Читайте только на ЛитРес

Книгу нельзя скачать файлом, но можно читать в нашем приложении или онлайн на сайте.

Читать книгу: «Der Mime», страница 2

Шрифт:

»Du hättest dich wohl aus Verzweiflung in dein Schwert gestürzt? fügte er hinzu, »doch beruhige dich. Sieh, du trägst da ein Schwert an der Seite, das hätte ich dir schon lange entreißen können, um mir den Hals zu durchschneiden. Ich will aber einen braven Mann, wie du bist, nicht in die Verlegenheit setzen, vor Domitian zittern zu müssen.«

»Wer weiß,« flüsterte einer der Soldaten seinem Kameraden inʼs Ohr, »vielleicht wäre dem Kaiser ein Gefallen damit geschehen, wenn die Topfscherbe dem weibersüchtigen Tänzer das Tanzen für alle Zeit unmöglich gemacht hätte.«

Die Soldaten lachten und erzählten sich allerlei Anrüchiges betreffs der stadtbekannten Liebesverhältnisse des Mimen, bis ihnen der Hauptmann zu schweigen gebot, was aber nicht verhinderte, daß das Gezischel seinen Fortgang nahm.

»Die Frau des Senators Julianus liebt ihn auch,« hörte Paris einen der Soldaten zu seinem Nachbar sagen, und der junge Mann wußte nicht, ob er lächeln oder erröthen sollte, als er noch mehrere seiner Abenteuer von diesen rohen Soldatenlippen in den Staub ziehen hörte. Erst als sie vor dem in massiger Schwärze aufragenden Palast des Kaisers standen, und die pompöse Architektur desselben, die weite Thorhalle, die vergoldete Säulenreihe an rücksichtslose Macht, finstern Egoismus gemahnte, mischte sich in Parisʼ Brust jener stumpfen Gleichgültigkeit wieder eine gewisse beengende Unruhe bei, die sich noch vermehrte, als sie die öden, langgedehnten Corridore hinabschritten. Die im Fackellicht buntschimmernden Wände hallten dumpf die Schritte der Eintretenden nach. Ueberall brütete geheimnißvolle Ruhe, hinter den gestickten Thürvorhängen, unter den vergoldeten Marmorstiegen, von den gemalten Decken sank sie herab, die Ruhe eines Grabmals. Es war, als werde selbst das Leblose, die Statuen, Urnen und Säulen von der finsteren Willkür eines Einzelnen niedergedrückt und versinke in stumme Melancholie. Paris stieß von Zeit zu Zeit leises Husten aus, bis man ihn in das Atrium führte, woselbst man ihn zu harren bat. Dort ließ er sich auf einen Sessel nieder, hüllte sich in seine Toga und schloß die Augen, sich absichtlich verbietend, an etwas Anderes als an seine Müdigkeit zudenken.

Zweites Capitel

Während nun Paris trotz seiner Gemüthsbewegung in einen unruhigen Halbschlummer verfiel, saß Domitian, der Herrscher Roms, auf seinem Lager, das ihm heute keinen Schlummer gewähren wollte und vergrub die nackten Füße tief in die Zotteln des Löwenfells, das auf dem Mosaikfußboden ausgebreitet lag. Schon mehrmals hatte seine zitternde Hand den Schlaftrunk an die Lippen geführt, der auf dem Seitentisch unter dem schweren Purpurvorhang stand, vergebens, der Trank wirkte nicht mehr, ärgerlich goß er ihn auf das Löwenfell und griff sich seufzend an die brennende Stirn. Dann starrte er ausdruckslos in die kränkliche Flamme des Candelabers, die ihren traurigen Glanz über die prächtige Bettstatt, den goldschweren Vorhang streute und deren leichte Rauchsäule an der mattschimmernden Marmorwand vorbei nach dem Fenster hinschwebte. Der Vorhang bewegte sich leise im Nachtwind und des Kaisers mißtrauischer Blick ruhte zuweilen auf ihm, als traue er seinen Falten zu, daß sie die Hand eines Mörders verbergen könnten. Die Sklaven schliefen in ihren Zellen, der eintönige Schritt der Wache hallte auf dem Corridor wieder, in der Ferne rieselte, an die Stimme eines wimmernden Kindes gemahnend, der Brunnen eines der Vorgemächer. In dem weiten Palast wachte nur der Besitzer der stummen todten Pracht, die gleichgültig von Wänden und Decken herabglänzte auf die Qual des Gebieters. Das kleine geöffnete Fenster zeigte die im Sternenlichte fahlschimmernden Dächer Roms, über die in der Ferne die Tempelsäulen des Capitols geisterbleich aufragten. Der Kaiser warf einen geblümten Mantel um, schlüpfte gähnend in ein Paar bereitstehende Pantoffel und schritt schwerfällig zum Fenster. Nachdem er das zitternde Sternengewimmel, die unter ihm schlummernde von einem leichten violetten Nebel überdeckte Riesenstadt mit müdem gebrochenen Auge betrachtet, fielen seine Lider ein wenig über die Augen herab, indeß seine Athemzüge ruhiger gingen, als genösse er mit Behagen wie im Traume die kühle Nachtluft, den milden Sternenglanz und den Anblick der in mattsilbernen Duft gehüllten Stadt.

Plötzlich, als ein etwas heftigerer Windhauch seine Stirne berührte, zuckte er zusammen, sah mit gerunzelter Stirne hinter sich und eilte dann, so gut es ihm seine etwas dünnen Beine und der Umfang seines Körpers erlauben wollten, nach dem Thürvorhang, den er aufhob. »Antonius,« rief er in das Gemach. Da noch keine Antwort erfolgte, man aber eine Bettstatt erknirschen hörte, rief er noch einmal: »Antonius!«

Hierauf erfolgte ein verdrießliches Geseufze und erst als der Kaiser zum dritten Male rief, gab eine scharfe Fistelstimme zur Antwort: »Ja Herr.«

»Stehe auf!«

»Es ist ja noch völlige Nacht, Herr,« krähte die Kinderstimme schläfrig aus der Dunkelheit hervor.

»Zu was eine solche Nacht nur überhaupt da ist,« brummte Domitian in den Bart. »Begreifst du es, Antonius?«

»Beim Zeus, Herr,« erwiderte die dünne Stimme, »man sagt, die Armen und Müden hätten sie nöthig – die müssen schlafen.«

Als sich nun Domitian von der Thür entfernte schob sich hinter dem Vorhang eine Zwerggestalt hervor, blieb stehen, kratzte sich gähnend den großen dichtbehaarten Kopf und rieb sich dann mit ärgerlicher Miene die Augen. Domitian setzte sich wieder auf sein Bett und winkte den Verwachsenen heran, dem er mit einer fast liebevollen Sorgfalt das Löwenfell zurechtrückte. »Der Schlaf gehört nicht zum Dienstpersonal,« sagte der Herrscher mit ernster, fast weicher Stimme, »er kommt und flieht wie es seiner Laune behagt. Heute floh er mich bereits nach drei Stunden; die Götter sind deinem Kaiser ungnädig, nun aber, so leiste du mir ein wenig Gesellschaft, Antonius!«

»Ach Herr, was hast du an der Gesellschaft eines Buckligen?« gähnte der Kleine herbeihinkend und sich mit wackelndem Kopfe auf das Löwenfell kauernd. Domitian wühlte in den struppigen Haaren seines Lieblings, streichelte ihm die runzelige Wange und sah, wie in böse Träume verloren, vor sich hin. Dann plötzlich sein Haupt erhebend, lächelte er trübe vor sich hin und sagte freundlich: »Siehst du? wir gehören zu einander Du bist verwachsen – das ist eine Krankheit, mir fehlt der Schlaf, das ist auch eine Krankheit.«

»Ja Herr, ich trage einen Buckel und du trägst die Krone, beides sind Verunstaltungen,« seufzte der Zwerg, den Kopf auf die Kniee seines Herrn legend, schloß dann die Augen und fügte weinerlich hinzu: »Ich wollte, du ließest mich noch ein wenig schlafen, meine Verunstaltung hindert mich nicht daran.«

Domitian hörte nicht auf die Bitten des Ermüdeten, versprach ihm aber die köstlichsten Leckerbissen, wenn er ihn jetzt ein wenig unterhielte, seine Seele sei heute Nacht ungewöhnlich beunruhigt.

»Ist das der Fall,« murmelte der Zwerg, »so hast du ein altes gutes Mittel, dich aufzuheitern. Hier liegt dein Schreibgriffel – hier sitzt eine Fliege« . . .

Domitian, hierdurch an seine Lieblingsbeschäftigung, die Jagd auf Fliegen erinnert, lachte vor sich hin und indem er das Haupt seines Verwachsenen zwischen den Händen rieb, sagte er scherzhaft: »Oder ich könnte dir zur Unterhaltung auch die Haare jedes einzeln auszupfen – was meinst du? – Doch fürchte nichts – ich bin heute nicht in meiner Fliegenstimmung und du bist mein getreuester Diener. Wen hätte ich auch sonst außer dir, Antonius?« setzte er mit fast väterlicher Freundlichkeit hinzu. »Außer dir habe ich keinen, dem ich ganz vertrauen könnte.«

»Oho,« stöhnte der Zwerg.

»Bezweifelst du dies?« frug Domitian, »weißt du nicht, daß ein Herrscher immer von Schurken umgeben ist? Ja, mein Lieber, die Lage der Fürsten ist höchst beklagenswerth, weil man ihnen betreffs ihrer sichren Kunde einer Verschwörung nicht eher Glauben schenkt, als bis sie ermordet sind.«

»Ich bin also dein einziger Freund?« frug der Zwerg und beschloß seinen Herrn zu ärgern.

»Der einzige, dem ich nicht mißtraue,« sagte der Kaiser.

»Nun, du hast doch Domitia, deine Frau!« sagte der Zwerg höhnisch lächelnd und befreite seine Ohren von den liebkosenden Fingern des Gebieters.

Domitian, als diese Antwort an sein Ohr schlug, zog seine Kniee so rasch unter der Wange seines Lieblings hinweg, daß sich dieser den Kopf heftig an der metallenen Bettstatt aufstieß. Die Hände an die verletzte Wange drückend, begann er laut zu stöhnen, den kläglichen Blick zu Domitian emporschlagend. Kaum aber hatte er dessen starres, unheimlich auf ihn gerichtetes Auge und den zusammengekniffenen Mund wahrgenommen, als er zugleich aufhörte zu seufzen. Er nahm die Hände von der Wange und beugte beklommen vor sich hinsehend den Kopf tief herab. Jetzt wußte er, was seinen Herrn nicht schlafen ließ; dieser Blick, diese heftige Bewegung sagte es ihm, daß das allgemeine Stadtgespräch bis zu Domitianʼs Ohr gedrungen war und daß gewisse düstere Befürchtungen in Beziehung auf Domitiaʼs Treue den Herrscher veranlaßten, nächtlicherweile Trost bei seinem verhätschelten Liebling zu suchen. Jetzt kannte er auch das Mittel, durch das er sich an seinem Herrn für die gestörte Nachtruhe rächen konnte, und als Domitian sich jetzt langsam, fast schleppend erhob, in dem Gemach auf und ab zu wandeln, machte sichʼs der Kleine auf dem Boden bequem.

»Zürnst du mir, Herr?« frug er, einestheils von der Begierde zu quälen getrieben, anderntheils ängstlich nach einem Ausweg spähend, wenn es gefährlich werden sollte, den Löwen gereizt zu haben.

»Wer heißt dich von Domitia reden?« flüsterte der Kaiser, und griff, indem er neben dem Candelaber stehen blieb, mit der rechten Hand krallenartig in die Falten des Vorhanges. Der Zwerg lächelte verschmitzt.

»Von Domitia reden?« lächelte er, »du hättest viel zu thun, wenn du in den Kneipen Roms verbieten wolltest, daß von Domitia die Rede ist, denn – am Ende, Herr, gestehe selbst, was nützen Geheimnisse, Herr,« fügte er gleichgültig die Hand vor den gähnenden Mund drückend hinzu, »Geheimnisse, die doch schließlich keine sind.«

Er seufzte, schnickte nachlässig mit der Hand, dann sah er, indem er das eine Auge boshaft zupreßte, mit dem andern, dessen durchdringende Pupille hastig hin und her rann, zu dem Herrscher empor.

Domitian, der jetzt vor dem Candelaber stand, schaute, das finstere Gesicht zur Seite neigend, mit fast erschrockener Miene zu dem Kleinen herab, der behaglich grinsend im Gesicht seines Triumphs seine Arme um die Kniee schlang und sich wie ein Affe in das Löwenfell wickelte.

»Keine mehr sind?« wiederholte der Kaiser mit fast tonloser, stammelnder Stimme, – was sagst du – ich dachte. —«

»Nun Herr,« entgegnete Antonius, ein von der Schadenfreude durchbebtes Mitleid heuchelnd, – mein hoher Herr, es thut mir wirklich leid, daß ich gezwungen bin, so offen mit dir zu reden, ich habe jedoch von jeher die Wahrheit selbst einem Mächtigen gegenüber mich nicht geschämt, aufrecht zu halten, und da du doch selbst sagtest, ich sei dein treuster Freund« – er hielt inne, wiegte sich befriedigt her und hin, und frug dann: »Sagtest du das etwa nicht?«

Domitian nickte.

»Nun,« begann der vergnügte Bucklige aufʼs neue, die Worte, die er sprach, wie Dolche zuspitzend, »so darf ich mir wohl, zwar bittere, aber heilsame Freundschaftsdienste dir zu leisten herausnehmen. Freilich blutet mir der Mund, solchen Namen zu nennen, und an eine solche Schandthat zu gemahnen, ist fast so gefährlich, als der Thäter selbst zu sein. Doch ist mein Trost, daß du ja auf Alles vorbereitet warst, ich sage dir ja nichts Neues, – du weißt es ja so gut wie dein Lieblingszwerg, so gut, wie die ganze Stadt es weiß – so gut —«

Als der Kleine hier abbrechen mußte, da seine freudenzitternde Stimme ihm im athemlosen Halse stecken blieb, entfuhr dem Kaiser ein lautes erbittertes: »Was?« dem er leiser hinzufügte, »was soll ich wissen?« Der Kleine kroch an die Füße seines Herrn heran, die er streichelte, und frug in geheimnißvollem, bedauerndem Ton: »Wie? kennst du den Schauspieler Paris nicht? Den schlanken jungen Mann, mit dem die Frauen Roms so gerne Blicke tauschen, den süßen Tänzer, mit dem selbst eine gewisse hochgestellte Dame sich so gern unterhält.«

Domitian dessen Brust sich krampfhaft hob, hielt an sich und bat den Kleinen möglichst gleichgültig, er möge ihm von diesem Mimen erzählen, den er allerdings ein wenig kenne.

»Nun, es ist derselbe, auf den Martial das stadtbekannte Epigramm gemacht,« sagte der Zwerg. Alsdann pries er schmunzelnd die Schönheit des Tänzers, seufzend seine eigene Häßlichkeit betonend, die ihm leider unmöglich mache, der Gebieterin Roms zu gefallen, beschrieb dessen geschmeidiges Aeußere, ahmte den kindlich weichen Klang seiner Stimme nach, ließ ein Streiflicht auf die Liebesabenteuer desselben fallen, und ließ durchblicken, daß es ausgemacht sei, daß kein weibliches Herz diesem Jüngling widerstehen könne, sobald er Frauenrollen tanze. Die bekannte Frau eines Ritters habe sich ihm zu Liebe ruinirt, andere seien in Krankheiten verfallen, mehrere hätten sich umʼs Leben gebracht, aus Liebe zu ihm. »Man sagt sogar, eine sehr, sehr vornehme Frau schwärme für ihn,« schloß der Erzähler seinen Bericht, »aber daran mußt du nicht denken, guter Herr, dies Wort ist mir nur so entschlüpft.« Domitian war indessen, die Brauen nachdenklich zusammenziehend, an das Fenster getreten, als ein wachhabender Krieger eintrat, ihm zu melden, Paris harre im Atrium auf weitere Befehle. Während der Zwerg erstaunt frug, ob denn Paris zu dieser Stunde im Palast weile, schwollen auf des Kaisers ohnehin gerötetem Gesichte die Stirnadern mächtig an, aber er gab in gelassenem Tone den Befehl, die Wachen sollten sich bereit halten. Alsdann verlangte er den Centurio Silius, der auch sogleich erschien.

Der Kaiser sah dem demütig dastehenden Hauptmanne so lange schweigend ins Gesicht, daß diesem es anfing unheimlich zu werden, bis der Kaiser endlich, die Verwirrung des armen Mannes bemerkend, zu ihm sagte: »Kann ich mich auf dich verlassen?«

»Ich bin ein Soldat des römischen Reichs,« erwiderte Silius stolz.

»Schon gut,« gab der Kaiser zurück, schritt einmal durch das Gemach, blieb dann vor dem Centurio stehen und sagte zu diesem, während seine Stimme ein wenig zitterte: »Verberge dich hier in dem anstoßenden Gemach! Wenn ich Paris entlasse, indem ich hinzufüge: ›Ich bin mit dir zufrieden‹, so führt ihr ihn ohne Verzug in die Behälter der Löwen, die für das nächste Kampfspiel bestimmt sind, verstehst du?«

Er brach ab, als er aber den Hauptmann keine Miene seines Gesichts verziehen sah, fuhr er mit möglichst würdevollem Gesichtsausdruck fort: »Denn dieser Mensch scheint mir gemeingefährlich. Mir kam zu Ohren, er richte Unheil an unter den Römern.«

Wiederum brach er ab und fuhr dann, vielleicht durch die Stille beunruhigt, zögernd fort: »Doch höre weiter. Entlasse ich ihn aber mit den Worten: ›Hüte dich fortan, den Zorn deines Kaisers herauszufordern,‹ so führt ihr ihn unbehelligt in seine Wohnung zurück.«

»Wohl, hoher Herr,« entgegnete der Hauptmann, ein möglichst unbetheiligtes Gesicht machend: »sollen wir ihn im ersten Fall vor die Löwen des circus maximus werfen, oder befiehlst du einen anderen Circus?«

»Das gilt gleich; im übrigen halte dich genau an den Wortlaut!« rief Domitian dem Gehenden nach, indeß er einem an dem Thürvorhang harrenden Diener ein kurzes: »Herein mit ihm!« zurief.

Domitian lehnte nun, nachdem er wieder mit seinem Zwerg allein war, regungslos in der Fensternische und heftete, den Kopf ein wenig auf die Brust herab geneigt, seine Augen auf den Thürvorhang, durch welchen Paris jeden Augenblick eintreten mußte.

Antonius, der noch immer auf dem Fell kauerte, brannten mehrere Fragen auf der Zunge, doch die starren Züge, die von unten nach oben gerichteten Augen seines Herrn ließen ihn erkennen, daß es gefährlich werden könnte, in diesem Augenblick eine ungeschickte Frage zu stellen. Doch erwartete er mit einem Behagen den Tänzer, als gelte es, im Circus dem Spiel des Hasen zuzuschauen, der noch nicht weiß, daß der Tieger bereits auf ihn lauert.

Der finstere, mißtrauische Domitian liebte außer seinem Zwerge, den er als Spielzeug behandelte, nur noch ein Wesen in der Welt aufrichtig und mit der ganzen düstern Zähigkeit einer Natur, die weiß, wie sehr sie von den Besseren verachtet, von den Schwächern gefürchtet wird. Im Gegensatz zu andern Herrschern, die das Böse unbewußt, instinktiv, gleichsam naiv ausübten, besaß Domitian Verstand und Selbsterkenntniß genug, um in jedem Augenblicke sein eignes Thun beurtheilen zu können. Daher kam es, daß er nicht wie Andere, blindlings, so zu sagen mit einer gewissen Unschuld seiner bösen Neigung folgte, wenn ihm die Wahl zwischen zwei verschiedenen Handlungsweisen freistand, sondern daß er prüfend verfuhr und daß er, wenn es ihm seine stolze Laune, seine frostige Menschenverachtung eingab, das Schlimmere, Grausamere vorzuziehen, daß er alsdann von Gewissensbissen gequält ward, welchen Gewissensbissen das Mißtrauen nothwendig entspringen mußte. Eben dieses Mißtrauen, das die naiven Bösewichter nur in geringerem Grade heimsucht, war es, was ihn in die Einsamkeit trieb, ihn die Menschen meiden hieß. Da er nun aber doch ein Mensch, also zur Geselligkeit geboren war, und da er die Einsamkeit zuweilen in ihrer ganzen öden Bitterkeit aufʼs Schmerzlichste empfand, lag in ihm der seltsame Widerspruch, unaufhörlich nach Menschen zu suchen, die er als treu ergebene an sich fesseln könne.

Solche Menschen überhäufte er alsdann mit Wohlwollen, bis er, durch irgend einen ihrer Charakterzüge verletzt, sie plötzlich fallen ließ, um durch derartige Erfahrungen noch düsterer gestimmt, schließlich immer vorsichtiger zu werden. Außer seinem Zwerge, dem er, da er ihn eigentlich nur für eine höhere Thierart hielt, nichts Schlimmes zutraute, war es allein Domitia, die dauernd auf ihn zu wirken vermochte, und der er, soweit es seiner verschlossenen Natur möglich war, alles Vertrauen entgegenbrachte. Er hatte sie ihrem Gatten Aelius Lamia entführt, nachdem er im Circus ihre Aufmerksamkeit erregt und sie mit der Entführung einverstanden war. Nun bewahrte er sie vor der Berührung mit der Außenwelt wie ein kostbares Kunstwerk, dem selbst Luft und Licht schaden bringen könnte, indem er verlangte, sie solle seine weltabgeschiedene Zurückgezogenheit, voraussetzend, sie liebe ihn in demselben Grade, wie er sie liebte, mit ihm theilen. Sie hingegen, unter äußerer Ruhe und Kälte innere Leidenschaften verbergend, fand wenig Gefallen an den einsamen Wurfübungen, Turnkünsten und Fliegenjagden ihres hohen Gemahls, obgleich sie anfangs auf alle seine Launen bereitwilligst einging und erst allmählich ihre vergnügungssüchtigen Wünsche durchblicken ließ. So hatte er es ihr endlich erlaubt zuweilen das Theater zu besuchen, ihr jedoch immer Spione nachgesandt, die ihm dann sehr bald betreffs ihres Betragens im Theater gewisse den Verdacht herausfordernde Mittheilungen machten. Aufʼs höchste beunruhigt, tief gekränkt und zu allem geneigt, entschloß er sich darauf, ihr in das Theater zu folgen, besonders an solchen Tagen, an welchen Paris tanzte. Da er selbst verschlossen war, durchschaute er die Verschlossenheit Anderer um so leichter, da er selbst vieles zu verbergen hatte, blieb ihm das, was Andere verbergen wollten, nicht leicht verborgen. Und so entging es ihm nicht, daß sobald Paris auftrat, Domitia Mühe hatte, die Röthe, die ihr in die Wangen stieg, zu unterdrücken. Seiner Natur gemäß schwieg der Kaiser, trug aber, von der Zeit an, da er dies wahrgenommen, einen dumpfen Schmerz mit sich herum, denn trotz seiner schroffen Nüchternheit war eine einzige Stelle seines Innern der Schwärmerei offen geblieben. Daß das einzige Wesen, das er schätzte, dem er sich inniger, als er sich selbst verzieh, hingegeben, daß das einzige Geschöpf, dem er vertraute, keinen Gefallen an ihm finden sollte, war um so demüthigender für ihn, da er trotz allen seinen Fehlern dennoch eine gewisse wilde Innerlichkeit, sogar momentane Weichheit besaß, über die er selbst zuweilen erstaunte, und die er als seiner unwürdig zu verbannen suchte. Aber sie ließ sich nicht verbannen, diese Schwärmerei tauchte mitten in seinen kalten Entwürfen empor und setzte sich mitten unter die Gedanken, die ihm herrschsüchtige Willkür eingeflößt. Zugleich erkannte der, auch in seinem Stolz Gekränkte, wie er in diesem Falle mit aller seiner kaiserlichen Macht hülflos einem Unabwendbaren gegenüber stand. Liebe erzwingen wollen, mußte Haß erregen, die Gewalt, das fühlte er – war hier eine schlechte Aushülfe, durch die er sich höchstens selbst betrügen konnte. Deshalb war er mit sich zu Rathe gegangen, ob es nicht klüger sei, das heißgeliebte Weib auf anderem Wege wieder zu sich zurückzuführen, was ja um so leichter sein mußte, wenn er mit ihrem Günstling in ein intimeres, vielleicht sogar freundschaftliches Verhältniß treten konnte. Freilich kostete dies Ueberwindung, aber er hatte, obgleich es ihm widerstrebte, den ihm so verhaßten Tänzer, einer plötzlichen Eingebung folgend, mitten in der Nacht zu sich rufen lassen. Mochte daraus entstehen, was wollte! Er verlangte Klarheit. Er dürstete darnach, den Bevorzugten kennen zu lernen, ihn zu studiren, sich die Art, wodurch er sich dies Herz gewann, unter Umständen an zueignen und dann, sagte er sich, war ja auch noch nichts geschehen, was ihn thatsächlich erbittern und zur Rache hinreißen durfte.

Als Domitian nun gespannt auf die Schritte der Nahenden lauschte, bemächtigte sich seiner eine eigenthümliche Verlegenheit, eine Verwirrung, unter der sein Hochmuth, sein angeborener Stolz unsäglich litt. Er frug sich erstaunt, was er denn eigentlich von dem Tänzer wollte, auf welche Art er es anfangen sollte, ihn auszufragen? Wie weit er mit seinen Fragen gehen sollte? Was ihn denn, da nichts Unerlaubtes vorliege, berechtigte, den Mann auszufragen? Und was würde Paris von dieser nächtlichen Vorladung denken? War es nicht Thorheit ihn rufen zu lassen? Doch nun war es geschehen. Gedemüthigt von einem Tänzer! Dem Kaiser schoß, so daß es ihn fast mit momentaner Blindheit schlug, das Blut in die Augen, als er die Schritte der Nahenden auf dem Mosaik des anstoßenden Gemaches schlürfen hörte, und als jetzt der Thürvorhang, von einer Soldatenfaust gehoben, die schlanke Gestalt des Tänzers enthüllte, kam es dem Kaiser vor, als sei er selbst, er, der dickbauchige Kahlköpfige, der Gerichtete diesem geschmeidigen Adonis gegenüber. Fiel doch auch ein Strahl von Domitiaʼs Gunst auf das Haupt des Mimen und diesen Strahl konnte der finstre Mann nicht anders als respektiren, dieser Strahl lieh selbst dem Verhaßten noch eine gewisse unantastbare Weihe. Paris, obgleich ihm das Herz unruhig schlug, beherrschte das nervöse Prickeln, das ihm durch die Glieder rann, er sah sich, eine elegant malerische Stellung annehmend, in dem Gemache um und stützte sich dann, als noch immer Schweigen herrschte, auf die Lehne eines Stuhls, mit ein paar Worten andeutend, er sei des Befehls seines Gebieters gewärtig. Seine Worte klangen vornehm kühl, weder ängstlich noch herausfordernd. Hätten sie aber die Absicht gehabt den Kaiser zu verwirren, sie hätten nicht besser gewählt sein können. Diesem Herrscherantlitz, das gewohnt war mit Ruhe die gewaltthätigsten Machtbefehle zu ertheilen, stand die Röthe der Verlegenheit, gegen die es erbittert ankämpfte, wunderlich genug. Paris, als er zu fühlen begann, wie er den Gefürchteten, in dessen Händen die Welt ruhte, durch sein Erscheinen in Verwirrung setzte, nahm, da ihn seine Feinfühligkeit hierzu zwang, unwillkürlich eine demüthige Stellung an, beugte das Haupt und erröthete sogar.

Domitian bemerkend, daß sein Nebenbuhler eine Art Mitleid mit ihm hegte, riß sich endlich gewaltsam aus diesem unwürdigen Zustand. Um nur so rasch als möglich dem Tänzer die untergeordnete Stellung anzudeuten und einstweilen Zeit zum Nachdenken zu gewinnen, fiel er auf einen wunderlichen Ausweg. Er schritt auf sein Lager zu und sagte mit verächtlichem Lächeln:

»Ich konnte nicht schlafen, – tanze!«

Paris hob den Kopf.

»Wie, hoher Herr?« frug er.

»Unterhalte mich, vertreibe mir die Pein der schlaflosen Nacht, – tanze!« sagte Domitian rauh, indeß der Zwerg, der der ganzen Scene grinsend gefolgt war, mit den Fingern in die Luft schnalzte, wofür ihn jedoch der Kaiser mittelst eines tadelnden Blicks strafte.

Paris, der seinen Ohren nicht traute und den die herablassende Art, in der man ihn hier als ein Spielzeug behandelte mit aufsteigendem Trotz erfüllte, sagte verwundert, mehr zu sich selbst: »Tanzen? in dieser Stunde?«

Hierauf entstand eine Pause, während welcher der Kaiser geistesabwesend vor sich nieder sah, um dann wie erwachend den lauernden Blick auf seinen Nebenbuhler zu richten.

»Nun ja,« warf der Herrscher frostig hin, »ich habe schon oft deinen Tanz rühmen hören, habe aber noch nie Gelegenheit gehabt, ihn in der Nähe zu bewundern. Ich bin, wie du weißt, kurzsichtig, genieße deshalb Schauspiele nur sehr oberflächlich. Vielleicht werden wir gute Freunde, wenn ich Gefallen an dir finden sollte. Tanze also! ich überlasse dir die Wahl, jeder Tanz ist mir recht.«

Paris, der sich plötzlich zum Sklaven herabgewürdigt fühlte und sich seiner verachteten Stellung als Mime immer schmählicher und schmerzlicher bewußt wurde, hob stolz das erröthende Haupt, die Lippen ein wenig nach einwärts krümmend.

»Du scherzest, Gebieter,« sagte er mit leiser, gepreßt schmerzlicher Stimme, »du willst meiner spotten!«

Domitian hatte sich auf die Kissen seines Lagers hingestreckt.

»Scherzen?« entgegnete er fein lächelnd, sich an der Beschämung seines Opfers weidend, »nun und wenn selbst ich scherzte, was kümmerte es dich? Aber ich scherze nicht! Ich möchte nämlich an deinen Bewegungen die Kunst studiren, durch die du allen Weibern so unsägliche Bewunderung abnöthigst. Man sagt, du bist der gemeinschaftliche Ehegatte aller Ehegattinnen Roms. Gut mein Freund, gieb mir eine Probe deiner Kunst, zu gefallen, tanze eine Weiberrolle!«

Dies letzte Wort, mit ausgesuchter Geringschätzung betont, traf den Mimen wie der Tatzenschlag eines Tigers.

Parisʼ Mund öffnete sich krampfhaft, ein bitterer Zug verbreitete sich um seine erblassenden Lippen, und indem er die Stuhllehne umkrallte, stand er einige Zeit wie vernichtet.

Wenn er auch vor dem Volke zu tanzen gewohnt war, und ihm der Beifall schmeichelte, fühlte seine feine Natur sich doch nach jeder seiner Productionen wie gedemüthigt. Es kam vor, daß wenn ihm der Beifall am lautesten im Theater umwogt, er ganz niedergeschlagen zu Hause ankam, an nichts Gefallen fand und Thränen der Reue, der Scham ihm in den Augen standen, die selbst seine besten Freunde nicht zu verscheuchen vermochten. Der Hohn, der in des Kaisers Benehmen lag, gab ihm übrigens bald seine Selbstbeherrschung zurück.

Die Lippen energisch zusammenpressend, stieß er ein ersticktes: »Ich tanze nicht« hervor, das den Kaiser aus seinen Polstern in die Höhe fahren ließ. Der Kaiser sah den bebenden todblassen Jüngling, der sich gramvoll auf die Lippen biß, lange schweigend an.

»Widerstand?« murmelte er fragend, und sich völlig empor setzend, sah er mit einem zwar düstern, aber eigentlich nicht erzürnten, sondern eher träumerischen Ausdruck vor sich hin.

Paris, der sich auf das Schlimmste gefaßt machte, blieb regungslos, seitwärts zu Boden blickend, stehen, mit einem Gefühl in der Brust, als läge er in der Arena unter der Branke des Löwen. Sein Trotz wich jedoch bei aller Angst, die in seinem Herzen zitterte, um kein Haar breit, dieser Trotz war zu sehr die Folge von Demüthigungen. Um sich zu zerstreuen, lauschte er dem Rauschen der Flamme, dem Säuseln des Vorhangs. Sein Blick fiel sodann auf den grinsenden Zwerg und huschte von dieser widerlichen Fratze hinüber nach dem Fenster das so einladend draußen die Freiheit, die mondblaue Nacht, den tiefen Frieden der Natur zeigte. Welcher Gegensatz! Wer jetzt da draußen weilen dürfte! Wer Flügel hätte, um durch das Fenster zu entkommen!

Erst nach einer längeren Pause erhob sich der Kaiser, ließ einen Sklaven kommen, dem er die Flamme des Candelabers zu schüren befahl und setzte sich dann auf den neben dem Bette stehenden Sessel.

Der Sklave war gegangen, der Zwerg lehnte sich an die Bettstelle, der Kaiser saß noch immer schweigend, als habe er vergessen, daß sich Paris im Gemach befinde. Endlich, nachdem er einige Zeit nach Worten gesucht, sagte er, den Kopf tief zur Erde gebückt: »Du bist stolz, Paris!«

Paris, der sich allmälig wiedergefunden, war erstaunt über die Milde des Herrschers. Er athmete erleichtert auf.

»Hoher Herr, was ist der Mensch, wenn du ihm alle Achtung vor sich selbst nimmst? Gleicht er alsdann nicht dem Thiere?«

Domitian nickte. Die Art, in der der Mime sprach, nöthigte ihm unwillkürlich Achtung ab, er fühlte, daß er es hier nicht mit einem verblasenen Schwindler, sondern mit einem Manne zu thun hatte, der im Gefühl seines Werthes fest auf seinen Füßen steht und dem deshalb mit Strenge nicht beizukommen ist. Grade die Mischung von anschmiegender Weichheit und herber Festigkeit gefiel dem düstern, menschenscheuen Fürsten.

»Ich sage auch nicht, daß ich dir deine ablehnende Antwort verüble,« erwiderte er ruhig, fast träumerisch, »ich müßte lügen, wollte ich nicht gestehen, daß mir dein Trotz in gewissem Sinne gefällt. Ich verachte freilich dein Handwerk, du selbst scheinst mir indeß nicht verächtlich.«

Domitian erhob sich, nachdem er dies gesagt und schritt, den Thürvorhang hebend, ohne sich zu entschuldigen, in das nächstfolgende Gemach, in welchem Silius, der Hauptmann, Wache hielt. Sein Plan war entworfen, dies mußte ihm, wenn auch nicht völlige Gewißheit, doch einen klaren Einblick in das Verhältniß der beiden verschaffen.

»Silius,« flüsterte der Kaiser.

Silius trat auf den Zehen herzu.

»Ich hoffe, du bist verschwiegen,« flüsterte der Kaiser ein wenig erregt. Der Hauptmann legte die Hand auf die Brust und wollte seine Verschwiegenheit betheuern. Domitian unterbrach ihn jedoch.

»Gehe! Gieb im linken Flügel des Palastes sofort den Befehl, daß Domitia geweckt werde,« hauchte er dem erstaunten Soldaten inʼs Ohr. »Gründe giebst du keine an! Domitia solle vor mir erscheinen, ich wünsche es.«

Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
04 декабря 2019
Объем:
230 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

С этой книгой читают