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Die kulturwissenschaftliche, philosophische und theologische Reflexion des Bildes und seiner Wahrnehmung erfolgt weitgehend in den Feldern von Ästhetik und Phänomenologie.68

Im Kontext der Medienentwicklung des 20. Jahrhunderts fällt auf, dass das Bild hier zunehmend die Funktionen der Bezeugungsinstanz69 und der Bindung von Aufmerksamkeit70 (etwa im Sinne phatischer Kommunikation) übernimmt – und darin hinter den eigentlichen Potenzialen der Bildmächtigkeit zurückbleibt. Gleichwohl steht solch eine Entwicklung auch einer ganzen kulturgeschichtlichen Reihe von „Pictorial Turns“71, in denen die eine eindeutige Abgrenzung von bildlichen und sprachlichen Elementen ebenso problematisch wäre wie eine eindeutige Bestimmung visueller Medien in der Moderne.

In einer Mediengesellschaft, in der die Bildmedien zu einer dominierenden Stellung gelangen,72 findet sich die katholische Kirche in einer ungewohnten und vieldimensionalen Situation wieder: Hochformen barocker Kirchengestaltung, eine ungebrochene Spiritualität der Ikonographie und eine sinnenfreudige Liturgie gehen hier mit einer ins Geheimnisvolle changierenden Intransparenz organisationaler Abläufe ein Gemenge ein, das Raum für Verschwörungstheorien und Vorlagen für fiktive Romane bietet. Ist die katholische Kirche damit tatsächlich eine ideale Medienreligion? Stimmt die Annahme, müsste sich damit ein großes Evangelisationspotenzial verbinden. Das ist jedoch kaum zu beobachten.

Dass sich eine Bild-Religion in einer auf Bilder ausgerichteten Mediengesellschaft erkennbar schwertut, ihre Rolle zu finden, könnte in einem Paradox begründet sein: Während die klassische ikonographische Bedeutung des Bildes darin liegt, Menschen in andere Welten und komplexe religiöse Wirklichkeiten zu führen, besteht die Funktion des Bildes in modernen Mediengesellschaften gerade in der Reduktion von Komplexität und der Steigerung von Verständlichkeit.

Die katholische Kirche vermag zwar nach wie vor, in der klassischen Logik des Bildes zu agieren. Sie ist aber durch die visuelle Praxis der Postmoderne herausgefordert, sich auf gesellschaftliche Mechanismen einzulassen, von denen ihre eigenen Mitglieder und verantwortlichen Akteur_innen ohnehin auch selbst geprägt sind.

Insofern Aufmerksamkeit73 eine bestimmende Währung in einer Mediengesellschaft darstellt, scheint sich dabei für den bilderfreudigen Katholizismus tatsächlich ein großes Anknüpfungspotenzial zu ergeben. Begleitet wird dieses Potenzial jedoch von bitterer Ernüchterung: der medial-bildlichen Inszenierung von Papstwahlen74, Papst-Requien oder auch einer Fülle von sympathischen Bildern im Pontifikat Papst Franziskus steht eine optische Realität in Diözesen, Pfarreien und kirchlichen Einrichtungen gegenüber, die vor allem als Professionalitätsdefizit erlebt wird.75 Die Wahrnehmung kirchlicher Optik vor Ort bleibt in der Regel genauso hinter dem eigenen Anspruch zurück, die Verkündigung des Reiches Gottes zumindest zu unterstützen, wie dies in weltkirchlichen Bezügen zu beobachten ist (z. B. bei Weltjugendtagen). Die hier erkennbare Herausforderung wurde in den Skandalen um den Bau des Limburger Bischofshauses unübersehbar, in dem neben vielen Problemstellen auch die Kehrseite der optischen Affinität der katholischen Kirche erkennbar wurde: das Bild einer luxuriösen Sanitäreinrichtung wurde zum Negativsymbol einer verschwendungssüchtigen und klerikalistischen Institution, die zentrale Elemente ihrer eigenen Botschaft konterkariert.

Der Soziologe Hans Jonas wie auch der Medientheoretiker Vilém Flusser sehen in der menschlichen Fähigkeit, aus dem gesehenen Gegenstand durch Vorstellungskraft und Imagination ein Abbild zu schaffen, das Prinzip menschlicher Kommunikation überhaupt.76

Mit der gesellschaftlich zunehmenden Bedeutung digitaler Medien steigern sich auch die Inszenierungstendenzen77, also auch die Bedeutung des Visuellen. In der Stellungnahme „Virtualität und Inszenierung“ der Publizistischen Kommission der DBK wird diese Bedeutung des Bildes aufgegriffen und in medienethischer Einordnung reflektiert.

Eine besondere Rolle kommt in der Entwicklung medientheoretischer Ansätze der Fotografie78 zu, mit der sich etwa Walter Benjamin (1892–1940) in seiner „Kleinen Geschichte der Photographie“79 beschäftigt.80 Ihm ist auch der technische Fortschritt wichtig, der sich zunächst vor allem aus der Reproduzierbarkeit des Bildes ergibt, vor allem aber eine Geschichte des Lesens von Fotografie. Bestandteil dieses Lesens ist die Wahrnehmung der Aura der Fotografie, die eng mit der Welt bürgerlicher Aufstiegshoffnungen des 19. Jahrhunderts, dem Interesse an Inszenierungen und der Positionierung zwischen Kunst und Technikeuphorie verbunden ist.81 Mit ihm entsteht zudem ein Bewusstsein für die Bedeutung der Reproduktion.82

Sie bewirkt im 19. Jahrhundert nicht nur eine grundlegende Diskussion über den Kunstbegriff der Fotografie beziehungsweise den durch sie veränderten Kunstbegriff. Diese Auseinandersetzung wiederholt sich im 20. Jahrhundert im Umgang mit dem Film und der Entstehung der Filmtheorie83.

Gerade die Reproduzierbarkeit des Bildes in der Fotografie ermöglicht zunächst eine archivarische Funktion (etwa in der Popularität von Familienfotografien und Porträts84), später auch eine dokumentarische Funktion (im Aufkommen von Kameras in Privatbesitz und ihrer Verwendung im Zweiten Weltkrieg). Einerseits wird die Fotografie in der Nachkriegszeit des 20. Jahrhunderts zu einem Teilgebiet des Journalismus. Andererseits etabliert sie sich im Kontext der modernen Kunst85 und ordnet sich so in die Kulturgeschichte86 ein. Es kommt also zu einer deutlichen Weitung eines auf technische Bezüge reduzierten Fotografie-Verständnisses.87

Schließlich wird auch die Fotografie durch die Entwicklung der Digitalisierung grundlegend verändert, und dies nicht nur hinsichtlich der technischen Weiterentwicklungen und der Arbeitsbedingungen innerhalb des Fotojournalismus. Die Möglichkeiten, mit einem einfachen Smartphone relativ hochwertige Spontanaufnahmen anzufertigen und eigene Fotoaufnahmen auf Online-Plattformen wie www.flickr.com oder www.photocase.com anzubieten und zu vermarkten, erzeugt neue bildethische Fragestellungen,88 macht die Fotografie zu einem Feld der digitalen Massenkultur und erschwert die Profilierung professioneller Berufsbilder. Insbesondere die breite gesellschaftliche Etablierung von „Selfies“ mit Hilfe von mobilen Digitalgeräten (in der Regel Smartphone oder Tablet) kann zu einer philosophischanthropologischen Reflexion des Fotos in seiner Bedeutung für die Selbstwahrnehmung und die Inszenierung in der Öffentlichkeit führen.89

2.2. Wie ticken die „Digital Natives“?

Jüngere Bevölkerungsgruppen, zu deren Kindheitserfahrungen spätestens ab der Grundschule, häufig aber schon im Vorschulalter die Nutzung von digitalen Medien und mobilen Kommunikationsgeräten gehören, werden im Rückgriff auf Marc Prensky, John Palfrey und Urs Gasser90 als „Digital Natives“ bezeichnet. Häufig werden sie in soziologischen Ansätzen mit der „Generation Y“91 identifiziert und mit leichten Divergenzen in den Geburtsjahrgängen ab (!) 1980 verortet. Insbesondere die selbstverständliche Nutzung digitaler Medien,92 aber darüber hinaus auch andere soziologische Merkmale, wie ein verändertes Bewusstsein für ein ausgewogenes Verhältnis von Arbeit und Freizeit93 (Work-Life-Balance) oder Veränderungen im Konsumverhalten (abnehmende Bedeutung von immobilen Statussymbolen) bewirken in vielen Ansätzen eine scharfe Kontrastierung gegenüber älteren Bevölkerungsgruppen.94

In Verbindung mit dem technischen Fortschritt, der auch eine mobile Nutzung digitaler Medien ermöglichte, lässt sich beobachten, dass kein gesellschaftlicher Bereich moderner Gesellschaften von dem Einfluss digitaler Medien unbeeinflusst geblieben ist und bleibt. Eine Gegenüberstellung von digitaler und realer Welt, oftmals verbunden mit einer Wertung und häufig auch einer romantisierenden Verklärung der Vergangenheit („Wir haben uns früher noch ohne WhatsApp und Handy vor dem Freibad verabredet!“) erscheint kaum noch plausibel. Besondere Fokussierungen erfolgen in der Regel mit Blick auf generationsspezifische Lebensformen und Konsequenzen für die Arbeitskultur und das Arbeitsverständnis.95

Die selbstverständliche Nutzung digitaler Medien ist für Prensky Anlass, Konzepte des E-Learning und damit internetgestützte Formate pädagogischer Arbeit innerhalb des schulischen Unterrichts wie auch in außerschulischen Angeboten zu entwickeln und zu etablieren.

„Digital Natives“ sind jedoch nicht nur durch die größere Selbstverständlichkeit in der Nutzung digitaler Medien zu bestimmen. Aus ihrer Medienprägung ergeben sich Konsequenzen für die Ausbildung persönlicher Identitäten und Fragen der Selbstwahrnehmung, für eine veränderte Verhältnisbestimmung von Privatheit und Öffentlichkeit (insbesondere hinsichtlich des „digitalen Fußabdruckes“, also der Daten, die jeder Mensch bei der Nutzung des Internets produziert), der Fähigkeit zu kritischer Reflexion von Informationsangeboten, der Wahrnehmung von Suchtpotenzialen und in vielen anderen Bezügen.

Insbesondere die erwerbstätige Bevölkerungsgruppe, die bis in die Mitte des 21. Jahrhunderts die Arbeitswelt prägen wird, wären demnach mehrheitlich als „Digital Immigrants“96 zu bestimmen: Sie eignen sich erst im Laufe ihrer Ausbildungsbiographie oder ihres Berufslebens die unterschiedlichen Fähigkeiten zur Nutzung und Gestaltung digitaler Medien an – um die fehlende Selbstverständlichkeit im Umgang mit ihnen zu ersetzen.97

Parallel zeichnet sich ab, wie sehr die Eigenarten der „Digital Natives“ zunehmend die verschiedenen Gesellschaftsbereiche bestimmen werden. Dies gilt etwa für die Arbeitswelt, die aufgrund der technischen Entwicklung massive Verdichtungen erfährt (z. B. ermöglichen bildgestützte Telefonkonferenzen via Skype eine große Effektivitätssteigerung der beteiligten Arbeitnehmer_innen). In wirtschaftlichen Prozessen, wie sie mit der gesellschaftlichen Etablierung des Online-Banking, mit Internetportalen für den Online-Handel wie Amazon oder eBay mit Beginn des 21. Jahrhunderts auch breite Bevölkerungsschichten erreicht haben, ist zu beobachten, dass mit den digitalen Medien auch das Konsumverhalten von Verbraucher_innen massiven Wandlungsprozessen unterliegt. Hier wird sichtbar, dass digitale Medien kein separater Bereich privater Lebensvollzüge, sondern ein alle Gesellschaftsbereiche durchziehendes Kontinuum darstellen. Längst ist die klassische Unterscheidung von virtueller98 und realer Welt in dieser Entwicklung obsolet geworden.99 Einerseits dürften sich damit auch Typologien wie „Digital Natives“ und „Digital Immigrants“ nivellieren und einebnen. Inwiefern es sich hierbei um eine unzulässige Komplexitätsreduktion handelt, ist Gegenstand anhaltender Diskussionen. Andererseits fällt auf, dass es insbesondere in der Soziologie mit einer systemtheoretischen Prägung kaum möglich ist, in der Digitalität überhaupt ein alle Gesellschaftsbereiche (und damit alle Systeme) bestimmendes Phänomen und Charakteristikum der Postmoderne auszumachen.100

2.3. Kirchliches Medien-Engagement

Kirchliche Medienarbeit ist mehr als das Marketing einer Organisation,101 die wie alle gesellschaftlichen Institutionen von Bekanntheit leben, um Mitglieder und Anhänger zu gewinnen und an sich zu binden. Kirchliche Medienarbeit als eine Ausformung kirchlicher Verkündigung gehört zum Selbstverständnis christlicher Nachfolge schlechthin. Neben dieser Einordnung der Medienarbeit in den Kontext der Verkündigung des Glaubens an die Reich-Gottes-Botschaft Jesu kommt es aber seit der Mitte des 20. Jahrhunderts und der gesellschaftlichen Verbreitung von bildgebenden Medien (zunächst vor allem des Fernsehens) zu einer beachtlichen Mediatisierung der katholischen Kirche, für die in besonderer Weise das Pontifikat Papst Johannes Pauls II. und die Einrichtung von Weltjugendtagen als herausragendes, internationales Medienereignis angesehen werden können.

Wie kein anderes Pontifikat zuvor war das Johannes Pauls II. durch eine beeindruckende Reisetätigkeit und ein Bewusstsein für die politischen Potenziale des Amtes geprägt. Ausdruck dieses Bewusstseins ist die Inszenierung von Bildern als selbstverständlicher, zugleich bewusst gestalteter Bestandteil des kirchlichen Amtsverständnisses: das Küssen des Bodens zu Beginn jedes Auslandsbesuchs, Bilder von Massengottesdiensten, der Gefängnisbesuch bei dem Papstattentäter Atta bis hin zum sterbenskranken Papst am Fenster des vatikanischen Palastes und dem Abschluss im Pontifikalrequiem.102

Die in Tradition und Geschichte verankerte, aber im 20. Jahrhundert mithilfe der bildgebenden Medien ausgebaute Affinität des Katholizismus zum Bild lässt sich als „Spiel von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit“103 verstehen.

Unter Papst Benedikt XVI. kam es zu bemerkenswerten Aufrufen an Kirchenmitglieder und auch an Kleriker, die sozialen Kommunikationsmittel aktiv zu nutzen. Dem entsprechen neue Initiativen auf Seiten des Vatikan zur eigenen Nutzung der Social Media, wie etwa die Internetpräsenz „pope2you.net104.

Auch auf diözesaner und örtlicher Ebene ist es in der katholischen Kirche Deutschlands seit 2005 zunehmend zur Entwicklung von Verkündigungsformaten mit einer Fokussierung auf den Social Media gekommen:

– Die Entwicklung eigener Apps als Programme für mobile Digitalgeräte bieten klassische Gebets- und Liturgieformen an. Dazu gehört etwa das Angebot des Stundengebets und der täglichen liturgischen Texte durch das Deutsche Liturgische Institut.

– Die Angebote im Bereich der Berufungspastoral mit YouTube-Produktionen, wie z. B. „Valerie und der Priester“.

– Klassische katechetische Materialien, wie „Mein Gott und Walter“.

– Kirchliche Verkündigungssendungen im Rahmen des digitalen Programms „Funk“ der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender, wie „frei.willig.weg“.

Viele dieser Aktivitäten werden auf der seit 2004 bestehenden Internetplattform katholisch.de vernetzt oder eigens dafür produziert. Sie stellt das reichweitenstärkste Forum für katholische Medienarbeit im Bereich der digitalen Formate dar und ergänzt die ältere Plattform www.fernsehen.katholisch.de.

Durch diese Initiativen im Bereich digitaler Medien und vor dem Hintergrund gegenwärtiger kirchlicher Krisenphänomene entwickeln sich immer wieder Diskussionen um geeignete und zeitgemäße Formen der religiösen Kommunikation. Zu beobachten sind dabei enorme qualitative Schwankungen, Diskrepanzen zwischen zeitgemäßen, digitalen Projekten und klassischen Formaten, wie z. B. den Kirchenzeitungen oder der Predigt, in denen oftmals die Problematik einer milieuverengten kirchlichen Situation sichtbar wird.105

Drei Gruppen von Medienangeboten lassen sich dabei unterscheiden:

1. Produkte, die eigens von kirchlichen Einrichtungen oder in deren Auftrag mit dem Anliegen kirchlicher Glaubensverkündigung entwickelt worden sind.

2. Verkündigungssendungen, die auf der Basis der Konkordate, also staatskirchenrechtlicher Verträge, von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten produziert, inhaltlich aber von der Kirche verantwortet werden.

3. Produktionen, die in Verantwortung von dritten Akteuren, wie Privatpersonen, Produktionsfirmen oder Initiativen, entwickelt und produziert werden und aufgrund ihrer inhaltlichen Ausrichtung eine große Nähe zu Themen kirchlicher Verkündigung erkennen lassen, als didaktisch-katechetische Arbeitsmittel eingesetzt werden oder einfach grundlegende Fragen menschlichen Lebens (direkt oder indirekt) aufgreifen und kirchliche Bezüge nahelegen.

Stärker als über schriftliche Verlautbarungen oder Predigten ereignet sich die Kommunikation im Bild und wird damit ihrerseits von modernen Medien bestimmt. Sie wird Bestandteil einer „Weltkommunikation“106, in der die Macht der Bilder zu einer bestimmenden politischen Größe wird. Erst dem argentinischen Papst Franziskus gelingt es, aufgrund seiner Spontaneität an diesen Trend anzuknüpfen. Ihre Höhepunkte findet diese Form moderner kirchlicher Medienarbeit und Verkündigung in den Events der Weltjugendtage. Sie fungieren als inszenierte Symbiose von Jugendkultur und Papstamt und zeigen dabei die Ambivalenz einer verstärkten Papstzentrierung der Kirche mit entsprechenden Risiken: „Durch das Papstamt verfügt die katholische Kirche über eine einfache und für die Religion konforme Möglichkeit, ihr Glaubensangebot in einer personifizierten Weise zu kommunizieren: Sie hat eine Person, die qua Amt den katholischen Glauben symbolisiert.“107 Das Risiko, das die Ambivalenz dieser Entwicklung ausmacht, besteht darin, dass die auf das singuläre Amt fokussierte Aufmerksamkeit zentrale theologische Positionen, etwa die der Volk-Gottes-Theologie, konterkarieren kann und die Chancen für die Vermittlung zentraler Inhalte mit der Begeisterung eher ab- als zunehmen.

Wenn weltweit Säkularisierungsprozesse im 21. Jahrhundert weiter fortschreiten, wie dies nachweislich zumindest für wirtschaftlich prosperierende Gesellschaften von den Religionssoziologen Detlef Pollack und Gergely Rosta108 analysiert wurde, markiert dies auch eine Krise der kirchlichen Verkündigung.

2.3.1. Der Pfarrbrief als Beispiel unterschätzter Potenziale

Ein Print-Medium, das über lange Zeit auch innerkirchlich in seiner Bedeutung stark unterschätzt wurde und oftmals noch wird, stellen Schriften auf Pfarr- und Gemeindeebene dar. Die Deutsche Bischofskonferenz hat dazu 1995 und 2001 Grundlagenpapiere veröffentlicht. Diese Mitgliedermagazine firmieren in der Regel unter dem Titel „Pfarrbrief“109 und werden von Pfarreien verantwortet. Unter dem übergeordneten Titel gibt es nicht nur eine große Bandbreite in der inhaltlichen Gestaltung von einfachen Gottesdienstordnungen bis hin zu redaktionell erstellten Zeitschriften. Die inhaltliche Bandbreite wie auch die Professionalität in der grafischen Gestaltung drücken die jeweilige Zielrichtung der „Pfarrbriefe“ aus. Ob ein Pfarrbrief sich in einer Auflage von wenigen hundert Exemplaren auf die aktiven Gottesdienstbesucher_innen ausrichtet110 und lediglich in der Kirche zur Mitnahme angeboten wird, bildet eine tendenziell verengte Wahrnehmung kirchlichen Lebens ab. Gerade in der Zusammenlegung mehrerer Pfarreien zu Groß-Pfarreien sind vielerorts Bemühungen entstanden, mit den Pfarrbriefen alle Kirchenmitglieder innerhalb des Pfarrgebietes zu erreichen und sie in die Gestaltung eines Medienkonzeptes auf Pfarreiebene mit entsprechender Internetpräsenz zu integrieren. Viele Pfarrbriefe erreichen damit eine Auflagenstärke von mehr als 10.000 Exemplaren. Sie werden überwiegend in ehrenamtlichen Redaktionsteams erstellt und oftmals auch noch von Ehrenamtlichen als Hauswurfsendung verteilt: „Kein anderes Medienangebot, das über kirchlich-religiöse Themen informiert, erreicht Katholiken besser als dieses Basismedium.“111

Bemerkenswert erscheint zudem die starke Beachtung durch die Adressat_innen.112 Die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale ergeben sich daher aus der grundsätzlichen Ausrichtung eines Pfarrbriefes. Sowohl in der redaktionellen Erarbeitung und den journalistischen Beiträgen wie auch in Design und Layout kommt es bei dem wichtigsten Medium der Kirche immer noch zu Qualitätsdefiziten113, so dass eine Diskrepanz zu den Standards anderer Postwurfsendungen oftmals unübersehbar ist.

Um Pfarreien im Bemühen um die Gestaltung ihrer Mitgliedermagazine zu unterstützen, wurde bereits 2002 der überdiözesane Hilfsdienst www.pfarrbriefservice.de gegründet. Ähnliche Unterstützungsformen bieten einzelne Diözesen bei dem Design und der Pflege von Internetseiten an wie auch mit dem Angebot von Fortbildungsmaßnahmen für Haupt- und Ehrenamtliche.

Neben den neuen Aufbrüchen, die in der inhaltlichen und grafischen Gestaltung von Pfarrbriefen im Zuge von strukturellen Veränderungen der Pfarreien zu beobachten sind, wie auch im gewachsenen Bemühen, gemeindliche Milieuverengungen auch in der Ästhetik der pastoralen Praxis kritisch zu reflektieren, gibt es mittlerweile ähnliche Initiativen auf diözesaner Ebene.

Die Diözese Essen beschloss 2013 als erste angesichts des eklatanten Rückgangs von Abonnementzahlen die Einstellung ihrer diözesanen Kirchenzeitung114 zugunsten einer neuen Mitgliederzeitschrift mit dem Titel „Bene“. Solche Mitgliederzeitschriften, die vorrangig aus Kirchensteuermitteln finanziert werden, konnten sich jedoch auch nach diözesanen und lokalen Versuchsphasen bislang nicht etablieren. Sie markieren zudem den Übergang von kirchlichem Journalismus zu einem bloßen Kirchen-Marketing.115 Es kann davon ausgegangen werden, dass eine derartige Mitgliederzeitschrift sehr viel stärker der veränderten Verhältnisbestimmung von Kirchenmitgliedern entspricht, die zwar nur punktuellen Kontakt zu Gottesdiensten oder gemeindlichem Leben suchen, sich aber dennoch bewusst für ein Verbleiben in der Kirche entschieden haben und diese mit der Zahlung ihrer Kirchensteuer unterstützen.

2.3.2. „Körperschaft öffentlichen Rechts“

Das kirchliche Medien-Engagement baut auf einer Reihe von rechtlichen Grundlagen auf, die in Deutschland das Verhältnis zwischen Staat und Kirche als Kooperationsmodell fundieren. Dies ermöglicht es den Kirchen als Körperschaften öffentlichen Rechts auch innerhalb staatlicher beziehungsweise öffentlich-rechtlicher Rundfunkangebote, eigene Sendeplätze mit rein kirchlichen Themen und in eigener Verantwortung für die inhaltliche Gestaltung zu prägen.

Damit stellt die deutsche Situation des Kooperationsmodells zwischen dem Staat und ausgewählten Religionsgemeinschaften im Status einer „Körperschaft öffentlichen Rechts“ im Vergleich zu fast allen anderen Staaten einen Solitär dar: Es bietet den rechtlichen Rahmen für eine ganze Reihe religiöser Verkündigungsmöglichkeiten innerhalb öffentlich-rechtlicher Medien. Im vierzehntägigen Rhythmus werden beispielsweise evangelische und katholische Sonntagsgottesdienste in ARD oder ZDF übertragen. Das „Wort zum Sonntag“ stellt ein weiteres Beispiel für derartige Kooperationen dar. Mit ihm erhalten die großen christlichen Kirchen einen prominenten Sendeplatz im Samstagabendprogramm der ARD.116 Als zweitälteste Sendung im deutschen Fernsehen ist das „Wort zum Sonntag“ immer wieder auch aufgrund seiner klassischen Gestaltung belächelt und in seinem Bedeutungsverlust analysiert117 worden. Es verfügt aber dennoch über eine beträchtliche Einschaltquote und erreicht durchschnittlich etwa eine Million Zuschauer_innen.118 Die Formen der Kooperation zwischen Staat und Gesellschaft stellen nicht nur ein Spezifikum des bundesdeutschen Verhältnisses von Staat und Kirche dar: „Diese rundfunkstaatsvertraglich abgesicherte Zugangskonstellation, in deren Zusammenhang man auch vom sogenannten Drittsenderecht der Kirchen spricht (eigenverantwortliche Sendungen Dritter!), stellt für die Verkündigung der Kirche im öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem – auch im Blick auf andere Systeme weltweit – ein nicht zu unterschätzendes Privileg dar.“119 Diese Privilegien verdeutlichen auch, dass kirchliche Sendungen in den staatlichen Medien auf eine gesamtgesellschaftliche Verantwortlichkeit ausgerichtet sind und inhaltlich nicht bloß auf einen rein binnenkirchlichen Adressat_innenkreis ausgerichtet sein sollen.

Ähnliches gilt für Morgenandachten120 und andere kirchliche Sendungen im Hörfunk, die auf „Drittsenderechten“ aufbauen, eine gesellschaftliche Pluralität innerhalb des öffentlich-rechtlichen Rundfunks abbilden und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt dienen sollen.121 Auch hier wurde mit der Etablierung digitaler Medien immer wieder eine Krise bis hin zum Niedergang des ganzen Mediums prognostiziert. Dennoch hat sich der Hörfunk einen festen Platz im Zusammenspiel unterschiedlicher Medien erhalten können.

Ein herausragendes Beispiel für kirchliche Präsenz in Programmen von privaten Fernsehsendern ist die Serie „Schwarz greift ein“, die seit 1999 für den Sender Sat1 produziert wurde und eine kirchliche Kooperation im Rahmen des Unterhaltungsprogramms darstellt.

Die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten und Privilegien, die den Kirchen im öffentlichen Rundfunk und (in deutlich geringerem Umfang) auch bei privaten Sendern zugestanden werden, haben Überlegungen zu eigenen Fernseh- und Rundfunksendern in alleiniger Verantwortung der Kirchen immer wieder blockiert. Zwar gibt es entsprechende Angebote in vielen anderen Staaten.122 Sie sind jedoch nur mit einem enormen finanziellen Aufwand möglich und erreichen in der Regel nur eine sehr viel kleinere Zuschauer_innen- und Zuhörer_innenschaft aus kirchlich fest beheimateten Kreisen. In dem Kooperationsmodell kirchlicher Verkündigungssendungen innerhalb nichtkirchlicher Medienangebote entsteht hingegen eine sehr viel größere Reichweite, die Möglichkeit, die begrenzten Zielgruppendefinitionen123 einer ohnedies milieuverengten Kirchenmitgliedschaft zu überschreiten und ein Einbringen in gesamtgesellschaftliche Diskurse. Diese größere Zielgruppenbreite auf Basis des Kooperationsmodells ergibt sich auch durch Programmgestaltung und Ausrichtung einzelner Medienangebote.

So richtet sich das Rundfunkangebot des Deutschlandradios an einem stärker akademisch ausgerichteten Adressat_innenkreis aus. Ansätze, mit Rundfunkangeboten auch jüngere Bevölkerungsschichten zu erreichen, haben zur Entstehung neuer Sender, wie z. B. „1Live“, geführt. Seit der Jahrtausendwende konnten sie sich auffallend erfolgreich einerseits gegenüber Fernsehsendern wie MTV und auch gegenüber digitalen Medien behaupten. In ihrer Unterschiedlichkeit wird schnell erkennbar, dass kirchliche Sendebeiträge124 hier von Menschen wahrgenommen werden, die sonst kaum durch klassische Verkündigungsformen der Kirchen erreicht werden.125 Dieses „Erreichen“ neuer Hörer_innen und Zuschauer_innen ist jedoch nicht in einer restaurativ-missionarischen Form zu instrumentalisieren. Es ist vielmehr ein Lernort für die Kirche selbst, die hier ohne Rückgriffe in vormoderne Machtmechanismen ausschließlich Inhalte ihrer Botschaft und deren Konfrontation mit den alltäglichen Lebenserfahrungen als etwas „Lebensrelevantes“126 anzubieten hat.

Das Verhältnis von Religion und Öffentlichkeit unterliegt in modernen Gesellschaften massiven Wandlungsprozessen. Die Präsenz von (meist extremistischen) Ausformungen von Religion in den Medien und öffentlichen Debatten im 21. Jahrhundert sind vereinzelt sogar Anlass, von einer „Wiederkehr der Religion“ zu sprechen.

In dem Bemühen von medienhermeneutischen Ansätzen wird ein prophetischer Ansatz bedeutsam, der nicht nur von vagen Zukunftsprognosen und auch nicht nur von kritischen Gegenwartsanalysen bestimmt ist, sondern sich als aktives Einmischen in Prozesse der Gegenwart versteht, um darin zeitgenössische Solidarität zu realisieren. So ist die naheliegende Frage, wie ein „Einmischen“ in den Mediensektor in der katholischen Kirche beobachtet und analysiert werden kann.

In der Nachkriegsgeschichte der katholischen Kirche in Deutschland sind mit der institutionellen Ausdifferenzierung der Kirche auch eine Fülle von Medienaktivitäten entstanden. Besondere Impulse gingen zudem vom Zweiten Vatikanischen Konzil und dem Dekret „Inter Mirifica“127 zum Umgang der Kommunikationsmittel aus.

Zu ihnen gehören auf Ebene der Diözesen Pressestellen, aber auch religions- und medienpädagogische Arbeitsstellen, die einerseits Medien für Katechese und Religionsunterricht für Haupt- und Ehrenamtliche anbieten und andererseits der Entwicklung von Medienkompetenzen bei pastoralen Akteur_innen fördern sollen. Im weiteren Sinn sind auch Diözesanbibliotheken und Pfarrbibliotheken zu diesem Angebot zu zählen. Einzelne Diözesen haben darüber hinaus in der Gestaltung eines eigenen, regionalen Medienprofils profilierte Schwerpunkte gebildet. Das kann beispielhaft an dem Internetradio www.domradio.de der Erzdiözese Köln veranschaulicht werden, aus dem seit seiner Gründung im Jahr 2000 ein wichtiger Anbieter von kirchlichen und gesellschaftlichen Informationen, Debatten und gottesdienstlichen Angeboten geworden ist.

Zahlreiche Medienaktivitäten wurden zudem auf Bundesebene gebündelt und in Trägerschaft der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) entwickelt. Dies galt für den „Film-Dienst“, bei dem alle in Deutschland gezeigten Kinofilme in einer eigenen Zeitschrift rezensiert wurden. Im Jahr 2004 kam das gemeinsame Internetportal www.katholisch.de hinzu. Es gilt als Beispiel dafür, dass journalistisches Arbeiten zunehmend im Rahmen eines kirchlichen Angebotes an Bedeutung gewinnt.

Zu den großen Ansätzen der Bischofskonferenz gehört ein eigenes Institut zur Ausbildung von Journalist_innen, das 1968 gegründet wurde. Es hat sich weit über kirchliche Kreise hinaus einen herausragenden Ruf in der Szene journalistischer Ausbildung erworben. Seit 2008 residiert das „Institut zur Förderung des publizistischen Nachwuchses“ (ifp) in München und bietet studienbegleitende Ausbildungsgänge und berufsbegleitende Seminare an.

Ähnliche Ausbildungsangebote zur Vermittlung journalistischer Kompetenzen werden von kirchlichen Einrichtungen auch im Umfeld universitärer Felder angeboten. Sie verstehen sich in der Regel als Beitrag, Kommunikationsprobleme128 zwischen kirchlicher Öffentlichkeitsarbeit und Journalist_innen zu verringern. Eng verbunden mit der Qualifizierung journalistischer Nachwuchskräfte und der Arbeit von www.katholisch.de ist die Katholische Nachrichtenagentur (KNA). Sie bietet kirchliche und kirchennahe Informationen, unterhält Korrespondentenbüros, Landes- und Regionalbüros.

In weitgehender institutioneller Unabhängigkeit ist schon 1995 das Internetportal www.kath.de entstanden. Es stellt eines der frühen Informationsportale von kirchlichen und gesellschaftlichen Veröffentlichungen im Internet dar. Zu einer besonderen Herausforderung haben sich daneben Portale und Internetforen aus dem traditionalistischen Milieu entwickelt. Sie zeichnen sich in der Regel durch Schwerpunktsetzungen im traditionellliturgischen Bereich wie durch eine politische Nähe zu nationalkonservativen und rechtspopulistischen Gruppierungen aus.129

1 708,50 ₽
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331 стр. 3 иллюстрации
ISBN:
9783429063887
Издатель:
Правообладатель:
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