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Читать книгу: «Der Mime», страница 13

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Zwölftes Capitel

Noch in derselben Nacht hatte Stephanus ein Zwiegespräch mit dem Kaiser, das bis gegen Morgen währte. Noch in derselben Nacht ging ein Befehl an Silius, den Hauptmann, ab.

»Ich bin mit dir zufrieden, Stephanus,« sagte der Kaiser, als sich dieser gegen Morgen entfernen wollte, und als jetzt der Hauptmann in das Gemach trat, entließ der Kaiser Stephanus und zog Silius bei Seite.

»Er ist zurückgekehrt!« flüsterte der Kaiser.

»Wer? Paris?« frug der Hauptmann erstaunt.

»Aus Bajä,« fuhr der Kaiser fort, »du hast deine Pflicht nicht gethan, deine Meldungen waren ungenau.«

»Hoher Herr« – entschuldigte sich der Hauptmann zitternd – »noch vor Kurzem erhielt ich die Nachricht —«

»Still!« entgegnete ihm der Kaiser, »ich will nicht annehmen, daß du zu den Ungetreuen gehörst, zu den Unachtsamen gehörst du. Wußtest du davon, daß Paris in den drei Tagen, seit er hier ist, mit meinem Weibe verkehrt?«

»Wie konnte ich, da ich überhaupt nicht wußte, daß er hier sei,« – stotterte Silius.

»Nun, einerlei!« unterbrach ihn der Kaiser, »ich will dir Gelegenheit geben, deine Unachtsamkeit wieder gut zu machen. Beweise mir, daß du zu meinen Getreuen gehörst.«

»Hoher Herr! – befiehl  – —, dieser Beweis ist leicht zu geben.«

»Paris muß in der folgenden Nacht seine Tanzübungen am Styx abhalten!« flüsterte der Kaiser mit seltsamem Lächeln. »Die Frösche sind große Bewunderer des Tanzes.«

»Du willst – daß« – —

»Du verstehst mich – —«

»Aber das römische Volk?« lenkte Silius ein.

»Was! Volk! Ich bin das Volk!«

»Es soll geschehen, wie du befiehlst, Herr,« entgegnete Silius demüthig.

»Das Uebrige ist deine Sache,« sagte Domitian, indem er ihn entließ.

* * *

Eine Stunde nach den eben erzählten Ereignissen schlich sich der Lieblingszwerg Domitianʼs durch die Pforte des Venustempels und belauschte, in dem letzten, matterhellten Gemach angekommen, die Athemzüge seiner Gebieterin, die, den Kopf zurückgebeugt, auf einem Ruhebett schlief, während Paris, ihr zu Füßen, seine schönen Glieder in unbewußter Grazie ausstreckte. Das Haupt in die eigenen, auf dem Bettrand ruhenden Arme gedrückt, machte er den Eindruck eines zärtlich Liebenden, der sich dem Gegenstand seiner Leidenschaft mit treuherziger Unterwürfigkeit hingegeben.

Als die Mißgestalt dicht vor dem Lager stand, löste er die in Parisʼ Locken vergrabenen Finger Domitiaʼs vorsichtig los und tupfte, nachdem er sich überzeugt, daß Domitia ruhig weiterschliefe, dem Schläfer auf die Schulter. Der also Berührte schien nicht fest geschlafen zu haben, wenigstens ging der kleine Schlag wie ein nervöser Schauer durch seinen Körper, und langsam den vornehm schönen Kopf hebend, starrte er mit seinen übermüdeten Augen, die selbst der sanfte, mattblaue Glanz der Ampel blendete, vor sich hin.

Antoniuʼs krankhafte Gereiztheit, die ihn vorhin mit einer wilden Vernichtungslust erfüllt, war einer dumpfen, thierischen Reue gewichen, die, als er seinen einstmaligen Lebensretter in so hilfloser, kindlich träumerischer Art vor sich hinblicken sah, fast in Mitleid umschlug.

»Komm zu dir!« flüsterte er, »ich fürchte, es ist Gefahr vorhanden.«

Paris sah ihm mit ausdruckslosem Blick in das runzlige, verschmitzte Gesicht, und murmelte ein paar unverständliche Worte; der Zwerg jedoch zog den halb Widerstrebenden vom Boden in die Höhe und berichtete ihm mit flüsternder Ungeduld, daß soeben der verrufene Stephanus dicht an den Tempel herangeschlichen sei; er habe ihn im Mondschein deutlich über die Fensterbrüstung in das Gemach lugen sehen, und es stände zu befürchten, daß dieser Höfling, um sich zu Einfluß zu verhelfen, alles, was er beobachtet, dem Kaiser berichten werde.

»Dich wenigstens möchte ich nicht gern vor dem Zorn des Kaisers zittern sehen,« setzte er mit einem hämischen Blick auf die schlafende Gebieterin hinzu, »ich rathe dir daher, fliehe, – bei allen Unterweltsgöttern, ich glaube, ich habe dir da einen schlechten Streich gespielt – .«

Die letzten Worte fügte er murrend hinzu, indem er schließlich, um seine Verlegenheit zu maskiren, in ein leises, heiseres Gelächter ausbrach.

Paris hörte nur mit halbem Ohre, seine Blicke ruhten auf dem vor ihm schlummernden Weib, dessen vorhin noch so heißbegehrter Körper ihm auf einmal einen solchen Widerwillen einflößte, daß es ihm war, als ob ihn eine unsichtbare Hand mit Gewalt aus dem Gemach hinausdrängte.

Der ölartige, im Ampellicht glänzende Farbenton ihrer Haut widerte ihn ganz leichenhaft an, ihr Lächeln, das bei jedem Athemzug einen irren Ausdruck annahm, erfüllte ihn mit Entrüstung, ein kleines Mal, das sie neben dem Ohr trug, verursachte ihm physischen Ekel, er wendete sich mit schmerzlich verzogener Miene, die seinem Gesicht einen rührenden und zugleich stolzen Ausdruck verlieh, von ihr ab und ließ sich von dem immer weiter redenden Zwerg bis an die Thür des Gemachs führen.

Gerade als der Letztere die Thüre öffnen wollte, erwachte, durch das Geräusch emporgeschreckt, die Kaiserin und frug, sich emporrichtend, mit müder, kranker Stimme, was denn vorgefallen sei. Als sie jedoch Paris bemerkte, der unschlüssig an der Thüre stand, lächelte sie und streckte den Arm verlangend nach ihm aus, als könne sie seine Umarmung niemals mehr entbehren.

»Wohin, Geliebter?« frug sie seufzend mit träumerisch vibrirender Stimme.

Paris deutete ihr, sich halb abwendend, an, daß er Lydia zu besuchen gedenke, er habe schon allzu lange gezögert, das Mädchen verzehre sich in Sehnsucht.

»Gewiß, du mußt Lydia noch heute Nacht sehen,« entgegnete die Kaiserin, sich mit erkünstelter Ermattung in die Kissen zurückwerfend, »jedoch – bevor du sie siehst – o nur noch einen Augenblick verweile – ich habe dir noch etwas Wichtiges mitzutheilen —«

»Und das wäre?« frug Paris mit unterdrücktem Widerwillen.

»Tritt näher!« entgegnete sie listig lächelnd.

»Entferne dich!« befahl Paris dem Zwerg, damit die Kaiserin reden kann.«

Der Zwerg ging und schloß die Thür.

»Nun?« frug Paris ungeduldig.

»Es ist nichts, Geliebter,« sagte sie schalkhaft, »ich habe dir nichts mitzutheilen.« —

»So laß mich gehen,« erwiderte der Tänzer und fuhr heftig mit der Hand nach dem Riegel der Thüre.

Nun sprang die Kaiserin vom Lager auf, trat, ihre Raschheit sogleich mäßigend, an das geöffnete Fenster und redete absichtlich von gleichgültigen Dingen, von der Nachtkühle, dem Sternenhimmel, bis sie ihren Worten plötzlich eine Wendung auf Lydia gab.

»Wen liebst du eigentlich von uns Beiden am aufrichtigsten?« frug sie mit naiver, fast humoristischer Neugier.

Paris mußte, trotz seinem Trübsinn, unwillkürlich über diese Frage und die Art, wie sie gestellt ward, lächeln.

Die Kaiserin, die dies seiner Schwermuth abgerungene Lächeln beobachtet, drohte ihm schalkhaft mit dem Finger und meinte, in einen kaum hörbaren schüchternen Flüsterton verfallend, er liebe sie nicht so, wie sie es nach allem, was sie für ihn gethan, verdiene.

Der junge Mann konnte sich nicht verhehlen, daß er sich nicht gerade dankbar gegen seine hohe Gönnerin benommen und als sie ihm das nun mit einem reizenden Anflug von resignirtem Schmerz in Stimme und Miene zu verstehen gab, versöhnte er sich innerlich wieder mit dem Weibe, dessen Anblick ihn eben erst mit Uebersättigung erfüllt. Ihr Geist, ihre Grazie, die einschmeichelnde Art ihres Benehmens verdeckte ihm die moralische Fäulniß ihres Sinnens und Trachtens.

»Ich will dir etwas sagen,« entgegnete ihm die Kaiserin, »wir wollen künftighin nicht mehr der Liebesgluth unterliegen und uns ganz der Freundschaft widmen. Du hast mir oft geschmeichelt, indem du meine Geisteseigenschaften priesest, wir stimmten oft in der Behauptung überein, die Liebe sei erniedrigend, sei eines wahrhaft Gebildeten, Edeldenkenden nicht würdig – gut denn! handeln wir nach unseren Grundsätzen!«

Paris nickte zustimmend.

»Wenn wir so ohne Leidenschaft, nur den geistigen Genüssen zugethan nebeneinander her leben könnten, Gebieterin,« erwiderte er eifrig, »du solltest keinen treueren Freund haben, als Paris.«

»Was hält uns ab, so zu leben?« frug sie mit Begeisterung, die im Augenblick vielleicht nicht völlig erheuchelt war.

Domitia, die wohl wußte, wie sehr ihr Geliebter in diesem Augenblick des Ueberdrusses, dem Sinnlichen einen an Ingrimm streifenden Ekel entgegenbrachte, schwur nun allem Trüben, Häßlichen zu entsagen, verbreitete sich immer ausführlicher über das Dämonisch-Grausame, Finster-Thierische der Liebesraserei und benutzte mit raffinirter List die Heiligkeit der Tugend als Reizmittel.

Dem Tänzer war es indessen Ernst mit seiner Verachtung der Sinnlichkeit, und die entsagenden Betheuerungen der Kaiserin wirkten so erfrischend auf sein übermüdetes Herz, das sich plötzlich von einem unheimlichen Druck befreit und dem Schönen zurückgegeben fühlte, daß seine fast erloschene Neigung zu der verführerischen Tugendheuchlerin wieder aufzuglimmen begann.

Als nun die Kaiserin, wie von einem Gott dazu getrieben, die neben ihr auf dem Stuhl liegende Cither ergriff und dem Instrument mit ihrer kleinen wohlgepflegten Hand eine wehmüthige Melodie entlockte, wirkten diese tremolirenden Töne ganz eigenartig berauschend seelenauflösend auf des Jünglings überreiztes Nervensystem. Vielleicht wirkten die Töne deshalb um so erregender, weil er sich vorstellte, daß dieselbe Hand, die ihn eben noch brünstig geliebkost, nun im Gegensatz hierzu durch kunstvolle Berührung der Saiten edle, ja erhabene Stimmungen in ihm erweckte.

»Und sie ist doch ein interessantes, bedeutendes Weib!« rief es in seiner leicht bestimmbaren, allem Schönen so sehr zugänglichen Brust, als er die Dämonische so innig, fast in Thränen aufgelöst, ihrem Spiel hingegeben sah.

Leidenschaftlicher, immer leidenschaftlicher wurden ihre die Saiten zu Schmerzlauten zwingenden Griffe und Paris in stummes Entzücken verloren, vergaß Lydia, Tugend, Laster und sich selbst, er schwelgte in Kunsteindrücken und während sich sein Ohr ergötzte, genoß sein Auge den Farbenkampf, den das Mondlicht mit dem Glanz der Ampel aufführte, die eigenthümliche grauviolette Dämmerung, in die Domitiaʼs Gestalt getaucht war.

Auf einmal unterbrach die Kaiserin ihr Musikstück.

»Hat es nicht geklopft?« frug sie ängstlich nach dem Garten hinlauschend.

»Ich habe nichts gehört,« entgegnete der noch ganz hingerissene Jüngling.

»Wir waren zu tollkühn, zu unvorsichtig in unserem Lieben,« murmelte sie.

Nun aber hörte man deutlich den Kies vor dem Fenster unter schweren Tritten knistern, dunkelrother Fackelschein huschte an den Wänden entlang über die Möbel des Gemachs.

Die Kaiserin erblaßte, Parisʼ Herz krampfte sich zusammen, er starrte wie leblos vor sich hin.

»Im Namen des Kaisers!« rief eine Stimme vor der Thüre.

Die Cither fiel klirrend zu Boden.

»Um aller Götter willen!« kam es von den farblos werdenden Lippen Domitiaʼs, »das ist Verrath. —«

Paris empfand, als die Worte: Im Namen des Kaisers an sein noch von den Citherklängen berauschtes Ohr schlugen, weder Beängstigung noch Grauen, nur in der Herzgegend fühlte er einen dumpfen, krampfigen Schmerz, einen Druck, als benähmen ihm die Ahnungen des Zukünftigen den Athem. Ja, es erwachte fast eine Art Neugier in ihm, er sah dem Kommenden mit der Spannung eines Zuschauers entgegen, der im Theater den Eintritt der Katastrophe erwartet.

Die Kaiserin war aufgesprungen und zog ihn nach einem Vorhang des Hintergrundes, während man draußen auf den Steinfließen bereits die Speerschäfte mehrerer Soldaten aufstoßen hörte.

»Was ist denn?« frug Paris ganz arglos, als ihn Domitia stöhnend hinter den Vorhang preßte und in verzweifelter Hast ihre mehr als verrätherischen Kleider ordnete.

Jetzt erst dachte sie daran, wie unbesonnen sie ihrer Leidenschaft für den Tänzer nachgegeben, wie wenig sie den äußeren Schein des Anstandes bewahrt. Gleich darauf trat der Hauptmann Silius in das Gemach.

»Was willst du?« herrschte ihm die Kaiserin, einen verwilderten Blick auf ihn werfend, zu.

»Hohe Frau,« sagte der Hauptmann bescheiden, »dein Gemahl, der an seiner gewöhnlichen Schlaflosigkeit leidet, verlangt nach dir.«

»Und weiter nichts?« frug sie, die Lippen aufeinander pressend.

Der Hauptmann ließ seinen Blick finster durch das Gemach gleiten und entgegnete: »Weiter nichts. Hast du die Gnade uns zu folgen? Die Sänfte harrt vor der Thür.«

»Wohl,« sagte sie kurz, richtete sich, ihre Erregung beherrschend, auf und einen letzten ängstlichen Blick auf die Falten des Vorhangs werfend, hinter welchem Paris verborgen stand, schritt sie hinaus.

»Woher wußtest du, daß ich mich hier aufhalte?« frug sie im Hinausschreiten den Hauptmann.

»Mir ward vom Kaiser der Befehl zutheil, dich vor ihn zu führen. Du befändest dich in deinen Gärten, sagte man,« erwiderte der Hauptmann.

»Wer hielt sich, als du den Palast verließest, beim Kaiser auf?« gab sie zurück.

»Stephanus,« entgegnete Silius.

Ahnte man, wen sie im Gemach verborgen, oder ahnte man es nicht?

Diese Frage wälzte sie in beunruhigter Seele, als sie sich auf dem fackelerhellten Vorplatz des Tempels von mehreren Soldatengestalten umringt sah, die alle neugierige Blicke auf sie und die Thüre warfen, aus der sie schritt.

Als sie die Treppe hinabging, begegnete ihr Blick dem einer Zofe, die träge sich in den Hüften wiegend, an einer Säule lehnte.

»Wie kommst du hierher?« frug sie verwundert die Zofe.

Diese erwiderte ausweichend und sah ihr dabei so herausfordernd höhnisch inʼs Gesicht, daß sofort in dem beängstigten Gemüth der Kaiserin eine ganze Reihenfolge von verdachterweckenden Vorstellungen aufdämmerten. Sie erinnerte sich, daß es diese Zofe gewesen, die sich in Bajä so außergewöhnlich dienstbeflissen benommen, sie hatte diesem Mädchen sogar vertrauliche Mittheilungen gemacht, sie in manche Geheimnisse eingeweiht, sie auch oft zur Uebermittlerin von Briefen gewählt. Es lag am Tag, ihr Blick verrieth Alles. Als sie daran dachte, blieb sie einen Moment lang stehen, es stieg in ihr eine solche dämonische Wuth auf, daß sie nahe daran war, der Verrätherin mit den Fäusten in das lächelnde, hämische Gesicht zu schlagen, und nur der Hauptmann, der, ihre tiefe Erregung beobachtend, ihr den Arm bot, um sie zur Sänfte zu geleiten, verhinderte die öffentliche Züchtigung der Undankbaren.

»Du stirbst,« hauchte sie vor sich hin, schritt mit geballten Fäusten die Treppe völlig hinab und ließ sich in die bereitstehende Sänfte heben.

Ihrer Sinne kaum mächtig, vor Wuth, Schmerz und Ahnungsschauern bebend, lag sie in den Kissen, ringsum die schweigenden Gebüsche, über die der Mond sein fahles Licht ruhig und friedlich ausgoß, hinter ihr der dunkle Tempel.

Und welche Folgen würde die Entdeckung haben? Galt ihr oder Paris der nächtliche Ueberfall? Was wußte Domitian? Was wußte er nicht?

Sie mußte an sich halten, um nicht laut aufzuschreien.

»Vorwärts!« befahl der Hauptmann und die Sklaven hoben die Sänfte.

»Halt! was ist das?« fuhr die Kaiserin in die Höhe, als ein eigenthümlicher heiserer erstickter Aufschrei, der aus dem Inneren des Tempels zu dringen schien, die Nacht durchzitterte.

Sie blickte sich entsetzt um  – — der Tempel lag finster, vor seinen Säulen schienen zwei Soldaten zu stehen.

»Wohl ein Raubvogel,« entgegnete Silius gleichmüthig. »Vorwärts, Sklaven!«

Einige der Soldaten lachten und flüsterten miteinander.

»Die Thüre des Tempels schien geschlossen; überall Finsterniß, nur durch das Oberlicht drang ein schwacher Lichtschimmer in die Nacht, die herabneigenden Baumwipfel röthend.

Gleich darauf war es der Lauschenden, als vernehme sie, wie im Innern des Tempels eine Vorhangstange schwer zu Boden fiel, man hörte abermals Aechzen, Stampfen, das Scharren von Füßen auf dem Erdboden.

»Laßt mich hinaus!« rief die Kaiserin, verzweiflungsvoll die Hände ringend, erhob sich und hatte bereits wie trunken vor Aufregung den einen Fuß aus der Sänfte gesetzt, als ihr der Hauptmann entgegentrat.

»Unmöglich, hohe Frau,« sagte er, sie mit seinen Armen zurückhaltend.

»Ich will! Was geht dort vor? Laß mich!« keuchte die Sinnlose und rang mit dem sie zurückhaltenden Hauptmann.

Dieser bewahrte anfangs die ihm schuldige Ehrfurcht, als ihm aber das exaltirte Weib mit den Händen gefährlich in die Augen fuhr und ihn in die umklammernden Arme biß, packte er sie mit militärischer Rücksichtslosigkeit um den Leib, warf die ohnmächtig Aufschreiende in die Kissen und schlug auf die Sklaven los, denen er befahl, im raschesten Laufschritt nach dem Palast zu eilen, während er die Sänfte verließ, um sich zurück zum Tempel zu verfügen.

Dreizehntes Capitel

Als Lydia aus ihrer Ohnmacht erwachte, sah der Mond bereits in morgentlich kühler Blässe wie ein überwachtes Wüstlingsgesicht auf die Wipfel des Parks herab, um allmälig vom ersten dämmernden Morgengrauen angehaucht, zu versinken. Das Mädchen blieb einige Zeit am Boden sitzen und blickte mit ihrem niedlichen Gesicht, das jetzt ein eigenthümlicher Zug schüchternen Vorwurfs umschattete, in den sich aufhellenden Himmel. Ermattet fuhr sie sich mit der Hand über die Stirne, sie fühlte sich müde, so grenzenlos müde, so niederdrückend schlaftrunken. Ja, sie begehrte nach Schlaf, in ihrem Auge dämmerte jene stumpfe irre Schläfrigkeit, jene verstörte Trunkenheit, die eine Folge der das Gemüthsleben vernichtenden Verzweiflung ist. Um ihre herabgezogenen Mundwinkel hing es wie willenlose schlaffe Ergebenheit in das, was ihr ein Grausamer zugefügt. Wie sie sich vor ihm demüthigte! Er hatte ja das Recht so zu handeln, war er doch ihr Herr und wuchs doch gerade durch das Unrecht, das er ihr angethan, ihre Liebe zu ihm, ihre stille verschwiegene Neigung. Aber diese Neigung, brauchte sie auf Gegenneigung zu hoffen?«

Als sie sich erhoben, besann sie sich, wo sie hinausgehen sollte . . .

»Einerlei,« sprach es in ihr.

Jetzt stand es in erschreckender Deutlichkeit vor ihr, was ihr geschehen war, aber nachdem der erste sinnverwirrende Schmerzanfall ausgerast, schien ihr alles was sie fürder noch that, so unsagbar gleichgültig. Sie hätte sich am liebsten wieder zu Boden gelegt, alles ward ihr zur Last, das Athmen erschien ihr überflüssig, das fahle Morgenlicht brannte ihr in die Augen. Nur manchmal, ohne zu wissen, was sie begann, drückte sie beide Hände auf den Kopf und seufzte wie eine körperlich Verwundete, dann aber, als schäme sie sich dieser unnützen Laute, zwang sie sich zu unterwürfiger Fassung. In ihr lebte eigentlich nur noch der eine Gedanke, zu sterben. Und daß sie sich nicht das Leben nahm, hatte seinen Grund nur in dieser völlig that- und rathlosen Seelenerschlaffung, die jeden ihrer Entschlüsse sofort lähmte.

In diesem Zustande war sie bis vor den Venustempel gelangt, dessen moosbewachsenes Dach sich jetzt im Morgengrauen von den dahinter liegenden Bäumen abhob. Sie erkannte den Ort wieder und betrachtete ihn, hinter einem Gebüsch stehend, mit einer gewissen verwunderten Scheu. Gerade als sie sich die verwirrten Haare zu ordnen begann, öffnete sich die Thüre des Tempels.

»Hierher!« rief ein heraustretender Soldat in das Innere zurück, und deutete auf die Treppe, auf deren zerborstene Stufen der Glanz seiner verlöschenden Fackel fiel.

Bald darauf erschienen zwei Männer in der Thüre, die einen in einen Soldatenmantel gehüllten Gegenstand mit Anstrengung durch die Säulen mehr schleppten als trugen, indeß der Morgenwind, der jetzt durch die Büsche rauschte, die Hülle dieses Gegenstandes ungeduldig in zitternde Bewegung versetzte.

Lydia schauderte fröstelnd zusammen und vergrub ihre Hände unter ihr Kleid.

»So ein Mensch wird auch gar zu bequem, sobald er einmal todt ist,« keuchte der eine der Soldaten und suchte, den Soldatenmantel zwischen den Zähnen fest packend, mit unsicherem Fuß die erste Treppenstufe.

»Laß ihn nur jetzt nicht fallen,« seufzte der andere, »er könnte sonst wieder zu sich selbst kommen, und wenn ich auch sonst mich vor keiner Bestie fürchte, so ein lebendig gewordener Todter ist ein Ding, mit dem Niemand gern zu schaffen hat.«

»Schwatzt der einen Unsinn,« erwiderte der erste, der bereits unten angekommen war.

Dann schwiegen Beide und trugen ihre Last durch den Park der Stadt zu.

Lydia sah noch, wie der Hauptmann aus dem Tempel trat, gähnend die Thüre verschloß, die Fackel, die er trug, auf den Treppenstufen zum Verlöschen brachte und gemessenen Schrittes den Vorangegangenen folgte.

* * *

Als der Kaiser in dieser Nacht mit Domitia beim Mahle saß, war er so heiter und liebenswürdig wie kaum zuvor. Die Kaiserin, die aus dieser Liebenswürdigkeit eine gewisse Hast und Unruhe herauszittern fühlte, bemühte sich, indeß ihrem Gatten ebenfalls mit Anmuth und Heiterkeit entgegen zu kommen, obgleich sie zuweilen besorgt nach der Thüre des Speisezimmers blickte, da sie bemerkte, wie Domitianʼs Auge unaufhörlich den Thürvorhang beobachtete.

Als es zu dämmern begann, ließ Domitian die Lampen auslöschen und verlängerte, was sonst nicht seine Gewohnheit war, das Mahl bis in den Morgen hinein.

Domitia versank schließlich, von dem immer räthselhafteren Benehmen ihres Gatten beunruhigt, in Stillschweigen, bis der Kaiser auf einmal das Gespräch auf Paris lenkte, wobei er sie durch geschickt gestellte Fragen zwang, mit zu reden.

»Ein angenehmer Mensch,« sagte er einmal lächelnd, »ich will ihm sehr wohl?« und nun trank er auf das Wohl des Tänzers und nöthigte Domitia dasselbe zu thun.

Der Morgen war schon weit vorgerückt, als Silius, der Hauptmann, angemeldet und vom Kaiser sogleich empfangen wurde.

Der Herrscher schritt dem Hauptmann entgegen, beide wechselten an der Thüre flüsternd ein paar der Tischgesellschaft unverständliche Worte.

Der Kaiser ließ, als er an den Tisch zurückkehrte, sein Auge starr auf Domitia weilen, hob dann die Tafel auf und zog sich sogleich in seine Gemächer zurück.

Domitia war erblaßt, als sie dieser herausfordernde, höhnisch kalte Blick getroffen. Dieser Blick ließ sie erkennen, daß sich irgend etwas Düsteres, Furchtbares, ihr Verderbliches ereignet haben mußte und sie eilte, von finsteren Ahnungen verfolgt, auf ihre Gemächer. Dort angekommen, sandte sie einen zuverlässigen Sklaven in die Wohnung des Paris, kleidete sich rasch an und ließ sich in verschlossener Sänfte nach der Wohnung, des Hauptmanns Silius tragen.

Der Hauptmann war gerade im Begriff sich zu Bette zu legen, als ihm dieser hohe Besuch gemeldet ward, worauf er im Nachtgewand der Kaiserin entgegeneilte und die athemlose Frau, deren Blick verzehrend in dem seinen brannte, zum Sitzen einlud.

»Was ist geschehen?« rief sie ihm mit halb herrischer, halb flehender Stimme schon von weitem entgegen.

Der Hauptmann zögerte mit der Antwort, hieß die Sklaven gehen und sah verwirrt zu Boden.

»Gewiß handelt es sich um Paris,« fuhr die Kaiserin leiser fort.

»Der Hauptmann nickte.

»Hegt der Kaiser Argwohn?« frug Domitia, sich mit Würde fassend.

Der Hauptmann mußte über diese naive Frage unwillkürlich lächeln, obgleich es ihm nicht heiter umʼs Herz war.

»Du willst sagen,« fuhr die Kaiserin, dies Lächeln bemerkend, fort, »er weiß – er – wir sind verrathen  – —?«

»So ist es!« entgegnete Silius.

»Und?« frug sie weiter, ihre ganze Kraft zusammenraffend.

Der Hauptmann zuckte die Achseln.

»Und Paris?« fuhr sie auf, gespannt lauschend. Silius schwieg.

»Dein Gemahl hat ihn nicht mehr zu fürchten,« entgegnete er dann langsam, sie mit einem ernsten Blick streifend.

Als diese mit so auffallender Betonung gesprochenen Worte an das Ohr der Kaiserin schlugen, rang sie einen Augenblick nach Athem – »todt!« sagte eine leere, hohle Stimme ihres Innern und es durchfröstelte sie ein Grauen, das seltsamerweise den Schmerz augenblicklich dämpfte. Sie dachte unwillkürlich an ihr eigenes Schicksal, an Domitianʼs Zorn und diese Vorstellungen dämpften in ihrer selbstsüchtigen Seele auch die Liebe. Dazu kam allʼ das Geheimnißvoll-Widerwärtige, das man mit dem Begriff »Leiche« in Verbindung bringt. Das Blut, die Wunden, die grassen Augen —! sie schauerte zusammen und sagte dann fast gleichgültig theilnahmslos: »Was? So schnell?« – Sie hielt inne, sah mit verglasten Augen vor sich hin und murmelte dann ohne Accent: »Todt.«

Es entstand hierauf eine lange Pause; manchmal schien es, als wolle die Kaiserin ihrem Schmerze nachgeben, da sie aber gewohnt war sich zu beherrschen und, wie sie immer deutlicher fühlte, dieser Schmerz mehr und mehr einem öden Grausen wich, beherrschte sie sich auch in diesem Augenblick und sagte, nachdem sie lange Zeit mit sich gekämpft: »Erzähle!«

Der Hauptmann wollte beginnen, die Kaiserin jedoch unterbrach ihn, winkte ihm, als wolle sie sich die ganze Angelegenheit aus dem Sinne schlagen, zu schweigen und erhob sich.

Einen Augenblick dachte sie daran, die Leiche zu sehen und frug, wie es mit derselben stände, brach jedoch ihre Frage ab, als sie, ihre Empfindungen prüfend, mit Erstaunen gewahrte, daß ihr der Anblick dieser einst so bewunderten Glieder in ihrem jetzigen Zustande nur Entsetzen einflößen würden.

An der Thüre angekommen, wandte sie sich nochmals um, und erkundigte sich nach Lydiaʼs Schicksal; sie wolle, wie sie sagte, das Mädchen unter die Zahl ihrer Dienerinnen aufnehmen, um ihr später die Freiheit zu schenken.

Der Hauptmann, der von Lydiaʼs Dasein nichts wußte, erinnerte sich nach einigem Besinnen, daß es ihm, als man die Leiche des Paris durch die Stadt getragen habe, vorgekommen sei, als folge in einiger Entfernung ein weibliches Wesen den Trägern.

»Als wir die Leiche niederlegten,« berichtete er, »um sie zu verhüllen, fiel mir auf, daß ein Weib in der Nähe stand. Da unser Werk vorerst nicht bekannt werden sollte, befahl ich einem Soldaten, die Person zu verjagen. Der Soldat erzählte, sie habe ihn ganz sonderbar angeblickt und gefragt, ob der Todte Paris sei. Nachdem der Soldat dies bejaht, sei sie, ihr Haupt verhüllend, davongeschritten.«

Dann berichtete der Hauptmann, als er die Leiche verlassen habe, um nach einer Viertelstunde wieder zu ihr zurückzukehren, habe er, wie er vermuthet, sie von der Hülle entblößt, in veränderter Lage wieder gefunden. Es unterliege keinem Zweifel, meinte er, daß jenes vertriebene Weib zu dem Todten zurückgeschlichen sei, überdies spräche eine Rose, die er auf der Brust des Todten gefunden, deutlich dafür, daß man dem Hingemordeten eine letzte Ehre habe erzeigen wollen.

»Hast du diese Rose noch?« frug Domitia.

»Nein!« erwiderte er.

»Und jenes Weib?« frug sie weiter.

»Ich habe nirgends eine Spur von ihr entdeckt,« sagte er.

»Ich beauftrage dich,« erwiderte die Kaiserin, »Nachforschungen anstellen zu lassen. Ich will dem Mädchen eine sorglose Zukunft schaffen, sie soll frei und wohlhabend leben.

Der Hauptmann zuckte die Achseln.

»Du zweifelst, ob man sie finden werde?« frug die Kaiserin, dann fügte sie düster hinzu: »Sie haben mehr Muth, wie wir, diese Niedriggeborenen!« raffte fröstelnd zusammenschauernd ihren Mantel um die Schultern und entfernte sich langsam.

* * *

Als der Barbier Mucius im ersten Morgengrauen seine Bude, die sich am Triumphbogen Tibers befand, öffnete, fiel ihm auf, daß ein dunkler Gegenstand in der Nähe eines Eckpfeilers lag. Er theilte seine Entdeckung seinem Nachbar, einem Leineweber, mit, eilte dann an jenen Eckpfeiler und bemerkte zu seinem Erstaunen, daß die Erde ringsum von Blut durchtränkt war, das aus einem Gewirr von Mänteln, die den Boden bedeckten, hervorsickerte.

Er schob die Kleidungsstücke zurück und rief den Nachbar.

»Es ist nicht zu glauben – siehʼ her!« rief er, – »Paris!«

Der Andere erkannte die regelmäßigen Gesichtszüge des Tänzers, über die jetzt das kalte Morgengrauen seinen Hauch sendete. Die doppelt gewölbte Stirn war kalt und weiß wie Elfenbein, der schöne halbgeöffnete Mund war schmerzlich verzogen, und die ausdruckslosen Augen starrten wie in irrer Klage gen Himmel. Die Hand hielt er auf die Brust gepreßt, als wolle er die dort befindliche breite Wunde krampfhaft schließen.

»Sieh her, ein Soldatenmantel!« sagte der Leineweber, einen Soldatenmantel in die Höhe ziehend.

»Das kommt vom Kaiser,« entgegnete der Andere, den Mantel betrachtend, »hast du die Nacht Lärm auf der Straße gehört?«

»Sie werden ihn außerhalb Roms ermordet und ihn später hierher gebracht haben,« flüsterte der Leineweber, »aber der Soldatenmantel verräth Alles.«

Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
04 декабря 2019
Объем:
230 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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