Читать книгу: «Frau Kaiser und der Dämon», страница 5

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Der Arzt hob die Augenbrauen und meinte: „Ich habe wirklich Mühe, das zu glauben. Ich würde Ihnen vorschlagen, es ihr zu sagen, bevor sie sich von selber daran erinnert. Und dann kann sie immer noch entscheiden, ob sie wirklich nach Hause will.

Johannes nickte: „Ja das hab ich vor.“

„Haben Sie denn jemanden, der sich zu Hause um sie kümmert?“

„Ich bin da, ich arbeite momentan im Homeoffice. Ich halte nur nächsten Freitag eine Vorlesung an der Uni. Aber da werde ich schon jemanden finden, der so lange bei ihr bleibt.“

„Gut, auch wenn ich gewisse Bedenken habe, werde ich grünes Licht geben“, beendete der Arzt das Gespräch.

Johannes brachte Leni alleine zurück ins Zimmer und sie wollte wissen, was der Arzt mit ihm zu besprechen hatte.

„Na ja, er wollte halt wissen, wer dich versorgt, wenn du zu Hause bist“, wich Johannes aus.

Leni runzelte die Stirn. „Und warum muss er dich das unter vier Augen fragen?“

Johannes seufzte leicht: „Lass uns bitte darüber sprechen, wenn wir im Zimmer zurück sind.“

Leni saß auf ihrem Bett und drängte Johannes. „Jo, du wolltest mir was sagen.“

Johannes setzte sich ihr gegenüber auf das zweite Bett und sah sie ernst an, dann sah er auf den Boden. „Ich weiß echt nicht, wie ich dir das sagen soll“, begann er zögernd. „Also, ähm ich habe da was gemacht, was nicht okay. ist.“ Er atmete tief durch: „Du hast mich so wütend gemacht, da hab ich dich mit Gewalt genommen.“ Erleichtert atmete er aus.

„Du hast was?“ Leni verstand nicht, was er meinte.

„Lene, Schätz-chen, ich habe dich vergewaltigt.“

Er sah sie jetzt an und nahm sanft ihre Hände in seine. Leni schüttelte den Kopf, das konnte sie nicht begreifen. Ihr liebevoller, zärtlicher und rücksichtsvoller Mann sollte sie vergewaltigt haben?

„Das kann ich nicht glauben“, sagte sie leise.

„Es ist leider so. Wenn ich derart wütend bin, dann kann ich mich nicht mehr kontrollieren. Ich weiß, dass das nie wieder passieren darf und ich bin deswegen jetzt auch in Behandlung.“

Leni nickte stumm. Irgendwie konnte sie das Gesagte noch nicht so richtig einordnen.

„Aber warum warst du denn so wütend?“, wollte sie dann wissen.

Johannes atmete wieder tief durch. „Lene, du nimmst einfach keine Rücksicht auf deine Schwangerschaft und willst ständig richtigen Sex haben. Das geht doch nicht.“ „Natürlich nehm ich Rücksicht“, beharrte sie und entzog ihm ihre Hände.

„Hör zu, Lene, unsere Mütter liegen mir ständig in den Ohren, dass ich Rücksicht nehmen soll und wenn ich rücksichtsvoll bin, dann bist du unzufrieden. Und das kotzt mich so langsam an.“

Leni merkte, dass er anfing, sich aufzuregen, was sie an ihm sonst eigentlich gar nicht kannte. Normalerweise war er die Ruhe selbst und deshalb erwiderte sie nichts mehr.

„Da ist noch was, das ich dir beichten muss“, fuhr Johannes nach einer kurzen Pause fort. Leni sah ihn groß an. Was kommt denn jetzt noch, schlimmer kann es doch kaum noch werden, dachte sie und musste gleich darauf feststellen, dass sie sich getäuscht hatte.

Er sah wieder auf den Boden und versuchte, die richtigen Worte zu finden.

„Also, ähm, es ist so“, er fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Als ich neulich morgens nach Hause kam, ist Sarah nackt ins Bad gehuscht und hat mich wieder mit diesem auffordernden Blick angesehen.“ Er schwieg für einen Moment und Leni atmete deutlich hörbar ein. Sie meinte zu ahnen, was jetzt kommen würde.

„Als ich ins Schlafzimmer kam, hab ich gesehen, dass sie in unserem Bett geschlafen hat. Diese Frechheit hat mich derart wütend gemacht, dass ich zu ihr ins Bad gegangen bin und versucht habe, sie brutal zu nehmen.“ Er schwieg betreten und Leni meinte, nicht richtig gehört zu haben.

„Was hast du gemacht?“, fragte sie schockiert.

„Ich hab versucht, sie mit Gewalt zu nehmen, aber sie hat mir in die Eier getreten und mich kalt abgeduscht, da bin ich wieder zur Besinnung gekommen“, gestand er kleinlaut.

Leni fand keine Worte mehr, das Gehörte war zu schrecklich. Sie war total schockiert und fing an zu zittern.

„Bitte verzeih mir, Lene. Ich liebe dich und will dich keinesfalls verlieren“, flehte er sie an und versuchte, ihr in die Augen zu sehen, aber sie sah zur Seite. Er setzte sich zu ihr aufs Bett und versuchte, sie in den Arm zu nehmen, doch sie wehrte ihn ab.

„Lass mich“, sagte sie leise und begann zu weinen.

Er kniete sich vor sie hin und bat: „Lene, Schätz-chen, ich hab das nicht mit Absicht getan. Ich würde dich nie im Leben betrügen.“ Er legte jetzt beide Hände auf ihre Oberarme und sah sie eindringlich an. „Bitte, bitte, verzeih mir.“ Als sie nicht reagierte, setzte er sich mit hängenden Schultern wieder auf das andere Bett und sie schwiegen beide. Leni legte ihre Hände auf ihren Bauch und weinte leise. Sie hatte das Gefühl, als hätte ihr jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. Sie waren doch so glücklich und jetzt das. Sie verstand die Welt nicht mehr.

Als das Mittagessen gebracht wurde, sah Johannes auf die Uhr. Er half dem Pfleger, Leni an den Tisch zu setzten und schnitt ihr Fleisch klein, damit sie einfacher essen konnte.

„Lene, ich lass dich wirklich nicht gerne alleine, aber ich muss jetzt zum Bahnhof fahren und Laura abholen.“

„Laura?“

„Ja, deine Freundin Laura aus der Pfalz kommt dich besuchen. Sie bleibt bis Sonntag da.“

Ein Lächeln huschte über Lenis Gesicht. Mit Laura hatte sie als Studentin zusammen in einer WG gewohnt und die beiden waren immer noch gute Freundinnen. Während des Essens dachte Leni nach und konnte immer noch nicht verstehen, was mit ihrem Mann los war. Nach dem Essen ließ sie sich wieder zum Bett bringen, sie legte sich auf die Seite und begann plötzlich, heftig zu weinen.

5

„Hey Leni, was ist los, warum weinst du denn?“ Laura war entsetzt, ihre Freundin derart in Tränen aufgelöst vorzufinden.

„Oh Laura“, schluchzte Leni. „Weißt du, wie das ist, wenn man mit einem Schlag aus dem siebten Himmel geworfen wird?“

„Was ist denn passiert, Leni? Johannes war schon so eigenartig bedrückt, aber er ist ja oft so ernst und wortkarg und du heulst dir hier die Augen aus dem Kopf. Ist mit dem Baby alles in Ordnung?“, wollte sie wissen.

„Ja, ja, es ist alles in Ordnung“, antwortete Leni.

„Und warum heulst du dann Rotz und Wasser?“

„Jo, er hat …“, sie stockte. „Sarah hat …“, sie stockte wieder und sah ihre Freundin hilflos an.

„Willst du damit etwa sagen, dass dein Musterehemann fremdgegangen ist?“

Leni nickte nur.

„Krass, das hätte ich nie von ihm gedacht“, sagte sie. „Hat er dir das selber gestanden?“, wollte sie dann wissen.

Wieder nickte Leni nur stumm.

„Na immerhin hast du es nicht von anderen erfahren.“

„Was hätte das geändert?“, fragte Leni verwirrt.

„Ich finde es ist besser, wenn er so ehrlich ist und es gesteht, als wenn er so tut, als wenn nichts wäre und irgendwann erfährst du es vielleicht trotzdem.“

„Ich weiß überhaupt nicht, was ich jetzt machen soll. Ich bin total durcheinander.“ Leni seufzte tief. „Es ist schön, dass du da bist.“ Sie lächelte ihre Freundin unter Tränen dankbar an. „Wo ist er überhaupt?“, wollte sie dann wissen.

„Er hat gesagt, dass er noch einkaufen gehen muss, der Kühlschrank ist wohl leer. Aber er kommt nachher.“ Wieder nickte Leni nur stumm.

Als der Kaffee gebracht wurde, ließ Leni sich wieder an den Tisch setzen. Der Pfleger brachte Laura auch eine Tasse und sie versuchte jetzt, ihre Freundin aufzumuntern, indem sie ihr dies und jenes von gemeinsamen Bekannten erzählte. So verging die Zeit und Leni wurde wieder etwas munterer.

„Ich habe hier einen Rolls-Royce und ein Sportcoupé für eine Frau Kaiser-von Moeltenhoff abzugeben.“ Ein Mitarbeiter eines Sanitätsgeschäfts war ins Zimmer gekommen und brachte einen Rollstuhl und einen Rollator für Leni. Die beiden Hilfsmittel sollte sie mit nach Hause nehmen und wenn sie sie nicht mehr brauchte, wieder an das Geschäft zurückgeben. Nachdem der gut gelaunte junge Mann ihr die Funktionalität erklärt hatte, quittierte sie den Empfang und erklärte ihrer Freundin: „Ich darf vielleicht bald nach Hause.“

„Echt? Das ist ja super!“

Plötzlich wurde Leni wieder traurig. „Ich weiß ja gar nicht, wo mein Zuhause jetzt ist“, schluchzte sie und Laura legte ihr tröstend die Arme um die Schultern.

„Du wirst sehn, wenn du erst mal in eurer Wohnung bist, dann weißt du es wieder“, versuchte Laura ihre Freundin aufzumuntern.

Johannes ließ sich viel Zeit beim Einkaufen und blieb noch einige Zeit zu Hause, ehe er sich wieder auf den Weg zur Klinik machte. Er hatte keine Ahnung, wie Leni auf seinen Anblick reagieren würde. Unzählige Gedanken gingen ihm durch den Kopf. War sie sauer oder enttäuscht? Liebte sie ihn noch? Konnte sie ihm verzeihen? Was, wenn nicht? Würde sie sich von ihm trennen wollen? Das war eigentlich seine größte Angst, denn ein Leben ohne seine Lene konnte er sich nicht vorstellen und dann waren da ja auch noch die beiden Kiddies, die nächsten Monat zur Welt kommen sollten und auf die sie sich beide so sehr freuten. Dass er sich aber auch nicht beherrschen konnte! Er war sauer auf sich selber.

Er betrat das Krankenzimmer mit einem unsicheren Lächeln. „Hallo Mädels, alles klar?“, begrüßte er die beiden Freundinnen etwas linkisch. Er sah die rotgeweinten Augen seiner Frau und trat zu ihr, um ihr ein Küsschen zu geben, aber sie drehte den Kopf zur Seite, was ihn noch mehr verunsicherte. Betretenes Schweigen füllte den Raum und die Spannung zwischen dem Paar war fast greifbar.

„Johannes, könntest du mich jetzt zu euch nach Hause fahren?“, brach Laura nach einigen Minuten das Schweigen. „Es war ein langer Tag für mich.“

„Ja klar, mach ich.“ Er war froh, eine Aufgabe zu haben und dem vorwurfsvollen Blick seiner Frau zu entkommen.

Während der Fahrt waren sie zunächst schweigsam, bis Johannes fragte: „Sag mal, stimmt es, dass du jetzt mit Fabian zusammen bist?“ Fabian war sein Freund aus der Zeit, als er in Freiburg gelebt hatte.

„Ja, wir haben uns an eurer Hochzeit kennengelernt und Leni und Max haben uns sozusagen verkuppelt“, lachte sie. Johannes hatte zwar etwas Mühe, den Pfälzer Dialekt, den sie sprach, zu verstehen, meinte dann aber, dass er sich für die beiden freuen würde.

„Fabian ist ein prima Kerl, er hat so eine nette Frau wie dich wirklich verdient.“ Zum ersten Mal seit Stunden zeigte sich ein kleines Lächeln auf seinem Gesicht.

Zu Hause angekommen zeigte er Laura alles, was sie wissen musste und sagte ihr, dass er über Nacht wie immer in der Klinik bleiben würde.

„Ja mach das, auch wenn sie im Moment etwas zickig ist. Sie muss das ja erst mal verdauen“, bestätigte ihm Laura. „Ich komme schon zurecht, auch wenn ich mich am Anfang vielleicht in dieser großen Wohnung verlaufe“, fügte sie lachend hinzu.

„Was hat sie dir denn erzählt?“, fragte Johannes vorsichtig nach.

Laura zuckte die Schultern. „Nicht viel, soviel ich verstanden habe, war da was zwischen Sarah und dir. Mehr hat sie nicht gesagt. Aber deine weiße Weste scheint doch einige Flecken abbekommen zu haben und sie ist offensichtlich sehr enttäuscht.“

Er nickte. „Ja klar, ich hab da einen kapitalen Bock geschossen, aber ich habe nicht wirklich mit Sarah geschlafen.“

Laura sah ihm an, wie unangenehm ihm das Thema war und meinte: „Das geht mich ja auch nichts an, das müsst ihr untereinander ausmachen. Ich versuche nur, sie zu trösten, so gut es geht.“

Er nickte wiederum und fragte dann: „Wie machen wir das morgen früh? Soll ich dich zur Klinik fahren?“

„Hat Leni ihr Fahrrad da?“

Er überlegte kurz. „Hm, ja, das müsste im Keller sein. Der Möbeltransporter hat alles mitgebracht, was sie bei ihrem Bruder untergestellt hatte.“

Zusammen gingen sie in den Keller und stellten fest, dass das Rad zwar etwas verstaubt war und wenig Luft in den Reifen hatte, aber sonst ganz gut aussah.

Johannes schaute etwas ratlos und Laura musste lächeln, denn sie wusste von Leni, dass er absolut kein handwerkliches Geschick hatte.

„Das ist doch kein Problem. Eine Pumpe ist ja da. Aber ich putz es vielleicht erst mal.“

„Bist du sicher?“

„Ja klar, ich habe doch den ganzen Abend Zeit“, erwiderte sie lachend. „Wann soll ich morgen da sein?“

„Ich bleibe normalerweise bis sie gefrühstückt hat und fahre dann nach Hause, um mich zu duschen und die Katzen zu versorgen, und erledige, was sonst so zu erledigen ist. Nach dem Frühstück hat sie dann meistens irgendeine Therapie. Also es reicht vollkommen, wenn du gegen neun Uhr da bist.“

„Gut, dann hau jetzt ab und lass sie nicht so lange allein. Nicht dass sie auf noch mehr dumme Gedanken kommt.“

Nachdenklich fuhr Johannes zurück zur Klinik. Er hatte keine Ahnung, wie er das wiedergutmachen konnte, was er da verbockt hatte. Offensichtlich hatte sie die Tatsache, dass er sich an ihr vergangen hatte, weniger erschüttert als die dumme Geschichte mit Sarah.

Als er ankam, saß sie gerade am Tisch und quälte sich alleine mit ihrem Abendessen ab. Er wollte ihr helfen, sie wies ihn aber ab.

„Wenn ich nach Hause will, dann sollte ich doch zumindest alleine essen können.“

„Wenn du meinst. Aber ich kann dir ja zu Hause auch helfen.“

„Ich bin doch kein Baby“, meinte sie trotzig.

„Laura macht dein Fahrrad wieder flott und kommt dann morgen mit dem Rad, dann brauche ich nicht so oft hin und her zu fahren“, versucht er, das Thema zu wechseln, aber Leni nickte nur. Johannes sah schweigend zu, wie sie fertig aß. Als sie dann aber versuchte, alleine mit ihrem Rollator zum Bett zu gehen, half er ihr, obwohl sie auch jetzt versuchte, ihn abzuwehren.

„Hör zu, Lene, ich kann verstehen, dass du sauer bist, aber lass mich dir wenigstens helfen. Oder willst du vielleicht hinfallen?“ Sie schüttelte resigniert den Kopf.

Er setzte sich zu ihr auf das Bett und wollte sie in den Arm nehmen, aber sie ließ es nicht zu.

„Lass mich in Ruhe, Jo“, sagte sie barsch. Er setzte sich wieder ihr gegenüber auf das andere Bett.

„Ich kann doch nicht mehr tun, als dich um Verzeihung zu bitten. Was soll ich denn noch tun?“

„Lass mich einfach in Ruhe, ich muss das doch alles erst mal verdauen“, bat sie ihn mit leiser Stimme und sah ihn mit traurigen Augen an.

„Soll ich wieder gehen?“, fragte er unsicher. Sie schüttelte den Kopf.

Aus den Frauen soll einer schlau werden, dachte er und sah sie lange schweigend an.

„Hör zu, Lene, du kommst das nächste Mal mit zur Therapie und dann wird dir mein Therapeut erklären, was mit mir los ist. Ich kann nur wiederholen, dass das alles keine Absicht war und dass es mir unendlich leid tut.“ Wieder nickte sie nur stumm.

Er seufzte. „Mann Lene, mach es mir doch nicht so schwer.“ Sie blickte ihn an und er sah, dass Tränen in ihren Augen schimmerten. Daraufhin versuchte er, sie wieder in den Arm zu nehmen und dieses Mal wehrte sie sich nicht, sondern fing laut an zu weinen. Er hielt sie im Arm und streichelte sie sanft. Zwischendurch hauchte er ihr kleine Küsschen auf die Stirn. Er fühlte sich total hilflos.

„Du warst für mich immer wie ein Fels in der Brandung. Ich dachte, ich könnte mich auf dich verlassen“, schluchzte sie.

„Ja, normalerweise kannst du das ja auch. Ich bin wirklich sehr glücklich mit dir und dachte nicht, dass dieses alte Problem mich wieder einholt.“ Er hob ihren Kopf und hauchte ihr einen kleinen Kuss auf die Lippen, was sie, ohne irgendeine Reaktion zu zeigen, geschehen ließ. Fürs Erste war er schon mal froh, dass sie ihn nicht wieder abwehrte.

Bis es Zeit wurde, Leni fertig für die Nacht zu machen, schwiegen sie sich an und jeder hing seinen Gedanken nach. Dann half er ihr wieder wie gewohnt aus ihren Kleidern und sie zog sich ihr Nachthemd über. Sie gestatte ihm auch, sie einzuölen, was er, wie ihr schien, besonders liebevoll machte und sie seufzte leise. Er sah sie fragend an.

„Jo, ich liebe dich, aber ich habe keine Ahnung, ob ich das jemals vergessen kann.“

„Kannst du wenigstens versuchen, mir zu verzeihen?“, bat er sie, worauf sie mit den Schultern zuckte. „Ich weiß im Moment überhaupt nichts. Ich fühle mich total leer.“ Als sie sich beide zum Schlafen in ihre Betten gelegt hatten, hörte er plötzlich, wie Leni stöhnte.

Er stand auf und kam zu ihrem Bett. „Was ist los Lene? Hast du Schmerzen?“

„Da ist eine Revolution im Gange“, sagte sie. Er legte seine Hand auf ihren Bauch und spürte heftige Bewegungen darin. Er schlüpfte zu ihr unter die Decke und strich über ihren Bauch, was die Kleinen normalerweise beruhigte. Aber dieses Mal schienen die außer Rand und Band zu sein.

„Vielleicht spüren die unseren Streit?“, fragte er.

„Hm, ich weiß nicht, so wild waren sie noch nie. Das tut echt weh.“

Als die Nachtschwester ins Zimmer kam, wies sie Johannes zurecht, dass es wohl nicht sein könnte, dass er hier im Bett seiner Frau liege.

„Ja sicher, aber ich versuche gerade, eine Revolution zu beenden“, erklärte er. „Normalerweise mögen sie das, wenn sie meine Hand spüren und geben Ruhe. Aber heute sind sie wie aufgedreht.“ Er schob Lenis Decke nach unten, so dass ihr Bauch sichtbar wurde. „Schauen Sie sich das mal an“, sagte er zu der Pflegerin. Die Bewegungen der Kinder waren deutlich zu sehen.

„Oh Gott, ich habe das Gefühl, die haben zehn Hände und Füße“, stöhnte Leni.

„Tja, da müssen sie wohl durch.“ Die Pflegerin zeigte wenig Mitgefühl und wies Johannes an, sich in das andere Bett zu legen, sonst müsse sie ihn leider nach Hause schicken.

Der streichelte nochmals Lenis Bauch und meinte: „Hey, ihr Rasselbande, jetzt macht mal halblang und lasst eure Mutter schlafen.“ Seufzend legte er sich wieder in sein Bett. Die andere Schwester hatte wohl gepetzt, dass sie vergangene Nacht Sex gehabt hatten. So ein Mist, ausgerechnet jetzt, wo Lene sich nicht mehr gegen mich gewehrt und mich in ihr Bett gelassen hat, musste diese dumme Kuh auftauchen, dachte er frustriert. Er hätte gerne noch eine Weile mit Leni gekuschelt.

„Lene, ist alles in Ordnung? Haben die beiden sich wieder beruhigt?“, fragte er nach ein paar Minuten.

„Jo, kommst du wieder zu mir? Ich brauch dich“, bekam er zur Antwort. Er stand auf und setzte sich auf ihr Bett und nahm sie in den Arm.

„Was ist denn los, Schätz-chen?“, fragte er, als er bemerkte, dass sie wieder weinte.

„Ich weiß nicht. Ich kann das einfach alles nicht verstehen. Es ist im Moment alles zu viel für mich.“ Sie fing heftiger an zu weinen und er versuchte, sie zu trösten, aber mit wenigErfolg.

„Sch, sch, beruhig dich doch.“ Er kroch wieder zu ihr ins Bett und nahm sie fest in den Arm, aber erfolglos. Sie steigerte sich immer mehr in den Weinkrampf hinein und weil er sich nicht mehr zu helfen wusste, klingelte er nach der Schwester und fragte nach einem Beruhigungsmittel.

„Das kann ich ihr nicht so einfach geben. Ich hol den Bereitschaftsarzt.“

„Was ist denn passiert?“, fragte die Ärztin, die wenige Minuten später kam und die mittlerweile hysterisch schluchzende Leni vorfand.

Johannes zuckte die Schultern. „Wir hatten heute Nachmittag eine kleine Auseinandersetzung, aber inzwischen hatte sie sich eigentlich wieder beruhigt. Vorhin haben die Kinder in ihr ziemliche Randale gemacht. Ich denke, das ist die ganze momentane Situation.“

Die Ärztin studierte ihre Krankenakte.

„Hm, ja, da kann es schon mal zu depressiven Verstimmungen kommen, aber das scheint mir doch ernster zu sein. Lassen Sie mich mal mit ihr alleine“, bat die Ärztin Johannes und die Pflegerin, die im Zimmer stehen geblieben war. Sie versuchte behutsam, mit Leni zu reden, aber die stammelte nur wirres Zeug. Leni war total durch den Wind. Sie lauschte ihr trotzdem aufmerksam und hörte heraus, dass sie bald entlassen werden sollte, aber gar nicht wusste, wo ihr Zuhause war und dass der Mann wohl fremdgegangen war. Außerdem schien sie nicht mehr zu wissen, welche Namen sie sich für die Kinder ausgesucht hatten. Da schienen wohl mehrere Ursachen vorzuliegen. Die Ärztin untersuchte Lenis Bauch, aber da schien alles in Ordnung zu sein.

„Haben Sie Schmerzen?“, fragte sie.

„Ja, nein, ich weiß nicht. Die Kleinen haben mir die ganzen Eingeweide traktiert“, jammerte Leni.

Die Ärztin rief nach der Pflegerin und ließ sie ein Beruhigungsmittel holen, das sie Leni dann spritzte.

„So, jetzt versuchen Sie zu schlafen, morgen sieht die Welt dann schon wieder ganz anders aus.“ Sie blieb noch einen Moment am Bett sitzen und wartete, bis die Wirkung der Spritze einsetzte.

„Sie sollte jetzt eigentlich bis morgen früh schlafen. Versuchen Sie, sie so wenig wie möglich aufzuregen“, sagte sie zu Johannes. „Sind Sie vor kurzem umgezogen?“, fragte sie dannnoch.

„Ja, Ende Juli, also kurz bevor es passiert ist.“

„Versuchen Sie, in den nächsten Tagen intensiv daran zu arbeiten, dass sie sich wieder erinnern kann, die Amnesie scheint ihr sehr zu schaffen zu machen. Zeigen Sie ihr Fotos, vielleicht kann sie sich dann an das ein oder andere erinnern. Vor allem zeigen Sie ihr Bilder von Ihrem Zuhause. Sie scheint Angst davor zu haben, in eine fremde Umgebung zukommen.“

„Ja klar, das können wir machen.“

Johannes war froh, eine Hoffnung auf die Lösung für mindestens eins von Lenis Problemen zu haben.

Als er merkte, dass Leni endlich tief und fest schlief, legte er sich in sein Bett und nahm sich vor, gleich am Morgen bei Laura anzurufen, um sie zu bitten, das Haus und die Wohnung zu fotografieren. Dann hätten die beiden eine schöne Beschäftigung, bis er wieder da war.

Am Morgen wollte Leni gar nicht wach werden, aber die Pflegerin war erbarmungslos und so ließ sie sich seufzend ins Bad bringen, aber sie hatte das Gefühl, dass ihre Arme und Beine ihr nicht gehorchen wollten. Auch bei der anschließenden Bewegungstherapie war sie ziemlich kraftlos. Sie wollte einfach nur schlafen, was sie anschließend auch tat, so dass Laura keine Gelegenheit hatte, die Fotos, die sie auf Bitte von Johannes von der Wohnung und dem Haus mit ihrem Handy gemacht hatte, mit ihr anzuschauen. Auch als Johannes gegen Mittag kam, schlief Leni noch. Er weckte sie zum Mittagessen, aber sie hatte kaum Appetit und wollte nach dem Essen gleich wieder ins Bett.

„Was ist los, Lene? Geht es dir nicht gut?“, fragte er besorgt.

„Ich bin einfach nur hundemüde.“

„Na, dann schlaf dich aus. Ist es okay, wenn Laura und ich in die Cafeteria gehen, um auch eine Kleinigkeit zu essen?“

Leni nickte und schon waren ihr die Augen zugefallen.

Während des Mittagessens erzählte Johannes Laura, was in der Nacht vorgefallen war und dass die Ärztin Leni eine Spritze gegeben hatte, die wohl noch nachwirkte. Sie zeigte ihm die Fotos und sie beschlossen, Leni auf jeden Fall damit zu konfrontieren, damit sie eine Vorstellung von ihrem Zuhause hatte.

„Irgendwann wird sie ja mal ausgeschlafen haben“, meinte Laura lachend.

Zur Kaffeezeit war Leni dann auch so munter, dass sie die Fotos betrachten konnte. Sie erkannte ihr Bett und ihren Kleiderständer, die jetzt im Gästezimmer standen, und freute sich, als sie auf einigen Bildern ihre Katzen entdeckte. Als sie die Fotos von dem Kinderzimmer sah, hatte sie wieder Tränen in den Augen. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass sie das alles eingerichtet hatten und sie sich nicht daran erinnern konnte.

„Bin ich denn so doof?“, wollte sie wissen.

„Aber Leni, das hat doch nichts mit doof zu tun, du warst schwer krank. Dein Gedächtnis kommt schon irgendwann wieder“, versuchte Laura, sie zu beruhigen. Leni sah sie zweifelnd an und ein paar Tränen liefen ihr über die Wangen. Kurz darauf lächelte sie unter Tränen: „Ich darf morgen nach der Therapie wirklich nach Hause.“

„Das ist doch schön für dich“, freute sich Laura mit ihr. Sie vereinbarten, dass Johannes Laura in die Klinik fuhr, nachdem er geduscht hatte, und er dann seinen Arzttermin wahrnehmen würde. Laura sollte Lenis Sachen einpacken, während sie ihre Therapie hatte, und er würde die beiden dann abholen kommen.

Leni war plötzlich total aufgeregt und zappelig. Endlich keine Pfleger und Ärzte mehr, kein Wecken am frühen Morgen. Sie konnte schlafen, so lange sie wollte, und essen, was und wann sie wollte. Und trotz allen Kummers, den Johannes ihr in den letzten Tagen bereitet hatte, freute sie sich darauf, wieder mit ihm zusammen in ihrem Bett zu schlafen. Sie hatte Sehnsucht nach seinen Zärtlichkeiten und sah ihn lächelnd an. Erstaunt lächelte er zurück und fragte sich, was wohl im ihrem Kopf vor sich ging. Als er sah, dass sie sich die Hände auf den Bauch legte, wollte er wissen, ob die beiden denn schon wieder Randale machten.

„Ja, aber nicht so schlimm wie gestern Abend.“

„Also wenn ich das so sehe, dann frage ich mich, ob ich wirklich mal Kinder kriegen möchte“, meinte Laura nachdenklich.

„Aber warum denn nicht, die meiste Zeit sind sie ja ziemlich friedlich und an den dicken Bauch gewöhnt man sich auch. Der kommt ja nicht von heute auf morgen und es brütet ja auch nicht jede gleich Zwillinge aus.“

„Oh, du bekommst Zwillinge. Das ist ja süß. Wisst ihr, was es wird?“

Leni und Johannes schüttelten gleichzeitig den Kopf.

„Wir hatten zwar vor ein paar Tagen eine Ultraschalluntersuchung, aber wir haben nicht gefragt. Für uns ist die Hauptsache, dass sie gesund sind und das ist offenbar der Fall“, erzählte Johannes.

„Oh, es wird ja schon dunkel, dann schwing ich mich mal aufs Rad. Dann also bis morgen früh. Ich wünsch euch was.“ Und schon war Laura aus dem Zimmer gerauscht.

„An was hast du vorhin gedacht, als du mich so angelächelt hast?“, wollte Johannes wissen.

„Verrat ich nicht“, mehr wollte Leni nicht preisgeben. Ein bisschen wollte sie ihn schon noch zappeln lassen, denn so richtig hatte sie ihm noch nicht verziehen.

Als Johannes sie später wieder liebevoll einölte, sah sie ihn nicht mehr so vorwurfsvoll an und er erlaubte es sich, sie zu küssen. Zunächst zeigte sie keine Reaktion, hielt das aber nicht lange durch und erwiderte den Kuss. Als er dann aber ihre Brüste liebkosen wollte, schob sie seine Hand weg.

„Bitte nicht“, flüsterte sie.

„Lene, wie oft soll ich dir noch sagen, dass es mir leid tut?“

„Gar nicht, deine dauernden Entschuldigungen machen auch nicht ungeschehen, was passiert ist. Lass mir einfach Zeit. Ich muss das wirklich erst mal verdauen.“ Sie war jetzt etwas lauter geworden und er zog sich schweigend auf sein Bett zurück. Er verschickte eine Nachricht an die Gruppe, die Max zusammengestellt hatte, mit der Information, dass Leni am nächsten Tag nach Hause könnte und dass der Betreuungsplan somit nicht mehr gebraucht würde. Allerdings bat er, dass jemand am Donnerstagabend kommen sollte, um Leni am nächsten Tag zu ihrer Therapie in die Klinik zu bringen, da er seine Vorlesung an der Uni halten musste.

Leni versuchte zu lesen, stellte aber fest, dass es keinen Sinn machte, denn ihre Gedanken waren überall, aber nicht bei ihrer Lektüre. Deshalb stellte sie den Fernseher an, aber auch das konnte sie nicht wirklich ablenken.

„Sag mal, haben wir eigentlich schon Namen für unsere Kiddies ausgesucht?“, wollte Leni plötzlich wissen.

„Ja, das haben wir gemacht, kurz bevor du in die Klinik kamst. Du hast das alles auf einen Zettel geschrieben.“

„Hm, ich habe keinen Schimmer, was wir da ausgesucht haben“, gestand sie.

„Also, ganz ehrlich, ich hab das auch nicht im Kopf, aber das können wir ja morgen nachsehen, wenn du wieder zu Hause bist. Es sind auf jeden Fall Namen, die uns beiden gefallen haben“, meinte er.

„Ja gut. Aber ich möchte, dass Tobi und Max Taufpaten werden. Oder hast du eine bessere Idee?“

“Das ist schon okay“, meinte er etwas zögerlich. „Aber nimmt man nicht einen Mann und eine Frau?“

„Ja klar, aber es sind doch zwei Kinder, da können wir ja zwei Paare zusammenstellen. Ich dachte zum Beispiel an deine Schwester. Gabi könnte ja vielleicht mit Tobi zusammen für ein Kind Patin werden und dann brauchen wir noch eine Patin für das zweite Kind. Ich dachte da an meine beste Freundin Romy.“

„Na, dann hast du doch schon alles geklärt“, erwiderte er lachend.

„Ja, aber du musst damit einverstanden sein“, erklärte sie ihm ernsthaft.

„Es ist wirklich okay so für mich, dann haben wir für jedes Kind jemanden von deiner und von meiner Seite. Das hast du dir geschickt ausgedacht.“

Mittlerweile piepsten ihre beiden Handys um die Wette. Einige Leute hatten auf die Nachricht von Johannes geantwortet und andere hatten direkt an Leni geschrieben und ihre Freude darüber ausgedrückt, dass sie endlich nach Hausekonnte.

„Hör mal, Schätz-chen, ich habe angefragt, wer nächsten Freitag da sein könnte, um dich zur Therapie zu bringen, und es haben sich gleich mehrere Leute gemeldet. Wen hättest du denn am liebsten?“

„Wer hat sich denn gemeldet?“

„Max, Romy, Tobi, Henrik und Vati.“ Dass Sarah sich tatsächlich auch gemeldet hatte, quittierte er mit einem Kopfschütteln und verschwieg es Leni gegenüber lieber.

„Hm, am allerliebsten wäre mir Romy, aber dann sollte sie ein paar Tage bleiben, denn sonst ist der Weg zu weit. Sie für einen Tag von Freiburg hierherfahren zu lassen, wäre doch zu viel verlangt.“

„Gut, ich frage sie an.“

Romy sagte spontan zu und wollte dann über das Wochenende bleiben. Johannes bedankte sich bei den anderen für ihre Hilfsbereitschaft und versprach, sie zu kontaktieren, falls er nochmals Hilfe bräuchte. In einer separaten Nachricht bat er Max, Sarah aus der Gruppe zu entfernen, was dieser auch sofort erledigte.

Leni war dann erst mal einige Zeit damit beschäftigt, alle ihre Nachrichten zu lesen, was sie wirklich auf andere Gedanken brachte. So viele Freunde und Verwandte hatten ihr so lieb geschrieben, dass sie ganz gerührt war. Allerdings ärgerte sie sich über die Nachricht von Sarah, die ihr so nett geschrieben hatte, als wäre nichts geschehen. Ihr antwortete sie deshalb spontan: „Lass mich in Ruhe, du falsche Schlange.“ Danach blockte sie die Nummer von Sarah, so dass sie nicht mehr bei ihr anrufen oder ihr schreiben konnte. Anschließend beantwortete sie alle anderen Nachrichten und fühlte sich danach viel entspannter.

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