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Kapitel 5
Verpatzte Landung

Bereits seit gestern Nachmittag spürte Erik seinen Hintern nicht mehr. Entweder hatte sich sein Allerwertester endlich an die monotonen Auf- und Abbewegungen im Sattel gewöhnt oder er war einfach nur betäubt und das böse Erwachen stand ihm noch bevor. Wie auch immer, im Moment war es ihm so ganz recht.

Am Vorabend waren sie endlich am westlichen Rand des Nasli Karillhs angekommen. Mächtige Buchen und Eichen, die dicht bei dicht standen, verwehrten den Ankömmlingen jede Sicht in den Wald hinein.

„Wie sollen wir denn in diesen Wald kommen? Wohin ich auch schaue, es gibt nirgends einen Weg. Da werden wir wohl morgen weiterreiten müssen“, sagte Erik leicht resigniert zu dem mächtigen Ritter neben ihm.

„Nun stell dich doch nicht immer so an! Du benimmst dich wie ein kleines Kind! Nimm dir doch mal ein Beispiel an meinem Sohn Adalbert. Den hörst du nicht wegen jeder Kleinigkeit rumjammern. Bei all deiner Heulerei kann ich mir gar nicht vorstellen, wie du es geschafft haben sollst, das wertvolle Horn von Fantigorth zu stehlen und damit auch noch die strapaziöse Reise bis ins dunkle Ostland zu unternehmen“, spottete Knut von Tronte.

„Lass mich doch in Ruhe! Wenn du nicht gewesen wärst, dann wäre der schwarze Drache Fantigorth gar nicht tot und ich hätte sein Horn nie in die Hand bekommen. Außerdem hast du auch noch den Sohn von Merthurillh ermordet!“, konterte der Junge.

„Jetzt reicht’s! Runter mit dir vom Pferd, damit ich dir eine Lektion erteilen kann, die du so schnell nicht vergessen wirst. So lasse ich nicht mit mir reden. Schon gar nicht solch einen Dreikäsehoch wie dich!“, brauste der Ritter auf, der an einer sehr empfindlichen Stelle getroffen worden war.

„Keiner erhält hier eine Lektion, die mit Gewalt erlernt werden soll!“, mischte sich der Elf Trulljah ein, während der prächtige Hengst Antha sich schnell zwischen die Pferde der beiden Streithähne schob. Diese Worte des Elfen brachten den Ritter zur Vernunft und er entschuldigte sich bei Erik für seine raue Art.

„Du musst wissen, meine Nerven liegen blank. In wenigen Tagen hat sich mein ganzes Leben nicht nur völlig verändert. Wenn ich richtig darüber nachdenke, habe ich eigentlich noch nie etwas wirklich Sinnvolles für unser Drachenland getan. Ich habe zwar vordergründig den Bauern geholfen, wenn sie ein Drachenproblem hatten, aber dabei habe ich nie meinen Kopf angestrengt und mir Gedanken über diese Wesen gemacht. Welch schlimmes Schicksal habe ich über die armen Eltern des silbernen Drachen Allturith gebracht. Welche Schmerzen habe ich über all die Eltern, Brüder, Schwestern und Kinder gebracht, denen ich in meinem Wahn ein Familienmitglied genommen habe! Mein eigener Sohn hatte mehr Weitsicht als ich und flehte mich an, Merthurillhs Sohn nichts zu tun, aber ich sah nur einen verhassten Drachen, den ich unbedingt töten wollte. Nun stehe ich vor einem Scherbenhaufen, der einmal mein Leben war, und versuche krampfhaft, einen Weg der Tugend zu finden, damit mein Leben nicht völlig umsonst war. Vielleicht kannst du das heute noch nicht verstehen, denn du bist noch sehr jung, Erik, aber dieser Scherbenhaufen lässt sich nicht so leicht zur Seite fegen. Daher möchte ich mich bei dir aufrichtig für meine rauen Worte entschuldigen.“

„Es tut mir auch leid, was ich gesagt habe. Ich mache oft Blödsinn und sage Dinge, die ich gar nicht so meine oder die mir schon im nächsten Moment leidtun“, nahm Erik die Entschuldigung des mächtigen Mannes an.

„Irgendwie sind wir zwei uns sogar in gewisser Weise ähnlich. Jeder von uns muss einen neuen Weg finden, um seinem Leben einen vernünftigen Sinn zu geben. Komm, lass uns einander die Hände reichen und den Weg in die Zukunft gemeinsam gehen.“ Bei diesen Worten streckte Knut von Tronte seine Hand aus, die Erik gerne ergriff.

Sichtlich erfreut über die Beilegung des Streits, kam Trulljah auf das erste Gesprächsthema der beiden Menschen zurück: „Wir müssen keinen Eingang in den Elfenwald suchen, denn der Weg liegt direkt vor uns.“

„Ich möchte nicht an deinen scharfen Augen und deinem hellen Verstand zweifeln, aber durch diese dichten Bäume komme ich sicherlich nicht hindurch“, erwiderte der Ritter zweifelnd.

„Doch, das wirst du. Aber auch dein Sohn Adalbert war sehr überrascht, als er damals sah, wozu der Nasli Karillh mit seinen Baumwandlern in der Lage ist.“

„Es kommt mir irgendwie nicht richtig vor, wenn ich unseren Wald um Einlass bitte, wo du doch neben mir stehst“, wandte sich der Elf nun an den Hengst, der vor seiner dramatischen Wandlung der jüngere Bruder des Waldelfenkönigs Erithjull gewesen war.

Antha wieherte bestätigend, warf seinen Kopf nach oben und ließ seine pechschwarze Mähne flattern, bevor er im gestreckten Galopp auf die Bäume zuschoss. Dort stellte er sich auf die Hinterhand und wieherte erneut, wobei seine Vorderhufe wild in die Luft schlugen. Es dauerte nur einen winzigen Augenblick, bis sich die Baumwandler respektvoll vor ihm verneigten und den geheimen Pfad in den seltsamen Elfenwald freigaben.

Nun war es an dem Ritter Knut von Tronte und an Erik, verdutzt zu staunen, als sie sahen, wie sich diese Bäume bewegten, ohne dass der Wind etwas damit zu tun hatte. Auch Rognagg war erstaunt, während Kronglogg schon oft hier gewesen war.

„Was für ein Zauber ist das denn?“, staunte Adalberts Vater.

„In der Zwischenzeit dürftest du erfahren haben, dass es viel mehr in unserem schönen Drachenland gibt, als du es dir je vorzustellen wagtest“, beruhigte ihn der Elf. „Lasst uns nun den Wald betreten und dort übernachten. Ihr werdet sehen, wie sich der Elfenwald hinter uns schließt und dafür sorgt, dass wir ganz unbesorgt die Nacht verbringen können. Sicherlich werden wir bereits erwartet.“

Trulljah machte sich auf, den beiden Zwergen und dem Hengst zu folgen, die bereits im Wald verschwunden waren. Dann wandte er sich noch einmal um.

„Nun kommt schon, die Baumwandler werden nicht ewig auf uns warten. Ihr könnt euch auch später im Wald noch genug über sie wundern“, forderte der Elf seine noch immer staunenden Gefährten auf.

***

Es war schon kurz vor Mitternacht, als Torgorix endlich an der Drachenschule ankam. Sicherlich hätte er die Strecke von dort, wo er sich von seinen Weggefährten Adalbert, Jordill und Tork verabschiedet hatte, bis zur Drachenschule wesentlich schneller bewältigen können, aber er genoss jeden einzelnen Augenblick seines herrlichen Fluges. Oft machte er kleine Pausen, um entweder vor Wonne jauchzend in steile Schluchten abzutauchen oder ganz dicht über die rauen Felskämme hinwegzuschießen. Natürlich versuchte er auch ein paar Flugmanöver nachzufliegen, die er oft bei der begnadeten Luftkünstlerin Zaralljah gesehen hatte. Doch dazu bedurfte es unendlich viel Übung und eines angeborenen Flugtalents. Richtig gut zu fliegen war schon eine seltene Gabe, aber in der Luft mit den Wolken so zu spielen, wie es die Kriegerin Zaralljah konnte, war eine Gnade des Schicksals. Bei ihr sah alles so einfach und verspielt aus, aber bereits das einfachste ihrer Flugmanöver nachzufliegen, erschien Torgo fast unmöglich.

Ganz nebenbei hatte er natürlich auch immer wieder seine Landungen geübt. Er hatte das Gefühl, dass er sich unsterblich blamiert hatte, als er bei seinen Freunden die zwei traurigen Bauchlandungen hingelegt hatte – von den höllischen Schmerzen einmal abgesehen, die er krampfhaft zu verbergen versucht hatte. Das sollte ihm nicht noch einmal passieren. Besonders sein Freund Adalbert sollte morgen von einer perfekten Landung überrascht werden, wenn er wieder zu ihnen zurückkam.

Je später die klirrend kalte Nacht wurde, desto schöner funkelten die unzähligen Sterne am Himmelszelt. Da keine einzige Wolke den Blick auf die Sterne verdeckte, konnte er den Himmel über sich in vollen Zügen genießen. Besonders das Sternbild des Urdrachen Wargos, welches ihn schon seit seiner frühesten Erinnerung fesselte, beglückte seine junge Drachenseele. Wenn er nachts zum Himmel hinaufsah, kam es ihm beinahe so vor, als hörte er den Ruf des mächtigen Wargos, der alle Drachen einmal zu sich in die Sternennacht hinaufrief.

Als Torgorix sich der Drachenschule näherte, rief ihm schon aus weiter Ferne die wunderschöne Drachenlady Coralljah zu: „Willkommen, mein geliebter Sohn!“

„Woher wusstest du, dass ich heute komme?“, fragte Torgorix überrascht und setzte zur Landung an. Nun durfte nichts schiefgehen, denn vor seiner Mutter wollte er sich nicht blamieren. Vor lauter Aufregung, endlich das Tor zur Drachenschule so anzufliegen, wie es sich für einen richtigen Drachen gehörte, bemerkte er nicht, dass direkt vor dem Plateau, auf welchem er gleich landen wollte, starke Leewinde herrschten. Diese richtig zu berechnen, damit man tatsächlich dort landete, wo man es geplant hatte, setzte viel Erfahrung voraus.

„Pass auf …“, rief seine Mutter noch ängstlich warnend, aber da war es bereits zu spät. In dem einen Moment noch unmittelbar vor der Landezone zu sein und sich bereits im nächsten Augenblick vier oder fünf Mannslängen darunter zu befinden, verwirrte Torgorix so sehr, dass er unsanft gegen die kalte Felswand prallte, an der es keinen Halt mehr gab. So stürzte er senkrecht in die Tiefe und versuchte verzweifelt, von der tödlichen Wand wegzukommen, um nicht auf dem Felsboden aufzuschlagen. Doch seine besorgte Mutter kam ihm im richtigen Moment zu Hilfe. Sie hatte sofort gemerkt, dass diese Landung nichts werden konnte und sie wusste, wie gefährlich es war, beim Sturz nicht rechtzeitig so weit von dem Gestein wegzukommen, dass man die Flügel ausbreiten konnte, um wieder den nötigen Auftrieb für einen kontrollierten Flug zu erhalten. Also stürzte sie sich ihrem Sohn hinterher und zog ihn mit ihren mächtigen Pranken weit genug weg in Sicherheit.

„Nun flieg mir nach und tu genau, was ich dir vormache!“, rief sie ihm zu.

Seine missglückte Landung hatte dem jungen Drachen sehr deutlich gezeigt, wie unerfahren er tatsächlich noch war und was er noch alles erlernen musste. Seine Flugmanöver, die er mit Jordill einstudiert hatte, kamen ihm jetzt richtig lächerlich vor. Wie sollte er den erfahrenen Drachen etwas von neuen Flugideen erzählen, wenn er noch nicht einmal in der Lage war, vernünftig in dem riesigen Höhleneingang der Drachenschule zu landen?

Seine Mutter war nur eine knappe Flügelspanne vor ihm und flog die Höhle viel höher an, als er es zuvor getan hatte. Als der Fallwind sie dann erwischte, landete sie perfekt im Eingang der Schule.

„Jetzt bist du dran!“, riss die Stimme seiner Mutter Torgorix aus seinen verzweifelten Gedanken. Er sah nach vorne, dachte noch, dass er doch eigentlich viel zu hoch sei, und stand einen Wimpernschlag später direkt hinter seiner Mutter auf der Landezunge.

„Mach dir nichts draus. Auch ich habe mich schon verschätzt und bin abgestürzt“, hörte er die Stimme von Lady Zaralljah.

Für Torgorix war es schon schlimm genug, dass seine Mutter Zeugin seiner demonstrierten Unfähigkeit geworden war. Warum musste ausgerechnet die von ihm so verehrte Lady Zaralljah ebenfalls sehen, was er am liebsten für immer verschwiegen hätte.

„Du hast dich bestimmt noch nie so blamiert wie ich gerade“, antwortete er niedergeschlagen.

„Da irrst du dich aber gewaltig. Ich gehöre zwar heute zu den besten Fliegern an der Drachenschule, aber das war nicht immer so. Auch ich habe einmal ganz klein und unerfahren angefangen. Mein heutiges Können habe ich im Wesentlichen drei Tatsachen zu verdanken. Zum einen hatte ich schon als Jungdrachin den unbeirrbaren Wunsch, eines Tages zu den besten Fliegern des Drachenlandes zu gehören. Zum anderen war mein geliebter Vater ein unglaublich erfahrener Kampfdrache, der mich schon früh in die Künste des kriegerischen Fliegens einwies. Und schließlich kam noch mein eiserner Wille hinzu. Für mich gab es kein Versagen, ich hätte nie aufgegeben. Wenn ich etwas nicht schaffte, dann übte ich es so lange, bis ich es konnte. Das hat manchmal Ewigkeiten gedauert, aber ich habe nie aufgehört. Ich bin immer einmal mehr in die Luft gestiegen, als ich gelandet bin. Das wurde dann auch zu meinem Lebensmotto. Wenn du hinfällst, musst du nur aufstehen, etwas daraus lernen und es erneut versuchen“, erklärte Zaralljah, die sonst nie so gesprächig war. Ihre Worte schenkten dem jungen Torgorix neuen Mut und er vergaß beinahe seinen verpatzten Anflug.

„Morgen früh werden wir zwei etwas üben gehen. Was hältst du davon?“, fragte sie ihn aufmunternd.

„Das wäre toll!“, strahlte er sie an.

„Danke“, sagte Torgorix’ Mutter leise zu ihr.

„Sehr gerne. Dein Sohn hat viele Talente, die wir unbedingt fördern müssen. In seinem Alter konnte ich noch nicht einmal bis zum nächsten Hügel gleiten und unser Torgo fliegt schon vom Kalten Finger bis hierher“, raunte diese zurück.

***

„Nun bist du an der Reihe, mein junger Flugkünstler Torgorix, uns zu berichten, was bisher geschehen ist“, forderte der weiße Lorhdrache Okoriath den Jungdrachen auf, von der ersten Etappe der Eisgruppe zu erzählen.

Torgorix, der sich bei dieser Anspielung auf sein fliegerisches Können sehr unwohl fühlte, hatte in der vergangenen Nacht nur Zeit für einen kurzen Schlaf gehabt, denn der Drachenrat war gleich am nächsten Morgen einberufen worden. Okoriath, der weise und stets besorgte Anführer des Drachenrates, wollte schnellstmöglich über alle Ereignisse des Drachenlandes, seien sie auch noch so unbedeutend, informiert werden. Die Geschehnisse der vergangenen Tage hatten ihn noch stärker davon überzeugt, dass der bösartige Druide Snordas, der in den dunklen Höhlen des Ostlandes krankhaft nach Rache für seinen Lehrmeister Rettfill strebte, der seinerzeit den Krieg gegen das restliche Drachenland verloren hatte, alle Vorbereitungen für einen bevorstehenden Überfall traf. Die Frage war nur, wann und wo Snordas’ Angriff stattfinden würde und ob er genügend Horden hinter sich hatte, um einen Krieg zu entfesseln.

„Ich weiß gar nicht, wie ich hier vor dem ehrwürdigen Rat sprechen soll“, begann Torgorix zögernd.

„Sprich bitte einfach so, wie es dir in den Sinn kommt, mein junger Secundus. Du brauchst ja schließlich keinen Vortrag über die Geschichte unserer Ahnen zu halten, sondern sollst uns nur von den letzten Tagen berichten, die du mit Adalbert, Jordill und Tork verbracht hast“, versuchte der Lorhdrache dem jungen Drachen die Nervosität zu nehmen.

So berichtete Torgorix von den Wanderungen, von den riesigen Wolfsspuren an ihrem Nachtlager und schließlich von seinen neuen An- und Überflugmanövern bei absoluter Dunkelheit, wobei ihm ein gewisser Stolz anzumerken war. Als er davon erzählte, wurden nicht nur der Lorhdrache und seine Mutter zunehmend aufmerksamer, sondern auch der alte Drachenritter Rostorrh und die anthrazitfarbene Drachenlady Zaralljah. Als erfahrene Kämpfer erkannten beide sofort die strategischen Möglichkeiten, die sich aus diesen Flugbewegungen ergeben könnten.

„Wie bist du denn auf diese grandiose Idee gekommen?“, fragte der mürrische Kämpfer Rostorrh, dessen ganzer Körper von unzähligen Narben übersät war.

„Das war nicht meine Idee. Jungritter Adalbert hat sich das ausgedacht. Er hat mich aufgefordert, mit nächtlichen Flugübungen zu beginnen, damit ich nicht nur bei schönem Wetter fliegen kann. Außerdem hatte er die Idee, wie ich trotz völliger Dunkelheit immer genau meinen Standort und meine Flughöhe erfahren konnte. Ohne Adalbert wäre ich heute bestimmt noch immer der kleine Drache, über den sich alle anderen ständig lustig gemacht haben“, erklärte er.

„Immer wieder schafft es dieser Knabe, mich zu verblüffen“, murmelte Rostorrh vor sich hin und begann, viele Fragen zu den Einzelheiten des Flugmanövers zu stellen. Doch letztendlich kam er zu dem Schluss dass die Idee zwar gut, aber in der Realität nicht umsetzbar sei.

„Warum gibt mein alter Freund Rostorrh der Idee von Adalbert nicht eine Chance? Für mich hört sich der Plan tatsächlich durchführbar an“, fragte Lady Coralljah. Schon früher war ihr aufgefallen, dass der sture Drachenkämpfer dem Jungen nicht so recht zu trauen schien.

„Ich würde mich vielleicht davon überzeugen lassen, wenn es tatsächlich einer von uns schaffen sollte, ohne jegliche Sicht das zu vollbringen, was sich unser schlauer Adalbert mal wieder ausgedacht hat“, antwortete dieser knapp.

„Kann es sein, dass unser geschätzter Rostorrh ein kleines bisschen eifersüchtig auf Adalbert ist?“, frotzelte der Lorhdrache und sprach damit aus, was auch die anderen dachten. Eine Antwort blieb jedoch aus.

„Den Beweis dafür, dass Adalberts Plan tatsächlich funktioniert, kann ich euch gerne vorführen, denn ich bin bereits völlig blind geflogen!“, erklärte Torgorix, um den Ruf seines Freundes zu retten, wozu jedoch nicht der geringste Anlass bestand, da nur Rostorrh an ihm zweifelte. Schnell erklärte er, wie ihm Jordill ein Tuch über die Augen gebunden hatte und ihn dann sicher mit seinen Pfiffen bis zur Landung dirigiert hatte. Die Bauchlandung erwähnte er natürlich nicht.

Zaralljah ließ sich schnell die Bedeutung der verschiedenen Pfiffe erklären und schlug dem Rat dann vor, dieses Manöver vor aller Augen selbst auszuprobieren. Wortrillh, den Anführer der Ratswache, bat sie freundlich, ihr mit seinen Pfiffen die Höhe durchzugeben. Wie es für einen wortkargen Grenzgänger typisch war, war es dem Elfen nicht anzumerken, ob er diesen Auftrag gerne ausführte oder nicht.

Der Lorhdrache jedoch nahm diese Einladung zu einer Flugvorführung der besonderen Art sehr gerne an und verlegte kurzerhand die Sitzung des Rates auf den Pass hoch oben über der Drachenschule.

Etwas enttäuscht ging wenig später Torgorix schweigend neben Zaralljah die vielen Gänge zum Pass hinauf, denn insgeheim hätte er dieses Manöver nur zu gerne selbst vorgeführt.

„Mach dir nichts draus, mein junger Freund. Ich möchte lediglich vermeiden, dass irgendjemand hier darüber lacht, wenn deine Landung nicht hundertprozentig klappen sollte“, tröstete sie ihn ungewohnt liebevoll.

***

Bereits am Vortag, nach einem ausgiebigen Tagesmarsch mitten durch die Baumwandler hindurch, waren Knut von Tronte, Erik, die beiden Zwerge Kronglogg und Rognagg, der Elf Trulljah und der Hengst Antha, der diese Gruppe insgeheim anführte, im Dorf inmitten des Elfenwaldes angekommen. Die Gruppe, die unterschiedlicher kaum hätte sein können, erreichte ihr Ziel, kurz nachdem die orange schimmernde Sonnenscheibe über den verschneiten Wipfeln des östlichen Nasli Karillh untergegangen war.

„Ich heiße euch herzlich in Karsarillhmeg willkommen. Fühlt euch wohl und seid zum Abendbrot meine Gäste“, wurden sie vom Waldelfenkönig Erithjull begrüßt, der bereits einen Tag vor ihnen die Drachenschule verlassen hatte und daher schon früher angekommen war.

„Was ist denn das für ein Name?“, fragte Erik neugierig.

„Karsarillh bedeutet in deiner Sprache so viel wie Wurzel und Meg heißt Ort. Zusammengesetzt ist das hier also der Wurzelort, was im übertragenen Sinne bedeutet, dass an diesem Ort jeder zu sich selbst finden soll“, antwortete Trulljah.

„Tatsächlich gibt es noch eine andere Erklärung für diesen Namen. Der Überlieferung nach schlug zu einer Zeit, als es weder Menschen noch Zwerge, Trolle oder Elfen gab, während eines mächtigen Ungewitters ein gleißender Blitz dort in den Boden ein, wo heute der tiefe Brunnen mitten auf dem Marktplatz steht. Dabei teilte das Himmelsfeuer einen großen Felsen in zwei gleiche Hälften. Aus diesen formte das Schicksal uns Elfen. Somit erhält der Begriff Wurzelort eine noch tiefere Bedeutung“, fügte der König hinzu.

„Jeder halbwegs gebildete Zwerg weiß, dass wir lange vor den Elfen im Drachenland gelebt haben“, widersprach Rognagg dem König, bevor er von Kronglogg ruppig mit den Worten unterbrochen wurde, dass es nicht angebracht sei, die Worte eines Elfenkönigs anzuzweifeln.

„Lass ihn bitte seine Meinung frei äußern, mein lieber Freund. Im Nasli Karillh und ganz besonders hier in Karsarillhmeg hat jeder das ungeschriebene Recht, seine Meinung jederzeit frei und ungezwungen zu äußern. Wir wollen auch keinen Anspruch darauf erheben, das erste Volk im Drachenland gewesen zu sein. Ich habe lediglich erzählt, dass die Bedeutung des Namens unseres Ortes seine Wurzeln schon in grauer Vergangenheit hat. Wir können gerne unendlich lange über unsere verschiedenen Völker, unser weites Land, unsere Flüsse, Seen und das Meer, die verschiedenen Pflanzen und Tiere, die Leben spendende Sonne und den nächtlichen Sternenhimmel über uns diskutieren und philosophieren, aber streiten werden wir uns im Elfenwald nicht“, erklärte der König unmissverständlich.

„So viel Weitsicht und Meinungsfreiheit würden uns Menschen auch gut zu Gesichte stehen und so manchen unnötigen Streit bereits im Keim ersticken“, nickte Adalberts Vater. „Ich selbst nehme mich da auch nicht aus. Auch ich werde hier noch sehr viel lernen müssen“, fügte er nachdenklich hinzu.

„Dein ehrlicher Wunsch, hier in Karsarillhmeg zu lernen, ist ein schönes Willkommensgeschenk für uns. Darüber wollen wir uns gleich bei unserem Abendmahl ausführlicher unterhalten. Folgt mir bitte.“

Mit diesen Worten schritt der König allen voran, mit seinem Bruder, dem Hengst Antha, an seiner Seite. Er führte sie zu einem großen Lehmhaus, welches im Inneren mit vielen reichlich gedeckten Tischen, auf denen verlockend duftende Speisen angerichtet waren, zum Verweilen einlud.

Viel zu rasch verging der gesellige Abend mit dem guten Essen und interessanten Gesprächen, in denen sich alle Anwesenden näherkamen, während sie den melodischen Balladen lauschten, die von drei jungen Elfenmädchen vorgetragen wurden. Eine der Sängerinnen war die hübsche Marilljah. Knut von Tronte ahnte nicht, dass sein Sohn ständig an dieses Mädchen denken musste, besonders, wenn er seinen bestickten Proviantbeutel öffnete, den er von ihr geschenkt bekommen hatte.

399
477,84 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
23 декабря 2023
Объем:
572 стр. 4 иллюстрации
ISBN:
9783939043478
Издатель:
Правообладатель:
Автор
Формат скачивания:
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