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Читать книгу: «Die katholische Kirche und die Medien», страница 3

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Auch die Vernetzung von katholischen Journalist_innen in der Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands (GKP) gehört zu den Initiativen, die jenseits institutioneller Ansätze Vernetzungen von journalistischen Akteur_innen ermöglichen.

Dass die rechtliche Basis der Konkordate kaum mehr der kirchlichen Stellung in der Gesellschaft wie auch der Entwicklung der Medien entspricht, wird im Aufbau von Spartensendern wie KiKA, Arte oder 3Sat oder bei Internetformaten von ARD und ZDF sichtbar. Da hier nicht auf jahrzehntelange Erfahrungen und Traditionen aufgebaut werden kann, müssen neue Formate und das Maß kirchlicher Präsenz durch eigenverantwortete Sendungen jeweils neu verhandelt werden. Als Beispiel kann hier auf die Kooperation von ARD und ZDF verwiesen werden, die mit dem Titel „Funk“ im Jahr 2016 ein internetbasiertes Fernsehprogramm für Jugendliche und junge Erwachsene entwickelte (vgl. www.funk.net). Darin sind katholische und evangelische Kirche mit der Sendung „frei.willig. weg“ vertreten.

Zur Geschichte der katholischen Medien gehören seit den 1960er-Jahren auch Unternehmen, mit denen die kirchlichen Medienaktivitäten gebündelt und effektiv gestaltet werden sollten. Zu größerer Bekanntheit gelangte dabei das Verlagshaus Weltbild, das mit Buchläden in ganz Deutschland einer größeren Öffentlichkeit bekannt ist. Vor allem mit seiner Insolvenz im Jahr 2014 erlangte das Verlagshaus traurige Berühmtheit und warf Diskussionen um die Notwendigkeit von Wirtschaftsunternehmen im Besitz von Diözesen auf.130 Andere Unternehmen, wie die Tellux-Gruppe, eine seit 1960 bestehende Produktionsgesellschaft aus 22 Einzelunternehmen, bestehen fort und bilden ein ausdifferenziertes Netzwerk. Dazu gehören Verlage für religiöse und theologische Literatur, zu deren Anteilseignern verschiedene Diözesen gehören (wie z. B. der Benno-Verlag im Besitz von vier ostdeutschen Diözesen), Verlage von Ordensgemeinschaften und Säkularinstituten (z. B. Vier-Türme-Verlag der Benediktinerabtei Münsterschwarzach, Don-Bosco-Verlag des Salesianerordens) und auch Verlage, die sich vorrangig durch ihre Angebotspalette mit religiösen, theologischen oder katechetischen Veröffentlichungen im kirchennahen Umfeld verorten.

Zu den großen Veränderungen der Medienarbeit der katholischen Kirche gehörte die Gründung des Katholischen Medienhauses in Bonn. Unter einem gemeinsamen Dach wurde hier die Katholische Nachrichtenagentur (KNA) mit dem Informationsportal „www.katholisch.de“, der Zeitschrift „Filmdienst“ und bis 2016 der ZEIT-Beilage „Christ und Welt“ (vormals Rheinischer Merkur) zusammengeführt und die Videoproduktion konzentriert.

Das Portal „www.katholisch.de“ gehört in den zurückliegenden Jahren zu den profiliertesten und ambitioniertesten Aufbrüchen der institutionellen katholischen Medienarbeit. Es bildet das lange Zeit erfolglose Bemühen einer gemeinsamen und einheitlichen Medienpräsenz der deutschen Diözesen ab. Neben diesem vielbeachteten Projekt der Bischofskonferenz haben sich freie Initiativen mit großer Kreativität und beachtlichen Nutzerzahlen entwickelt. Im überkonfessionellen Bereich der Printmedien kann dies für das „Froh-Magazin“ gesagt werden. Im Bereich digitaler Veröffentlichungen sind das „sinnstiftermag“ oder seit 2014 das theologische Feuilleton „www.feinschwarz.net“ zu nennen.

2.4. Herausforderungen digitaler Mediennutzung

Insbesondere mit der Entstehung von Massenmedien im 20. Jahrhundert und der flächendeckenden Etablierung von digitalen Medien im 21. Jahrhundert zeigen sich spezifische Fragestellungen, die im Raum von Theologie und Kirche vor allem in zwei Feldern aufgegriffen werden: der Befähigung zum Umgang mit Medien und der Reflexion ethischer Fragestellungen. Auf beide Segmente soll im Folgenden näher eingegangen werden.

2.4.1. Medienpädagogik

Innerhalb der Pädagogik hat sich die Medienpädagogik als Teilgebiet in den zurückliegenden Jahrzehnten zunehmend etabliert.131 Neben medientheoretischen Reflexionen und empirischen Untersuchungen zur Bedeutung von Massenmedien im 20. Jahrhundert wuchs hier in den zurückliegenden Jahrzehnten das Bewusstsein für Medien als Teil der Kultur und der Gesellschaft. Und mit der zunehmenden Durchdringung aller Gesellschaftsbereiche durch digitale Medien gehört der Umgang mit deren Potenzialen zu den zentralen individuellen und kollektiven Kompetenzen. Die Vermittlung von Medienkompetenzen kann dementsprechend nur Teil einer umfassenden Medienbildung sein.132

Medien sind nicht nur Informationsquellen, sie sind auch Instrument zur sozialen Vernetzung und Interaktion. Sie sind in ihrer Prägekraft auf die Identitätsentwicklung, die Orientierung an Vorbildern und die Orientierung an Werten für Heranwachsende von ähnlich großer Bedeutung wie Peergroups.133 Sie sind Ort gesellschaftlichen Lebens und öffentlicher Diskurse. Medien sind damit auch Machtinstrument und können in ihrer Komplexität und gesellschaftlichen Wirkung auch zur Erfahrung von Überforderung führen. Medienpädagogik wird sich deshalb immer auch einer „Ambivalenzdidaktik“134 verpflichtet sehen.135 Zunehmend sind damit in den zurückliegenden Jahren auch im Segment des Religionsunterrichtes Chancen und Ambivalenzen internetbasierter Kommunikation in den Blick gerückt.136 Der Umgang insbesondere mit digitalen Medien macht Mechanismen sozialer Ausgrenzung sichtbar und kann „kommunikationskulturelle Problemlagen“137 verschärfen. Dementsprechend ist die Befähigung zum Umgang mit modernen Medien138 als zentrale Aufgabe jeglicher Pädagogik zu identifizieren. Dazu gehört auch die Wahrnehmung und kritische Reflexion139 von problematischen und Ungerechtigkeiten manifestierenden Mechanismen internetbasierter Kommunikation.

Schon hier wird deutlich, dass sich Medienpädagogik nicht auf didaktische Einzelfragen und die Vermittlung von Kompetenzen beschränken lässt und deshalb zur Medienbildung140 weiterzuentwickeln ist.141

So ergeben sich in der Medienbildung vielfältige Zielsetzungen, neben der Befähigung von Menschen zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit Medien. Medienpädagogik hat in der Ausbildung von Pädagog_innen sowohl im Umgang mit zeitgemäßen Medien zu qualifizieren (Mediendidaktik) als auch für die weitergehenden Effekte der Mediennutzung in Gesellschaft, Familienleben und individueller Entwicklung zu sensibilisieren. Zunehmende Bedeutung erhält dabei ein vernetztes Lernen (Blended Learning), in dem unterschiedliche Lernebenen miteinander verknüpft werden und beispielsweise eine zeitgemäß gestaltete Unterrichtseinheit mit Onlineangeboten verknüpft wird (E-Learning). Diese Kombinationen steigern nicht nur die Flexibilität, sodass Lernangebote orts- und zeitunabhängig werden, was insbesondere im Bereich der Erwachsenenbildung von zunehmender Bedeutung ist. Sie ermöglichen auch eine größere Eigenständigkeit der Lernenden in der Zusammenstellung für ihren konkreten Bedarf im Sinne eines „autonomen Selbstlernens“142 und fördern damit – ein entscheidendes Kriterium für den Einsatz digitaler Medien in der religionspädagogischen Arbeit – die „Selbsttätigkeit“143.

Wenn sich auch in der Religionspädagogik bei Lernenden und Lehrenden in dem Bewusstsein für die Bedeutung von E-Learning und Blended Learning Unsicherheiten ergeben, kann dies viele Gründe haben (z. B. individuell unterschiedliches und generationsspezifisches Mediennutzungsverhalten). Es kann aber im Sinne eines „abduktiven Lernprozesses“144, bei dem in der Verunsicherung die Möglichkeiten neuer Erkenntnisse entstehen, eine Chance ausgemacht werden: Die Gegenüberstellung und profilierte Abgrenzung von Lernenden und Lehrenden wird in der Arbeit mit digitalen Medien nivelliert. Hier entsteht also die Möglichkeit, gemeinsam nach Antworten und Erkenntnissen zu suchen.

Grundlage für eine solche kooperative Konzeption von Religionspädagogik ist die ausreichende Kenntnis zur Nutzung digitaler Medien.145 Die Lernplattformen www.rpi-virtuell.net oder www.rpp-katholisch.de bieten dazu Materialien für die Gestaltung von Religionsunterricht und katechetischen Einheiten. Genauso wie die „Medienstellen“ der Diözesen bieten sie zudem eine Fülle von Materialien an, um der Präsenz von Religion in Internet, Film und anderen Medien nachzugehen. Derartiges Aufspüren bereits praktizierter Religiosität gehört zur religionspädagogischen Vermittlung von Wahrnehmungskompetenz und setzt sich im Kennenlernen kirchlicher Präsenz fort. Als Beispiel aus jüngerer Zeit sei hier auf den Firmkurs „vernetzt“146 hingewiesen, bei dem in die einzelnen katechetischen Einheiten auch die Arbeit mit mobilen Kommunikationsgeräten und Social-Media-Formaten integriert ist.

2.4.2. Medienethik

Mit der flächendeckenden Verbreitung der Internetnutzung im beruflichen und privaten Bereich war zu beobachten, dass hier Herausforderungen für die Formen zwischenmenschlicher Kommunikation entstanden: Wirtschaftsunternehmen und Institutionen entwickelten deshalb schon in den 1990er-Jahren für Mitarbeiter_innen Verhaltenscodices, die sich als Formen der „Netiquette“ verbreitet haben. Diese Entwicklung veranschaulicht, dass mit allen Medien auch spezifische ethische Fragestellungen aufgeworfen werden.

Die bereits aufgezeigte Instrumentalisierung von Medien im Kontext von Propaganda und politischer Manipulation haben bereits ein erstes Feld medienethischer Reflexion aufgezeigt.

Ansätze für die Frage nach einem angemessenen Umgang mit den Medien bestimmen in Deutschland vor allem in der Zeit nach 1945 das Anliegen neu aufzubauender Medienformate, vor allem im Zeitungswesen. Dabei kommt der demokratischen Absicherung durch Rundfunkräte, aber auch der journalistischen Selbstkontrolle ein hoher Stellenwert zu, um einen Schutz vor einseitiger, politischer Einflussnahme zu gewährleisten. Neben dem Schutz der Pressefreiheit (Art. 5 GG) entsteht Regulierungsbedarf insbesondere im Jugendschutz147 und beim Schutz von Persönlichkeitsrechten Einzelner, sodass es auch Missformen der „regulierten Selbstkontrolle“ gibt. Nicht nur aufgrund der technischen Entwicklung, sondern auch aufgrund der sich wandelnden Rechtswahrnehmungen entsteht die Notwendigkeit, das Maß der Regulation immer neu zu bestimmen.148 Die Rede vom „Regulierungsloch“149, etwa hinsichtlich der Verbreitung von privaten Fotoaufnahmen, offenbart, dass medienethische Bewusstseinsbildung und rechtliche Bestimmung mit technischen Entwicklungen wie auch mit dem praktischen Medienverhalten kaum Schritt halten. Die Veränderungen in der öffentlichen Wahrnehmung von Moral und Recht lassen sich leicht am Umgang mit gesellschaftlichen Normen nachzeichnen. Eine herausgehobene Bedeutung kommt in der Selbstkontrolle der Medien seit 1956 dem „Deutschen Presserat“150 zu. Dessen Ziel ist die Wahrung von Pressefreiheit und journalistischen Arbeitsmöglichkeiten (seit 2009 auch in Zuständigkeit für journalistische Onlineangebote). So gehört der Schutz von Journalist_innen ebenso zu seinen Aufgaben wie das Verhindern von Monopolisierungstendenzen, die Vertretung des Pressewesens gegenüber den staatlichen Organen und die Bearbeitung von Beschwerden. Da der Deutsche Presserat lediglich Rügen151 und Missbilligungen aussprechen kann, ansonsten aber nicht über Sanktionsmöglichkeiten verfügt, kommt es immer wieder zu Diskussionen über dessen Effektivität.152 Das größte Problem aber ist seine Beschränkung auf reine Pressearbeit, also seine fehlende Zuständigkeit für Rundfunk, Fernsehen und Internet. Ähnlich ausgerichtete Gremien als Instrumente der Medien-Selbstkontrolle entstanden mit den Rundfunk- und Fernsehräten zur Vernetzung von öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten mit der Zivilgesellschaft und zur unabhängigen Bearbeitung von Programmbeschwerden. Hinzu kommt der Deutsche Werberat153, der sich naturgemäß nicht an journalistischen Grundsätzen der Wahrheit und Informationspflicht ausrichtet.154 Im Bewusstsein dafür, dass auch Werbung in besonderer Weise eine prägende Funktion für öffentliche Kommunikation und Gesellschaftsprozesse eigen ist, richtet sich hier die Kontrolle auf Fragen wie die Frauenfeindlichkeit155, Herabwürdigung von Minderheiten oder auf die Vermeidung von „Schleichwerbung“, also der erkennbaren Trennung von journalistischem Angebot und Werbung.

Da sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts die Grenzen dieser Mediensegmente kaum noch eindeutig ziehen lassen, zeigt sich zunehmend Klärungsbedarf. Überlegungen zu einer alle Medien umfassenden „Stiftung Medientest“156 haben dies zum Ausdruck gebracht.

Unter dem Begriff der Medienethik157 haben sich unterschiedliche Arbeitsfelder und verschiedene Fragestellungen entwickelt, die hier vor allem exemplarisch aufgezeigt werden sollen: ethische Fragen in der Werbung,158 ethische Fragen im Umgang mit Bildrechten und bildethische Reflexionen,159 Manifestierungen von gesellschaftlicher Ungerechtigkeit in der Verstärkung von Geschlechterstereotypen160. Nicht erst in Fragen des Jugendschutzes wird im Hinblick auf Gesetzgebung wie auch in der medialen Selbstkontrolle das Bewusstsein für Wirkungen von Medien und öffentlicher Kommunikation reflektiert.161

Ein besonderes Feld stellen medienethische Fragestellungen im Bereich des Internets und insbesondere der Social Media dar. Aufgrund der jungen Entwicklungsgeschichte ergeben sich viele Fragen, die nicht zuvor schon in ähnlicher Weise gesellschaftlich geklärt werden konnten und Bestandteil einer „Ethik im digitalen Zeitalter“162 sind:

a) der Umgang mit einer Fülle von personenbezogenen Daten, die bei einzelnen Unternehmen gesammelt, für wirtschaftliche Zwecke genutzt oder als Ware Dritten angeboten werden,

b) die Frage von rechtlicher und ethischer Verantwortlichkeit163 weitgehend eigenständig agierender Technik,

c) die Internationalität im Umgang mit Datenschutzbestimmungen,

d) die Suchtgefahren bei internetgestützten Spielen,164 Glücksspiel und Pornografie,165

e) der Umgang mit Anonymität insbesondere im Hinblick auf Straftaten im Bereich des „Darknet“,166

f) die Ausgestaltung des Jugendschutzes in Werbung167 und Film,

g) die mangelnde Transparenz von ökonomischen Interessen innerhalb der verschiedenen Digitalformate und die Auswertung von konsumentenbezogenen Daten,

h) die Wahrung von Urheber_innenrechten,168 für die im Jahr 2017 bei der Interessenvertretung von Autor_innen und Verlagen, der VG-Wort, neue Regelungen gefunden werden konnten.

Um die gesellschaftliche Diskussion dieser Fragestellungen zu forcieren und innerhalb der EU-Staaten zu einer abgestimmten Gesetzgebung zu finden, wurde im Jahr 2016 eine „Digitalcharta“ entwickelt, in der Grundsätze für ethische Bestimmungen zur Digitalität formuliert und in das EU-Parlament eingebracht wurden (www.digitalcharta.eu). Der Diskussionsprozess dazu hält weiter an und kann in einer eigenen Internetpräsenz beobachtet und auch mitgestaltet werden.

Neben dieser Reihe von gesellschaftlichen und politischen Fragestellungen, die auf nationaler und auch auf internationaler Ebene bislang noch der Klärungen und der öffentlichen Meinungsbildungsprozesse bedürfen, gibt es auch eine Reihe medienethischer Fragen, die weniger in der Öffentlichkeit präsent sind und kaum auf eine rechtliche Regelung abzielen. Dazu gehört die Frage, wie angesichts von ökonomischen Zwängen, unternehmerischen Fusionen und der personellen Reduzierung von Redaktionen Qualitätsjournalismus als wichtiger Bestandteil einer demokratischen Gesellschaft gewährleistet werden kann. Des Weiteren: Wie wird der pietätvolle Umgang mit Menschen, die ein Selbstbestimmungsrecht nicht wahrnehmen können oder nicht mehr haben, in einer Gesellschaft konsensfähig gestaltet (z. B. bei der bildlichen Darstellung von Unfallopfern oder in der Kriegsberichterstattung)?

Ein profiliert theologischer Beitrag zu Fragen der Medienethik wurde von Johanna Haberer mit der Formulierung von „10 Geboten für die digitale Welt“169 vorgelegt, in denen vor allem eine ausgeprägte Skepsis gegenüber den Social Media erkennbar wird.

Aktuelle Beschäftigungen mit medienethischen Fragestellungen und Problemfeldern aus katholisch-theologischer Perspektive finden zunehmend in der Zeitschrift „Communicatio socialis“ statt. Bereits 1968 von dem Theologen und Publizisten Franz-Josef Eilers gegründet, wurde die Zeitschrift 2013 in einer Profilierung auf die Medienethik spezifischer ausgerichtet.170

Intensive gesellschaftliche Diskussionen um das Vertrauen gegenüber Informationsangeboten im Internet entstanden bereits in den 1990er-Jahren im Umgang mit dem Online-Lexikon Wikipedia, das sich in kurzer Zeit als allgemein zugängliche Informationsquelle etablieren konnte, in Wissenschaft und Lehre jedoch aufgrund seiner Anfälligkeit für Manipulationen auf starke Vorbehalte traf.171

Auch mit dem Erstarken populistischer Parteien in einer ganzen Reihe westlicher Gesellschaften entstanden gegenüber etablierten Medien eine breit aufgestellte Kritik und der Verdacht der interessegeleiteten Auswahl von Informationen. Diese Auswahl von Informationen ist Bestandteil jeder redaktionellen Arbeit und erzeugt immer wieder Spekulationen über offene und verdeckte Motive für entsprechende Prioritätensetzungen:

Die negative Einschätzung klassischer Medienformate und die Bevorzugung direkter Kommunikation in Social-Media-Formaten, wie z. B. Twitter, bewirken in der Regierungszeit des US-Präsidenten Donald Trump ein gesteigertes Problembewusstsein im Umgang mit Medien.

Neben der geschilderten strategischen Auswahl von Informationen gehören auch lancierte Falschmeldungen, sogenannte „Fake News“, zu aktuellen gesellschaftlichen und politischen Ereignissen. Mit der karikaturesk beschönigenden Umschreibung „alternativer Fakten“ markieren „Fake News“172 nichts anderes als die altbekannten Phänomene von Lügen, Fälschungen und Betrug. Werden diese Phänomene und ihre Auswirkungen auf gesellschaftliche Debatten und konkrete Regierungsarbeit in der Fokussierung auf digitale Medien besonders dramatisch dargestellt, zeugt dies auch von Geschichtsvergessenheit. Das anschaulichste Beispiel liefert hier ausgerechnet die Kirchengeschichte mit der „Konstantinischen Schenkung“. Es handelt sich um eine um 800 n. Chr. gefälschte und auf das Jahr 315 n. Chr. datierte Urkunde, mit der Kaiser Konstantin I. der Kirche bzw. Papst Silvester I. von Rom und all seinen Nachfolgern große Territorien Mittelitaliens überlassen haben sollte. Der auf die Fälschung aufbauende Betrug konnte maßgeblich zum Aufbau der weltlichen Macht des Papstamtes und zur Rechtfertigung der dominanten Position des Patriarchates von Rom gegenüber den östlichen Teilen der Kirche (insbesondere gegenüber dem Patriarchat von Konstantinopel) beitragen. Damit ist die „Konstantinische Schenkung“ ein Inbegriff der menschlichen Erfahrung, dass Fälschungen und Lügen wohl zu allen Zeiten gerade auch in alltäglichen Lebensvollzügen173 unabhängig von ihrer moralischen Bewertung menschliches Zusammenleben geprägt haben. Fake News sind also kein spezifisches Phänomen des 21. Jahrhunderts oder der digitalen Medien, ihre Wahrnehmung und Diskussion erfolgt jedoch mit einer zunehmenden Sensibilität, da die neu entstandenen Medienformate die Filterfunktion von Redaktionen weitgehend eliminiert haben und allen Interessierten die Möglichkeit bieten, aktiv öffentliche Diskurse mitzugestalten. Daraus leitet sich eine gesteigerte Erwartung an die Transparenz von Medienarbeit, politischen Entscheidungen und der Arbeit von Institutionen allgemein ab, wie auch der populäre Ruf nach Authentizität als Bemühen um Vertrauenswürdigkeit und Verlässlichkeit in öffentlicher Kommunikation: Die Schwierigkeit der Bewertung von verlässlichen Informationen erzeugt Unsicherheitserfahrungen („Auf wen ist noch Verlass, wenn sich selbst seriöse Informationsquellen widersprechen?“). Diese Unsicherheit legt zunächst eine Grundhaltung des Verdachtes nahe, der sich kaum durch eigene Überprüfungen ausräumen lässt, als Medienkritik formuliert wird und dabei in extreme Ausformungen von Verschwörungstheorien174 übergeht. Demgegenüber stellen der Ruf nach Transparenz175 insbesondere gegenüber Institutionen und die damit einhergehende Vulnerabilität die Spiegelung der eigenen Verunsicherung dar. Der Ruf nach Authentizität176 von Entscheidungsträger_innen und Informant_innen ist daneben die einzig verbleibende Form der Vergewisserung und Absicherung. Er ist der fast verzweifelte Versuch, einen verlässlichen Realitätsbegriff zurückzugewinnen.177 Der zunehmende Stellenwert von Transparenz und Authentizität zeigt sich damit auch als markantes Ergebnis medialer Entwicklungen. Ob sich die Kirchen als Institution und ihre Amtsträger diesen Erwartungen stellen, etwa im transparenten Agieren bei Skandalen oder im Umgang mit kirchlichen Finanzen, wird vielen Zeitgenossinnen zum Ausweis ihrer Demokratiefähigkeit. Eine unmittelbare Konsequenz für kirchliche Kommunikation und den Verkündigungsdienst ergibt sich aus der gesteigerten Erwartung an Authentizität, insofern die Bedeutung des persönlichen Glaubenszeugnisses178 innerhalb der kirchlichen Verkündigung (z. B. bei der Predigt, aber auch bei kirchlichen Sendungen) an Bedeutung zunimmt.

Im theologischen und kirchlichen Bemühen um Fragestellungen der modernen Medien fällt auf, dass es zu ausgeprägten Einseitigkeiten der medienethischen Themenfelder kommt: etwa die medienethische Profilierung von wissenschaftlichen Instituten und Lehrstühlen oder die medienethische Ausrichtung von diözesanen und überdiözesanen Einrichtungen. Dies zeugt in der Regel einerseits davon, dass deren gesellschaftliche Prägekraft vor allem hinsichtlich ihrer problematischen Aspekte wahrgenommen wird.179 Es ist andererseits Ausdruck einer problematischen Reduzierung der kirchlichen Verkündigung auf moralische und ethische Fragestellungen, die seit der Mitte des 20. Jahrhunderts für die öffentliche Wahrnehmung der katholischen Kirche auf fatale Weise dominierend geworden ist und den Eindruck einer – freilich kaum mehr akzeptierten – „Moralagentur“180 erzeugt. Die Veröffentlichungen der Deutschen Bischofskonferenz wie auch die Einrichtung von Institutionen zeugen von dieser Einseitigkeit und sind damit womöglich Ausdruck von Verunsicherungen und Ressentiments insbesondere gegenüber digitalen Medien auf kirchenleitender Ebene.181

Zugleich stellt die hohe Innovationsgeschwindigkeit der digitalen Medien staatliche Gesetzgebung wie auch die allgemein ethischen Reflexionen vor die Herausforderung je neuer Bewertungen und Einschätzungen. Von dieser Herausforderung sind keine gesellschaftlichen Bereiche ausgenommen, wie z. B. die Vorgaben von kirchlichen Institutionen wie Caritasverbänden und Diözesen für die Aktivitäten ihrer Mitarbeiter_innen im Bereich der Social Media zeigen.

Die in den Social Media vervielfachte Zahl möglicher Informationsquellen und -formate können für Nutzer_innen (Rezipient_innen) zu einem Überangebot von Nachrichten führen. Die Bewertung unterschiedlicher Informationsquellen und die Reflexion der eigenen, selektiven Wahrnehmung als Grundkompetenz bürgerlichen Medienverhaltens sind damit auch elementarer Bestandteil moderner Medienpädagogik. Gerade im Segment der Social Media verschmelzen zudem die klassischen Rollen von Anbieter_innen und Nutzer_innen. Frühere Monopolstellungen zur Steuerung von öffentlicher Kommunikation sind dadurch obsolet geworden, wie sie beispielsweise für die staatlichen Sicherheitsbehörden wie die Polizei im Rahmen eines Katastrophenfalls akzeptiert waren. Niemand käme auf die Idee, im Rahmen eines Amoklaufes, wie er 2016 in München stattfand, sich durch eine polizeilich verordnete Nachrichtensperre am Posten von Bildern hindern zu lassen. Daraus entstehen nicht nur für staatliche Institutionen Anfragen an die Sicherheitsstruktur einer Gesellschaft. Die Möglichkeiten zur Veröffentlichung von Fotos, Audio- und Videoaufnahmen oder einfachen Statements von jedermann/–frau zu jeder Zeit nivelliert sehr weitgehend traditionelle Autoritäten: Hochschuldozent_innen, deren Vorlesungen aufgenommen und veröffentlicht werden; Prediger_innen und Liturg_innen, deren Gottesdienste im Livestream übertragen werden. Sie alle erleben die Ambivalenz eines potenzierten Wirkradius und damit die Aufwertung des gesprochenen Wortes durch zeitnahe Veröffentlichung.

Versuche, mit dem „Recht am eigenen Bild“ widerstrebende Rechte miteinander abzustimmen, erscheinen eher hilflos.

Verbunden ist mit der Nivellierung traditioneller Autorität eine Pluralisierung und Zunahme derer, die Informationen veröffentlichen.182 So ist die Autoritätsnivellierung mit einer Demonopolisierung von Redaktionen und journalistischen Berufen verbunden.183 Jeder und jede kann sich aktiv zu jedem Sachverhalt öffentlich äußern und damit den persönlichen Wirkradius der eigenen Meinung erweitern. Der Soziologe Hartmut Rosa hat darauf verwiesen, dass insbesondere digitale Medien deshalb durch zwei Effekte bestimmt sind: die Beschleunigung184 (gesellschaftlich wie auch persönlich) und das Bemühen um Resonanz185.

1 708,50 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
331 стр. 3 иллюстрации
ISBN:
9783429063887
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

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