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Multinationale Unternehmen als Antriebskräfte der Globalisierung

Die Globalisierung wird in öffentlichen Debatten oft als allumfassender Sachzwang beschrieben, der quasi von selbst abläuft.37 Sie scheint – ganz nach der klassischen Wirtschaftstheorie von Adam Smith – von einer «unsichtbaren Hand des Marktes» gelenkt zu werden. In diesem Wirtschaftsmodell funktioniert der Markt als ein sich selbst regulierendes Zusammenspiel von Anbietern und Nachfragern, die als gleichrangig betrachtet werden. Durch den Marktmechanismus festgelegte Gleichgewichtspreise sind das einzige Koordinationsinstrument, wobei davon ausgegangen wird, dass die wirtschaftlichen Prozesse unter Bedingungen perfekt funktionierender Märkte ablaufen, das heisst, dass sich alle Marktteilnehmer rational verhalten, freien Zugang zu allen relevanten Informationen besitzen, der Marktablauf keine Kosten verursacht und überall vollständige Konkurrenz herrscht.38 Unter diesen Bedingungen lassen sich weder Marken noch Unternehmen – geschweige denn multinationale Grosskonzerne – erklären: Da in diesem Modell alle notwendigen Marktinformationen vorhanden sind, wären Marken und Werbung ebenso überflüssig wie Unternehmen als Koordinationseinheiten.39

Empirisch betrachtet, gab es diesen vollkommenen Markt der klassischen Ökonomie allerdings nie. Märkte waren und sind immer in soziokulturelle, politische und rechtliche Strukturen eingebunden, weshalb die Wirtschaft gleichermassen auf Markt- und Machtbeziehungen zwischen Akteuren basiert.40 Neben der «unsichtbaren Hand des Marktes» scheint die Weltwirtschaft also auch von «sichtbaren Händen»41 gesteuert zu werden. Entscheidende Ansätze zu einer solchen Theorie entwickelten in den 1930er-Jahren Joseph Schumpeter in seiner «Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung»42 sowie Ronald Coase in seinem Aufsatz «The Nature of the Firm» (1937). Während bei Schumpeter Unternehmer mit ihren strategischen Entscheidungen bedeutende Wachstumsschübe in der Wirtschaft auslösen,43 widersprach Coase der bisherigen Annahme, dass alle Entscheidungssubjekte die gewünschten Informationen augenblicklich und kostenlos erhalten und verbreiten können, und wies auf die Wichtigkeit von sogenannten Transaktionskosten hin, die bei Austauschprozessen auf Märkten anfallen.44

Ausgehend von der Grundfrage, ob eine Volkswirtschaft zentral oder dezentral gesteuert werden soll, stellte er fest, dass es nicht nur eine, sondern zwei Formen des wirtschaftlichen Handelns gibt: auf der einen Seite die zentralistische, hierarchische Struktur des Unternehmens, auf der anderen Seite die dezentrale Struktur des Marktes. Um die beiden parallel zueinander existierenden Organisationsformen zu erklären, setzte Coase Transaktionskosten als Analyseinstrument ein: Unternehmen existieren, weil bei Austauschprozessen Informations-, Vertrags- und Überwachungskosten45 entstehen. Der Vorteil der Internalisierung dieser Austauschprozesse innerhalb des Unternehmens liegt darin, dass Unternehmen in einem chaotisch funktionierenden Marktsystem durch ihre festen Strukturen Ordnung schaffen und damit Unsicherheiten reduzieren. Umgekehrt fallen bei der firmeninternen Organisation Kosten hierarchischer Koordination an. Mit wachsender Grösse wird es daher für ein Unternehmen immer schwieriger, den Überblick über seine Aktivitäten zu behalten und die Produktionsfaktoren effizient einzusetzen. Ein Unternehmen kann sich deshalb nur so lange ausdehnen, bis die hierarchischen Koordinationskosten den Vorteilen der Informations- und Vertragskosten entsprechen.46

Folglich lassen sich Grossunternehmen dadurch erklären, dass innerhalb dieser Unternehmen Güter gehandelt werden, die hohe Transaktionskosten verursachen. Dies gilt insbesondere für unternehmensspezifische Wettbewerbsvorteile, die nur schwer oder mit grossen Risiken auf Märkten gehandelt werden können. Sie werden daher unternehmensintern ins Ausland transferiert, wodurch sich multinationale Unternehmen herausbilden, die für Geoffrey Jones als wichtigste Förderer von Investitionen, Handel und Wissen über nationale Landesgrenzen hinaus die zentralen Antriebskräfte des Globalisierungsprozesses sind.47 Um die Ursachen der Globalisierung zu verstehen ist es daher wichtig, diese nicht nur als makroökonomische Waren- und Finanzströme zu betrachten, sondern auch mikroökonomisch aus der Sicht multinationaler Unternehmen zu begreifen.48

Wettbewerbsvorteile als Grundlage multinationaler Grosskonzerne

Warum entstehen multinationale Unternehmen überhaupt, und was treibt sie zu Wachstum an? Aufbauend auf den Theorien von Schumpeter und Coase entwickelte Alfred D. Chandler in seinen Werken «The visible Hand»49 und «Scale and Scope»50 die heute bedeutendste Erklärung für Grossunternehmen, während John H. Dunning die Wettbewerbsvorteile von multinationalen Unternehmen weiter spezifizierte und damit einen wichtigen Beitrag zum Verständnis multinationaler Grosskonzerne lieferte.

In «Scale and Scope» begründete Chandler den Erfolg von Grosskonzernen mit sogenannten Grössenvorteilen, die er in drei Komponenten teilt: Erstens «Economies of Scale» oder Skalenerträge, welche die Produktionskosten pro Einheit senken, weil die Fixkosten mit steigender Ausstossmenge auf immer mehr Einheiten verteilt werden. Zweitens «Economies of Scope» oder Verbundsvorteile, die eine bessere Auslastung bestehender Kapazitäten ermöglichen, indem Produkte mit verbindenden Elementen wie gemeinsamen Rohstoffen, Verfahren und Vertriebsstrukturen auf denselben Produktionsanlagen hergestellt werden. Drittens reduziert die vertikale Internalisierung des Ressourcenflusses die Transaktionskosten. Grosse Fabriken können dadurch ihre Produkte billiger produzieren als kleine Produktionsanlagen.

Um diese Kostenvorteile im Bereich der Produktion zu nutzen, muss das Verkaufsvolumen allerdings mit dem Produktionsvolumen Schritt halten. Deshalb bauten Grossunternehmen internationale Verkaufs- und Vermarktungsapparate auf. Auch hier können wiederum «Economies of Scale» und «Economies of Scope» erzielt werden, indem bei steigenden Stückzahlen die Fixkosten von Handelsniederlassungen sinken, die Produkte rationell über grosse Warenhäuser oder Supermärkte verkauft werden und verschiedene Produkte dieselben Distributionskanäle nutzen. Die Massenproduktion führte zu Massenvertrieb und Massenkonsum, der wiederum durch Vermarktungsmassnahmen sichergestellt werden musste.51

Bei der Harmonisierung der Produktion und Distribution betonte Chandler die Bedeutung der Manager, die innerhalb des Unternehmens als «sichtbare Hand» die Koordinationsfunktion von Märkten übernehmen. Laut Chandler entwickelten sich moderne Grossunternehmen dadurch zu den stärksten Institutionen und Entscheidungsträgern der Wirtschaft. Sie veränderten Strukturen und begannen Wirtschaftssektoren zu dominieren,52 was schliesslich zu Oligopolen führte: Branchen wurden von wenigen Grosskonzernen beherrscht, die ihre Produkte gegenüber der Konkurrenz kontinuierlich verbesserten, Unternehmen im gleichen Marktsegment aufkauften (horizontale Integration), vorgelagerte oder nachgelagerte Verarbeitungsprozesse ins Unternehmen integrierten (vertikale Integration), in andere Länder expandierten und ihre Produktpalette diversifizierten. Dabei stellte Chandler fest, dass die ersten Unternehmen in diesem Prozess gegenüber später folgenden Vorteile besassen, die er «First-Mover-Advantages» nannte.53

Gleichzeitig stehen diesen Managern und multinationalen Unternehmen Konsumenten gegenüber, die keine beliebig beeinflussbaren Marionetten sind, sondern als Akteure mit eigenen Geschmacks- und Konsumpräferenzen das Marktgeschehen mitbeeinflussen.54 Multinationale Grosskonzerne werden daher nicht nur durch Managementstrategien hierarchisch von oben nach unten, sondern durch Marktbedingungen, Produkteigenschaften und Konsumpräferenzen ebenfalls von unten nach oben gesteuert. Dunning begründet multinationale Grosskonzerne deshalb nicht nur mit der globalen Verwertung von Wettbewerbsvorteilen wie Grössenvorteilen, einer überlegenen Technologie oder stillem Wissen, die er als «Owner-specific Advantages» bezeichnet, sondern auch mit dezentral an einen Ort gebundenen «Local-specific Advantages» wie lokalen Marktkenntnissen oder lokalen Produktionsstätten, mit denen sich Handelshemmnisse umgehen lassen.55 In diesem Spannungsfeld zwischen globalem Unternehmen und lokalen Marktbedingungen steht das Markenprodukt, an dem sich sowohl die globalen Wettbewerbsvorteile multinationaler Unternehmen als auch die Adaption an die lokalen Konsumentenwünsche spiegeln, auf denen multinationale Unternehmen gründen.

Marken als Kennzeichen von Qualitätsprodukten

Globalisierung, Marken und multinationale Unternehmen stehen in einem engen Verhältnis zueinander: Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts bildeten sich im Zuge des Freihandels und des weltweiten Kapitalverkehrs überregionale Märkte aus.56 In Folge dieser ersten «Globalisierungswelle»,57 welche die bisherigen Strukturen der Agrargesellschaft aufriss und zum Übergang von der weitgehenden Selbstversorgung hin zur Fremdversorgung über Märkte führte,58 entstanden – insbesondere ab 1880 – die ersten multinationalen Unternehmen, die bis heute überdauert haben.59 In die gleiche Zeitspanne fallen auch die ersten Markenschutzgesetze, denn durch die Ausbildung einer überregionalen oder sogar globalen Wirtschaft veränderte sich die Beziehung zwischen Konsumenten und Produzenten grundlegend: Der Kunde stand nun nicht mehr in direktem Kontakt mit dem Hersteller und konnte die Qualität der überregional vertriebenen Waren nicht mehr unmittelbar beurteilen. Dies führte insbesondere bei der Lebensmittelversorgung sofort zur brisanten Frage nach der Qualität der Produkte, denn nicht selten waren die ersten industriell abgepackten Lebensmittel verdorben oder sogar gesundheitsgefährdend.

Als Antwort auf die Anonymisierung der Marktabwicklungen, welche mit einem erheblichen Betrugsrisiko einherging, entwickelten die Hersteller Markenprodukte. Dabei verbürgte der Produzent mit einem Markenzeichen – meist sogar seinem eigenen Namen – für die Qualität des von ihm hergestellten Produkts. Die Marke stellte die Beziehung zwischen Kunden und Produzenten auf eine neue Vertrauensbasis: Sie sollte den Kunden einerseits vor Fälschungen oder minderwertiger Ware schützen, andererseits ging der Produzent mit seiner Garantie das Risiko ein, dass das Ansehen seiner Produkte im Falle gravierender Qualitätsmängel dauerhaften Schaden nahm. Die Marke versprach dem Kunden damit überall und zu jedem Zeitpunkt eine immer gleichbleibende Qualität des Produkts.60 Die Warenkenntnis des Kunden wurde dadurch zunehmend von der Markenkenntnis abgelöst.61

Damit haben Marken und Werbung unter der Annahme unvollständiger Information auf Märkten eine marktkonstituierende Funktion: Sie erleichtern dem Kunden die Suche nach einem Produkt, das seinen persönlichen Wünschen entspricht. Während die Werbung den Konsumenten über die Vorteile der Produkte informiert,62 werden Marken für ihn zur Orientierungshilfe im unübersichtlichen Warenangebot. Sie bringen Transparenz und Zuverlässigkeit in einen ansonsten nur schwer durchschaubaren Markt.63

Während Marken die Transaktionskosten der Kunden senken, fallen für den Produzenten zusätzliche Kosten an: Einerseits musste er über Agenten oder permanente Vertretungen die Absatzwege sicherstellen, um die Versorgungssicherheit und die Qualität seiner Markenprodukte gegenüber dem Kunden zu gewährleisten.64 Andererseits sah er sich gezwungen, einen Teil seines Einkommens in eine aktive Vermarktung des Produkts zu investieren, die zwei zentrale Aufgaben hat: Erstens erforscht sie die Bedürfnisse der Verbraucher, um die Markenprodukte den Konsumentenwünschen anzupassen. Zweitens versuchen Unternehmen mit geschicktem Marketing, die Nachfrage zugunsten der eigenen Markenprodukte zu beeinflussen.65

Markenprodukte als kulturelle Konstrukte

Sowohl die Transaktionskostentheorie als auch Chandlers Theorie der Grössenvorteile sehen sich mit der berechtigten Kritik konfrontiert, dass sie allein mit dem marktwirtschaftlichen Effizienzprinzip argumentieren und andere Einflüsse wie Machtverhältnisse, gesellschaftliche Normen und staatliche Gesetze ausblenden.66

Ökonomisches Handeln ist aber immer auch in kulturelle Sinnkonstruktionen eingebettet.67 So beruhen unsere Vorstellungen von Produkten und ihrem Wert nicht nur auf ihrem physischen Gebrauchszweck oder ihrer effektiven Wirkung,68 sondern ebenso auf ihren soziokulturellen Bedeutungen, die ihnen in einem Kulturkreis zugeschrieben werden. Die Symbolik der Produkte dient dabei sowohl der sozialen und kulturellen Differenzierung als auch der Identitätsbildung einer Gesellschaft.69 So waren Kolonialwaren wie Kaffee, Tee und Kakao lange Zeit nicht nur Genussmittel, sondern auch Statussymbole der Reichen und Mächtigen.70 Ausserdem können Produkte je nach Weltregion sehr unterschiedlich wahrgenommen werden: Auf den Britischen Inseln beispielsweise wurde das kakaohaltige Malzgetränk Ovomaltine abends zum Einschlafen getrunken, in Kontinentaleuropa dagegen morgens konsumiert, um wach und gestärkt in den Tag zu gehen.71 Produkte sind also immer auch kulturelle Konstrukte, die Machtverhältnisse72 widerspiegeln und mit Bedeutungen aufgeladen sind.73

Diesen Sachverhalt machen sich multinationale Unternehmen bei der Vermarktung ihrer Markenprodukte zunutze, indem sie diesen neben ihrer funktionalen, materiellen Dimension – dem Versprechen immer gleichbleibender Qualität – eine immaterielle, soziologisch oder psychologisch erklärbare Dimension geben. Der zusätzliche Nutzen für den Konsumenten besteht bei dieser immateriellen Komponente darin, dass er sich durch den Konsum des Produkts in seiner Vorstellung jene immateriellen Werte aneignet, welche in der Werbung mit dem Markenprodukt in Verbindung gebracht werden.74 Marketing-Experte Hans Domizlaff beschreibt Marken daher als Ideen, die ein Eigenleben führen.75 Aus ihnen erklärt sich schliesslich die emotionale Ausstrahlung oder «Aura des Markenprodukts». Seit den 1950er-Jahren gewann die immaterielle Dimension von Marken zunehmend an Bedeutung, indem sich Marken zu einem Ausdruck des persönlichen Lebensstils entwickelten.76

Marken als Kapital der Konzerne

Marken als Bündel von funktionellen und emotionellen Eigenschaften verursachen zwar einerseits Marketing- und Vertriebskosten,77 verschaffen dem Produkthersteller andererseits über das Exklusivrecht auf den Markennamen aber auch Vorteile:78 Er kann seine Position gegenüber dem Handel verbessern, indem die Kunden immer wieder nach seinem Produkt fragen und der Händler sich gezwungen sieht, seine Marke zu führen.79 Der Wiedererkennungswert einer Marke und das Vertrauen in sie führen dazu, dass Kaufentscheidungen von den Kunden nicht nur aufgrund des Produktpreises getroffen werden. Ein Hersteller von Markenprodukten muss die Konkurrenz deshalb nicht unbedingt im Preis unterbieten, sondern kann sich darauf konzentrieren, den Markennamen zu propagieren und damit die Aufmerksamkeit der Kunden auf die Qualität zu lenken, die ihnen zuvor nicht wichtig oder nicht bewusst gewesen war.

Markennamen erwerben sich dadurch mit der Zeit das Wohlwollen und Vertrauen des Kunden. Theoretisch kann der Nachfrager zwischen allen Produkten auswählen, de facto hat er sich jedoch auf eine Marke festgelegt.80 Das Ziel der Vermarktung besteht deshalb darin, eine Monopolstellung der eigenen Marke in der Psyche des Verbrauchers zu erwerben und damit die Loyalität des Kunden sicherzustellen.81 Der Markenwert ist dabei umso höher, je stärker die Marke die Präferenzen und Entscheidungen der Konsumenten dauerhaft beeinflussen kann. Dadurch können Marken einem Unternehmen langfristig höhere Erlöse generieren, weil starke Marken mehr Kunden anziehen und diese bereit sind, höhere Preise zu bezahlen.82 Eine starke Marke ist damit ein wichtiger Wettbewerbsvorteil und wird zum Vermögensgegenstand oder Kapital eines Unternehmens.83

Die Margen oder Gewinne, die sich mit Markenprodukten erzielen lassen, werden in der Betriebswirtschaftslehre unter anderem mit dem Produktlebenszyklus erklärt. Die Genese eines Produkts wird dabei in vier Phasen unterteilt: Einführung, Wachstum, Reife und Schrumpfung. Idealtypisch durchläuft die Umsatzentwicklung dabei eine S-Kurve.

In der Einführungsphase steht die Markterschliessung im Zentrum: Durch intensive Vermarktung wird das Produkt dem Publikum bekannt gemacht. Als erster Anbieter kann das Unternehmen in dieser Phase zwar Pioniergewinne realisieren, aufgrund der hohen Einführungskosten und der geringen Umsatzzahlen sind diese jedoch marginal. Zum Teil müssen sogar Verluste in Kauf genommen werden. Die Neuheit wird zu diesem Zeitpunkt nur auf dem Heimmarkt produziert und von dort aus teilweise ins Ausland exportiert.

In der Wachstumsphase erreicht das Produkt steigende Marktakzeptanz: Es gelingt dem Unternehmen, die anfängliche Skepsis des Publikums gegenüber dem Produkt abzubauen. In diesem Stadium wird die Gewinnzone erreicht. Methoden der Massenproduktion und eine Standardisierung des Produkts sowie eine steigende Nachfrage im Ausland mit einer Auslagerung der Produktion in andere Länder sind dabei typische Merkmale. Gleichzeitig dringen nachahmende Konkurrenten in den florierenden Markt ein, welche die bisherige Monopolstellung des Pionierunternehmens gefährden. Der Preiswettbewerb setzt ein.

In der Reifephase können die absoluten Umsatzzahlen weiter gesteigert werden, die Wachstumsraten beginnen aber zu sinken. Der steigende Verdrängungswettbewerb lässt die Renditen auf der Anbieterseite sinken. Die Preise fallen, bis die Gewinnmargen dahingeschmolzen sind und das Marktpotenzial schliesslich gänzlich ausgeschöpft ist. Die zusätzliche Nachfrage verlagert sich in dieser Phase hauptsächlich in die Entwicklungsländer.84

Wird der Produktlebenszyklus in diesem Stadium durch geeignete Marketing-Massnahmen wie eine Neulancierung des Produkts nicht verlängert,85 tritt eine Sättigung ein, welche zu schrumpfenden Umsatzzahlen führen kann. In der Degenerationsphase wird das bisherige Produkt schliesslich durch ein neues Produkt ersetzt, das den Kundenanforderungen besser entspricht.86 Laut der Produktlebenszyklustheorie durchlaufen Produkte damit einen «Prozess schöpferischer Zerstörung», indem alte Produkte und Technologien durch neue abgelöst werden.87

Neue Technologien und Konsumbedürfnisse beeinflussen also den Produktlebenszyklus eines Markenprodukts, und dieser wiederum hat Auswirkungen auf den Umsatz und den Gewinn – und damit das Wachstum – eines Unternehmens. Da die Gewinnmarge im Verlauf des Produktzyklus sinkt, müssen Unternehmen ihre Markenprodukte stetig den Konsumbedürfnissen anpassen oder sich neuen, Profit versprechenden Geschäftsfeldern zuwenden, um den Unternehmensgewinn aufrechterhalten zu können. Damit spiegeln Markenprodukte nicht nur Konsumbedürfnisse wieder, sondern beeinflussen auch die Entwicklung von multinationalen Konzernen.

Forschungsstand zu Nestlé und seinen Pulvergetränken

Über Nestlé und seine Markenprodukte sind zahlreiche Publikationen erschienen, die sich grob in drei Gruppen unterteilen lassen:

Eine erste Kategorie bilden die firmeneigenen Darstellungen des Unternehmens wie «This is your Company»,88 die beiden Jubiläumspublikationen von Jean Heer89 sowie deren Fortsetzung «Wandel als Herausforderung» von Albert Pfiffner und Hansjörg Renk,90 die als Überblickswerke eine nützliche Orientierungsgrundlage sind.

Zweitens häuften sich ab den 1970er-Jahren kritische Schriften über Nestlé sowie Gegendarstellungen des Westschweizer Unternehmens im Zusammenhang mit der Publikation «Nestlé tötet Babys»91 und der Diskussion um die Verantwortung multinationaler Konzerne. Zu den prominentesten unter ihnen zählen «L’Empire Nestlé» von Pierre Harrisson92 sowie die kürzlich von Attac Schweiz veröffentlichte Darstellung «Nestlé: Anatomie eines Weltkonzerns»,93 welche politisch gefärbt sind und eine einseitige Haltung gegen Nestlé einnehmen. Umgekehrt nehmen Publikationen wie «Nestlé. Macht durch Nahrung»94 und «Gemeinsam Werte schaffen»95 von Friedhelm Schwarz oder die firmeneigenen Darstellungen zu Nestlé in den Entwicklungsländern96 einen sehr entgegenkommenden Standpunkt gegenüber dem Unternehmen ein.

Als dritte Gruppe sind schliesslich zahlreiche historische Lizenziats- und Doktorarbeiten über Nestlé zu nennen, deren Interesse geschichtswissenschaftlich motiviert war: Zu ihnen zählen die Geschichte des Unternehmers Henri Nestlé von Albert Pfiffner,97 die Lizenziatsarbeiten über die Anglo-Swiss Condensed Milk Company von Manuel Fischer und Alain Bolomey sowie die darauf aufbauende Publikation «George Page. Der Milchpionier»,98 aber auch die Darstellungen über die Nestlé & Anglo-Swiss im Ersten Weltkrieg und die nachfolgende «Krisenreaktionsstrategie» des Unternehmens.99 Jüngst erschienen zudem Publikationen zur Geschichte von Nestlé am Bosporus,100 über den Milchpulverskandal «Nestlé tötet Babys» als Medienereignis101 sowie eine Begleitpublikation des Museums Alimentarium zu einer Ausstellung über die Anfänge der Schweizer Lebensmittelindustrie, die sich stark an Nestlé orientiert.102 Bei dieser Übersicht fällt auf, dass vor allem die Anfänge des Unternehmens bis zum Ersten Weltkrieg erforscht sind, während eine Aufarbeitung der Unternehmensentwicklung in der Zeitspanne zwischen 1921 und 1971, in der die Marken Nescafé, Nestea und Nesquik begründet wurden und Nestlé zum grössten Lebensmittelkonzern der Welt aufstieg, mit Ausnahme von Heers Jubiläumsschrift und Martin Lüpolds Studie zu den Krisenjahren noch weitgehend fehlt.

Ähnliches gilt für die Geschichte des Pulverkaffees, die in verschiedenen Publikationen zwar gestreift, aber nie wirklich aufgearbeitet wurde.103 Zu Nescafé sind vorwiegend die Anfänge erforscht: Neben den Jubiläumsschriften von Jean Heer haben sich Malia Ukishima in ihrer Lizenziatsarbeit «Le succès et la recette du Nescafé»104 sowie Albert Pfiffner in seinem Artikel «A real winner one day»105 vertieft mit den Anfangsjahren der Marke zwischen 1930 und 1945 auseinandergesetzt und die Geschichte der Entdeckung und Lancierung des Nescafés damit auf eine solide Basis gestellt. Über die weitere Entwicklung der Marke ist dagegen wenig bekannt: Abgesehen von kurzen Erwähnungen im Bericht der Unabhängigen Expertenkommission Schweiz-Zweiter Weltkrieg (UEK)106 über Geschäfte und Zwangsarbeit existieren einzig populärwissenschaftliche Darstellungen in Marken-Büchern.107

Noch marginaler untersucht ist die Geschichte des Tee- und Kakaopulvers. Während Instanttee nicht einmal in Ukers’ «All about tea»108 grössere Erwähnung findet und die Marke Nestea erst jüngst in der Dissertation «Ready to Eat» von Eva Von Wyl109 wissenschaftlich erforscht wurde, war die Geschichte des Kakaos bis anhin vor allem von der essbaren Schokolade geprägt. Über Kakaopulver dagegen ist – abgesehen von der Erfindung des «Dutching-Verfahrens» – wenig bekannt.110 Eine erfreuliche Ausnahme bildet diesbezüglich das kakaohaltige Malzgetränk Ovomaltine der Schweizer Firma Wander, dessen Geschichte relativ gut erforscht ist.111

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