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Der Ausbau von Edo und die Festigung der Macht – von Ieyasu bis zum vierten Shōgun Ietsuna (1641 – 1680)

Auf Tokugawa Ieyasu folgte schon 1605 sein Sohn Hidetada im Amt des Shōgun, der 1621 von seinem Sohn Iemitsu abgelöst wurde. Als Tokugawa Yoshinobu 1867 zum Rücktritt gezwungen wurde, war er als fünfzehnter Tokugawa-Shōgun zugleich der letzte Shōgun überhaupt.

Von Ieyasus Nachfolgern existieren zwar einige, aber oft nicht wirklich biographisch erhellende Zeugnisse. Sie lebten in der Burg Edo und standen an der Spitze aller Samurai und damit des ganzen Landes. Ihre Macht war im Prinzip so groß, dass europäische Besucher sie oft mit dem Kaiser in Kyōto verwechselten, dessen Bedeutung sich praktisch in seiner Funktion als Quelle der Legitimität erschöpfte. Buchstäblich zu Gesicht bekamen nur wenige einen Shōgun, weil fast alle Menschen sich tief vor ihm zu verneigen hatten und der Herrscher meistens hinter Vorhängen vor den Blicken der Besucher verborgen blieb. Die konfuzianisch geprägten Regeln des Tokugawa-Staats verboten es japanischen Autoren sich in irgendeiner Weise kritisch oder auch nur pointiert zu politischen Fragen oder gar der Person eines Shōgun zu äußern. Die offiziellen Chroniken, die Tokugawa jikki, enthalten natürlich entsprechend regierungsamtlich geprägtes Material. Glücklicherweise waren ausländische Besucher in ihren Briefen, Tagebüchern und gewichtigeren Werken freier in ihren Äußerungen. Nach Lage der Dinge kamen unter den Europäern seit der Mitte des 17. Jhs. nur Mitarbeiter der VOC, der Vereinigten Niederländischen Ostindien-Kompanie, im Rahmen regelmäßiger offizieller Besuchsreisen nach Edo, die der jeweilige Leiter der VOC-Faktorei von Nagasaki aus mit Begleitern durchführte.

Zu den gebildetsten dieser Männer gehörte Isaac Titsingh (1745 – 1812; 1779 – 1784 in Japan), der nicht nur zweimal zum Hof nach Edo reiste, sondern dank guter japanischer Kontakte viel einheimisches Material sammeln konnte, aus dem er ein kolossal anmutendes Standardwerk über das damals im Westen relativ unbekannte Japan machen wollte. Seine weitere Karriere und sein dandyhaftes Leben verhinderten dies, aber nach Titsinghs Tod erschien unter Mitwirkung des Berliner Professors Julius Heinrich Klaproth in Paris ein Destillat, das, zuletzt als Secret Memoirs of the Shōguns auf Englisch herausgegeben, interessante und einmalige biographische Angaben bis hin zum elften Shōgun Ienari enthält.

Auf die übermächtige, schließlich definierte Dynastiegründergestalt Tokugawa Ieyasu folgte, wie bereits erwähnt, sein dritter Sohn Hidetada (1605 – 1623). Hidetadas Regentschaft wurde vom dauernden Einfluss seines übermächtigen Vaters überschattet, dessen Vertrauen in den Sohn angeschlagen war, seit dieser zur Entscheidungsschlacht von Sekigahara 1600 zu spät erschienen war. Andererseits konnte Ieyasu als noch lebender Ex-Shōgun und sogar als Verstorbener zur Sicherung seiner Dynastie beitragen. In Hidetadas Regentschaft fällt der weitere konsequente Ausbau von Edo. Auch Hidetada (gestorben 1632) dankte vorzeitig ab, um seinem neunzehnjährigen Sohn Iemitsu (1623 – 1651) als Ōgosho (Ehemaliger Shōgun) den Rücken zu stärken. Dessen Regierungsjahre fallen zusammen mit der Beschränkung der europäischen Präsenz auf die Holländer in Nagasaki (Sakoku-Edikte) sowie einer drakonischen Christenverfolgung im ganzen Land. In Edo wurde ein kirishitan yashiki (etwa: Christen-Residenz) genanntes Gefängnis errichtet für insgesamt zehn Missionare, die trotz der Verbote noch in Japan waren oder neu kamen. Die Lebensverhältnisse in diesem Gefängnis müssen erträglich gewesen sein, Pater Giuseppe Chiara etwa lebte dort von 1646 bis 1685 und Giovanni Battista Sidotti (1668 – 1715) war dort Gesprächspartner des berühmten Gelehrten und Staatsmanns Arai Hakuseki (s. Der Historiker Arai Hakuseki, S. 82). 1792 wurde das Gefängnis aufgelöst, heute erinnern ein Straßenname und eine Gedenktafel in Kohinata im Bezirk Bunkyo-ku an die Einrichtung.

Weniger glimpflich kamen die japanischen Konvertiten von Edo davon. Schon zu Amtsantritt von Iemitsu wurden 50 Christen öffentlich verbrannt. Spitzel des Shōgunats forschten Samurai und Bürger aus, und alle Stadtbewohner mussten sich in die Gläubigenregister der buddhistischen Tempel eintragen. Blieb ein Verdacht, wurden sie gezwungen, auf Christus- oder Marienbilder, die meistens aus Metall waren und in ihrem abgetretenen Zustand heute noch zu den Sammlungen einiger japanischer Museen gehören, herumtrampeln. Diese Praxis nannte man fumie. Wer sich weigerte, wurde, oft unter der Aufsicht ehemaliger Christen, Verhören und äußerst grausamen Folterungen unterworfen. Zahlreiche Gläubige wurden hingerichtet.

Die Ausrottung des Christentums war so drastisch, dass der amerikanische Historiker George Elison 1973 das Wort »Endlösung« (final solution) als Überschrift für das sie betreffende Kapitel in seinem Buch Deus Destroyed wählte.

Der vierte Shōgun Ietsuna (1651 – 1680) folgte seinem Vater als Zehnjähriger auf den Thron. Obwohl insgesamt fünf Regenten die Staatsgeschicke lenkten, kam die Tokugawa-Dynastie in Bedrängnis. In Edo hatte sich ein Problem mit herrenlosen Samurai, den rōnin, entwickelt. Die häufigen Machtwechsel und Enteignungen in den Fürstenhäusern hatten jedes Mal Hunderte, wenn nicht Tausende von stellungslosen Samurai produziert, von denen viele in der Hauptstadt ihr Glück suchten, und dies keineswegs immer auf gewaltlose Art. Zu Beginn von Ietsunas Amtszeit verdichteten sich die Unruhen zum sog. Keian-Aufstand, auch als Tosa-Verschwörung bekannt. Eine Gruppe von Rōnin unter Führung von Marubashi Chūya und Yui Shosetsu plante, die Stadt Edo anzuzünden, um in der folgenden Konfusion in die Burg des Shōgun einzudringen und diesen zu ermorden. Neben der Not der Rōnin war auch eine alte Rachegeschichte, die einen ehemaligen Fürsten der Provinz Tosa betraf, mit im Spiel. Stümperhafte Ausführung und Verrat erlaubten den Machthabern, den Plan zu entdecken und die Beteiligten hinrichten zu lassen.

Wenige Jahre später brannte Edo aber wirklich. Im ersten Monat des Jahres 1657, als Trockenheit und Wind den Funkenflug begünstigten, verwüstete die als Meireki-Feuer bekannte Katastrophe die Stadt des Shōgun. Zerstört wurden weite Teile der Burg, 160 fürstliche Residenzen, 770 Residenzen von hochrangigen Samurai der Tokugawa (Hatamoto), 350 Tempel und Schreine sowie rund 50.000 Bürgerhäuser – mehr als die Hälfte der Stadt, deren Einwohnerzahl gleichzeitig um 108.000 Brandopfer sank. Erstaunlicherweise konnte Sh-Ōgun Ietsuna nur zwei Jahre später schon einer Zeremonie zur Einweihung des Stadtneubaus beiwohnen. Diese kurze Spanne erklärt sich auch aus dem Übergang von der reichhaltig im Momoyama-Stil verzierten, eleganten Stadt des Tokugawa Ieyasu zu preiswerterem und weniger prunkvollem Bauen.

Die Straßen Edos waren nun von den dunklen Farbtönen nicht-bemalten Holzes, dem Weiß und Beige von Verputz sowie dem Graublau der Dachziegel geprägt. Auf den kostspieligen Wiederaufbau des Bergfrieds der Burg verzichtete man ganz, dessen steinerner Sockel bis heute leer steht. Während Fürsten und Samurai ihre Vasallen und Diener zur Wiederaufbauhilfe heranziehen konnten, hatten wohlhabendere Bürger ihren wichtigsten Besitz und ihr Vermögen als Startkapital in der Regel in feuerresistenten Lagerhäusern hinter ihrem Wohnhaus gesichert, den sogenannten kura, von denen heute noch viele in ganz Japan zu sehen sind. Da in Edo ohnehin jede Generation damit rechnen musste, dass ihr Viertel einmal abbrannte, war man vorbereitet und investierte nicht in Architektur, die für eine Ewigkeit gedacht war. Edo war eben, so der Historiker Nishiyama Matsunosuke, der Doyen der Edo-Forschung, »eine Stadt von Kriegern, Bürgern, Feuern und erzwungenen Umzügen«.

Engelbert Kaempfer aus Lemgo und der Hunde-Shōgun Tokugawa Tsunayoshi (1646 – 1709)

Der Pastorensohn Engelbert Kaempfer (1651 – 1716) stammte aus dem westfälischen Lemgo und war auf verschlungenen Wegen in den Privataudienzsaal des Shōgun Tokugawa Tsunayoshi (Regierungszeit 1680 – 1709) gelangt. Zur Schule und Universität war er in Lüneburg, Lübeck, Danzig, Krakau, Königsberg und Uppsala gegangen und hatte Philosophie, Sprachen, Geschichte, Naturgeschichte und Arzneikunde (Medizin) belegt. Diese umfassende Bildung war die Grundlage für sein vielfältiges, ja universales Interesse, das es ihm ermöglichten sollte, Autor des bis ins 19. Jh. unbestritten bedeutendsten westlichen Standardwerks über das geheimnisvolle Japan zu werden. Nachdem Kaempfer in schwedischen, russischen und persischen Diensten gewesen war, trat er 1690 die Stelle als Faktoreiarzt bei den Niederländern in Nagasaki auf der künstlichen Insel Deshima an. 1691 und 1692 reiste er zweimal mit dem Leiter der Faktorei nach Edo, um dem Shōgun die Aufwartung zu machen. Kaempfer verdanken wir einen sehr raren Einblick in den Palast des Shōgun. Zunächst wurde der Faktoreileiter Hendrik van Buijtenhem hereingerufen.

Kaempfer berichtet: »Kaum wahr er verschienen, alß man überlaut rieffe: Hollanda Capitain! zu einem Zeichen, daß er herbeÿ treten und die Reverentz des Homagii ablegen sollte; worauf er zwischen den Ort der rangierten Geschencke und dem hohen Sitzplatz seiner Majestät, so weit man ihme anwiese, auf händen und Knieen herbeÿ kroche, und auf dem Knie liegende, das haupt auf den boden neigte, und in selbiger positur wie ein Krebß, ohne die geringste wortwechselung wieder zurück kroche … Nicht anders geht es zu mit der jährlichen Audientz grosser landesherren, welche ebenfalles nach abgeruffen ihren Nahmen, mit stillschweigen einen gleichen reverentz zu bezeugung Ihrer demut und gehorsams ablegen, und wieder rücklings davon kriechen müssen.«

Damit endete die formelle Audienz, ohne des Shōguns Gesicht gesehen oder seine Stimme gehört zu haben. Anschließend wurden die Holländer aber ungewöhnlicherweise zu einer zweiten, privaten Audienz geführt, wo sie auch dem »kaiserlichen frauen Zimmer« (Kaempfer schreibt aus Unkenntnis der Machtverteilung im Lande wie andere Europäer auch »Kaiser«) und »curieusen Printzessinnen kaiserlichen Geblüets« »zur Speculation und ergötzlichkeit« vorgestellt wurden. Shōgun, Frauen und Staatsräte saßen leicht erhöht und waren durch eine Jalousie verdeckt, während die Holländer zwei Stunden lang Fragen beantworten, singen, Tänze vorführen und sogar »trunken Mann spielen« mussten (Kaempfers Kommentar: »Affenstreiche«). Hier nun erheischt Kaempfer zweimal einen Blick auf die Gemahlin des Shōgun, »dero Gesicht ich beÿ krümmung der Matten 2 mahl erblickte, als ich auf des Kaÿsers begehren dänzete, und beÿ Ihr eine braunliche runde schöne Gestalt mit Europæischen schwartzen Augen, voller feuer und vigeur wahrgenommen, und nach proportionen ihres haupts eine grosse Dame von etwa 36 Jahren zuseÿyn gemuhtmasset.« Von dieser Dame werden wir am Ende des Lebens von Shōgun Tsunayoshi noch einmal hören! Über den Shōgun selbst kann Kaempfer nur berichten, dass er »mit gelinder Stimme hervor brachte, alß wolle Er nicht über laut gehöret seÿn.«

Tokugawa Tsunayoshi, geboren 1646, Verantwortlicher für mehrere dieser ungewöhnlichen zweiten Audienzen mit den Holländern, war mit 34 Jahren seinem älteren Bruder Ietsuna als Shōgun gefolgt. Trotz der erhabenen Inszenierung seiner Majestät ist er in der japanischen kollektiven Erinnerung eher unvorteilhaft als der »Hunde-Shōgun« bekannt.

Dabei hatte seine Herrschaft vielversprechend begonnen. Belesen, in konfuzianisch-patriarchalischer Manier um das Wohlergehen seiner Untertanen besorgt, entzog er insgesamt 46 Fürsten ihre Lehen ganz oder teilweise wegen Missregierung, bannte die in Edo blühende Prostitution sowie Kleiderluxus und erteilte seiner Regierung den Auftrag, den allgemeinen Lebensstandard anzuheben. 1691, im Jahr von Kaempfers erstem Besuch, gründete er in Edo die neokonfuzianische Akademie Yushima Seidō, die Isaac Titsingh als »Universität« bezeichnet. Die fünf Werte Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Ethisches Verhalten, Weisheit und Güte sowie die Betonung väterlicher Autorität sollten Regierungsmitarbeitern wie dem einfachen Volk nahegebracht werden. Doch übertrieb Tsunayoshi den religiös begründeten Eifer, als er ein »Gesetz zum Mitleid gegenüber Lebewesen« erließ, das zum Beispiel den Verkauf von Vögeln und Schildkröten als Nahrungsmittel untersagte und besonders Hunde geradezu zu »Heiligen Kühen« machte. Tsunayoshi selbst war im Jahr des Hundes geboren worden und ließ nun jede Grausamkeit gegenüber Hunden mit Strafen bis hin zum Tod belegen. Bald war die Stadt angefüllt von wilden Hunden, von denen 50.000 in ein Gehege in der Vorstadt transportiert wurden, wo sie auf Staatskosten mit Fisch und Reis gefüttert wurden (Bauern und Tagelöhner in Edo hatten oft nur Hirse als Hauptnahrungsmittel). Das Leben in Edo war hart genug für die meisten Bewohner und an Hunde gab es nichts zu verschenken. Die öffentliche Stimmung verschlechterte sich, weshalb es leicht war den erneuten, auch von Kaempfer bezeugten Brand von 1692, den Taifun von 1706 und den Ausbruch des Fuji 1707 als schlechte Zeichen zu deuten.

Tsunayoshis Ende kam aber infolge einer anderen Leidenschaft. Wie in vielen historischen Kriegergesellschaften war es zwar im feudalen Japan durchaus nicht unüblich, sexuelle Beziehungen zu Männern zu unterhalten, aber Tsunayoshi ging zu weit, als er sich 1709 entschloss, seinen aktuellen Liebhaber, den Sohn des Fürsten von Kai, zu seinem offiziellen Nachfolger zu ernennen. Die Legitimität der Tokugawa-Dynastie hing von der Erbfolge ab, und ein solcher Tabubruch hätte der Anlass zu einem neuen Bürgerkrieg werden können. Nachdem alle Überredungsversuche scheiterten, nahm es Tsunayoshis Frau, selbst die Tochter eines Kaisers, auf sich, ihn am Vortag der Proklamation im Ōoku, dem Frauenteil des Palastes in der Burg, zu erdolchen, bevor sie sich mit derselben Waffe das eigene Leben nahm. Ob es sich dabei um dieselbe Dame mit »schwarzen Augen voller Feuer und Vigeur« handelte, der Kaempfer begegnet war, wissen wir leider nicht genau. In Titsinghs dramatischer Schilderung weist Tsunayoshi die beschwörenden Bitten seiner Frau mit den Worten »Das Reich gehört mir! Ich werde tun, was mir gefällt!« zurück. Genau an dieser Stelle irrte der Hunde-Shōgun. Die meisten Shōgune nach Ieyasu hatten genauso wenig wie andere Fürsten persönlich absolute Macht. Sie standen der Regierung als Symbol und Quelle der Autorität vor und konnten gelegentlich eigene, sogar auch eher seltsame Ideen umsetzen. Letztlich lenkten die Geschicke des Reichs in der Regel hohe Regenten, Vorsteher des Haushalts und Verwandte des Shōgun, wie unter Tsunayoshi zuerst Hotta Masatoshi, später Yanagisawa Yoshiyasu und bis 1705 auch seine kluge Mutter Keishōin. Wenn der Shōgun den Kern seiner Pflichten – den Erhalt der Macht des Hauses Tokugawa – in Gefahr brachte, begab er sich auf dünnes Eis. In den drei Hauptlinien der weit verzweigten Familie Tokugawa war stets geeigneter Ersatz zu finden.

Einschränkend muss aber noch erwähnt werden, dass die Geschichte der Ermordung des Shōgun mit ihren spektakulären Details natürlich nicht in den offiziellen Geschichtsbüchern verzeichnet ist – sie gehörte wohl zu den Gerüchten, die Titsinghs japanische Gewährsleute berichteten; ein Gerücht allerdings, das sich den größeren Teil eines Jahrhunderts gehalten hatte.

Der gerechte Shōgun Yoshimune (1684 – 1751)

Der sechste Shōgun, Tokugawa Ienobu (geboren 1662, im Amt 1709 – 1712) war Tsunayoshis Neffe. Er beeilte sich, die Tierschutz-Gesetze seines Vorgängers zu widerrufen und eine große Amnestie zu verkünden. Ienobus Tutor, der berühmte Gelehrte Arai Hakuseki (s. Der Historiker Arai Hakuseki, S. 82), stand hinter mancher menschenfreundlichen, im besseren Sinne konfuzianischen Entscheidung des Shōgun.

Auf Ienobu folgte 1712 als siebter Tokugawa-Shōgun der vierjährige Ietsugu. Wie sein Vater Ienobu war er kränklich veranlagt und starb bereits 1716. Arai Hakuseki und Manabe Akifusa führten de facto die Regierung und gingen 1714 ein schon lange bestehendes Problem an: Die Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktivität um rund 60 % in den letzten 100 Jahren hatte, außer bei Missernten, zu einem Überangebot an Reis geführt, das auf den Preis drückte. Samurai aller Ränge wurden aber auf Reisbasis bezahlt, meistens in einer Mischung aus Bargeld und Reis, für den sie seit langem immer weniger Geld oder Waren bekamen. Ihre kostspieligen gesellschaftlichen Pflichten waren aber die gleichen geblieben, was zu Verschuldung führte. Arai Hakuseki beschwor den kindlichen Shōgun mehrfach, seinen Finanzminister Ogiwara Shigehide zu entlassen, dessen Politik der wiederholten Geldentwertung durch Münzverschlechterung ihm ein Dorn im Auge war.

Einen Monat vor dem Tod des Shōgun hatte Arai Erfolg. Der Abfluss von Edelmetall durch den Handel mit Chinesen und Holländern sollte reduziert, die heimische Produktion von sonst importierten Gütern wie Seide und Arznei angekurbelt werden. Zu diesen merkantilistischen Maßnahmen trat eine Rückkehr zur guten Münze von früher, was den langfristigen und wohl eigentlich nicht erwünschten Effekt hatte, die finanzielle Position der bürgerlichen Kaufleute gegenüber den sozial weit höher gestellten Samurai zu stärken. Das 18. Jh. in Edo gehörte auch kulturell zunehmend den Bürgerlichen, während der Schwertadel mit Einkommensverlusten und Schulden zu kämpfen hatte.

Neben Tokugawa Ieyasu selbst wird der achte Shōgun Yoshimune (1716 – 1745) zu den bedeutendsten im Amt gezählt. Geboren 1684, war er ganz anders als seine drei direkten Vorgänger, die die Bedeutung von neokonfuzianischer Gelehrsamkeit für einen Shōgun und seine Regierung betont hatten. Yoshimune war Samurai durch und durch; und da es im 18. Jh. keine Kriegszüge mehr anzuführen gab, widmete er sich den Kampfkünsten, der Jagd und der Falknerei. Als ehemaliger Fürst von Kii, also Oberhaupt einer der drei Hauptlinien der Tokugawa (die anderen waren Owari und Mito), eilte ihm ein Ruf als Macher voraus. Ienobus und Ietsugus gelehrte Berater Arai und Manabe entließ er sofort, wodurch er den lähmenden Antagonismus zwischen den persönlichen Beratern der alten Shōgune sowie den fünf Mitgliedern des Großen Rats, dem traditionellen Herzstück der Tokugawa-Regierung, aufhob. Die Mitglieder des Großen Rats waren Fürsten aus der Gruppe der fudai, den »inneren« Fürsten, die den Tokugawa schon lange treu gedient hatten. Trotzdem überließ Yoshimune diesen Herrschaften die Regierung nicht allein; er sprach auch mit niederrangigen Würdenträgern, um sich selbst ein Bild von der Lage zu machen, falls ihm dies nicht sein eigener Geheimdienst, die 20 Männer des oniwaban, vermittelte. Seit 1721 ließ er dreimal pro Woche einen Zettelkasten für Verbesserungsvorschläge vor dem Obersten Gericht aufstellen, was den Bürgern von Edo das erste Mal seit langem das Gefühl gab, der Shōgun nehme Anteil an ihrem Los. Durch diese Eingaben erfuhr Yoshimune von Verfehlungen seiner Regierung und konnte einige korrigieren.

Keine Geschichte aus seiner Amtszeit verdeutlicht mehr den Geist der Gerechtigkeit seiner Herrschaft als die von Ōoka Echizen, dem legendären Stadtmagistraten von Edo (s. Edos legendärer Richter Ōoka Echizen, S. 129). Yoshimune revitalisierte die Verwaltung, indem er viele Positionen und mit ihnen verbundene Einkünfte nicht mehr nach feudalen Prinzipien vergab, also lebenslang und oft genug vererbbar, sondern auf Zeit und nur für diese mit den höheren Einkünften versehen – der erste Schritt in Richtung einer regulären Besoldung in einem neuen System, in dem die Begabtesten und nicht die Erbberechtigten gefördert werden. Effektivität und Professionalität hielten in einem gewissen Rahmen Einzug in die Burg Edo. Trotzdem blieben alle Posten in der Verwaltung weiterhin den Samurai vorbehalten. Über Mizuno Shobei, den Yoshimune bis zum Hauptmann der Wache in den Privatquartieren des Shōgun beförderte, erzählt Isaac Titsingh die Anekdote, dass eines Tages beim Shōgun getanzt wurde und einer der Staatsräte den Hauptmann der Wache fragte, ob einer seiner Männer sich mit Musik auskenne. Darauf erwiderte Mizuno: »Meine Männer kennen sich mit militärischen Dingen aus, wie es ihr Beruf erfordert. Von Musik hat keiner eine Ahnung.« Diese professionelle, wenn auch undiplomatische Aussage wurde mit Anerkennung aufgenommen.

Den Großen Rat, der selbst einem Shōgun seinen Willen aufzwingen konnte, ließ Yoshimune in den 1720ern einfach aussterben. Privater und auch staatlicher Luxus wurden bekämpft, wobei Yoshimunes Auffassung von notwendigem frugalen Lebensstil selbst den diesem eigentlich zugeneigten konfuzianischen Gelehrten zu weit ging. Immerhin gelang dem Shōgun dadurch die Rückkehr zur guten Münze binnen vier – nicht 20 – Jahren wie Arai Hakuseki es geplant hatte. Zwar musste 1736 die Gold- und Silberwährung erneut verschlechtert werden, das Prägen großer Mengen von Kupfermünzen stabilisierte die Lage aber langfristig. Hinzu kamen unter Yoshimune bedeutende Reformen im Rechtswesen und bei der Lokalverwaltung, die viele alte Zöpfe abschnitten. Die Staatsfinanzen wurden in den 1740ern saniert, indem Bauern in Westjapan höhere Abgaben zu zahlen hatten – in den Worten des Superintendanten des Finanzwesens, Kan’o Hirahide: »Bauern und Ölsamen sind sich sehr ähnlich: je mehr man sie drückt, desto mehr geben sie her.« Günstigerweise lebten diese Bauern fern der Hauptstadt Edo, der es im Allgemeinen wirtschaftlich gut ging.

Yoshimune verkörperte den Typ des wohlwollenden Tyrannen – er baute seine Macht konsequent aus in der Überzeugung, dass sie, wenn weise eingesetzt, das Beste wäre, was Stadt und Land widerfahren könnte. Die harschen Realitäten des Shōgunats, das letztendlich ein Militärregime war, überdeckte er durch patriarchalische Güte, die ihm Loyalität sicherte. Wiederum Titsingh berichtet, dass einer von Yoshimunes Leibwächtern tief beschämt und beunruhigt war, weil es ihm nie gelang, auf den Jagdexpeditionen seines Herren einen Vogel zu treffen. Dies blieb auch Yoshimune nicht verborgen, und nach einem letzten traurigen Versuch bei der Vogeljagd ließ er bei der Heimkehr den ganzen Zug auf der Neuen Brücke zum Tigertor (Toranomon) zur Burg anhalten. Der Shōgun hieß den unglücklichen Schützen, ihm mit seinem Bogen einen Karpfen im Burggraben zu schießen. Dieser wimmelte nur so von Fischen – der stolze Mann konnte dem Shōgun einen selbst erlegten Karpfen überreichen. An den Ort des Geschehens erinnert heute noch der Name der U-Bahn-Station Toranomon. Dieses Tor war das südlichste, und ist zusammen mit dem äußeren Perimeter der Burg schon vor langer Zeit der städtischen Entwicklung von Tōkyō zum Opfer gefallen.

Der gerechte Shōgun Yoshimune selbst ging 1745 in den Ruhestand. Die letzten sechs Jahre seines Lebens waren aber zunehmend von Krankheit überschattet.

977,41 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
23 декабря 2023
Объем:
300 стр. 17 иллюстраций
ISBN:
9783945751701
Правообладатель:
Автор
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