkäsle oder Camembert.

Doch haben wir hier keinen Keller im Haus. Es ist nicht unterhöhlt. Da fällt mir ein: das Erdgeschoss ist bis in den Felsen getrieben! Besser kann es gar nicht sein! Da unten werden wir unsere Käserei einrichten, und den Keller auf der Hangseite! Der offizielle Weg wäre nun, mit einem Plan zum Gesundheitsamt zu gehen und das Projekt absegnen zu lassen. Aber gerade das will ich im Augenblick nicht sehen, da wir ja schon Käse herstellen und verkaufen! Außerdem gehe ich ungern zu Ämtern, das kann nämlich schnell Komplikationen geben, wenn die das Projekt ablehnen würden oder unerfüllbare Auflagen damit verbinden! Ich finde, es ist besser, diese vor vollendete Tatsachen zu stellen! Außerdem eilt die Zeit! Ich mache eine Zeichnung und spreche mit Eric, dem Käsetechniker.


Der findet den Plan gut, macht mich aber auf die Schwachstellen aufmerksam und erklärt mir zugleich, wie man diese umgehen kann. Das ist Frankreich! Mehr Ausnahmen als Regeln! Im Eingang muss sich ein kleines Handwaschbecken befinden. Also zeichne ich es ein. Es muss ein Raum für das Waschen der Utensilien vorhanden sein. Ich habe eine Spüle aus Keramik mit Ablage. Diese kommt quer hinten in den Flur, dann ist dieser zugleich Waschraum! Eigentlich sollte eine Art Einbahnbetrieb herrschen. Das will heißen, dass der Käse nicht zu der Tür rausgehen darf, wo die Milch hineinkommt! Das ist aber nicht machbar, vor allem bei den enorm dicken Wänden. Doch eben dafür gibt es eine Ausnahme: Der Käse wird offiziell an den Tagen herausgeschafft, wenn nicht hergestellt wird!

Also als erstes eine dünne Betonschicht auf den Boden gegossen, mit genügendem Gefälle, was von der Natur des Raumes schon gegeben ist. Als diese begehbar ist mache ich mich ans Ausmessen des Raumes. Da er knapp zwei Meter hoch ist, brauche ich nicht viele Hohlblocksteine, vor allem, da ich noch eine halbe Palette 10-er rumliegen habe. Wo ich schon am Rechnen bin, mache ich eine Hochrechnung, was die Milch betrifft. Wir haben 10 Liter als Basis genommen, doch kann eine Kuh auch mehr Milch geben! Bei 4 Kühen macht das sagen wir mal 50 bis 60 Liter am Tag, also umgerechnet drei Käse. Und das auf drei Monate macht fast 100 Stück. Ich zeichne mit Kreide auf den frischen Betonboden, wo die Wände hinsollen. Denn mir ist klar, dass der Platz optimal genutzt werden muss, sonst bekommen wir da keine 150 Käse rein! Und das ist die Mindestmenge, denn es kommen ja bald auch noch die Schafkäse dazu! Gar nicht zu reden von dem Ziegenkäse, den wir in der Käserei selber in unserem jetzigen Fliegenschrank reifen lassen wollen. Das Problem sind die Wände. Sie müssen abwaschbar sein. Fliesen sind teuer!

Ich klage mein Leid einem Baustoffhändler, der bald in Rente geht und zumachen will. Er schlägt mir eine ‚Industriefliese‘ für 10 Francs der Quadratmeter vor. Industriefliese klingt ja nicht so schmackhaft wie Bauernkäse. Aber der Preis ist noch günstiger als Schwimmbadfarbe! Da die Wände unten aus Natursteinen sind, nicht verputzt, und ich vorwärtskommen will, verzichte ich auf verputzen und tue hinten auf jede Fliese einen entsprechenden Klecks Mörtel und drücke sie mit einer leichten Drehbewegung an. Das geht sehr gut, hält, und bewegt sich nicht! Zum genauen Abstand einhalten kommen noch zwei Zündhölzer in die Fuge, und das Ganze kann abbinden! Nur beim Verfugen geht es beinahe schief. Man hatte uns geraten, dafür ‚schwarzen Zement‘ zu nehmen, Aluminiumoxydzement, weil dieser widerstandsfähiger gegen Säure sei. Weil dieser anfangs nicht abbinden wollte, füllten wir kurzerhand alle Fugen mittels des Fugenspachtels. Doch plötzlich band der gleichzeitig und überall ab, und wir waren bis in die Nacht beschäftigt, die Fliesen mit Stahlwolle wieder blank zu bekommen! Inzwischen gibt es da bessere Mittel, wie Epoxy. Denn bei einem Lokal, welches fast täglich in Benutzung ist, sollte man nicht sparen! Ansonsten müssen die Fugen alle 5 Jahre neu gemacht werden!


Inzwischen reifen unsere Käse oben in der Küche vor sich hin. Doch ganz so einheitlich, wie sie in den ersten Tagen ausgesehen haben, bleiben sie nicht! Manche laufen auseinander, andere werden steinhart, und wenn man diese aufschneidet, sind sie innen drinnen wie Gips. Die weichen, die auseinanderlaufen, verkaufe ich als erste. Sie halten nicht lange, sind aber schön cremig und im Geschmack mild bis herzhaft. Das Beste ist, die Kunden immer probieren zu lassen, dann gibt es keine Überraschungen! Ich merke, Milch ist kein Zement, sie ist eine lebendige Masse! Sie reagiert sehr empfindlich, vor allem auf Wetter! Und Sauberkeit! Zum Glück wohnt der Techniker nicht weit, und ich versuche ein guter Schüler zu sein. Ab und zu ein verpatzter Käse, den kann man selber essen. Aber eine ganze Serie… Das muss man vermeiden!

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Eine Euterentzündung ändert die chemische Konsistenz der Milch, gar nicht zu reden von den Bakterien, die sie enthält und die schädlich sein können! Dass man Krankheiten von Tieren aufgabeln kann, habe ich mit meinem Malta-Fieber von den Schafen schon zur Genüge erfahren und spüre es zeitweilig immer noch! Wie entdeckt man eine Mastitis, eine Euterentzündung? Die Kuh lässt sich nicht ans Euter fassen. Das Euter ist hart, heiß, rot, geschwollen. Die Zitze ist von geronnener Milch verstopft, lässt sich nicht melken, es kann sogar Eiter drinnen sein… Wir versuchen es mit Homöopathie. Mit wenig Erfolg. Mit ‚Vegebom‘, einer kampferhaltigen Salbe. Eine Möglichkeit sind auch essentielle Öle. Am Ende rufen wir den Tierarzt. Der sagt uns, eine Euterentzündung hat die besten Chancen zu heilen, je früher man sie behandelt! Und als Behandlung gibt es zum Glück und leider auch nur Antibiotika! Und selbst bei einer solchen Behandlung ist es besser, vorher eine Analyse mit Antibiogramm machen zu lassen, um sicher zu sein, dass das vorgesehene Mittel auch anspringt! Denn es gibt verschiedene Keime, die nur auf bestimmte ‚Familien‘ von Antibiotika ansprechen. Das Beste ist es immer noch, gar keine Mastitis zu haben! (Doch davon später, denn das bedarf einer jahrelangen Erfahrung mit Tieren!) Außerdem kann es auch eine Euterentzündung nach einem Hornstoß geben, bei einer Verletzung, bei falsch eingestellter Melkmaschine, bei falscher Fütterung… Sogar erstkalbende Rinder können bisweilen schon eine Euterentzündung haben! Zum Glück halten sich solch ernste Probleme in Grenzen!

Wichtig ist also die Früherkennung! Mit der Zeit spürte ich beim Euterwaschen oder Anmelken, wenn sich etwas anbahnte. Und dann kann man noch mit Naturmitteln helfen. Es gibt ein Gerät, ‚Traytest‘ oder Leukozyten-Test genannt, das aus einem viereckigen Teller mit Griff besteht, bestückt mit vier runden, flachen Bechern. In diese melkt man ein wenig von der Milch aus jeder Zitze, gibt ein Reagenzmittel dazu und schwenkt das Ganze ein paar Sekunden. Eigentlich ist das ein Test, um einen erhöhten Gehalt an abgestorbenen Zellen in der Milch festzustellen. Doch da Euterentzündungen immer mit erhöhter Zellenzahl einhergehen, ist dies ein guter Test um festzustellen, ob sich eine Euterentzündung entwickelt haben könnte. Die Milch bildet ein Gel, wie flüssiges Eiweiß, wenn eine Überzahl von Zellen vorhanden ist. Wenn dazu noch die verstopfte Zitze kommt, besteht Gewissheit und man muss (be)handeln!

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Käse ist das Ergebnis von einem Zusammenspiel von Proteinen, Fett, Wasser, Enzymen und Bakterien. Es sind nur die Eiweiße, die Proteine, die gerinnen, die Sahne wird dazwischen eingeschlossen. Milch, die man sich selber überlässt, wird bedingt durch Wärme und Bakterien, die in ihr enthalten sind und anderen, die in der Luft sind, sauer und später dick. Diese Masse, durch ein Tuch gefiltert, ergibt Quark, den ursprünglichsten aller Käse. Bei der Käseherstellung wird dieser Prozess beschleunigt und gelenkt, um ein bestimmtes Ergebnis zu bekommen. Man kann die Säuerung der Milch beschleunigen, indem man Molke vom Vortag hinzutut. Oder Fermente. Das Gerinnen kann man beschleunigen durch Lab. Pasteurisierte Milch ist tot und verwandelt sich nach längerem Kontakt mit der Luft, bedingt durch die Fäulnisbakterien in ihr, in eine übelriechende, ungenießbare Masse. Pasteurisierte Milch muss durch Zusatz von Fermenten reaktiviert werden, sonst kann man keinen Käse daraus machen! Länger gekühlte Milch (4 Grad) ist arm an aktiven Bakterien, und muss auch aktiviert werden, sei es durch eine längere Wärmeperiode oder durch geringen Fermentzusatz.

Bei der Herstellung laktischer Käse nutzt man die natürlich stattfindende Säuerung der Milch, die man eventuell noch anregen kann. Man gibt abends das Lab hinzu, hält die Milch warm und arbeitet am nächsten Tag weiter. Die Milch ist inzwischen geronnen und gesäuert. Meist wird nun die Käsemasse mit einer Kelle schichtenweise in die Förmchen gefüllt, gewendet, und später getrocknet. Deshalb hier die Lagerung in einem luftigen Schrank!

Bei unseren eingelabten, halbfesten Käsen verarbeitet man ungesäuerte Milch. Die Käsemasse wird durch das Schneiden, Rühren und Erhitzen schon im Kessel getrocknet, was sich dadurch bemerkbar macht, dass die Körnchen schrumpfen. (Deshalb ist hier später ein feuchter Keller notwendig). Die Masse beginnt ihre Säuerung, wenn sie in den Formen ist. Aber um das feststellen zu können bräuchte man einen Säuremesser, und den hat nur der Techniker. Bei der Messung mit einem PH-Säuremesser ist zu beachten: je saurer die Masse, desto niedriger die abgelesene Zahl! Bei einem Dornic-Messgerät: je saurer, umso höher die Zahl! Irgendwann werde ich mir mal einen zulegen, denn damit kann man früh genug erkennen, wie der Käse werden könnte und eventuell noch korrigierend eingreifen, zumindest aber bei der nächsten Fabrikation. Eine billigere Lösung sind Lakmus-Stäbchen, die man in den Kessel hält. Diese verfärben sich je nach Säuregrad. Anhand einer Farbskala auf dem Verpackungsdöschen kann man die Veränderung vergleichen. Stimmen die Farben überein, liest man den dieser Färbung entsprechenden PH-Wert ab. Denn nicht immer reagiert der Käse, wie man es erwartet! Deshalb sollte der Wahlspruch eines (Jung)Käsers sein: Käse ist, wenn man ihn trotzdem essen kann!

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669 стр. 82 иллюстрации
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9783750216471
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