Читать книгу: «Dracheneid», страница 2

Шрифт:

Kapitel 2
Der Ratsbeschluss

Nachdem das ausgiebige Frühstück beendet war, folgten alle Ratsmitglieder dem Lorhdrachen Okoriath zur Ratshalle. Natürlich war Adalbert wieder einmal völlig begeistert, als er bestaunen konnte, wie sich, nachdem der Lorhdrache die geheime Öffnungsformel gesprochen hatte, der massive Felsen vor ihm mit seltsamen, kreisförmigen Bewegungen zu einem Eingang in die Ratshalle verwandelte.

Sie waren jedoch nicht die Ersten, die diese heiligen Hallen betraten, denn der oberste Elfenkönig Trillahturth und der Waldelfenkönig Erithjull saßen bereits auf ihren Plätzen und unterhielten sich leise. Jedes Ratsmitglied nahm seinen angestammten Platz ein und Adalbert fühlte sich in Merthurillhs Loge einsam und verlassen. Ohne seinen goldenen Freund war es einfach nicht dasselbe.

„Komm doch bitte zu mir herüber, dann brauchst du nicht so alleine in eurer Loge zu sitzen“, forderte ihn die Erste Drachenlady Coralljah auf und bot ihm den Sitz zu ihrer Linken an. Sie hatte natürlich erkannt, in welcher unbehaglichen Situation sich der junge Adalbert befand.

„Das ist sehr lieb von Euch, schöne Lady Coralljah. Aber Euer linker Platz gehörte meinem Freund Antharill, der sein Leben für mich gab. Auf seinem Platz zu sitzen, erscheint mir irgendwie nicht richtig. Ich werde die Erinnerung an seine Freundschaft für den Rest meines Lebens in meinem Herzen tragen.“

Bei diesen Worten berührte Adalbert mit seiner rechten Hand die Stelle, an der sein Herz schlug. In seinen Gedanken konnte er den stolzen Hengst, in den sich der Elf nach seinem tragischen Tod verwandelt hatte, im gestreckten Galopp über eine saftige Hügellandschaft galoppieren sehen.

„Außerdem ist dies hier mein Platz und ich möchte meinen Freund Merthurillh würdig vertreten, wenn er schon nicht selbst an dieser Versammlung teilnehmen kann. Ich hoffe sehr, dass ihr meine Ablehnung nicht als unhöflich betrachtet.“

„Hört, hört! Die Worte eines echten Jungritters!“, sagte der alte Drache Rostorrh anerkennend, bevor sich der Lorhdrache an alle Ratsmitglieder wandte.

„Teuerste Lady Coralljah, wunderbare Lady Zaralljah, mein alter Freund Trillahturth, du Oberster aller Elfen des Drachenlandes, mein Freund vieler Abenteuer König Erithjull, Ritter Rostorrh, alter Kampfgefährte so mancher schlimmen Schlacht, meine stolzen Jungritter Tomporillh und Adalbert, mein überaus geschätzter Ratgeber Kronglogg und, nicht zu vergessen, unser treuer Chronist und Freund Olstaff, wir sitzen heute in dieser Ratsrunde zusammen, weil es dringende Angelegenheiten gibt, denen wir schnellstmöglich nachgehen müssen. Wie ihr sicher bereits alle wisst, ist mein Erster Ritter Merthurillh in einen wohltuenden Heilschlaf gefallen und kann deshalb nicht hier sein.

Gestern Abend informierte mich König Trillahturth darüber, dass sich nach seiner Kenntnis hier in der Drachenschule ein Hinweis auf die geheime Formel befinden muss, die Adalbert benötigt, um die finale Seelenübertragung einzuleiten. Gemeinsam haben er, König Erithjull, unser Archivar Olstaff und ich selbst in der vergangenen Nacht jede verfügbare Schrift und alle Unterlagen durchforstet und sind jedem Hinweis nachgegangen, der auch nur im Entferntesten auf diese Formel hinweisen könnte. Doch wir konnten nichts Konkretes finden. Da sich jedoch, wie jeder hier weiß, der weise König Trillahturth noch nie geirrt hat, sollten wir jetzt gemeinsam darüber beratschlagen, wo wir noch nach der verloren gegangenen Formel suchen könnten.“

Der uralte Olstaff mit seinen liebenswürdigen Augen räusperte sich vorsichtig und wies darauf hin, dass sie die Zeit, in der sich Merthurillh im Heilschlaf befand, nicht ungenutzt verstreichen lassen sollten, schließlich hätten sie nur ein Jahr Zeit, die Drachenseele aus Adalberts Brust zu befreien, sonst würde diese zu Wargos auffahren.

„Ich glaube, ich weiß, wo die Formel ist“, erwiderte Adalbert leise und unsicher, denn er konnte sich kaum vorstellen, dass noch kein anderer auf die Idee gekommen war, die ihm gerade durch den Kopf ging.

„Na, da sind wir ja mal sehr gespannt, Jungchen!“, warf der alte Drache Rostorrh ungläubig ein. Es war dem besonderen Klang seiner Stimme anzuhören, dass er sich nicht vorstellen konnte, dass ausgerechnet dieser Junge den Ort kennen sollte, nach dem die klügsten Köpfe des Drachenlandes die ganze Nacht hindurch vergeblich geforscht hatten.

„Kümmere dich nicht um die ruppige Art des Alten, er meint es nicht wirklich so. Du weißt doch, dass Ritter Rostorrh nicht so schnell zu überzeugen ist“, entschuldigte sich der Lorhdrache bei Adalbert für den alten Kämpfer.

„Eine Entschuldigung ist nicht nötig, denn ich kann Ritter Rostorrh nur zu gut verstehen. Ich wäre auch überrascht, wenn ausgerechnet jemand wie ich behaupten würde, solch verborgene Dinge zu wissen. Dennoch ist es so. Vielleicht irre ich mich ja, aber ich fühle, dass ich weiß, wo die Formel zu suchen ist.

Wir haben bereits darüber gesprochen und die wunderschöne Lady Coralljah wollte mit mir schon längst dort hingehen und die Stelle aufsuchen. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass wir zu den Runen gehen müssen, die sich mir in der Höhle tief unterhalb der Drachenschule gezeigt haben, als ich mit dem Horn von Fantigorth und meinen Freunden Trulljah, Maradill und Jordill dort war.“

„Das könnte tatsächlich sein“, stimmte die Drachenlady Coralljah zu. „Ich habe mich schon die ganze Zeit gefragt, warum das Horn gerade diese Stelle mit seinem magisch-grünen Licht erhellt hat. Nun ergibt es endlich einen Sinn. Das Horn von Fantigorth oder dein Geistdrache Rorgath wollten dir zeigen, wo du die geheime Formel finden kannst.“

„Ich selbst konnte mit den geheimnisvollen Runen zu diesem Zeitpunkt nichts anfangen und war auch mit der Botschaft meines Geistdrachen zu sehr beschäftigt, als dass ich sie mir gemerkt hätte, aber die drei Elfenbrüder taten es“, fügte Adalbert noch hinzu.

„Wortrillh, bitte hole die Elfen zu unserer Besprechung hinzu und sorge dafür, dass eine Schiefertafel bereitsteht, auf der sie ihre Erinnerungen an die Runen aufmalen können“, bat Okoriath den Anführer der Saalwache, die sowohl aus eleganten Elfen als auch aus stämmigen Zwergen des Hochgebirges bestand.

„Euer Wunsch sei mir Befehl, edler Lorhdrache!“, sagte der pflichtbewusste Wortrillh, gab einigen seiner Elfen und Zwerge ein schnelles Zeichen und machte sich dann unverzüglich auf den Weg.

Nachdem der Anführer der Saalwache die Elfenbrüder kurz darauf in die Ratshöhle geführt hatte, wurden auch sie von Okoriath begrüßt, der anschließend das Wort an Lady Coralljah übergab.

„Trulljah, als Ältesten von euch drei Brüdern möchte ich dich fragen, ob ihr euch noch an die Runen erinnern könnt, die ihr in der Höhle gesehen habt, nachdem sie durch das Horn grün erhellt wurde?“, fragte die Lady Coralljah freundlich, die sich mit den alten Schriften und Überlieferungen auskannte wie kein anderer Drache.

„Ich denke schon, dass wir uns noch an die eine oder andere Rune erinnern können“, antwortete der Elf selbstsicher.

„Dann möchte ich euch bitten, alle Runen, die euch noch in den Sinn kommen, jetzt auf die Tafel zu malen“, forderte sie die drei Brüder auf.

Trulljah blickte kurz zum Lorhdrachen hinüber, um sicherzugehen, dass dieser der Bitte der Drachenlady zustimmte, worauf Okoriath freundlich nickte. Also begannen die Elfen, eine Menge Runen auf die Tafeln zu bringen. Besonders fleißig war dabei Maradill, der sich augenscheinlich die meisten Zeichen gemerkt hatte. Nachdem er dann als Letzter der Brüder die Kreide aus der Hand gelegt hatte und ein paar Schritte zurückgetreten war, betrachtete jeder Einzelne in der Ratshöhle schweigend die Schiefertafel. Damit auch Zaralljah und der Jungritter Tomporillh einen Blick auf die Tafel erhaschen konnten, mussten sie ihre Logen verlassen.

„Nun schönste Lady Coralljah, lasst uns nicht in Unwissenheit schweben, wenn Ihr bereits etwas von diesen wirren Runen lesen könnt“, bat sie der Lorhdrache, der als einziger Drache im ganzen Land ein weißes Schuppenkleid hatte. Dieses war ein Zeichen für seinen Rang und seine Weisheit.

„Ich bin mir nicht wirklich sicher. Viele dieser Zeichen kann ich so nicht eindeutig erkennen. Aber bei einigen Runen könnte ich mir vorstellen, was sie bedeuten oder worauf sie hinweisen.“

Nach diesen Worten erhob sich Lady Coralljah, ging näher an die Tafel heran und zeigte dann auf ein nahezu dreieckiges Symbol am oberen rechten Rand der Schiefertafel.

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass dieses Zeichen Einleitung bedeutet. Bei diesen beiden Symbolen“, hierbei deutete sie auf zwei übereinandergeschriebene Runen am linken Rand der Tafel, „könnte es sich wohl um die Bedeutung Hinüberführung, Übertragung oder Geburt handeln.

Die drei Zeichen in dieser speziellen Anordnung hier unten können nur eines bedeuten: der Neugeborene!“

Ein Raunen ging durch die Runde der erstaunten Zuhörer in der Halle.

„Seid Ihr Euch da ganz sicher, werte Lady Coralljah?“, fragte der alte Elfenkönig Trillahturth eindringlich.

„Ja, daran gibt es nicht den geringsten Zweifel. Ich bin mir ganz sicher, dass uns die Zeichen zumindest einen Hinweis auf die verborgene Beschwörungsformel geben könnten, die Adalbert hoffentlich bald benötigen wird.“

„Olstaff, was denkst du? Könnte das die Formel sein?“, fragte der Lorhdrache nun seinen Archivar.

Der alte Mann strich sich mehrfach zutiefst nachdenklich durch seinen langen, grauen Bart, betrachtete eine gefühlte Ewigkeit lang die verschiedenen Runen und blickte dem Lorhdrachen Okoriath dann tief und fest in die Augen.

„Als ich seinerzeit hier an der Drachenschule ankam, gab es so gut wie keinerlei Dokumente oder Schriftrollen über die Geschichte des Drachenlandes. Erst im Laufe vieler Jahrzehnte konnte ich mit Hilfe einiger Elfen, Zwerge und Drachen das zusammentragen, was unsere heutige Bibliothek und das Archiv mit teilweise unvorstellbar wertvollen Schriften und Rollen ausmacht. Dabei haben mir besonders die sorgsam überlieferten Schriftrollen der Elfen und die Steinreliefe der Zwerge aus den tiefsten und finstersten Stollen des dunklen Nordlandes unermessliche Hilfe geleistet. Glücklicherweise durfte ich sie alle übertragen und konnte das Wissen der Elfen und Zwerge mit dem der Drachen hier an der Drachenschule vereinen.

Schon sehr oft habe ich mich gefragt, ob es aus früheren Jahrhunderten noch weitere Überlieferungen gibt. Tatsächlich bin ich fest davon überzeugt, doch ich hatte keine Ahnung, wo ich danach suchen sollte. Bis heute. Denn warum sollten diese Überlieferungen nicht hier in den unzähligen Höhlen, Gängen und Stollen der Drachenschule zu finden sein, die in früheren Jahrhunderten zwar keine Schule, aber schon immer ein Drachenhort war? Soviel ich weiß, lebten hier in grauer Urzeit sogar einmal die grässlichen Trolle mit den Drachen gemeinsam, was auch die unsauber gehauenen Stollen erklärt, die …“

„Eure Forschungen in Ehren, aber jetzt und hier ist nicht der richtige Zeitpunkt, um einen ausschweifenden Exkurs in die Geschichte des Drachenlandes zu machen“, unterbrach Lady Coralljah den gelehrten Olstaff, der sich gerade warmzureden schien.

„Also gut, dann fasse ich mich kurz. Wenn ich richtig darüber nachdenke, gibt es eigentlich keinen besseren und logischeren Ort, wo die verschollene Formel versteckt sein könnte, als genau hier, tief unter unseren Füßen“, sagte der Chronist, der gerne noch mehr ins Detail gegangen wäre.

„Adalbert, es ist nun an dir, uns zu der Stelle zu führen, wo wir uns die Runen selbst ansehen können. Kaum zu glauben, dass wir seit Jahrhunderten nie etwas von diesen Geheimnissen erfahren haben. Wer weiß, was da noch so alles im Verborgenen schlummert und nur darauf wartet, entdeckt zu werden.“

Mit diesen Worten löste der Lorhdrache die Versammlung auf und forderte alle auf, dem nervösen Jungen zu folgen. Adalbert hoffte inständig, dass er die genaue Stelle wiederfinden würde und dass sich die geheimnisvollen Runen unter Zuhilfenahme des Horns von Fantigorth dann auch erneut zeigen würden. Deutlich war die knisternde Spannung zu spüren, die über jedem Einzelnen der Gruppe hing.

Draußen wartete die kleine Birgit. Frech ergriff sie die Hand ihres Freundes Adalbert und ließ es sich nicht nehmen, an der Spitze des Drachenrates neben ihm, Lady Coralljah und dem Lorhdrachen Okoriath zu laufen. Keiner wies das kleine Mädchen zurecht, denn sie war allen ans Herz gewachsen.

„Adalbert ich habe dich so lieb! Du bist mein großer Held!“, schmachtete Birgit unterdessen. Der Junge, dem das zu viel des Lobes war, versuchte vergeblich, seine Hand zu befreien, doch Birgit ließ das nicht zu.

„Ich bin doch kein Held“, antwortete er verlegen.

„Oh doch Adalbert, ich muss Birgit Recht geben. Du bist ein Held und es werden noch unzählige Abenteuer vor dir liegen, die deine Heldenhaftigkeit noch mehrfach auf die Probe stellen werden“, pflichtete die Drachenlady dem kleinen Mädchen bei.

„Ich gebe ja zu, Adalbert hat für sein knabenhaftes Alter schon Großes vollbracht. Ihn aber deshalb gleich als Helden zu bezeichnen, halte ich für etwas übereilt“, murmelte der mürrische Altkrieger Rostorrh. „Ein Held zu sein, ist etwas ganz Besonderes und bedarf viel mehr als nur eines bestandenen Abenteuers. Fantigorth und Rorgath, das waren Helden!“

„Ich denke ebenso wie Ihr, Ritter Rostorrh. Ich bin kein Held und möchte auch gar keiner sein. Wenn ich etwas Gutes für unser schönes Drachenland tun kann, wenn ich täglich an meinen Tugenden arbeiten darf und wenn ich denjenigen helfen kann, die dringend Hilfe benötigen, dann bin ich zufrieden“, ergänzte Adalbert.

Sowohl Rostorrh als auch der Lorhdrache Okoriath nickten zustimmend.

„Siehst du, mein Junge, das soll dein Weg sein. Folge ihm weiterhin, ohne vom rechten Pfad abzukommen. Das ist der ehrenvolle Weg des Ritters und deine wirkliche Bestimmung. Glaube nicht, dass das eine leichte Aufgabe sein wird, aber sei dir gewiss, wir stehen immer geschlossen hinter dir. Von uns allen erhältst du die nötige Rückendeckung.“

Um seine Worte noch etwas zu untermauern, stupste der alte Ritter den nachdenklichen Adalbert mit seiner grauen, vernarbten Schnauze freundschaftlich an.

Durch viele Stollen und Gänge führte der Junge die Gruppe, doch je länger sie unterwegs waren, umso unsicherer wurde er, ob er überhaupt den richtigen Stollen würde finden können. Natürlich hatten die Elfen lodernde Fackeln und die Zwerge ihre warm scheinenden Grubenlampen mitgenommen und sorgten somit für ausreichend Licht, das selbst in die dunkelsten Ecken fiel, aber auch diese Beleuchtung half Adalbert nicht weiter. Er überlegte schon, die Suche abzubrechen und auf später zu verschieben.

Doch plötzlich hielt er mitten im Marsch inne: „Genau an dieser Wand sind uns die Runen erschienen, nachdem das Horn von Fantigorth kurz zuvor alles in dieses seltsame grüne Licht getaucht hatte.“

Er war sich sicher, dass dies die richtige Stelle war, denn etwas Seltsames lag über diesem Ort. Nun legte er seine Hand an die nasskalte Höhlenwand. Die drei Elfenbrüder wollten ihn gerade unterstützen, indem auch sie wie beim letzten Mal die Wand berührten, doch Adalbert winkte ab.

„Ich glaube, ich werde eure Hilfe diesmal nicht benötigen. Ich bin fest davon überzeugt, dass mir die Runen ihr Geheimnis verraten werden.“

Kronglogg stellte sich neben ihn, hob seine Grubenlampe hoch und untersuchte aufgeregt die kalte Wand, die für Adalbert aussah wie tausend andere Wände auch.

„Siebte Zwergen-Dynastie, vielleicht sogar sechste, aber auf jeden Fall dieses Zeitalter. Eine wundervolle Arbeit“, staunte der Zwerg ehrfürchtig. „Nichts, was darauf hinweist, dass schwere Werkzeuge wie Hammer und Meißel diese Wand je berührt haben. Schaut euch das doch nur einmal an! Die Oberfläche wurde mit dem feinsten Meeressand, den man nur an der Küste des westlichen Drunskwest findet, in mühsamen Schleifbewegungen über den Zeitraum von mindestens zwei Vollmonden hinweg bearbeitet. Ihr werdet weder die geringste Unebenheit noch den kleinsten Kratzer finden!“

Sicherlich hätte sich Kronglogg noch stundenlang über diese vortreffliche Zwergenarbeit auslassen können, doch das knurrige Räuspern des Lorhdrachen erinnerte ihn daran, dass es nicht die künstlerischen Fähigkeiten seines Volkes waren, deretwegen sie hier waren.

„Lieber Freund, ich weiß, dass dich diese einzigartige Arbeit des Zwergenvolkes begeistern muss, daher verspreche ich dir, dass ich selbst derjenige sein werde, der zu einem günstigeren Zeitpunkt eine genaue und detaillierte Erkundung aller Stollen hier unter deiner Führung beauftragen wird. Das ganze Felsmassiv unter der heutigen Drachenschule ist mit unzähligen Gängen und Stollen durchzogen. Die meisten davon sind für uns Drachen zu eng und daher von uns auch noch nie erforscht worden. Ich bin davon überzeugt, dass du und Olstaff hier viel zu tun haben werdet. Ein detaillierter Stollenplan und eine genaue Datierung aller Gänge wären sicherlich sehr sinnvoll. Wer weiß, was es dort unten noch zu erforschen und zu entdecken gibt.“

„Das ist eine Aufgabe ganz nach meinem Geschmack!“, freute sich der Zwerg und klopfte dem Chronisten für Zwergenbegriffe sanft auf die Schulter.

„Nicht doch immer so brutal, du gefühlloser Zwerg“, protestierte der schmächtige Olstaff hustend.

Alle drängelten sich jetzt höchst gespannt um Adalbert, wobei die mächtigen Drachen den Elfen den Vortritt ließen, damit diese auch etwas sehen konnten. Birgit stand an Adalberts Seite und ließ sich diesen Platz nicht nehmen. Der Chronist Olstaff hatte sich dicht an Adalberts linke Seite gestellt und zog aus seiner Umhängetasche aus schlichtem Leder eine schieferne Schreibtafel und einen Grafitstift hervor. Er wollte unbedingt jedes einzelne Symbol so schnell wie möglich dokumentieren, bevor es wieder unsichtbar wurde, falls sich die Runen überhaupt erneut zeigten.

Nachdem endlich jeder seinen Platz gefunden hatte, wurde es so still, dass man problemlos gehört hätte, wenn in der nächsten Höhle eine Nadel zu Boden gefallen wäre. Nun legte Adalbert auch seine zweite Hand gegen die nackte Felswand, schloss die Augen und konzentrierte sich.

„Bitte Wand, gib mir dein Geheimnis frei und zeig mir erneut deine Inschriften, damit ich erfahre, wie ich die Seele von Allturith in mir retten kann“, flüsterte Adalbert leise, der sich irgendwie selbst dumm dabei vorkam. Wie konnte er eine Wand aus kaltem Fels um einen Gefallen bitten?

Doch als wenn diese nur auf seine Bitte gewartet hätte, begann sie plötzlich ganz leicht zu vibrieren und wurde zunehmend wärmer. Das Horn von Fantigorth, welches sich Adalbert über seine Schulter gehängt hatte, reagierte ebenfalls und leuchtete kaum wahrnehmbar. Und mit jedem einzelnen seiner Atemzüge wurde das grünliche Schummerlicht heller.

„Da ist es wieder, das seltsame Licht“, murmelte Jordill aufgeregt. „Ihr seht, wir haben euch kein Märchen erzählt!“

Doch daran hatte sowieso keiner auch nur den geringsten Zweifel gehabt. Instinktiv nahm Adalbert das Horn von der Schulter und drückte es behutsam gegen die Wand. Wie kleine Blitzstrahlen schossen plötzlich unzählige grüne Leuchtkugeln, groß wie Hagelkörner, aus der Stelle, wo die Wand vom Horn berührt wurde. Entgegen aller Erwartungen verletzten diese Leuchtkörper keinen der erschrockenen Anwesenden. Jedes Mal, wenn sie jemanden berührten, änderten sie ziellos ihre Richtung und schwebten scheinbar schwerelos im Raum umher. Mit ihrem geheimnisvollen Licht verwandelten sie den ganzen Stollen in eine mystische Stätte.

Wenige Augenblicke später vereinten sich alle Lichtpunkte zu einem einzigen grünen Lichtkörper, der direkt über Adalberts Kopf schwebte und an eine grünfarbene Sonne erinnerte. Doch diese Sonne schickte ihr Licht nicht in Strahlen aus, sondern in harmonischen Wellenbewegungen, die fast einem rhythmischen Muster zu folgen schienen. Mit der dritten oder vierten Lichtwelle gegen die Felswand wurden dann die geheimen Runen sichtbar.

Olstaff war so von diesem einzigartigen Schauspiel verzaubert, dass er nur staunend da stand. Erst als Lady Coralljah ihn bat, doch endlich die Runen auf seine Tafel zu schreiben, wurde er schlagartig so eifrig, als ob sein Leben davon abhinge.

Lady Coralljah schob sich an Okoriath und Rostorrh vorbei und kam ganz dicht an Adalbert und die schimmernde Wand heran. Sie wollte sich nicht allein auf Olstaffs Schreibgeschwindigkeit verlassen, sondern sich die Runen unbedingt selbst einprägen, ehe sie womöglich wieder in der Dunkelheit verschwanden.

„Es wird die Zeit kommen“, begann sie langsam und mühsam mit der schwierigen Übersetzung der geschwungenen Runen, „da die geheimen Worte zur Einleitung der heiligen Tragorarrh gesprochen werden müssen, um die Übertragung – oder Hinüberbringung, da bin ich mir nicht so sicher – der edlen Seele zur Wiedergeburt eines mächtigen Drachen einzuleiten. Nur der erwählte Seelenträger selbst darf der Tragorarrh beiwohnen und die behütete Formel leise sprechen, die als allerhöchstes Geheimnis von einem Lorhdrachen auf den nächsten Lorhdrachen weitergegeben wird.“

„Was ist denn eine Tragordingsda?“, fragte Birgit Jordill flüsternd.

„Das ist die endgültige Übertragung der Seele, die Adalbert in seiner Brust trägt, auf den neuen Drachenkörper“, erklärte der Elf leise. Birgit nickte zwar verstehend, aber Jordill ahnte, dass sie nicht wirklich verstanden hatte. Er nahm sich vor, es ihr später genau zu erklären.

Nun trat eine nervenzerreibende Stille ein. Lady Coralljah schien mit ihrer Übersetzung nicht weiterzukommen.

„Wenn ich die nächsten Runen richtig interpretiere, denn ich kenne sie nicht und kann ihre Bedeutung nur aus dem Zusammenhang heraus deuten“, begann sie endlich erneut, „dann wird aus der möglichen Einheit des Parkardorrhs und des wiedergeborenen Drachen, Wargos’ erster Krieger, der edle Sekuriath!“

„Wer oder was soll Wargos’ erster Krieger sein und was ist ein Parkardorrh?“, fragte Ritter Rostorrh nachdenklich.

„Die Antwort darauf muss ich dir leider schuldig bleiben, denn darüber steht hier nichts weiter“, antwortete die Lady.

„Ich bin der Parkardorrh, ich bin der Seelenträger!“, antwortete Adalbert selbstsicher. Diese Antwort hätte jeder von der wissenden Lady Coralljah erwartet, aber bestimmt nicht von ihm.

„Was steht da noch? Wie geht denn nun die Formel, die ich können muss?“, wollte er wissen.

Er hatte seine Worte kaum zu Ende gesprochen, als sich das Licht wieder aus der Wand zurückzog und in der schwebenden Lichtkugel aufging. Das grüne Leuchten wurde zunehmend schwächer, bis die Kugel mit einem leisen Zischen erlosch. Die Runen waren verschwunden und die Wand wieder kalt.

„Oje, jetzt konnten wir die Formel nicht lesen! Das kann doch nicht alles gewesen sein“, stöhnte Adalbert enttäuscht, der instinktiv wusste, dass sich die Runen nicht ein drittes Mal zeigen würden.

„Es gab nichts mehr zu lesen, als das, was ich euch übersetzt habe, aber das war doch schon sehr viel, lieber Adalbert“, beruhigte ihn Coralljah.

„Wir haben etwas sehr Wichtiges erfahren“, fügte Olstaff hinzu. „Der genaue Wortlaut für die Seelenübertragung müsste eigentlich unserem Lorhdrachen Okoriath bekannt sein!“

Jeder blickte nun zum Lorhdrachen, der ziemlich ratlos erschien, und seine Tochter Sintarillh bat ihren Vater, doch endlich zu erzählen, was er wusste.

„Es tut mir wirklich leid, aber ich kann euch nicht helfen“, war die ernüchternde Antwort.

„Als ich seinerzeit zum Lorhdrachen gewählt wurde, war die Ratsrunde völlig verwaist und verlassen. Ich konnte kein Wissen und schon gar keine geheimen Formeln von meinen Vorgängern erfahren und übernehmen. Das Einzige, was ich mit Sicherheit weiß, ist die Tatsache, dass meine Vorgängerin die Lorhdrachin Murwirtha war.“

„Die ehrenwerte Lady Murwirtha!“, wiederholte der Elfenkönig Trillahturth andächtig ihren Namen. „Es muss schon eine Ewigkeit her sein, dass ich das letzte Mal ihren Namen gehört habe. Angeblich soll sie sich damals in das hohe Eisgebirge zurückgezogen haben, um dort in der Nähe der Kalten Hand einsam das Leben einer Eremitin zu führen und den damaligen Schrecken des Drachenlandes zu entfliehen. Doch das sind nur vage Überlieferungen und keiner weiß, ob sie nicht schon längst gestorben ist.“

„Dann lasst sie uns suchen, denn sie muss ja schließlich die geheime Formel kennen!“, forderte Adalbert die anderen hastig auf.

„In Wargos’ edlem Namen, so soll es sein!“, bekräftigte der Lorhdrache Adalberts Tatendrang.

399
477,84 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
23 декабря 2023
Объем:
572 стр. 4 иллюстрации
ISBN:
9783939043478
Издатель:
Правообладатель:
Автор

С этой книгой читают

Новинка
Черновик
4,9
176