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Anmerkungen

[1]

BGHZ 109, 337: Handelsbilanz ist maßgebend für die Kapitalerhaltung nach § 30 GmbHG.

[2]

Vgl. Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, 18. Aufl. 2006, § 64 GmbHG Rn. 31.

[3]

Vgl. Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, 18. Aufl. 2006, § 64 GmbHG Rn. 31.

[4]

Vgl. § 238 Abs. 1 S. 2 HGB: Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens.

[5]

Zu den Gegenargumenten gegen diese zusätzlichen Zwecke siehe Rn. 281 ff.

[6]

Vgl. Staub/Pöschke, § 242 HGB Rn. 7 a.E.

[7]

Vgl. für Bewertung von Rückstellungen § 253 Abs. 1 S. 2 HGB.

[8]

Siehe dazu etwa Küting, BB 2011, 2091 ff.

[9]

Dazu näher Müller/Ergün, DStR 2012, 1401 ff. und Drewes, DStR 2012, 1967.

[10]

Vgl. dazu Staub/Kleindiek, 5. Aufl. 2013, § 242 HGB Rn. 41 sowie BGHZ 109, 334, 338.

[11]

EuGH ZIP 1996, 1168.

[12]

DE+ES Bauunternehmung GmbH v. Finanzamt Bergheim, NZG 1999, 1051.

[13]

Siehe zu alledem ausführlich Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 19 InsO Rn. 82 ff.

[14]

BGHZ 119, 201, 213 ff. (Dornier); BGHZ 126, 181, 199.

[15]

Vgl. dazu eingehend K. Schmidt, DB 2008, 2467 ff.

[16]

Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/10600, S. 21: „Künftig wird es deshalb wieder so sein, dass eine Überschuldung nicht gegeben ist, wenn nach überwiegender Wahrscheinlichkeit die Finanzkraft des Unternehmens mittelfristig zur Fortführung ausreicht.“

[17]

Siehe etwa BGH NZI 2007, 44.

[18]

Siehe K. Schmidt, zuletzt DB 2008, 2467, 2469.

[19]

Immerhin geht der BGH mittlerweile davon aus, dass es ein Indiz für eine rechtliche Überschuldung ist, wenn sich eine rechnerische Überschuldung aus der Handelsbilanz ergibt, so etwa BGH NZG 2008, 75; NZI 2011, 452, 455; andere Tonlage bei BGH WM 2012, 665 Rn. 5.

[20]

Siehe Wimmer, jurisPR-InsR 22/2008 Anm. 5.

[21]

K. Schmidt, DB 2008, 2467, 2469 unter II. 3.

[22]

Siehe statt aller BGH NZI 2007, 44.

[23]

Wackerbarth, NZI 2009, 145 ff.

[24]

Näher Wackerbarth, NZI 2009, 145 ff.

[25]

Zum Vorrang der Insolvenzanfechtung siehe etwa Häsemeyer Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rn. 21.03; speziell zur Kapitalerhaltung Eidenmüller/Engert, FS K. Schmidt (2009), S. 305 ff., 313 f.

[26]

BGH ZIP 1998, 830, 836; BGH NJW 1993, 1379, 1381; BGHZ 113, 98, 101 ff. jeweils m.w.N.

[27]

Vgl. auch BGH ZIP 2005, 767 = NJW 2005, 1867; a.A. Gundlach, ZIP 2005, 540.

Teil 3 Gläubigerschutz › § 7 Durchgriffshaftung der Gesellschafter, Gesellschafterdarlehen

§ 7 Durchgriffshaftung der Gesellschafter, Gesellschafterdarlehen

Inhaltsverzeichnis

I. Zivilrecht (Haftung des Gesellschafters und der Geschäftsführung)

II. Durchgriffshaftung der Gesellschafter

III. Das Recht der Gesellschafterdarlehen zwischen Gesellschafts- und Insolvenzrecht

299

Fall 16 (Durchgriffshaftung, angelehnt an BGH, NJW 2008, 2437 Gamma):

Die A-KG war früher eine florierende Gesellschaft mit 100 Arbeitnehmern. Anfang 2006 gerät sie in eine Krise und muss Arbeitnehmer entlassen. A und B, Gesellschafter der A-KG, gründen daraufhin die A-GmbH mit einem Stammkapital von 25.000 €. Die A-GmbH schließt mit der A-KG einen Vertrag über die Organisation von Fortbildungsmaßnahmen und der Vermittlung von Arbeitsverhältnissen. Die Tätigkeit der A-GmbH soll vornehmlich durch öffentliche Gelder (Strukturkurzarbeitergeld und Qualifizierungsmittel nach SGB III) finanziert werden, die restlichen Lohnkosten von ca. 25.000 € monatlich übernimmt vereinbarungsgemäß die A-KG.

Daraufhin lösen 21 Arbeitnehmer ihre Arbeitsverhältnisse zur A-KG und begründen neue mit der A-GmbH. Die A-KG kann ihre Krise nicht überwinden und stellt im Mai 2007 ihre Zahlungen an die A-GmbH ein, die daraufhin im Juli 2008 ebenfalls Insolvenzantrag stellt.

V wird als Insolvenzverwalter der A-GmbH bestellt. Er meint, A und B müssten persönlich für die Zahlung des im Insolvenzverfahren offen gebliebenen Betrages von 50.000 € aufkommen, weil der Anspruch der A-GmbH gegen die A-KG auf den Lohnkostenzuschuss entgegen branchenüblichen Gepflogenheiten nicht besichert war. Zu Recht? Rn. 327

300

Fall 17:

Die B-AG, eine Baugesellschaft, ist seit der letzten Rezession in der Krise, Kapazitäten bleiben mangels Auftragseingangs ungenutzt, sie schreibt schon seit Jahren rote Zahlen. Seit 1999 besteht ständig eine Unterbilanz. Die S-Bank als Hausbank ist neben vielen Kleinanlegern als Hauptaktionär mit 15 % am Grundkapital der B-AG beteiligt. Sie gewährt nach langen Verhandlungen im Juni 2000 der B-AG einen „allerletzten Überziehungskredit“ in Höhe von 5 Mio. €, damit die B-AG liquide bleibt. Rückzahldatum ist 31.12.2000. Im Dezember 2000 kann der Vorstand der B-AG eine andere Kreditquelle auftun und zahlt anschließend das Darlehen an S zurück. Im Januar 2002 muss dann doch das Insolvenzverfahren über die B eröffnet werden. Der Insolvenzverwalter verlangt von S Zahlung von 5 Mio. € an die Insolvenzmasse. Zu Recht?

Abwandlung 1: Wie, wenn das Darlehen erst im Februar 2001 zurückgezahlt wird, die S aber beweisen kann, dass im Juni 2001 die B-AG bei einer hypothetischen Liquidation nach Befriedigung aller Gläubiger noch einen Liquidationsüberschuss von 1 Mio. € erwirtschaftet hätte (angenommenes Grundkapital: 2 Mio. €) und erst danach einige ihrer Schuldner in Konkurs gefallen sind, so dass es zu den Schwierigkeiten gekommen ist?

Abwandlung 2: Wie, wenn das Darlehen im Dezember 2000 zurückgezahlt wird, die S aber im Juni 2001 die Hälfte ihrer Anteile verkauft hat und beweisen kann, dass im Juni 2001 die B-AG bei einer hypothetischen Liquidation nach Befriedigung aller Gläubiger noch einen Liquidationsüberschuss von 1 Mio. € erwirtschaftet hätte (Grundkapital 2 Mio. €) und erst danach einige ihrer Hauptschuldner in Konkurs gefallen sind?

Abwandlung 3: Angenommen, es handelte sich um eine GmbH, an der die S nur mit 8 % beteiligt war, deren Gesellschaftsvertrag (Satzung) jedoch Einstimmigkeit für Satzungsänderungen verlangte (außer bei Liquidation, diese konnte mit 80 %iger Mehrheit beschlossen werden), ändert sich etwas an der Rechtslage? Rn. 351

301

Fall 18:

Wie Fall 17, nur hat sich das Geschehen zwischen 2009 und 2012 abgespielt Rn. 363

Literatur:

Cahn, Gesellschafterfremdfinanzierung und Eigenkapitalersatz, AG 2005, 217 ff.; Kleindiek, Das reformierte Recht der Gesellschafterdarlehen – eine Zwischenbilanz, ZGR 2017, 731 ff.; Röhricht, Die GmbH im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlicher Dispositionsfreiheit ihrer Gesellschafter und Gläubigerschutz in: Festschrift 50 Jahre BGH, S. 83 ff.; Wackerbarth, Existenzvernichtungshaftung 2005 – Unternehmerische Entscheidungen auf dem Prüfstand?, ZIP 2005, 877 ff.

Teil 3 Gläubigerschutz › § 7 Durchgriffshaftung der Gesellschafter, Gesellschafterdarlehen › I. Zivilrecht (Haftung des Gesellschafters und der Geschäftsführung)

I. Zivilrecht (Haftung des Gesellschafters und der Geschäftsführung)

302


1. Erklärungs- und Vertrauenshaftung (Garantie, Bürgschaft, Patronatserklärung, c.i.c.), soweit einzelnen Gläubigern der Gesellschaft gegenüber rechtsverbindliche Erklärungen abgegeben werden.
2. Haftung aus § 823 BGB bei direkter Verletzung von geschützten Rechten individueller Gläubiger durch einen Gesellschafter, vgl. dazu bereits oben Rn. 135–138.

Teil 3 Gläubigerschutz › § 7 Durchgriffshaftung der Gesellschafter, Gesellschafterdarlehen › II. Durchgriffshaftung der Gesellschafter

II. Durchgriffshaftung der Gesellschafter

1. Notwendigkeit eines Durchgriffs auf die Gesellschafter

303

Die Funktionalität der bislang besprochenen Schutzvorkehrungen im Recht der Gesellschaften mit Haftungsbeschränkung ist nicht immer eindeutig. Komplizierte Systeme zur Erhaltung des Stamm- bzw. Grundkapitals sind anfällig für Manipulationen, etwa durch Fehlbewertung von Vermögensgegenständen im Bilanzrecht oder verdeckte Transaktionen zulasten der Gläubiger, die zunächst tatsächlich verborgen bleiben. Manchmal werden sie im Rahmen eines Insolvenzverfahrens aufgedeckt und können systemimmanent beseitigt werden, etwa durch Ansprüche auf Rückzahlung entzogenen Kapitals oder durch Anfechtungstatbestände des Insolvenzrechts. Mit solchen – vom Umfang her genau begrenzten – Ansprüchen gegen die Gesellschafter findet bereits ein „begrenzter Durchgriff“ auf die Gesellschafter statt. Ansprüche wegen der Verletzung der Kapitalerhaltungsvorschriften sind nichts anderes als eine begrenzte Aufhebung der Haftungsbegrenzung. Neben diesen systemimmanenten Instrumenten stellt sich aber die Frage, ob nicht in besonders gelagerten Ausnahmefällen noch darüber hinaus die Haftungsbeschränkung ganz pauschal wieder aufgehoben werden soll und die Gesellschafter wie in einer offenen Handelsgesellschaft unbegrenzt für sämtliche Schulden der Gesellschaft haften sollen, also gewissermaßen die Aufhebung der Haftungsbeschränkung zu ihrem eigenen (System-)Schutz erfolgen muss. Zunächst werden einige theoretische Ansätze und Begründungsversuche für eine solche unbegrenzte Durchgriffshaftung aufgezeigt, bevor auf diese Grundfrage am Ende noch einmal zurückzukommen ist (unten Rn. 320 ff.).

2. Rechtstechnische Begründung

304

Vor einer Auseinandersetzung mit den möglichen Fallgruppen ist die rechtstechnische Begründung einer Durchgriffshaftung der Gesellschafter für die Schulden ihrer Gesellschaft zu betrachten. Diskutiert wird zum einen die Haftung wegen Rechts- oder Institutsmissbrauchs (wobei mit „Institut“ die Haftungsbeschränkung im Kapitalgesellschaftsrecht gemeint ist). Es geht also um Missbrauch des Systems, z.B. durch systematische oder vorsätzlich sittenwidrige Eingriffe der Gesellschafter in das System. Das ist die sogenannte Missbrauchslehre.[1] Die Missbrauchslehre kann man kaum von einer Haftung wegen sittenwidriger Gläubigerschädigung nach § 826 BGB abgrenzen. Zum anderen wird die Haftung aus dem (vermeintlich) begrenzten Normzweck des § 13 Abs. 2 GmbHG bzw. § 1 Abs. 1 S. 2 AktG hergeleitet. Man nennt diese Begründung des Durchgriffs auch Normanwendungstheorie, wobei es aber gerade nicht um die Anwendung der genannten Normen geht, sondern darum, ihren Anwendungsbereich dem Normzweck entsprechend zu begrenzen. Oft werden beide Lehren miteinander kombiniert.[2]

3. Mögliche Fallgruppen

a) Vermögensvermischung

305

Beispiel:

Der Gesellschafter einer GmbH „wohnt“ in den Geschäftsräumen der GmbH, hat dort z.B. private Teppiche und Haushaltsgegenstände untergebracht und zahlt aus der Gesellschaftskasse seine privaten Schulden. Der Umfang dieser Vermischung seines privaten mit dem Vermögen der Gesellschaft kann nachträglich nicht mehr genau festgestellt werden, da keine Geschäftsbücher geführt werden.

Wenn man es als eine Grundvoraussetzung des Instituts der Haftungsbeschränkung betrachtet, dass der Gesellschafter sein privates Vermögen und das der Gesellschaft strikt voneinander trennt, so wird man in solchen Fällen eine Durchgriffshaftung bejahen müssen.[3]

306

Bei einer solchen Vermögensvermischung stellt sich allerdings die Frage, ob man die Haftung des Gesellschafters auf den Umfang der Vermögensvermischung beschränken soll. Je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls kann es ja so liegen, dass eine Vermischung nur in Bezug auf einzelne Gegenstände vorliegt, deren Zuordnung zum Gesellschaftsvermögen oder zum Privatvermögen sich nachträglich nicht mehr feststellen lässt. Soweit dem Gesellschafter bezüglich der Vermischung Vorsatz nachgewiesen werden kann, ist die Frage richtigerweise zu verneinen. Andernfalls sollte sie eher bejaht werden. Denn die Vermögensvermischung unterscheidet sich dann kaum von einer Rückzahlung von Kapital i.S.d. §§ 30 GmbHG, 57 AktG. Dann sollte auch nur eine begrenzte Haftung stattfinden.[4]

307

Im Hinblick auf das Wie der Haftung stellt sich die Frage, ob die Gesellschafter direkt von den Gläubigern der Kapitalgesellschaft in Anspruch genommen werden können (sog. Außenhaftung), oder ob sie nur in der Insolvenz der Kapitalgesellschaft vom Insolvenzverwalter in Anspruch genommen werden können (Innenhaftung). Richtig ist letzteres (Innenhaftung), weil sonst ein Rennen der Gläubiger um die Befriedigung durch den oder die Gesellschafter stattfinden würde. Eine Außenhaftung der Gesellschafter lässt sich m.E. nach nur gem. Rn. 302 begründen.

b) Haftung der Gesellschafter wegen materieller Unterkapitalisierung?

308

Beispiel:

Das Stamm- oder Grundkapital entspricht zwar den gesetzlichen Mindestanforderungen (25.000 € bei GmbH, 50.000 € bei AG), reicht jedoch angesichts des Geschäftsumfangs und des Zwecks der Gesellschaft (z.B. Chemiefabrik mit 2.000 Arbeitnehmern) nicht aus, um ein angemessenes Polster für die Gläubiger zu bieten.

Die Literatur ist z.T. dafür, in solcher Situation den Gesellschaftern eine Durchgriffshaftung aufzuerlegen, weil sie die Gesellschaft mit nicht ausreichend Eigenkapital ausgestattet haben (sog. materielle Unterkapitalisierung).[5] Die Rechtsprechung lehnt eine solche Haftung dagegen eher ab[6], weil eine solche Haftung angesichts des eindeutigen betragsmäßig festgeschriebenen Mindestkapitalerfordernisses weder aus dem Gesetz noch sonst methodisch begründbar ist.[7] Insbesondere nach einigen jüngeren Entscheidungen des EuGH ist diese Frage wieder in das wissenschaftliche Interesse gerückt, weil der EuGH dort verlangt hat, dass auch ausländische Gesellschaften aus den EU-Mitgliedstaaten im Inland tätig werden dürfen, die nach ihrem Heimatrecht keinen Mindestkapitalanforderungen unterliegen.[8]

309

Das Hauptproblem liegt in der Bestimmung und Konkretisierung des haftungsauslösenden Tatbestands. Er lässt sich nicht scharf bestimmen, was auch all die zugeben, die eine Haftung der Gesellschafter bei Unterkapitalisierung befürworten.[9] Deshalb weichen einige darauf aus, eine Haftung nur bei sogenannter qualifizierter materieller Unterkapitalisierung zu bejahen (d.h. die Unterkapitalisierung ist evident gegeben, Beispiel: Fluggesellschaft AG mit 20 Flugzeugen (Wert 2 Mrd. €) hat nur ein Grundkapital von 50.000 €).[10]

310

Nach hier vertretener Auffassung ist die Einordnung der Unterkapitalisierung als Durchgriffsproblem abzulehnen. Die Durchgriffshaftung der Gesellschafter könnte nur ein funktionsuntauglicher, weil zu unscharfer, Ersatz für die mittlerweile praktisch nicht mehr durchgesetzte Insolvenzantragspflicht der Geschäftsleitung bei Überschuldung der Gesellschaft sein. Der richtige Weg ist es, stattdessen die Insolvenzantragspflicht praktisch durchzusetzen. Wer hingegen zu Liquidationswerten überschuldete Gesellschaften weiterwirtschaften lässt (wegen der Maßgeblichkeit der Fortführungsprognose, vgl. Rn. 270), der beschwört freilich diesen Durchgriffstatbestand als Gegengewicht herauf.

c) Haftung wegen intensiver Beherrschung der Kapitalgesellschaft durch ihren Allein- oder Mehrheitsgesellschafter? (Gleichlauf von Herrschaft und Haftung)

311

Von manchen wird ein positiver Zusammenhang zwischen der Ausübung von Leitungsmacht und erleichtertem Durchgriff im Sinne eines Gleichlaufs von Herrschaft und Haftung behauptet.[11] Zu ihnen sind auch diejenigen zu rechnen, die aus der Feststellung eines intensiven Einflusses auf die Kapitalgesellschaft durch einen Gesellschafter auf eine Beweislasterleichterung für die Gläubiger der Gesellschaft schließen, wenn diese die Gesellschafter auf Schadensersatz in Anspruch nehmen wollen.[12] Denn sie gelangen letztlich über eine tatsächliche Vermutung zu einem ähnlichen Ergebnis wie die Vertreter einer Durchgriffshaftung schon bei intensiver Ausübung der Leitungsmacht. Kindler meint gar, international werde nicht bezweifelt, dass die Fremdsteuerung der Kapitalgesellschaft durch einen Gesellschafter als haftungsauslösendes Verhaltenselement sachgerecht sei.[13]

312

Von der wohl herrschenden Ansicht in Deutschland wird ein generalklauselartiger Gleichlauf von Herrschaft und Haftung noch immer abgelehnt.[14] Dem ist zuzustimmen. Die historische Entwicklung stützt zwar den negativen Satz „Keine Haftung ohne Herrschaft“, seine Umkehrung (Haftung bei Herrschaft) vermag sie aber nicht zu tragen. Ganz einfaches Beispiel zur Begründung: In einer Kapitalgesellschaft mit einem Alleingesellschafter, der zugleich einziger Geschäftsleiter ist, kann die Gesellschaft bereits denklogisch gar nicht anders als von ihrem Alleingesellschafter gelenkt werden, trotzdem ist die Haftungsbeschränkung auch hier eindeutig möglich, vgl. §§ 1, 35 Abs. 3 GmbHG, § 2 AktG.

d) Instrumentalisierung der Haftungsbeschränkung

313

Kann den Gesellschaftern nachgewiesen werden, dass sie die GmbH von vornherein nur zu dem Zweck gegründet haben, sie insolvent werden zu lassen und so ihrer persönlichen Haftung zu entgehen, so kommt ebenfalls eine Durchgriffshaftung in Betracht. Ein solches Vorgehen beinhaltet naturgemäß einen Eingehungsbetrug (§ 263 StGB) bei Abschluss der Verträge zwischen der GmbH und den Gläubigern. Einen solchen Fall meinte das OLG Naumburg im Jahr 2008 vor sich zu haben.[15] Doch ist äußerst zweifelhaft, ob in dem konkreten Fall die Indizien tatsächlich für eine Haftung genügt haben.[16]

4. Existenzvernichtungshaftung

314

In drei Urteilen aus dem Jahr 2001 und 2002 hat der II. Senat des BGH die sogenannte Haftung für existenzvernichtende Eingriffe in die GmbH entwickelt. Im Jahr 2004 hat es nach der ersten Urteilstrias eine zweite Welle gegeben, in der die Tatbestandsvoraussetzungen klarer herausgearbeitet wurden.[17]

Diese Rechtsprechung hat der ehemalige Vorsitzende des II. Senats des BGH Röhricht mit folgenden Überlegungen in dem oben angegebenen Festschriftbeitrag vorbereitet. Das gesetzliche System der Eigenkapitalerhaltung reiche für den Gläubigerschutz nicht aus, weshalb man daneben zusätzlich eine Pflicht der Gesellschafter brauche, nicht in die Fähigkeit der Gesellschaft einzugreifen, zukünftig ihre Verbindlichkeiten erfüllen zu können.[18] Röhricht begründet dies mit einem angeblichen Eigeninteresse der Kapitalgesellschaft, das ihre Existenzgefährdung durch die Gesellschafter verbiete.

315

Der BGH hat in den genannten Entscheidungen diesen Ansatz aufgegriffen und lässt den Gesellschafter unbegrenzt für die Schulden der GmbH haften,


wenn er einen gezielten, betriebsfremden Zwecken dienenden Eingriff in das Gesellschaftsvermögen (bloße Management-Fehler reichen nicht, wohl aber z.B. eine Unterschlagung) vorgenommen hat,
mit dem er sich oder einem anderen Gesellschafter ggf. einen nur mittelbaren geldwerten Vorteil verschafft hat (z.B. genügt auch eine Zuwendung an eine vom Gesellschafter beherrschte andere Gesellschaft)
und wenn er bei der GmbH über diesen Vorteil hinausgehende Folgeschäden verursacht hat, die nicht durch das Recht der Kapitalerhaltung wieder ausgeglichen werden können
und wenn die Gesellschaft deshalb (Kausalität) insolvent ist.

Neben der rein bilanziellen, d.h. finanziellen Betrachtung des Gesellschaftsvermögens nimmt der BGH damit verstärkt eine qualitative Beurteilung der unternehmerischen Entscheidungen vor. Wenn man Leitungsentscheidungen der Gesellschafter daraufhin untersucht, ob sie ruinös sind oder nicht, dann soll damit ein direktes Steuerungssystem zum Schutz vor Eingriffen der Gesellschafter in das Vermögen der Gesellschaft eingerichtet werden. Unklar blieb nach den bisherigen Entscheidungen erstens das Verhältnis zu § 826 BGB und zweitens die Frage, ob die Haftung auch ein subjektives Element enthielt (Kenntnis oder Vorsatz) des handelnden Gesellschafters.

316

Im Jahr 2007[19] hat sich der II. Senat erneut mit dem existenzvernichtenden Eingriff befasst und das Haftungskonzept in der Trihotel-Entscheidung in wesentlichen Punkten geändert bzw. auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt. Hier war der Gesellschafter Eigentümer eines mit einem Hotel bebauten Grundstücks. Dieses Hotel bewirtschaftete er nicht selbst, sondern verpachtete es an eine GmbH, an der er selbst maßgeblich beteiligt war. Später hob er den Pachtvertrag auf und verpachtete das Grundstück an eine andere Gesellschaft, an der er ebenfalls den maßgeblichen Beteiligungsbesitz innehatte. Er übertrug der GmbH unter Einräumung einer Umsatzbeteiligung die Geschäftsbesorgung und das Management des Hotels. Nachdem die GmbH insolvent war, nahm der Insolvenzverwalter den Gesellschafter in Anspruch, weil er durch bestimmte Maßnahmen (namentlich: Sicherungsübereignung des Hotelinventars im Rahmen einer Darlehensgewährung, Aufhebung des Pachtvertrags, nachdem die Pacht über längere Zeit nicht gezahlt worden war; Abschluss des Geschäftsbesorgungs- und Managementvertrags) die GmbH in den Ruin getrieben habe. Die Vorinstanzen hatten den Gesellschafter entsprechend verurteilt.

317

Der BGH hob das Urteil des Berufungsgerichts auf, da er die in Rede stehenden Handlungen des Beklagten nicht als tatbestandsmäßig existenzvernichtende Eingriffe erachtete. Der II. Senat betonte in der Entscheidung erneut die Notwendigkeit des Haftungskonzepts des existenzvernichtenden Eingriffs bei missbräuchlichen, zur Insolvenz führenden oder diese vertiefenden kompensationslosen Eingriffen, da das System der §§ 30, 31 GmbH Schutzlücken lasse. Er ordnet den existenzvernichtenden Eingriff aber nunmehr ausschließlich als besondere Fallgruppe der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung in § 826 BGB ein. Dies sei deshalb notwendig, weil es der Sache nach um den Vorwurf einer schuldhaften Verletzung einer Verhaltenspflicht gehe und das Vorsatzerfordernis des § 826 BGB sicherstelle, dass der Gesellschafter nur bei Verschulden in Anspruch genommen werden könne. Auch sei eine Ausgestaltung als deliktische Schadensersatzhaftung nur folgerichtig, wenn es um die von §§ 30, 31 GmbHG gerade nicht erfassten Kollateralschaden gehe.

318

Im Übrigen hält er weiterhin an den Merkmalen fest, die bislang den Haftungstatbestand kennzeichneten und eingrenzten.[20] Eine gem. § 826 BGB erforderliche sittenwidrige Schädigung des Gesellschaftsvermögens könne ohne weiteres in der planmäßigen Entziehung des Vermögens mit der Beseitigung der Solvenz der GmbH zum (un)mittelbaren Vorteil des Gesellschafters oder eines Dritten erblickt werden. Dem Vorsatzerfordernis sei genügt, wenn dem Gesellschafter bewusst wäre, dass durch eine Maßnahme, die er zumindest veranlasst hat, das Vermögen der Gesellschaft sittenwidrig geschädigt würde. Hierbei müssten ihm nur die die Sittenwidrigkeit begründenden Tatsachen bewusst sein, und nicht etwa die Sittenwidrigkeit selbst.

319

Abweichend von der bisherigen Konzeption einer eigenständigen Haftungsfigur, die als Durchgriffs(außen)haftung des Gesellschafters gegenüber den Gesellschaftsgläubigern ausgestaltet war, geht der BGH nun ausdrücklich von einer reinen Innenhaftung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft aus. Der Abschied von der Durchgriffs(außen)haftung wird damit begründet, dass es um den Schutz des im Gläubigerinteresse bestehenden Gesellschaftsvermögens gehe. Bei diesem Schutzobjekt müsse das Haftungsmodell ansetzen und nicht etwa bei Forderungen der Gläubiger selbst. Die Existenzvernichtungshaftung ist nun eine reine Ersatzhaftung gegenüber der Gesellschaft, die (zunächst nur) vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden kann. Sie soll das gesetzliche Kapitalerhaltungssystem der §§ 30, 31 GmbHG ergänzen, indem sie als zusätzliche „Entnahmesperre“ dient. Denn auch wenn die §§ 30 f. GmbHG nicht verletzt sind, darf eine Entnahme nicht zum absehbaren Ruin der Gesellschaft führen. Die neuartige Konzeption der Existenzvernichtungshaftung schafft insofern einen Gleichlauf zu den §§ 30, 31 GmbHG, da diese ja ohnehin genuine Innenhaftungsansprüche darstellten, so dass die bislang angenommenen Subsidiarität der Haftung zu den §§ 30, 31 GmbHG nicht mehr erforderlich ist.

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