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„Trotzdem gelingt es immer wieder vereinzelten Ork- und Trolltrupps, durch ihr Netz zu schlüpfen und das westliche Drachenland auszukundschaften, wie zum Beispiel dem Trupp von Orax, mit dem Adalbert zu tun hatte“, ergänzte Trillahturth, der König aller Elfen. Als nun auch der Ritter Knut von Tronte sein Pferd näher an die Elfenkönige heransteuerte, um mehr über die Abenteuer seines Sohnes zu erfahren, ließ sich der Zwerg Kronglogg, der schließlich selbst dabei gewesen war, nicht lange bitten, in allen Einzelheiten zu berichten, was geschehen war.

Oft nickte der Ritter voller Anerkennung für seinen Sohn, manchmal fragte er aber auch besorgt nach, wie Adalbert diese Gefahren alle unverletzt hatte überstehen können. Als der Zwerg erwähnte, wie Antharill Adalbert davor bewahrt hatte, mitten in einen Trolltrupp hineinzustolpern, lenkte der Ritter sein Pferd zu dem stolzen Hengst Antha hinüber, in den der Elf sich verwandelt hatte.

„Auch dein Leben werde ich mit dem meinen beschützen, wertester Hengst, das schwöre ich dir“, sagte er ganz leise, damit niemand ihn auslachte, weil er einem Pferd etwas versprach. Doch den extrem guten Ohren der Elfen blieb sein Schwur dennoch nicht verborgen.

„Dort vorne ist die Stelle, an der wir bis morgen früh rasten werden“, erklärte Erithjull und deutete direkt nach vorne auf eine kleine Flussbiegung.

Kapitel 4
Im hohen Eisgebirge

Der Elf Jordill weckte Adalbert und deutete auf das kleine Feuer, welches er bereits entfacht hatte.

„Ein heißer, duftender Kräutertee wartet auf dich, mein lieber Adalbert. Wir sollten zusehen, dass wir heute ein gutes Stück schaffen, dann könnten wir bereits am Abend am Fuß des Eisgebirges sein.“

„Ich dachte, wir wären schon längst im Eisgebirge? Wir sind doch schon vier Tage durchmarschiert?“, antwortete der Junge noch etwas verschlafen.

„Nein, wir befinden uns noch immer in den nördlichen Ausläufern der Drachenfelsen. Siehst du dort vorne den hohen Pass, der aus den Wolken herausragt?“

„Ja, das ist doch der Kalte Finger, oder? Merthurillh hat ihn mir schon einmal gezeigt, als wir uns bei seiner Lieblingsstelle, dem Sattel, hoch über der Drachenschule, unterhalten haben.“

„Du bist gut informiert. Das ist tatsächlich der Kalte Finger, der mitten im Eisgebirge liegt. Ich hoffe, dass wir dort oben auf die ersten Hinweise auf die alte Drachenlady Murwirtha stoßen werden. Wenn wir morgen früh vom Fuß des Gebirges starten, sollten wir nach drei weiteren Tagen den Kalten Finger erreichen. Ich kenne dort eine Höhle, in der wir es uns gemütlich machen und ein prächtiges Grubenfeuer entzünden können.“

„Na prima, noch vier Tage in dieser eisigen Kälte, bevor wir endlich ein richtig wärmendes Feuer machen können! Hoffentlich sind wir bis dahin nicht schon längst eingefroren“, erwiderte Adalbert mit einem mürrischen Blick zum Gipfel des Berges, der wie ein mahnender Finger aus den Wolken herausschaute.

„Warum können wir denn nicht jetzt schon etwas mehr Holz ins Feuer werfen? Meine Drachenhaut warnt mich nicht, also sind auch bestimmt keine Trolle oder Orks in der Nähe.“

„Wir sind trotzdem nicht alleine. Schon seit gestern Nachmittag spüre ich, dass wir beobachtet werden. Noch konnte ich nicht herausfinden, wer uns da ausspäht und welche Absichten er verfolgt. Daher sollten wir nicht unnötig lange rasten und versuchen, möglichst wenig auf uns aufmerksam zu machen, was bei einem riesigen blauen Drachen, der auch noch täglich seine Flugübungen absolviert und dabei vor Wonne das gesamte Nordland zusammenbrüllt, schon nahezu unmöglich ist“, mahnte der Elf in Richtung des Drachen, der noch friedlich zu schlummern schien.

„Ich habe jedes einzelne Wort verstanden! Ihr gönnt mir aber auch gar keinen Spaß“, entgegnete Torgorix gespielt beleidigt.

„Wir gönnen dir deine Freuden hoch oben in der Luft von ganzem Herzen, Blauflügler …“, begann Adalbert, als er von dem Drachen unterbrochen wurde.

„Lass gut sein, das war nicht ernst gemeint. Ihr habt ja Recht, ich sollte meine übergroße Freude unbedingt etwas zügeln. Was hältst du denn davon, wenn ich heute mal aus der Luft nach denjenigen suche, die uns beobachten?“, wandte er sich dann an Jordill.

„Ich denke, dass du jetzt gar nicht fliegen solltest. Vielleicht kannst du heute Abend in der späten Dämmerung noch einmal in die Lüfte steigen“, war die für den Drachen enttäuschende Antwort.

„Wo bleibt denn der lustige Elf, den ich auf meinen früheren Abenteuern kennengelernt habe? Du sprichst ja immer mehr, wie dein großer erfahrener Bruder Trulljah“, meinte Adalbert, der sich sehr gut vorstellen konnte, wie enttäuscht Torgorix sein musste, wenn er seine neu gewonnene Freiheit nicht genießen durfte.

„Wir wachsen alle an unseren Aufgaben, mein lieber Freund. Das müsstest du doch am besten wissen. Außerdem habe ich mich nicht verändert, aber wenn Trulljah oder Maradill dabei sind, können sie sich ja um solche Dinge kümmern“, antwortete Jordill mit einem verschmitzten Lächeln.

„Torgorix, wie Jordill schon vorgeschlagen hat, solltest du nicht vor Einbruch der Dämmerung fliegen. Ich möchte außerdem, dass du das nächtliche Fliegen lernst, damit du dich bei besonderen Gefahren oder in anderen Situationen, die einen nächtlichen Flug erfordern, auch in der Dunkelheit am Himmel zurechtfindest. Traust du es dir schon zu, bei sternklarer Nacht vom Boden abzuheben?“, fragte Adalbert den Drachen.

„Wenn die Nacht so klar ist, dass ich sehen kann, wohin ich fliege, dann möchte ich das sehr gerne einmal ausprobieren. Bei absoluter Dunkelheit und schlechtem Wetter können wir Drachen allerdings nicht fliegen, obwohl unsere Augen außerordentlich gut sind. Durch Wolken, Nebel oder Schneetreiben können wir nur schemenhaft sehen. Da nützt auch unser Drachensinn wenig. Daher freue ich mich schon auf meinen ersten Nachtflug. Es muss doch traumhaft schön sein, den Sternen unserer Vorfahren immer näher zu kommen!“

„Dann achte aber bitte darauf, dass du ihnen nur nahe kommst und nicht für immer zu ihnen aufsteigst, denn wir würden dich sehr vermissen“, bat ihn der Elf.

„Natürlich kannst du bei absoluter Dunkelheit oder widrigen Sichtverhältnissen nichts sehen, aber ich habe da eine Idee, wie wir dich trotzdem leiten können, obwohl du sozusagen blind fliegst“, dachte Adalbert laut nach und erhielt von seinen Kameraden sofort die höchste Aufmerksamkeit. Selbst Tork schien an den Gedanken des Jungen interessiert zu sein und kam etwas näher, um sich mit einem wohligen Grunzen Jordill zu Füßen zu legen.

„Komm, mach es nicht so spannend. Erzähl uns, wie du dir das vorstellst, einen Drachen blind durch die Nacht zu leiten“, bat der Elf um Auflösung dieses Geheimnisses.

„Ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich klappen wird. Torgorix, du hast doch auch ein exzellentes Gehör. Wenn du also am Nachthimmel fliegst, ohne etwas zu sehen, könnte Jordill dir dann nicht durch hohe Pfiffe, die für das Gehör von Menschen, Trollen und Orks nicht wahrnehmbar sind, signalisieren, wo wir sind? Damit müsstest du uns doch finden können, oder?“

„Ja, das würde bestimmt funktionieren, aber ich weiß dann immer noch nicht, in welcher Höhe ich mich über dem Boden befinde. Ich möchte schließlich nicht noch einmal auf dem Bauch landen, schon gar nicht aus dem vollen Flug heraus. Das könnte meinen Tod bedeuten und dann würde ich ja doch wieder zu meinen Ahnen aufsteigen“, fügte der Drache mit einem Zwinkern hinzu.

„Stell dir vor, du hörst Jordills Pfiff“, fuhr Adalbert unbeirrt fort, „ortest diesen und fliegst dann möglichst langsam über die Quelle, von der du das Signal bekommen hast, dann müssten wir deinen Flügelschlag hören und könnten so ungefähr abschätzen, wie hoch du bist. Wenn wir dir dann diese Höhe wiederum durch Pfiffe mitteilen würden, beispielsweise einen langen Pfiff für einen Abstand, der zehnmal so groß ist wie Jordill, zehn Jordill-Längen sozusagen, und ein kurzer Pfiff für eine Jordill-Länge, könntest du dir das räumlich vorstellen?“

„Wir Drachen verfügen doch über das am besten ausgebildete dreidimensionale Vorstellungsvermögen, das es in der Natur gibt. Ich könnte mir schon denken, dass ich das hinbekomme. Allerdings braucht es sehr viel Übung, dieses räumliche Denken zu erlernen und ich bin noch ein absoluter Anfänger.“

„Das kriegen wir schon irgendwie hin!“, munterte ihn der Elf, der von Adalberts Idee sichtlich begeistert war, auf.

„Dann werdet ihr noch heute Abend mit dem notwendigen Training beginnen“, schlug Adalbert vor.

„Jordill du musst lernen, exakte Weiten und Höhen so präzise wie irgend möglich zu schätzen, und Torgorix muss es schaffen, sobald er über uns hinweggeflogen ist und die Höhe mitgeteilt bekommen hat, seine momentane Flughöhe ganz exakt einzuhalten, bis er wieder bei uns ist, sonst endet seine Runde in einem Fiasko. Natürlich musst du bei der Landung bedenken, dass du nicht genau da landen darfst, wo du den Pfiff gehört hast, sonst sind Jordill und ich platt wie Flundern. Sobald ihr das wirklich könnt und Torgorix es sozusagen im Blindflug schafft, unfallfrei zu landen, könnten wir noch eine Steigerung in euer Training einbauen. Stellt euch vor, Torgorix kennt unsere genaue Position und Höhe und wir könnten ihm, wiederum durch Jordills Pfiffe, anzeigen, in welcher Entfernung von uns sich wie viele Feinde befinden, dann wäre das ein unermesslicher Vorteil für uns, weil ein Überraschungsangriff bei Dunkelheit und aus der Luft möglich wäre.“

Adalbert war mit seinen Gedanken noch nicht richtig zu Ende gekommen, als Jordill mit dem Drachen bereits die ersten Pfiffe einstudierte. Sie waren so hoch, dass er diese nur mit seinen Drachensinnen vernehmen konnte.

Dann sagte Jordill: „Ich glaube, dass wir so schnell wie möglich den Drachenrat von deinem hervorragenden Plan unterrichten sollten. Wir könnten durch diese Taktik einen unvorstellbaren Vorteil in der Schlacht gegen Snordas’ Truppen erzielen.“

„Torgorix, morgen Abend wirst du dem Lorhdrachen Okoriath von unserem neuen Plan berichten“, beschloss Adalbert.

„Gerne. Ich freue mich schon darauf, die Drachenschule aus der Luft zu sehen und sie wie ein richtiger Drache anzufliegen“, freute sich Torgorix.

„Du bist ein richtiger Drache, mein Freund Torgo!“, erwiderte Jordill, ehe sie sich zum Aufbruch bereitmachten.

Während des gesamten Marsches durch das tiefe Tal, welches die südlich liegenden Drachenfelsen von dem nördlichen Eisgebirge trennte, war es Adalbert nahezu unmöglich mit Jordill und Torgorix ein vernünftiges Gespräch zu führen. Beide waren so sehr mit ihren Plänen und Entwürfen beschäftigt, wie sie seine Idee des nächtlichen Fluges in die Tat umsetzen konnten, dass sie Unterbrechungen von ihm nur als störend empfanden. Selbst der Keiler Tork hatte sich von seinem geliebten Jordill getrennt, von dessen Seite er normalerweise nie wich, und gesellte sich zu dem Jungen. Adalbert war über das Verhalten seiner Freunde jedoch keineswegs beleidigt, ganz im Gegenteil, er freute sich darüber, dass er diesen guten Einfall gehabt hatte. Als sie dann aber nach einem stundenlangen Marsch gegen den eisigen Nordwestwind und bei Einbruch der Dämmerung endlich am Fuß des Eisgebirges ankamen, musste er als Leiter der Gruppe ein Machtwort sprechen, denn die beiden wollten sofort mit der Umsetzung ihrer Pläne beginnen.

„Wir werden zuerst ein vernünftiges Nachtlager zwischen den Bäumen dort drüben im Wald aufbauen, bevor ihr mit euren Nachtflugübungen beginnt. Außerdem werden wir uns ein kleines Grubenfeuer machen, damit ich wieder etwas Leben in meine Gliedmaßen bekomme. Mit ein paar Ästen und etwas Reisig können wir einen halbwegs passablen Blickfang errichten, damit der Schein der Flammen nicht den Wald verlässt. Außerdem habe ich Hunger“, fügte er hinzu.

„Du solltest dich mehr auf deine Drachenhaut konzentrieren, dann frierst du nicht so“, antwortete ihm Torgorix, der es kaum noch aushalten konnte, endlich wieder zu fliegen und all das zu probieren, was er den ganzen Tag über mit dem Elfen besprochen hatte.

Adalbert dachte über die Worte des Drachen nach und kam sich etwas lächerlich vor, als er in Gedanken seine Haut bat, ihn zu wärmen. Zum Glück konnte hier keiner seine Gedanken lesen wie der Lorhdrache Okoriath.

Vertraue deinen Sinnen, vertraue deiner Haut, denn sie wird dich schützen und vor Kälte bewahren, kam prompt eine Reaktion auf seine Gedanken.

Rorgath, wie geht es dir? Wo kann ich dich denn nur finden?, fragte Adalbert in seinen Gedanken zurück.

Suche nach einem Felsen, der einem Adlerschnabel gleicht, dort wirst du mich finden. Doch zuvor musst du Murwirtha finden, sonst wird die Reise nicht erfolgreich sein!

Dann brach der Kontakt wieder ab. Doch Adalbert hatte nun endlich einen Hinweis, wo sich sein Geistdrache befand. Irgendjemand an der Drachenschule oder einer der weisen Elfen würde sicher wissen, wo der seltsame Felsen stand, den Rorgath beschrieben hatte. Adalbert war voller Hoffnung. Und das lag nicht nur daran, dass ihm mit Hilfe der Drachenhaut wohlig warm wurde.

„Wir brauchen kein Feuer mehr, dank Rorgaths Hilfe ist mir nicht mehr kalt. Stellt euch vor, ich habe gerade von ihm einen Hinweis bekommen, wo er sich befindet. Kennst du einen Felsen, der so ähnlich aussieht wie ein Adlerschnabel?“, fragte er Jordill, der durch die Wettkämpfe der Elfen schon weit im Drachenland herumgekommen war.

Dieser dachte einige Zeit angestrengt nach, bevor er zu Adalberts großer Enttäuschung erklärte, dass er sich an solch einen Felsen leider nicht erinnern konnte. Doch auch er bestärkte den Jungen in seiner Hoffnung, dass sicherlich eines der weisen Mitglieder des Drachenrates diesen Ort kennen würde.

„Na los, meine Freunde, Tork und ich möchten gerne sehen, ob eure stundenlangen Gespräche und Planungen auch einen Sinn hatten!“, forderte Adalbert nun den flinken Elfen und den jungen Drachen auf, endlich mit ihren Übungen zu beginnen.

Tork, der die seltsame Wärme spürte, die von der Haut des Jungen ausging, legte sich mit einem wohligen Grunzen dicht an Adalberts Seite und ließ sich von dem Jungen genüsslich kraulen.

Mit drei oder vier kräftigen Flügelschlägen stieg Torgorix nahezu senkrecht in den dunklen Himmel empor. Adalbert war überrascht, wie sicher die Bewegungen des Drachen wirkten. Kaum zu glauben, dass Torgorix erst gestern das Fliegen erlernt hatte!

Mit einer blitzartigen Wendung änderte der blaue Drache geschickt seine Flugrichtung und schoss ganz dicht über ihre Köpfe hinweg, bevor er wieder an Höhe gewann und hinter den Baumwipfeln des Waldes verschwand. Da hörte Adalbert den kurzen Pfiff des Elfen, den er früher mit seinem menschlichen Gehör niemals wahrgenommen hätte.

Einen winzigen Augenblick später flog der Drache erneut über sie hinweg und wieder hörte Adalbert die Pfiffe des Elfen. Es waren ein langes und drei deutlich kürzere Signale, die dem Drachen mitteilen sollten, dass er dreizehn Jordill-Längen über ihnen gewesen war, als er sie überflogen hatte. Torgorix nickte mit dem Kopf, was wohl darauf hinweisen sollte, dass er die Bedeutung der Pfiffe verstanden hatte, und verschwand erneut hinter dem Wald. Ohne ein neues Signal zu erhalten, war der Drache plötzlich wieder über ihnen, in exakt der gleichen Höhe, wie der lange und die drei kurzen Pfiffe ihm anschließend bestätigten.

Immer wieder übten die beiden dieses Manöver in unterschiedlichen Höhen, bis der Drache schließlich bei ihnen landete. Zu Adalberts Überraschung war aber nicht eine wohlverdiente Verschnaufpause der Grund für die Landung, sondern die Vorbereitung für eine weitere Übung. Jordill zog aus seiner Tasche ein schalähnliches Tuch hervor und band es dem Drachen vor die Augen.

„Was soll denn das werden?“, fragte Adalbert etwas beunruhigt.

„Wenn uns dieses Flugmanöver auch bei größerer Dunkelheit gelingen soll, dann muss ich es ohne Sicht üben“, erklärte Torgorix. „Außerdem kann ich die Augenbinde jederzeit wieder abnehmen, wenn ich mir unsicher bin. Das kann ich dann im Ernstfall nicht. Daher wollen wir es lieber jetzt so lange üben, bis ich es im wahrsten Sinne des Wortes blind beherrsche.“

„Das leuchtet mir ein, aber bitte sei vorsichtig!“, bat Adalbert schnell, bevor der Drache wieder in die Dunkelheit aufstieg.

Immer und immer wieder übten der Drache und der Elf diese präzisen Überflüge auf Anweisung, bis sie endlich alle davon überzeugt waren, dass Torgorix die schwierigen Flugmanöver tatsächlich beherrschte. Nun endlich gönnten sie sich auch die nötige Nachtruhe, jedoch nicht, ohne noch weitere Pläne für die nächsten Flugübungen zu schmieden.

***

„Wach auf, mein lieber Freund. Wir haben heute noch einen sehr anstrengenden Tag vor uns“, wurde Adalbert von Jordill geweckt.

„Wo ist denn Torgorix?“, fragte der Junge müde, nachdem er sich den Schlaf aus den Augen gerieben hatte.

„Er ist schon bei der ersten Morgendämmerung in den Himmel aufgestiegen, um seine neue Freiheit zu genießen. Wenn du dort in Richtung der aufgehenden Sonne schaust, kannst du ihn ganz knapp über den Gipfeln des Eisgebirges erkennen. Ich beobachte ihn bereits eine Weile und bin überrascht, wie wunderbar und harmonisch er sich bewegt.“

Adalbert musste schon sehr genau hinschauen, um den blauen Drachen zu erkennen. Plötzlich schoss Torgorix aus der Sonne herab, um schon im nächsten Moment wieder zwischen zwei Felsen zu verschwinden. Nur wenige Wimpernschläge später tauchte er erneut auf und kam geradewegs auf sie zugeflogen. Schnell wurde der kleine Punkt immer größer und entwickelte sich zu dem prächtigen Drachen.

Mit seinem gestochen scharfen Blick konnte Torgorix bereits aus der Ferne erkennen, dass er von seinen Freunden beobachtet wurde. Gerne wollte er Jordill, Tork und Adalbert an seinem Glück teilhaben lassen, welches er durch seine Flugabenteuer geschenkt bekam. Doch wie sollte er nur jemandem dieses Gefühl beschreiben, der selbst nicht fliegen konnte und daher niemals in den Genuss dieses, im wahrsten Sinne des Wortes, erhebenden Glückes gelangen würde?

Doch was wäre, wenn er so tief über seine drei Freunde hinweg flöge, dass sie seine Begeisterung körperlich fühlen mussten? Schon im nächsten Augenblick schoss Torgorix im Tiefflug so über sie hinweg, dass sich selbst der erfahrene Jordill flach auf den Boden warf.

„Ein bisschen Frühsport kann nicht schaden“, schmunzelte der Elf, während er sich wieder erhob und sich den losen Schnee, der in der Nacht gefallen war, von der Kleidung klopfte.

„Darauf könnte ich gerne verzichten“, antwortete ihm Adalbert, der noch immer staunend die Manöver von Torgorix beobachtete. Genau in diesem Moment kippte der Drache über seine rechte Flügelspitze ab und landete nach einem langen Bogen wieder bei seinen Freunden.

„Mir fehlen die Worte, um euch zu beschreiben, wie glücklich ich bin. Seit meiner Taufe in der Drachenschule habe ich mich unglaublich verändert. Schaut mich doch nur einmal an, ich bin nicht mehr der kleine hässliche Drache, über den sich alle lustig machten. Aus mir ist ein großer, Feuer speiender Drache geworden, der durch den Himmel fliegt. Schon am frühen Morgen durch die kalte Luft des Eisgebirges zu brausen, ist ein Erlebnis, das alles andere übersteigt“, schwärmte er.

Nachdem sie ein schnelles und karges Frühstück eingenommen hatten, setzte sich die kleine Gruppe wieder in Bewegung, um nach der Lorhdrachin Murwirtha zu suchen.

Bereits nach wenigen Schritten blieb Jordill jedoch stehen. Nachdenklich sah er auf den Boden, rieb sich das Kinn und deutete dann auf eine Spur vor ihnen.

„Ich habe ja wirklich schon viele Wolfsfährten gesehen, aber Abdrücke, die so groß sind wie diese hier, sind mir bisher noch nie untergekommen“, meinte er nachdenklich.

Nachdem sich der Elf auf den Boden gekauert hatte, wobei er mit seinen Fingern tastend noch weitere Spuren des Wolfes untersuchte, erhob er sich wieder und ging, ohne ein weiteres Wort zu sagen, zu der Stelle zurück, wo sie die Nacht verbracht hatten. Die Gefährten guckten ihm neugierig zu.

„Warum schaut er sich denn so genau um? Ich denke, wir haben noch einen anstrengenden Marsch vor uns. Vor einem Wolf brauchen wir uns doch nun wirklich nicht zu fürchten“, wunderte sich Torgorix.

„Ich glaube nicht, dass sich Jordill fürchtet. Viel eher vermute ich, dass ihm etwas an den Spuren seltsam erscheint.“

Nachdem der Elf seine Erkundung abgeschlossen hatte und zur Gruppe zurückgekehrt war, erklärte er den dreien, dass sie in der Nacht unbemerkt Besuch von einem riesigen Wolf gehabt hätten. Über das Verhalten des Wolfes war er sich jedoch nicht ganz schlüssig, denn der Riese hatte sich ihnen im Schlaf in kreisenden Bewegungen immer mehr genähert, bis er sich dann, nur wenige Mannslängen von ihnen entfernt niedergelegt hatte. Dort musste er eine ganze Weile verharrt haben, bevor er sie wieder verlassen hatte. Solch ein seltsames Verhalten eines wilden Wolfes hatte Jordill noch nie erlebt.

„Vielleicht wollte uns der Wolf ja nur bewachen“, überlegte Adalbert, obwohl er selbst kaum daran glauben konnte.

„Warum sollte uns ein fremder Wolf bewachen wollen?“, widersprach Torgorix.

„Ob er uns bewachen wollte oder ob er uns aus einem anderen Grund beobachtet hat, das werden wir jetzt im Moment sicherlich nicht herausfinden. Auf jeden Fall schien er keine Angst vor dir, mein lieber Torgorix, zu haben. Es wundert mich nur, dass ich ihn nicht gespürt habe. Normalerweise habe ich einen sehr leichten Schlaf und wache sofort auf, wenn sich mir ein Lebewesen nähert. Aber eines steht fest, wir sollten in der nächsten Nacht unbedingt eine Wache einteilen.“

Der nächtliche Besuch des Wolfes war in den nächsten Stunden für Torgorix noch Anlass genug, wilde Spekulationen darüber aufzustellen. Ansonsten gab es wenig Ablenkung und der Marsch wurde ab dem späten Nachmittag zusehends beschwerlicher, was nicht nur an dem erneut einsetzenden Schneefall lag, sondern auch daran, dass ihr Weg sie schon seit einiger Zeit nur noch bergauf führte.

Der frische Schnee erschwerte ihnen das Vorankommen zusätzlich, denn er gab den Blick auf den felsigen Untergrund nicht mehr frei, was dazu führte, dass es für sie immer schwieriger wurde, sicheren Tritt zu finden. Besonders Torgorix rutschte häufig aus und Adalbert, dem es selbst nicht viel besser erging, musste immer wieder lachen, wenn der Drache vor sich hin fluchte. Tork hingegen nahm die Situation gelassen hin, obwohl auch seine Keilerbeine nicht für das Gebirge gemacht waren. Nur Jordill war leichtfüßig wie eh und je. Seiner fröhlichen Einstellung konnte so ein bisschen Schnee nichts ausmachen, ganz im Gegenteil, er vergnügte sich glücklich wie ein kleines Kind im Winter. Immer wieder bewarf er die Gruppe mit Schneebällen, bis sich zwischen ihm und Adalbert eine heftige Schneeballschlacht entwickelte. Torgorix und Tork hingegen hatten ihren ganz besonderen Spaß dabei, diese Wurfgeschosse mit ihren Mäulern zu fangen. Erst als der übermütige Drache versuchte, die Schneebälle mit kurzen Feuerstößen in der Luft zu schmelzen, brach Adalbert das lustige Treiben ab. Das Spiel wurde ihm auf diesem rutschigen Gelände zu gefährlich.

Als sie bei der bereits sehr früh einsetzenden Dämmerung eine geeignete Stelle für ihr Nachtlager fanden, meinte Adalbert: „Für heute reicht es. Wir haben ein gutes Stück zurückgelegt und können uns jetzt eine erholsame Nachtruhe gönnen.“

„Der Platz ist zwar sehr gut, aber wir könnten doch bestimmt noch eine kleine Weile weiter marschieren“, erwiderte Jordill.

„Ich weiß, dass wir alle noch eine Menge Energie haben, aber ich möchte unbedingt, dass Torgorix heute noch zur Drachenschule fliegt und dem ehrwürdigen Rat berichtet, wo wir jetzt sind. Außerdem möchte ich gerne wissen, wie es Merthurillh geht und ob er schon aus seinem Heilschlaf erwacht ist.“

Der scharfsinnige Elf vermutete, dass das nicht die ganze Wahrheit war. Tatsächlich hatte der Junge bereits vor einiger Zeit bemerkt, dass der schwere Keiler Tork größere Schwierigkeiten damit hatte, sicheren Tritt zu finden. Mit der zunehmenden Dunkelheit nahm auch die Gefahr zu, dass ein solcher Fehltritt dazu führte, dass er in die Tiefe stürzte. Da einige Hänge, die sie in den letzten Stunden passiert hatten, sehr steil abfielen, wäre ein solcher Sturz vermutlich tödlich gewesen. Dabei bestand nicht nur Gefahr für das Leben des Keilers, was schon schlimm genug gewesen wäre, sehr leicht konnte er dabei auch ein weiteres Mitglied der Gruppe mit in die Tiefe reißen.

Um seinen Freund Tork nicht zu beschämen, behielt Adalbert diesen Anlass für das zeitige Nachtlager lieber für sich. Es gab aber noch einen weiteren Grund, über den er mit den anderen nicht sprechen wollte. Er vermisste seinen Freund Merthurillh so sehr, dass er unentwegt an ihn denken musste. Er befürchtete, dass sich seine Freunde zurückgesetzt fühlen würden, wenn er ihnen das erzählte, und vielleicht auch enttäuscht wären. Da ihm jeder einzelne seiner Gefährten ans Herz gewachsen war, wollte er sie nicht verletzen.

„Ich freue mich darauf, zur Drachenschule zu fliegen. Schon den ganzen Tag über habe ich mich danach gesehnt. Es kribbelt mir so zu sagen in den Schwingen. Wenn es euch nichts ausmacht, würde ich gerne sofort losfliegen“, erwiderte der Drache und erhob sich in die Luft, ohne eine Antwort abzuwarten.

„Wenn ich gleich etwas trockenes Holz gesammelt und ein wärmendes Feuer entzündet habe, freue ich mich auf ein schönes Gespräch mit dir“, sagte Jordill zu Adalbert, während er dem davonfliegenden Drachen hinterhersah.

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Дата выхода на Литрес:
23 декабря 2023
Объем:
572 стр. 4 иллюстрации
ISBN:
9783939043478
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