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IV. Zum Kapitalmarktrecht

Petra Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017; Barbara Grunewald/Michael Schlitt, Einführung in das Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2014; (sowie auch das Werk von Langenbucher).

Teil 1 Einleitung

Teil 1 Einleitung › § 1 Unternehmens- und Gesellschaftsrecht im System des Rechts

§ 1 Unternehmens- und Gesellschaftsrecht im System des Rechts

Inhaltsverzeichnis

I. Unternehmen und Macht

II. Was ist Unternehmensrecht?

III. Einführung in die Problematik der verdeckten Vermögensverlagerungen

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Fall 1:

A (50 %), B und C (je 25 %) sind Gesellschafter der X-GmbH. A ist zum alleinigen Geschäftsführer bestellt worden, dafür erhält er ein jährliches Gehalt von 100.000 €. Wegen außerordentlicher Leistungen des A erwirtschaftet die X-GmbH im Jahr 2010 einen um 100 % höheren Gewinn als in den Vorjahren (300.000 € statt 150.000 €). Daraufhin vereinbart A mit seinem Freund F, dass dieser der GmbH, vertreten durch A, einen neuen Dienstwagen (Marktpreis 20.000 €) für 30.000 € verkauft und dem A persönlich 10.000 € in bar aushändigt. Als B und C von dem Geschäft erfahren sind sie empört. Sie verlangen von A Zahlung von 10.000 € an die Gesellschaft. A macht geltend, seine Anstrengungen im Jahr 2010 rechtfertigten durchaus einen Sonderbonus in dieser Höhe für ihn. Er dürfe das Geld daher behalten. Stimmt das? Rn. 27

Literatur:

Röhricht, Von Rechtswissenschaft und Rechtsprechung, ZGR 1999, 445 ff.

Teil 1 Einleitung › § 1 Unternehmens- und Gesellschaftsrecht im System des Rechts › I. Unternehmen und Macht

I. Unternehmen und Macht
1. Komplexität und Macht

a) Die Vielzahl von Gesetzen und anderen Regeln

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Im Kapitalgesellschaftsrecht geht es in erster Linie um den Gewinn aus der gemeinsamen Verfolgung eines unternehmerischen Zwecks. Zwar können auch Kapitalgesellschaften zu beliebigen Zwecken gegründet werden, doch steht in der Praxis das Betreiben eines Unternehmens im Vordergrund. Dieses Lehrbuch beschränkt sich entsprechend dem Sinn der Schwerpunkte-Reihe auf unternehmenstragende Gesellschaften.

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Wer sich dazu entschließt, allein oder mit anderen ein Unternehmen zu betreiben, muss sich von Anfang an darüber im Klaren sein, dass das Rechtssystem ihm sein Vorhaben nicht allzu einfach machen wird: Der Staat will seinen Anteil, wenn das Unternehmen gut läuft (Steuerrecht), die Geschäftspartner, Arbeitnehmer und die Öffentlichkeit wollen geschützt werden (Gläubigerschutz) und zwar vor allem dann, wenn der oder die Unternehmer nicht persönlich für den Erfolg des Unternehmens haften wollen (Haftungsbeschränkung). Der Staat schreibt zusätzlich vor, dass der Unternehmer all seine Geschäfte aufschreibt und ihre wirtschaftlichen Folgen bewertet (Rechnungslegungspflicht, Bilanzrecht). Ferner genießt eine besondere Gläubigergruppe, nämlich die der Arbeitnehmer, einen noch darüber hinausgehenden Schutz über das Arbeitsrecht. Bei der unternehmerischen Tätigkeit, vor allem beim Abschluss von Rechtsgeschäften sind die allgemeinen zivilrechtlichen Regeln des BGB und die Spezialregeln für Kaufleute im HGB einzuhalten. Darüber hinaus wollen Konkurrenten vor unlauterem Wettbewerb geschützt werden (UWG), die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs selbst wird durch das Kartellrecht geschützt (GWB) usw. usf. Es besteht in Deutschland wahrlich kein Mangel an Gesetzen und rechtsfortbildendem und lückenschließendem Richterrecht, was die Regulierung unternehmerischer Tätigkeit angeht.

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Das Problem dabei ist, dass einzelne Entscheidungen und Handlungen des Unternehmers Rechtsfragen in unterschiedlichen Gebieten aufwerfen und die verschiedenen Rechtsgebiete untereinander nicht selten schlecht abgestimmt sind.

Beispiel:

Wer einen Alleinvertriebsvertrag mit einem Zulieferer abschließt, unterliegt sowohl den zivilrechtlichen Regeln über den Vertragsschluss, muss gleichzeitig überlegen, ob der Vertrag nicht gegen das Kartellrecht verstößt, und die aus dem Vertrag resultierenden Folgen müssen ordentlich bilanziert werden.

Auch wenn sich der Unternehmer Geld aus dem Unternehmensvermögen herausnimmt und anschließend das Unternehmen seine Schulden nicht mehr bezahlen kann, fragen die Gläubiger nach ihrem Schutz. Dieser Schutz findet sich – leider – auf unterschiedlichen, nicht ausreichend miteinander verzahnten Rechtsgebieten. Einmal sind die Gläubiger durch das Bilanzrecht und kapitalmarktrechtliche Veröffentlichungspflichten, d. h. durch Information geschützt. Wenn der Unternehmer die beschriebene Entnahme veröffentlichen musste und dies auch getan hat, so kann das Recht möglicherweise den Gläubigern sagen: Ihr hättet ja mit dem Unternehmer keine Geschäfte machen müssen, weil ihr sehen konntet, dass er seinen Verpflichtungen nicht würde nachkommen können (das wäre Gläubigerschutz über Information).

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Weiter kann das Gesetz aber auch anordnen, dass der Unternehmer das Geld, das er kurz vor der Insolvenz beiseite geschafft hat, wieder zurückgeben muss (das ist die sog. paulianische Anfechtung im Insolvenzrecht, davon wird noch die Rede sein). Kapitalgesellschaftsrechtlich hat der Gesetzgeber noch darüber hinaus einen Rückerstattungsanspruch (Recht der Kapitalerhaltung) vorgesehen, wenn durch die Geldentnahme das Unternehmen zwar noch nicht insolvent war, aber bereits weniger Vermögen hatte als vom Unternehmer versprochen (sog. Unterbilanz, auch davon wird noch näher gehandelt). Das Recht der Kapitalerhaltung ist im Kapitalgesellschaftsrecht, d. h. im AktG und im GmbHG geregelt.

Und um festzustellen, wie denn die vermögensrechtliche Lage des Unternehmens im fraglichen Zeitpunkt der Entnahme war, braucht man wieder die Vermögensaufstellung, d. h. die Bilanz, also das Bilanzrecht. Wie man sieht, sind aus Sicht der Kapitalgesellschaft ganz unterschiedliche Gesetze und sogar Rechtsgebiete „zuständig“ für die Problemlösung. Angesichts dieser „Vielfachzuständigkeiten“ fehlt es den Unternehmern wie den Juristen häufig vor allem am Überblick. Diesen will das vorliegende Werk erleichtern.

b) Warum so kompliziert?

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Gesellschaftsrecht ist im Ausgangspunkt nicht schwierig. Seine oberste Regel, zugleich genereller Leitsatz, steht in § 705 BGB. Die Gesellschafter verpflichten sich dazu, den gemeinsamen Zweck zu verfolgen und dazu ihre Beiträge zu erbringen. Betreiben die Gesellschafter ein Unternehmen, besteht der gemeinsame Zweck in aller Regel in der Gewinnerzielung. Im Kapitalgesellschaftsrecht kommt zur Verpflichtung aller auf den Zweck der Gewinnerzielung die Haftungsbeschränkung hinzu und die Möglichkeit ihres Missbrauchs. Die Beiträge werden nicht nur im Interesse der anderen Gesellschafter, sondern auch und vor allem im Interesse der Gläubiger erbracht. Aus den beiden Grundpflichten folgen letztlich auch die Details. Im Grundsatz aber geht es eigentlich nur darum, die Gesellschafter an ihre Zusagen (Zweckverfolgung, Beiträge) zu erinnern.

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Es liegt in der menschlichen Natur, dass zumindest einige ihren Verpflichtungen nicht nachkommen wollen. Dann versucht das Recht, sie zu zwingen. Das wissen die Verpflichteten. Sie stellen sich darauf ein. Kautelarjuristen helfen ihnen dabei. Die Einhaltung der Regeln wird nicht offen verweigert. Vielmehr versuchen die Verpflichteten, durch geschickte Vertragsgestaltung an ihnen vorbeizukommen. Wenn die Rechtsprechung einen solchen Versuch erkennt, sinnt sie – oft erfolgreich – auf Gegenmittel. Die einfachen Grundregeln des Gesellschaftsrechts werden detaillierter. Zu den Formulierungen des Gesetzgebers kommen neue hinzu, alles wird komplizierter.

In diesem „Spiel“ oder auch „Wettrüsten“ nimmt die Rechtsprechung eine besonders bedeutende Rolle ein. Sie vervollständigt unvollständige Gesellschaftsverträge und unvollständige Schutznormen. Das geschieht durch Auslegung oder wenn notwendig Rechtsfortbildung. Gesellschaftsrecht ist deshalb vor allem Richterrecht. Wegen der Bedeutung des Gesellschaftsrechts für die Volkswirtschaft kommt dem II. Senat des BGH durch sein Recht und seine Pflicht zur Rechtsfortbildung eine erhebliche Machtfülle zu. Diese vorausschauend auszuüben, ist seine vornehmste Pflicht.

c) Komplexität schafft Machtspielräume

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Der seinerzeitige Vorsitzende des für das Gesellschaftsrecht zuständigen II. Senats des Bundesgerichtshofs, Volker Röhricht, hat das Hauptproblem des heutigen Gesellschaftsrechts festgehalten.[1] Es sei zu kompliziert und müsse einfacher werden. Und damit meinte er nicht nur die oben beschriebene Tatsache, dass unterschiedliche Rechtsgebiete auf ein- und denselben Sachverhalt einwirken, sondern allein die Regeln des Gesellschaftsrechts selbst, die nicht nur im AktG und GmbHG stehen (sog. „black letter law“), sondern durch Richterrecht fortgebildet und durch tausende Details selbst unübersichtlich geworden sind.

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Durch komplexe, detaillierte Regeln entsteht – angesichts der unüberschaubaren Vielfalt des Lebens – neben den von den Regeln erfassten Sachverhalten fast automatisch eine noch größere Vielzahl von Lebenssachverhalten, die von den detaillierten Regeln gerade nicht unmittelbar erfasst werden. Gerade im Gesellschaftsrecht ist das aber besonders gefährlich: Denn die Lebenssachverhalte, die von einer Regelung nicht erfasst sind, lassen den handelnden Personen dann automatisch Freiräume. Die Behandlung derartiger Lebenssachverhalte außerhalb des Tatbestands einer Norm ist dann ja ungeklärt. Zwar besteht u.U. die Möglichkeit, die jeweilige Regel analog anzuwenden, aber ob das tatsächlich geschieht, ist jedenfalls bis zu einer Richterentscheidung unsicher.

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Hinter ungeklärten Rechtsfragen verbirgt sich im Gesellschaftsrecht meist seine schon aktuelle Ausfüllung durch bloße Macht. Geklärte Rechtsfragen kann man auch als Machteinschränkung begreifen, so dass Recht und Macht ein Gegensatzpaar bilden.

Beispiel:

Vorstands-Doppelmandate im Konzern (siehe Rn. 125). Nach Hüffer/Koch[2] sind diese rechtlich zulässig, aber „nicht problemfrei“. Sie sind aber weder im dogmatischen Ansatz noch im Ergebnis bewältigt. § 88 Abs. 1 S. 2 AktG schreibt vor, dass ohne Einwilligung des Aufsichtsrates ein Mitglied des Vorstand nicht zugleich Mitglied des Vorstands einer anderen Gesellschaft sein darf. Man stelle sich folgende Situation vor. Eine AG (X-AG) hat 60 % der Anteile an einer anderen (Tochter-)T-AG: Der Vorstand der X-AG bestellt den Aufsichtsrat der T-AG, dieser bestellt den Vorstand der T-AG. Kann als Vorstand der Tochter ein Mitglied des Vorstands der X-AG bestellt werden? Der Aufsichtsrat der Mutter sagt „Ja, das würde der Mutter nur nützen.“ Der Aufsichtsrat der Tochter sagt ebenfalls „Ja“, denn sonst droht ihm der Vorstand der Mutter mit seiner Abberufung. Also scheint die Doppelmitgliedschaft rechtlich möglich.

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Dahinter steht eine zunächst nicht offensichtliche Problematik. Unterstellt, der Doppel-Vorstand erfährt von einem guten Geschäft für die Tochter, das aber auch ein gutes Geschäft für die Mutter wäre. Er kann dieses Geschäft nun für die Mutter abschließen (dann erhält sie 100 % des Gewinns aus diesem Geschäft) oder für die Tochter (dann erhält sie nur 60 % des Gewinns). Was wird er wohl tatsächlich tun?

Wenn also gesagt wird, die Rechtsfrage der „Doppelmandate im Konzern“ sei „nicht problemfrei“, dann hat sich möglicherweise ein bestimmtes Interesse (nämlich das der Muttergesellschaft) bereits tatsächlich durchgesetzt. Das Geschäft wird im Beispiel tatsächlich mit der Mutter zustande kommen, auch wenn es der Vorstand nach den konkreten Umständen eher für die Tochter hätte abschließen müssen (vgl. zur sog. Geschäftschancenlehre Rn. 72 ff.). Hätte er letzteres getan, hätte auch die 40 %ige Minderheit in der Tochter von diesem Geschäft profitiert. Stattdessen geht sie leer aus.

d) Ebenso das juristische Spezialistentum

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Die Vielzahl von Gesetzen führt auch dazu, dass sich zu jedem Rechtsgebiet Spezialisten herausbilden, Menschen also, die Experten nur für ihren eigenen Rechtsbereich sind und oft über den Tellerrand nicht hinausblicken. Jeder hält sich selbst für den wichtigsten Experten und sein Spezial-Rechtsgebiet für das allein selig machende.

Es gibt also Bilanzrechtler, Insolvenzrechtler, Gesellschaftsrechtler, nicht zu vergessen die Kapitalmarktrechtler: keiner weiß noch genau, was der jeweils andere tut. Insbesondere die Bilanzrechtler haben den Zweck des Bilanzrechts für sich umdefiniert, so dass es seine Hilfsfunktion für den Gläubigerschutz im Gesellschaftsrecht nicht mehr erfüllen kann.

Beispiel:

Wenn eine neu entwickelte Horizontalbohrmaschine aus Sicht des Kaufmanns bilanziert wird, liegt ihr Wert, da die Maschine für das Unternehmen wichtig ist, vielleicht bei 100.000 €. Wenn sie dagegen aus Sicht der Gläubiger bewertet wird, hat sie, da sie auf dem Gütermarkt nicht veräußerbar ist, vielleicht allenfalls Schrottwert.

In wessen Interesse muss der Kaufmann nun aufschreiben, welchen Wert die Maschine hat? Im Gläubigerinteresse, damit nicht Vermögen beiseite geschafft werden kann? Das könnte man vielleicht annehmen – die Realität sieht anders aus (vgl. unten Rn. 243 ff.).

2. Die Rolle der Wissenschaft

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Wissenschaftler und Studierende mit begrenztem Aufnahmevermögen dürfen an der unüberschaubaren Vielzahl von Details und an den Spezialisten nicht verzweifeln. Zwar können diese sich die anfallende Arbeit teilen, der Studierende und der Wissenschaftler sind dagegen fast immer allein und auf sich gestellt. Ein Vorteil der Wissenschaft aber ist es, sich nicht fortlaufend mit alltäglichen, intensive Detailarbeit erfordernden Problemen beschäftigen zu müssen, sondern den Blick auf dahinter liegende Strukturfragen, d. h. auf sich wiederholende Abläufe und Prinzipien richten zu können und eine gewisse Übersicht über die Zusammenhänge erreichen zu können. Diese Übersicht befähigt dann auch später zur Analyse von Detailfragen, während sich die arbeitsteiligen Organisationen in solchen Detailfragen durchaus verlieren können.

3. Schlussfolgerungen

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Wegen der eben genannten Tatsachen richtet dieses Werk den Blick nur auf ausgewählte Detailfragen. Denn dieses Buch ist nicht als Kommentar zum Kapitalgesellschaftsrecht gedacht, sondern will ein Verständnis für die Probleme vermitteln. Daher wird der Schwerpunkt auf die Funktion des Kapitalgesellschaftsrechts in seiner Einbindung in andere Rechtsgebiete gelegt. Es wird namentlich versucht darzustellen, wie unternehmerische Macht im deutschen Recht ausbalanciert wird oder werden kann. Im Vordergrund stehen deshalb die tatsächlichen und wirtschaftlichen Folgen einzelner rechtlicher Institutionen des Kapitalgesellschaftsrechts. Das Weglassen vieler Details heißt allerdings nicht, dass die Themen rein abstrakt behandelt werden. Eine Vorstellung der rechtlichen und ökonomischen Probleme des Kapitalgesellschaftsrechts kann man sich im Gegenteil nur dann bilden, wenn man die handelnden Akteure und den konkreten Sachverhalt „vor dem geistigen Auge“ hat und ihre Reaktionen (häufig Ausweichreaktionen auf nicht genehme Rechtsregeln) psychologisch nachvollziehen kann.

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Wirtschaftsrecht hat eine Menge mit Psychologie zu tun. Insbesondere aus rechtspolitischer Sicht, d. h. bei der Abfassung neuer Regeln durch den Gesetzgeber oder bei rechtsfortbildenden Entscheidungen der Gerichte, stellt sich stets die Frage, wie die Handelnden auf eine Rechtsänderung reagieren werden. Die vorauszusehende Reaktion der Rechtsunterworfenen muss in die neu zu findende Regel mit eingeplant werden, damit sie funktionieren kann. Angesprochen ist damit das sogenannte konsequentialistische Denken, auch folgenorientiertes oder funktionales Denken genannt.

Kapitalgesellschaftsrecht ist in der heutigen Zeit immer mehr – und insofern dem Arbeitsrecht immer ähnlicher – auch Richterrecht. Deshalb wird auch ein Schwerpunkt auf die Entwicklung des Rechts durch die Rechtsprechung gelegt, die häufig dort eingreift, wo der Schutz bestimmter Akteure durch geschriebenes Recht versagt: Z.B. stellt das Recht der Haftung für existenzvernichtende Eingriffe (Rn. 314 ff.) eine Reaktion der Rechtsprechung auf für zu starr empfundene geschriebene Regeln des Kapitalerhaltungsrechts dar. Manchmal reagiert der Gesetzgeber seinerseits wieder auf die Rechtsprechung (Rn. 328), diesen „Dialog“ zwischen Gesetzgebung und Rechtsprechung gilt es zu sehen.

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Das vorliegende Werk will zur Verminderung der Komplexität beitragen, indem eine teils „gesetzesübergreifende Betrachtung“ angestellt wird, die den Überblick über das Recht der Kapitalgesellschaften vermitteln soll. Daher geht dieses Buch über das Aktien oder GmbH-Gesetz einerseits hinaus und bezieht wichtige andere Gesetze wie die InsO, das HGB und das WpHG mit ein. Andererseits setzt die Darstellung auch einen besonderen Schwerpunkt auf die bereits gegründete und unternehmerisch tätige Kapitalgesellschaft. Nicht dargestellt wird insbesondere das Recht der Aufbringung des Kapitals[3] mit den „Spezialproblemen“ der sog. verdeckten Sacheinlage.[4] Es fehlen auch nähere Ausführungen zum Recht der Kapitalerhöhung und -herabsetzung.[5] Ferner werden Fragen des Umwandlungsrechts und der Unternehmensmitbestimmung nicht behandelt. Auch die neu geschaffenen „europäischen Rechtsformen“ (societas europaea[6] und societas privata europaea, letztlich Abwandlungen der AG und der GmbH) sowie die „Kommanditgesellschaft auf Aktien“ (KG a. A.) bleiben außen vor. Wenn man die hier behandelten Schwerpunkte des Kapitalgesellschaftsrechts tatsächlich verstanden hat, wird man sich ohne Mühe anhand der jeweiligen Kommentare auch in die nicht behandelten Fragen einarbeiten können. Vor allem dazu soll das Buch befähigen.

Teil 1 Einleitung › § 1 Unternehmens- und Gesellschaftsrecht im System des Rechts › II. Was ist Unternehmensrecht?

II. Was ist Unternehmensrecht?

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Vom Standpunkt des Unternehmers aus betrachtet, wirkt das Recht im Wesentlichen folgendermaßen auf ihn ein (in alphabetischer Reihenfolge):

Das Arbeitsrecht als eigenes Gebiet beschränkt die Macht des Unternehmers gegenüber den bei ihm angestellten Personen. Das Bilanzrecht zwingt ihn, seine Bücher ordnungsgemäß zu führen und die einzelnen abgeschlossenen Geschäfte aufzuschreiben. Geht es mit seinen Geschäften bergab, sorgt das Insolvenzrecht dafür, dass die Gläubiger gleichbehandelt werden und ihm die Kontrolle über sein Unternehmen entzogen und auf den Insolvenzverwalter übertragen wird. Ist der Unternehmer eine börsennotierte AG, so zwingt ihn das Kapitalmarktrecht zur Publizität, er muss seine Geschäfte nicht nur aufschreiben, sondern regelmäßig auch die Aktionäre und potentiellen Anleger informieren, etwa in Form von Ad-hoc-Meldungen nach dem WpHG oder durch Prospekte bei der Ausgabe von Aktien (WpPG, BörsG). Insbesondere das sogenannte Insiderhandelsverbot und das Übernahmerecht (WpÜG) haben auch gesellschaftsrechtliche Funktionen. Jeder Unternehmer muss Steuern bezahlen und sich an die unendlich komplizierten Regeln des Steuerrechts (AO, KStG, UStG usw.) halten. Das Recht der Unternehmensmitbestimmung als Grenzgebiet zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht muss von größeren Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft beachtet werden; hier sitzen die Arbeitnehmer mit im Aufsichtsrat und bestimmen über Fragen der Geschäftsführung mit (MitbestG, Drittelbeteiligungsgesetz). Das Wettbewerbsrecht regelt das Verhalten des Unternehmers gegenüber seinen Konkurrenten. So verlangt einmal das UWG (Gesetz zum Schutz vor unlauterem Wettbewerb) faires Verhalten und schützt andererseits das Kartellrecht, geregelt im GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen), den Wettbewerb insgesamt. Selbstverständlich hat sich der Unternehmer bei allem, was er tut, an das allgemeine Zivilrecht des BGB zu halten; ist er – wie regelmäßig – Kaufmann, gilt noch dazu das Handelsrecht des HGB. Man sieht, an Gesetzen herrscht kein Mangel.

Die genannten Regeln gelten im Prinzip für jeden Unternehmer, auch die Regeln des Kapitalmarktrechts muss er jedenfalls dann kennen und beachten, wenn er sich an einer börsennotierten AG nicht nur geringfügig beteiligen will. Ist der Unternehmer selbst kein Einzelkaufmann, sondern eine Gesellschaft, so kommen noch zusätzliche Regeln hinzu, die insbesondere die Geschäftsleitung der Gesellschaft zu beachten hat. Bei einer Personengesellschaft sind dies die Regeln des Personengesellschaftsrechts, bei den hier behandelten Kapitalgesellschaften geht es namentlich um die Regeln des Kapitalgesellschaftsrechts. Diese dienen einerseits dem Schutz der Gläubiger und behandeln andererseits die Probleme, die sich eben aus dem Zusammenwirken mehrerer Personen ergeben, also insbesondere Verteilungsfragen, z.B. die Frage danach, wer wann wie viel Gewinn des Unternehmens ausbezahlt erhält. Kurz zusammenfassend kann man sagen, das Kapitalgesellschaftsrecht beschäftigt sich mit dem Verhältnis der Gesellschafter untereinander, mit dem Verhältnis der Gesellschafter zur Geschäftsleitung und mit dem Verhältnis der Gesellschaft zu ihren Gläubigern.

Teil 1 Einleitung › § 1 Unternehmens- und Gesellschaftsrecht im System des Rechts › III. Einführung in die Problematik der verdeckten Vermögensverlagerungen

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