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Kapitel 2
Kira

Sprachen

Die Sprache ist eine wichtige Kommunikationsform. Die bewusste Kommunikation wird durch Lautsprache, Gebärdensprache und Schriftsprache vollzogen, die unbewusste z. B. durch Körpersprache. Im Universum existieren unzählige Sprachen, bei deren Auflistungsversuchen schon mancher wahnsinnig wurde. Zum Glück wurde das Problem eines Sprachwirrwarrs mit Hilfe einer künstlich geschaffenen Plansprache gelöst. In diesem Sinne: Lernu Esperanton! Estas strange, sed tiu lingvo farigxis la pley grava de la universo! – Lernt Esperanto! Es ist seltsam, aber diese Sprache wurde die wichtigste des Universums! Diese fast vergessene Kunstsprache Terras, die am Anfang unseres Jahrtausends nur noch von einer Handvoll Menschen (höchstens drei Millionen) verstanden wurde, holten die Invasoren von Cygnus Tau aus der Mottenkiste. Sie hielten Esperanto fälschlicherweise für die Sprache der Eingeweihten Heiligen Zamenhofs. Außerdem löste der wunderbare Klang bei ihrem Obersten Röbbler einen Heiterkeitsanfall aus und heilte ihn so von einer schweren Depression. Seitdem breitet sich Espe­ranto unaufhaltsam in den Galaxien des Universums aus und wird inzwischen von mehreren Tausend Lebensformen für die Verständigung genutzt.

Schon wieder umwarb sie einer dieser lästigen Versiche­rungsroboter.

Dauernd versuchten sie, Kira eine absolut konkurrenzlos billige Raumschiff-Rundum-Sorglos-Versicherung aufzuschwätzen.

Für Kiras alte »Schrottmöhre«, wie sie ihr Raumschiff mehr oder weniger liebevoll nannte! Dabei war es aber das zuverlässigste, das sie je besessen hatte, einschließlich des hyperschnellen Gleiters aus der Deneb-Serie von Star-Riders. Die Produktion war damals eingestellt worden, weil einfach zu viele Gleiter nach dem Durchtunneln eines Wurmlochs nur noch mit Teilen der Besatzung oder gar nicht mehr aufgetaucht waren.

In den Anfangszeiten galaktischer Raum-Zeit-Reisen hatte man angenommen, dass ein Flug von der Erde zur Wega genauso einfach gelingen würde wie der Katzensprung von Berlin nach Tokio.

Die Stabilität der Wurmlöcher hatte aber lange gewaltig zu wünschen übrig gelassen und letzte Probleme waren immer noch nicht ganz behoben.

Kira hatte in informierten Kreisen munkeln gehört, dass die verschwundenen Gleiter in der ewigen Gefangenschaft Schwarzer Löcher gelandet waren, einmal mit, ein andermal ohne die bedauernswerten Wesen, die gerade unglücklicher­weise in dem betroffenen Raumschiff unterwegs gewesen waren, wobei sich Letztere manchmal an den absolut unglaublichsten Orten wiederfanden.

Nachdem es auch den berühmten Astrosänger B'o-len aus der Nähe von Atair erwischt hatte, konnte nichts mehr vertuscht werden. Die Firma Star-Riders wurde kurz vor der Pleite noch rasch von Intergalactic Vehicles aufgekauft, wie es nach Kiras Erfahrung heute allenthalben üblich war, und stellte danach nur noch Windeln mit integrierter Schlafliedfunktion und drei Alarmmelodien je nach Dringlichkeit des Windelwechsels her.

Obwohl Kira immer rascher lief – sie war schon etwas außer Puste, weil sie ihr tägliches Konditionstraining sträflich vernachlässigte, denn sie hatte sich, was Sport anging, immer durchgemogelt –, holte sie dieser geschwätzige Ro­boter bald ein.

Nun ja, mit fünfunddreißig sollte sie vielleicht doch langsam beginnen, etwas für ihre körperliche Leistungsfähigkeit zu tun.

Ihr Arzt hielt Kira bei jedem Besuch einen Vortrag über den unaufhaltsamen physischen Verfall der Terrestrier jen­seits der dreißig. Der hatte gut reden, seine Art war mit dreißig gerade erst im zweiten Larvenstadium angelangt.

Kira war zwar nicht auf Terra geboren worden, war aber doch unbestreitbar ein Nachkomme dieser plumpen, auf einen Sauerstoffgehalt der Luft von 20,8 % angewiesenen Erdlinge.

Sie schaute angestrengt zur Seite und tat so, als ob sie dem Gespräch der beiden Androiden zuhören würde, die sie gerade überholte. Die beiden unterhielten sich gerade über die letzten Übergriffe der Weganer auf den Stützpunkt ihrer Flotte auf irgendeinem kleinen grauen Mond irgendeines Planeten in einer verflixt weit von Wega entfernten Galaxie.

Natürlich nützte es nichts. Der Blechmann ignorierte wie alle Versicherungsroboter sämtliche Regeln der Höflichkeit und plapperte ohne Gruß und einleitende Floskeln wie zum Beispiel »Guten Tag, wie geht es Ihrer Versicherung?« gleich drauflos.

»Yeah Baby, unser Rundum-Sorglos-Versicherungspaket ist unschlagbar preiswert, glaub mir. Wir versichern sogar Vandalismus, du verstehst, alle deine Kumpels sind bekifft und haben sich bis zum Dematerialisieren volllaufen lassen, und dann hauen sie alles kurz und klein.

Natürlich ist auch die Haftpflicht inbegriffen, falls du anschließend im Vollrausch aus Versehen ein paar Raum­schiffe zerbeulen solltest. Du wirst es echt nicht bereuen, Baby! Und solltest du – ssssst«, er machte mit seinem Metallarm eine wegwerfende Bewegung, »mal in einem Wurmloch verbleiben, werden zumindest deine Familienangehörigen Freudentänze aufführen.

Dann gibt's für die ein Fünftel vom derzeitigen Wert deines Raumschiffes cash auf die Hand. Da bist du platt, was, Baby?«

Ein dermaßen stümperhaft umprogrammierter Roboter war Kira bisher selten begegnet. Sie schüttelte den Kopf, unschlüssig, ob sie verärgert oder belustigt reagieren sollte.

Ihr war bekannt, dass es mit der Filmindustrie seit Jahren bergab ging, und immer mehr Robots, die vor Bluescreens die Hauptrollen in den so genannten Echtfilmen übernommen hatten, nachdem das Publikum der ausschließ­lich per Computer erstellten Filme überdrüssig geworden war, wurden kurzerhand auf nützlichere Tätigkeiten umprogrammiert. Manchmal waren die Programmierer allerdings überfordert und es ließ sich nichts Brauchbares mehr aus den metallenen Lebewesenkopien herstellen.

Nicht nur die Filmindustrie hatte diese Probleme: Kira hatte Gerüchte gehört, dass ein Umfunktionieren von Politikerdoubles nahezu aussichtslos war. Dies lag wahrscheinlich daran, dass für diese Aufgabe Ausschussware verwendet wurde, die von Anfang an Schäden hatte wie defekte Fremdsprachenchips, Totalausfall der Toleranzimitation und nicht deaktivierbare Endlosschleifen aneinandergereihter Parolen.

Wie sich Kira entsann, fielen bei dem letzten Präsidenten der Drei Vereinigten Kontinente hauptsächlich das männ­lich-markante Aussehen und, was fast noch wichtiger war, das Dauergrinsen auf. Erst als die Staatengemeinschaft wirtschaftlich fast in den Ruin getrieben worden war und sich zuletzt gar ein Bürgerkrieg auszuweiten drohte, eliminierte man diesen Katastrophenpräsidenten – beinahe zu spät.

Der Cowboy-Versicherungsvertreter-Verschnitt nuschelte mit stark holonischem Akzent. Seit sich vor vielen Jahr­zehnten das Esperanto als Universalverständigungssprache endgültig durchgesetzt hatte, waren im Hinterkopf implantierte Übersetzungschips überflüssig geworden. Durch fal­sche Übersetzung ausgelöste verheerende Vernichtungsfeldzüge, weil zum Beispiel »lasst uns ein Bier zapfen« mit »ihr seid der größte Mist, der je verzapft wurde« verwechselt worden war, gehörten der Vergangenheit an, über die Kira nur noch in der Anekdotenglosse des Milchstraßenspiegels las.

»Nein danke, Space-Cowboy, ich brauche keinerlei Versicherung. Erstens hat mein Raumschiff nur noch Sammlerwert und zweitens habe ich keine Familie.«

»Nur meine beiden Koloniekinder auf Terra, die ich zweimal im Jahr besuche«, fuhr sie in Gedanken fort. »Und von Mutter kommen seit vielen Jahren nur noch unregelmäßig Lebenszeichen. Manchmal meldet sie sich zehn Monate lang nicht, um dann überraschend aus den Tiefen des Weltalls aufzutauchen und mich mit dem Klatsch und Tratsch sämtlicher Spiralgalaxien zu überschütten.«

Laut sagte sie: »Und wenn ich ein anderes Raumschiff aus Versehen zerschrotten sollte, wird sicher mein reicher Onkel einspringen. Der sitzt im Intergalaktischen Präsidialrat und weiß gar nicht, was er mit seinem Geld anfangen soll, so viel bringt ihm sein Posten ein.«

Kira hatte gehört, dass es früher genauso gewesen war: Einem Politiker wurden die Millionen nur so hinterher geworfen, selbst wenn er der unfähigste Trottel unter seiner Sonne war. Auch auf Terra hatte man das so gehandhabt.

Sie fand, dass man stattdessen grundsätzlich so verfahren sollte wie auf einem kleinen Planeten inmitten eines offenen Sternhaufens in der Nähe von NGC 2264, wo unfähige Regenten ohne große Umstände zu Dünger verarbeitet wurden.

Dem Volk hatte das leider nicht viel genützt, da mit einer Invasion durch Bewohner der Nachbargalaxie eine Seuche eingeschleppt wurde, die beinahe sämtliche Bewohner des Planeten dahinraffte. Nur ein paar blieben am Leben, die gerade auf der einzigen Raumstation die Geburt des fünftausendsiebenhundertzweiunddreißigsten Nachkommen ihres Regenten feierten.

Oder war es die Entdeckung der fünftausendsieben­hundertzweiunddreißigsten Supernova im linken oberen Himmelsquadranten gewesen?

Kira zuckte unwillkürlich mit den Schultern. Egal, jedenfalls umkreisten die unsanft aus ihrem Vollrausch Erwachten einige tausend Jahre ihren Heimatplaneten, bevor sie von mitleidigen Regonen an Bord einer Raumfähre genommen wurden.

Kiras aufdringlicher Begleiter ließ sich nicht entmutigen. Im Gegenteil, sie hatte ihm unbeabsichtigt ein Stichwort geliefert, an das er eifrig anknüpfte.

»Aber Kleines, alle Mitglieder des Intergalaktischen Präsidialrates sind bei uns versichert. Du wirst es kaum glauben, aber sowohl Sach- als auch Personenschäden sind bei jedem bis zu einer Summe von fünf Millionen Universos gedeckt. Da bleibt dir die Spucke weg, was? Diese Versicherung ist gar nicht teuer – tausend Universos im Jahr und du bist dabei!«

Er versuchte, ihr zur Bekräftigung auf die Schulter zu hauen. Es gelang ihr nicht, ganz auszuweichen, und der rechte Oberarm bekam einen Teil der Wucht einer Roboterpranke zu spüren.

Sie schaute sich rasch um, während sie ihren lädierten Arm mit der linken Hand umklammerte. Sollte sie ihn mit einem Photonenimpuls ihres Multifunktions-Überlebenskits für eine Weile außer Gefecht setzen? Sie hatte den Kit bisher nur benutzt, um sich die Fußnägel zu schneiden oder Weinflaschen zu öffnen. Selbst den integrierten Kamm hatte sie bisher nicht gebraucht, bei ihrer Kurzhaarfrisur reichte es, morgens einmal mit den Fingern durch den Igel zu fahren.

Sie entschied, dass sie keinen Wert darauf legen würde, einen vergleichenden Essay über Gefängnisse auf den verschiedenen Planeten dieser Galaxie zu schreiben. Nein, Flucht vor diesem nervtötenden Robot war die beste Lösung.

Inzwischen hatten beide ein gutes Stück Straße zurück­gelegt und kamen an der Paradies-Bar vorbei. Entgegen ihrem Namen war die Bar eine üble Spelunke, aber sie hatte einen gravierenden Vorteil: Roboter mussten draußen bleiben.

Also schlüpfte Kira kurz entschlossen, nachdem der in einen braunen Kapuzenmantel gehüllte schattenartige Wächter kurz ihre zelluläre Identität überprüft hatte, durch die Eingangstür.

Drinnen mussten sich ihre Augen erst einmal an das Halbdunkel gewöhnen. Sie atmete auf: Außer ihr waren nur drei extraterrestrische Typen und der Barkeeper zu entdecken.

Um die Wahrheit zu sagen: Kira ging äußerst ungern in Kneipen. Das lag nicht daran, dass sie zu schüchtern war, sondern dass sie in mindestens drei Galaxien polizeilich gesucht wurde.

Jedes Mal war sie in eine harmlos erscheinende Sache hineingeraten, die plötzlich Eigendynamik bekommen und dazu geführt hatte, dass sie sich zum Beispiel im Hochsicherheitstrakt des Staatsgefängnisses von L'turion bei Aldebaran inzwischen recht gut auskannte. Zum Glück konnte man nach l'turionischer Rechtsprechung wegen Handels mit fehlerhaften Bordcomputern nicht zum Tode verurteilt werden.

Mit Hilfe ihres Mikromanipulators konnte Kira damals nach fünf Wochen Isolationshaft in das zentrale Datenverwaltungssystem des Hochsicherheitstrakts eindringen und ihre gespeicherten Daten von »2000 Umdrehungen des Heimatplaneten Inhaftierung«, die sie natürlich nicht über­lebt hätte (die Dummköpfe hatten Terra mit Tiran, einem Planeten am anderen Ende des Universums, verwechselt), in »sofortige Freilassung« umändern. Glücklicherweise hatte es ohne weitere Probleme geklappt.

Kira begrüßte die Kneipengäste mit einem betont forschen »Saluton!« und einer Geste, die auf allen Planeten verstanden wurde, indem sie die Handflächen nach oben wendete und gleichzeitig den Kopf senkte.

Die Typen reagierten nicht, aber der Wirt erwiderte ihre Geste.

Kira bestellte einen alkoholfreien Twister, sie wollte lieber einen klaren Kopf behalten. Das Zeug hatte es auch so in sich. Man spürte es förmlich in den Eingeweiden prickeln, wenn man die grüne Flüssigkeit mit den türkis­blauen Schlieren herunterschüttete.

Ihr Glas hatte Kira in Rekordzeit halb ausgetrunken, während sie versuchte, von dem Gespräch der drei anderen schon leicht angetrunkenen Gäste einige Brocken zu verstehen.

Die Sprache der mit fischähnlichen Köpfen auf unförmigen, tonnenartigen Körpern ausgestatteten Typen konnte sie mit Hilfe ihres in ihr Chronometer am linken Handgelenk eingebauten Dolmetscherchips, den die meisten für einen harmlosen diamantenbesetzten Armreifen hielten, zwar mühelos übersetzen, aber die drei wisperten so leise, dass die Signalerfassung Probleme bereitete.

Kira gab bald auf und hing stattdessen trüben Gedanken nach. Manchmal packte auch Menschen wie sie, die ihre Gefühle recht gut unter Kontrolle hatten, die Sehnsucht nach einem Wesen, das eine Frau verstand und abends zu Hause mit einem zarten Steak mit Zwiebelringen und Kartoffelbrei auf sie wartete.

Leider waren Weltraumreisende oft einsam, und ab und zu überfiel auch Kira eine tränenreiche Traurigkeit, die sie am nächsten Morgen aussehen ließ wie einen zehn Tage in Nährlösung gequollenen Mondfisch.

Plötzlich stockte das Gespräch der drei und sie glubsch­ten in Richtung Tür.

Kira wandte sich um, denn gehört hatte sie eigentlich nichts. Nahezu lautlos waren zwei neue Gäste in die Kneipe hereingekommen.

Der eine erinnerte Kira an einen Riesenkraken mit Geierschnabel. Die Lebensform wirkte auf Anhieb unsympathisch, aber sie hatte sich schon mehr als einmal gewaltig getäuscht, was das tatsächliche Wesen einer für menschliche Augen bizarr oder sogar ekelerregend aussehenden Kreatur anging.

Der andere war – Kira staunte – ein Terrestrier wie sie selbst: Ziemlich groß gewachsen, dunkle ungepflegte Haare, wie sie vor hundertzehn Erdenjahren modern gewesen waren, und legere Kleidung. Eine mit fremden Schriftzeichen bestickte Weste über einem zerknitterten, rotblau karierten Flanellhemd fiel ihr ins Auge. Sie hatte eine leichte Schwäche für mit fremden Schriftzeichen bestickte Westen, aber diese hier sah sehr schmuddelig aus.

Nachdem der Mann sich kurz umgeschaut und den üblichen Gruß entrichtet hatte, blieb sein Blick einen Augen­blick lang an Kira hängen. Sie fühlte ein merkwürdiges Kribbeln im Bauch, was aber sicher daran lag, dass der Twister wieder ans Tageslicht wollte.

Der Fremde bestellte für sich und seinen Kumpan Whiskey aus ökologisch unbedenklichem Anbau. Mit seinen schon leicht ergrauten Haaren, die schon länger nicht mehr mit Wasser und Shampoo in Berührung gekommen waren, und den Dreitagebartstoppeln, die alles andere als erotisch wirkten, gehörte er zu dem Typ Mann, den Kira insgeheim »fossiler Weltraumpirat« getauft hatte. Sie wäre gerne einem Kontakt mit ihm aus dem Weg gegangen, aber er redete sie ohne Umschweife an.

»Bonan vesperon! Kennen Sie vielleicht einen guten Piloten, der ein Raumschiff nach Delta Centauri überführen könnte?«

Schon wieder wurde Kira einfach angequatscht. Konnte man sie heute nicht mit Belanglosigkeiten in Ruhe lassen und mit ihr stattdessen ausführliche Gespräche über den Sinn des Lebens im Allgemeinen und der Liebe im Besonderen führen, die ihre arme leidende Seele wieder aufbauen würden?

Sie seufzte innerlich, aber da sie höflich war und außer­dem ein kleines bisschen neugierig, antwortete sie. »Klar kenne ich einen guten Piloten, der für entsprechendes Geld ein Raumschiff egal wohin überführen würde. Aber wer sind Sie überhaupt?«

Mit einem Blick auf die sie anstarrenden drei Fischköpfe, die unverhohlen herüberglotzten und, ohne dass es Ihnen im Geringsten peinlich war, zuhörten, murmelte Kiras Gegenüber: »Gehen wir dort hinten an den Tisch in der Ecke. Es muss ja nicht jeder mithören.«

Sie nahm ihren Twister und folgte ihm und seinem Krakengefährten an den weit hinten gelegenen Tisch.

Er setzte sich so, dass er das Geschehen am Tresen im Blick behielt. »Es klingt vielleicht seltsam, aber wir sind in geheimer Mission für die Geronin von Perseus unterwegs. Wie Sie sicher wissen, ist die Geronin Mitglied des Interga­laktischen Präsidialrates.«

Kira nickte, obgleich sie sich nur dunkel an die Geronin erinnerte: Ein wunderhübscher, zart gemeißelter Kopf mit langen weißen, seidig schimmernden Haaren auf einem plumpen Körpersack. Sie lebte mit irgendwelchen Würmern in ihrem Körper zusammen, denen es in letzter Zeit, wie die Nachrichten behaupteten, immer schlechter ging.

Nach Kiras Ansicht war sie allerdings bei weitem nicht das skurrilste Wesen des Präsidialrates: Ein Mitglied lebte als winziger Symbiont in den Leitbündeln eines pflanzen­ähnlichen Kaktuswesens. Mitteilen konnte es sich mittels Gedankenübertragung an das Kaktuswesen, das sozusagen als Sprecher seines Symbionten fungierte.

Anfangs hatte man daher das Kaktuswesen selbst für eine intelligente Lebensform gehalten. Erst nachdem man die seltsame Gepflogenheit, von Zeit zu Zeit die Symbionten auszuhusten und wieder aufzusaugen, untersucht hatte, entdeckte man die wahren Verhältnisse.

In der Wissenschaftszeitschrift »Populäre naturwissen­schaftliche Anmerkungen über Sonderformen des Seins« – kurz PNASS – hatte Kira gelesen, dass der kurzzeitige Aufenthalt außerhalb des Wirtes den Symbionten erlaubte, rasch Sonnenenergie zu tanken, die sie zur Aufrechterhaltung ihres Stoffwechsels benötigten.

Kira fand solche wissenschaftlichen Erkenntnisse immer furchtbar interessant und verwendete sie auf Partys gerne als Gesprächsthema, wenn ihr sonst nichts mehr einfiel. Leider teilten die wenigsten ihre Begeisterung, denn wie sie fest­stellte, kamen ihr die Gesprächspartner bei ihren Erläuterungen meist schnell abhanden, und Kira fand sie später in angeregter Unterhaltung mit irgendeinem Trottel, der beispielsweise Anekdoten aus dem Sportlerleben seines Großvaters zum Besten gab.

»Warum das Raumschiff nach Delta Centauri überführt werden soll, kann ich Ihnen beim besten Willen nicht verraten – ich weiß es selbst nicht. Daran sehen Sie, dass es sich um einen Akt höchster Geheimhaltungsstufe handelt.«

Bei den letzten Worten verzog Kira das Gesicht. Sie mochte es nicht, wenn mit verdeckten Karten gespielt wurde.

»Nun gut, Sie handeln also in geheimem Auftrag. Aber Ihr Name ist doch hoffentlich nicht auch geheim?«

Der Fremde schien sich nicht an ihrem ironischen Unterton zu stören. »Ich heiße Arthur Shakespeare und dies ist mein Begleiter Esso aus dem Horussystem. Wir sind Ingenieure und gehören zur Roten Flotte, von der Sie sicherlich gehört haben.«

Natürlich wusste Kira, um was es sich bei der Roten Flotte handelte! Einige der besten Piloten, Ingenieure und Naturwissenschaftler, die sie kannte, waren bei der Aufnahmeprüfung in diese Eliteeinheit durchgefallen, weil dort eben nur die Besten der Besten aufgenommen werden. Kiras Blick, eben noch spöttisch, wurde fast ehrfürchtig.

»Bitte, können Sie uns beide mit dem Piloten bekannt machen, von dem Sie sprachen?« Bei dieser Frage verknotete Arthur Shakespeare nervös die Finger.

Esso saß scheinbar völlig unbeteiligt daneben und sortierte die winzigen Schuppen an den Tentakelenden, bis sie ordentlich in einer Reihe standen.

Shakespeares Augenlid zuckte nervös und er fuhr sich mit der Hand durch die fettigen Haarsträhnen.

Kira beschloss, mit dem Versteckspiel aufzuhören. »Ich selbst bin der Pilot. Ich fliege seit fünfzehn Jahren unfallfrei kreuz und quer durch die Galaxis. Drei Jahre bediente ich die Raumfähre zwischen MX 183 und MX 756. Zurzeit besitze ich leider nur ein etwas altersschwaches Raumschiff.«

Sie grinste, aber ihr Gegenüber ging nicht darauf ein. Also fuhr sie achselzuckend fort. »Ich würde mich heftig freuen, wenn ich mal einen moderneren Flitzer fliegen dürfte. Es wäre mir wirklich ein ausgesprochenes Vergnügen. Für einen angemessenen Lohn natürlich.«

Er winkte ab. »Geld spielt keine Rolle. Wichtig ist nur, dass der Raumgleiter weitgehend ohne Kratzer und vor allem ohne Überfälle ans Ziel gelangt. Die Zeit läuft uns weg, wir müssen uns unbedingt beeilen.«

Er tauschte mit seinem Krakenbegleiter einen viel sagen­den Blick aus. Dabei stellte Kira fest, dass der Krake, der im Übrigen fünf Arme und ebenso viele Beine besaß, einen nach menschlichen Maßstäben vertrauenerweckend warm­herzigen Augenausdruck besaß. Arthur Shakespeare wandte sich wieder an Kira.

»Wegen dieses Zeitdrucks engagieren wir Sie. Wir hätten zugegebenermaßen gerne eine kleine Auswahl an Piloten gehabt, aber wir müssen uns schnellstmöglich entscheiden. Sie haben den Job.«

Sie wusste nicht so recht, ob sie beleidigt sein sollte, weil ihr eben recht deutlich gesagt worden war, dass man sie nicht auf Anhieb für die überaus fähige Pilotin hielt, die sie ihrer Meinung nach war, oder ob sie sich freuen sollte, dass sie den Job ohne große Umschweife erhalten hatte. Etwas verwirrt kippte sie den Rest ihres Drinks hinunter. »Wann soll es losgehen?«

Ihr Gegenüber schaut auf sein Chronometer. »In genau sechzehn terrestrischen Stunden und vierzehn Minuten. Dabei bleibt's, es mag biegen oder brechen!«

Kira verbarg mühsam ihre Überraschung. Das versprach ein Hals-über-Kopf-Unternehmen zu werden. Andererseits wäre es ein guter Job mit guter Bezahlung. Sie presste die Lippen aufeinander.

In Shakespeares Augen blitzte es belustigt auf. »Was ist los? Ist Ihnen gerade eine Laus über die Leber gelaufen?«

Für einen Moment hatte Kira ein krabbelndes Insekt vor Augen, das gerade auf einer frischen, blutigen Leber spazieren ging. Sie schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Es geht nur alles ein bisschen schnell. Aber ich werde mich bereit machen. Welche Startrampe?«

»B12. Seien Sie bitte pünktlich. Sie wissen jetzt alles über uns, was Sie unbedingt wissen müssen. Wir sind leider gezwungen, uns blindlings auf Ihre hoffentlich vorhandenen Fähigkeiten zu verlassen. Vorher möchten wir aber doch noch gerne Ihren Namen erfahren.«

Verflixt, jetzt wurde sie auch noch rot. Welch ein Glück, dass die Beleuchtung so miserabel war! »Kira Vendredo. Mein Vater gehörte zu den Elitepiloten der Raumflotte und ich versuche, in seine Fußstapfen zu treten.«

Warum nur rutschte ihr dieser Satz immer wieder heraus? Das interessierte doch niemanden und außerdem ging es keinen etwas an. Sie hätte sich selbst ohrfeigen können.

Aber Arthur lächelte zum ersten Mal. »Er ist hoffentlich glücklich, eine so erfolgreiche Tochter bekommen zu haben.«

Sie erwiderte sein Lächeln, obwohl ihr traurig zumute war. »Er hat es leider nie erfahren. Kurz vor meiner Geburt geriet er in ein Gefecht und kam ums Leben.«

Arthur strich sich die strähnigen Haare aus der Stirn. »Das tut mir leid. So schnell verdunkelt sich des Glückes Schein!«

Er stand auf, sein Begleiter ebenfalls. Kira sprang auf und warf dabei fast den Stuhl um.

»Ich erwarte Sie in sechzehn Stunden auf Startrampe B12. Verlasst Euch auf meine Redlichkeit!« Er reichte der befremdet dreinschauenden Kira kurz die Hand, anschließend sah sie sich gezwungen, einen Tentakel zu drücken. Der fühlte sich aber warm und fest und gar nicht unangenehm an.

»Gxis baldaux«, ertönte eine tiefe, samtige Stimme mit leichtem Akzent. »Unsere Mission wird hoffentlich ohne Schwierigkeiten zu erfüllen sein.«

Kira war für einen Moment völlig entgeistert, dann fing sie sich und klappte ihren Mund wieder zu: Mit Extraterrestriern erlebte man eben häufig Überraschungen. Solch eine wohltönende Stimme hatte Kira noch nie von einem ihres­gleichen vernommen. Dagegen klang Shakespeare geradezu langweilig, obwohl seine Ausdrucksweise ab und zu mehr als seltsam war.

Die beiden verließen die Kneipe, nicht ohne sich vorher vom Wirt zu verabschieden. Auch Kira vollführte die schlangenähnliche Abschiedsgeste mit dem rechten Arm und murmelte »Gxis revido«.

Draußen schloss sie geblendet die Augen. Sie sah zwar nichts, aber die penetrante Stimme, die auf sie einredete, erkannte sie sofort.

»Hey Baby, du hast dich bestimmt für mein Rundum-Sorglos-Versicherungspaket entschieden. Du kannst sofort unterschreiben. Das Geld kannst du dann innerhalb der nächsten zwei Wochen auftreiben.«

»Lass mich in Ruhe, du nervige künstliche Intelligenz!« In Kiras Schläfen begann ein leiser warnender Schmerz zu pochen. Sie sah sich um: Die Straße war bis auf zwei torkelnde Gestalten in einiger Entfernung leer. Sie würde auf sich selbst gestellt sein, sollte der Robot zum Angriff über­gehen. Sie spannte ihre Beinmuskeln an und war bereit, los zu sprinten, als der Roboter plötzlich den Kopf hängen ließ und dreinblickte, als ob sämtliches Öl aus seinen Gelenkverbindungen gelaufen wäre.

»Ich bin ein Versager! Keiner mag mich! Ich bin der letzte Schrott!«

Verdutzt blieb Kira nach drei Schritten wie angewurzelt stehen. Obwohl sie sich dagegen sträubte, meldete sich ihr schlechtes Gewissen. Wie hätte sie ahnen können, dass Versicherungsroboter solch eine sensible Psyche besaßen? Viel­leicht brauchte sie doch eine Rundum-Versicherung?

Aber der Roboter schien gar keine Antwort mehr zu erwarten, sondern fuhr mit seinem Gejammer fort. »Ich bin als Versicherungsroboter untauglich! Eine Schande für mei­nen Konstrukteur! Niemand wird einen Roboter in meinem Alter mehr einstellen! Ich gehöre zum alten Eisen! Meine Existenz ist verpfuscht! Mir bleibt nur noch eins zu tun: Ich werde mich jetzt auf der Stelle abschalten.« Beim verzweifelten Versuch, seine Funktionen auszuschalten, blieb er in einer Deaktivierungsschleife hängen und winkte ununterbrochen mit dem rechten Arm einem imaginären Gegenüber zu.

Kira überlegte kurz, ob sie ihn einfach so stehen lassen sollte. Aber womöglich hatte er bereits Daten über sie gespeichert, und es war besser, wenn sie ihre Spuren ein wenig verwischen würde. Daher nahm sie ihren Mikroschraubenzieher aus dem Multifunktions-Überlebenskit zur Hand, deaktivierte das Energieversorgungssystem des nervigen Roboters und durchtrennte zur Sicherheit noch zusätzlich ein paar Leitungen.

834,53 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
22 декабря 2023
Объем:
320 стр. 1 иллюстрация
ISBN:
9783946433101
Издатель:
Правообладатель:
Автор
Формат скачивания:
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