Читать книгу: «Engel und Dämon», страница 3

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„Es gibt nur ein Problem“, fügte er nach einer Weile kleinlaut hinzu, „das Vieh auf meiner Brust.“ „Er wird dich nicht gehen lassen bis er mit dir fertig ist. Tja und dann wirst du nicht mehr in der Lage sein zu gehen“, erwiderte die Stimme nur. „Wie meinst du das?“, fragte Sebastian ängstlich und irritiert. Doch es kam keine Antwort.

Die Stille schürte die Panik in dem Jungen, wodurch sein Blick wieder zu dem Monster auf seiner Brust wanderte. Ein breites Lächeln kam ihm entgegen. Ja, auch diese Kreatur war sich seiner Beute sicher und Sebastian spürte deutlich, dass sie beide Recht hatten. Er war so gut wie tot.

Erneut kam das Maul der Bestie näher und als er sich sicher war, dass sie ihm jetzt die Kehle durchbeißen würde, hob sie plötzlich ihre Pranke und nahm leicht Abstand zu ihm.

„Lauf.“ Die Stimme war dunkel und rau. Sie kam direkt aus dem Maul des Wolfes und fuhr Sebastian ohne Umwege ins Gemüt. Er erschauderte und sah nur noch einen Wimpernschlag in das Gesicht seines zukünftigen Mörders, bevor er begriff, was man ihm gerade schenkte: Eine zweite Chance.

Ohne groß nachzudenken, zog er sich unter dem Monster hervor und rappelte sich auf, bevor er dann zu laufen begann. So schnell er konnte. So weit wie er kam. Es war ihm egal. Er wollte diesem Monster entkommen. Seinem Tod davonlaufen. Und obwohl er sich müde und ausgelaugt fühlte, wurden seine Beine nicht langsamer.

Im Gegenteil, er wurde sogar schneller als ein Furcht einflößendes Heulen hinter ihm erklang und man schon die schweren Schritte der Bestie vernahm. Sie jagte ihn und würde ihn töten, wenn sie ihn erwischte.

Ins Dorf. Ja, er wollte ins Dorf. Dort suchte er dann Schutz. Schutz vor dem Unbekannt. Schutz vor dem Tod. Doch er hörte die Schritte von der Bestie hinter sich. Sie wurden immer lauter. Das Laub raschelte unter ihren Bewegungen. Und tief in seinem Inneren konnte er auch das Grinsen auf ihrem Gesicht sehen. Die Schadenfreude, dass sie gesiegt hatte.

Gesiegt über sein Leben. Seinen Tod konnte sie jetzt bestimmen. Dieses Gefühl beflügelte sie wie jedes Mal wenn sie einen der Dorfbewohner jagte. Ihn all seine Kraft durch eine Hetzjagd nahm. Dann fühlte sie sich wie Gott. Wie der Gott, der sie bestraft hatte. Bestraft für etwas, das kein Unrecht war. Bestraft für das Handeln nach den Zehn Geboten.

Plötzlich spürte Sebi ihren Hass. Ihre Wut auf die Menschheit. All die Wärme, die er einst gefühlt hatte, war verschwunden. Hinter ihm lief eine Bestie, die geboren war um zu töten. Zu töten was ihren Leben nicht gleich gestellt war. Die Schritte kamen immer näher. Der Tod war sein Verfolger und er wusste, dass es keinen Ausweg mehr für ihn gab. Doch da erblickte er das Licht des Dorfplatzes. Es stieg Hoffnung in ihn auf und er spürte neue Energie in seinem Körper, wodurch er instinktiv noch ein wenig schneller lief.

Doch die Bestie war schon hinter ihm. Ihren Atem konnte er an seinen Nacken wahrnehmen. Im nächsten Moment spürte er wie sich zwei kräftige Arme um seine Brust legten und wie er hochgehoben wurde. „Du entkommst mir nicht“, hörte er eine Stimme hinter sich, „du bist mein Allein. Dein Leben liegt in meiner Hand. Was wirst du jetzt tun? Um Hilfe schreien? In diesem Dorf sieht und hört niemand mehr etwas wenn die Sonne untergegangen ist. Sie haben Angst. Angst vor dem, was dich gerade bedroht. Sie werden nicht kommen. Niemand wird deinen Tod bemerken. Nicht einmal deine Eltern. Denn sie kamen zu nah an mein Versteck. Und das hat bis jetzt niemand überlebt.“

Sebi wusste nicht, was es war, doch er hob langsam seinen Blick. Über ihn waren die Baumkronen, die sich dunkel vor dem erleuchteten Himmel abhoben. Es dauerte ein paar Atemzüge bis er in den Blättern etwas erkannte, doch es schauderte ihn: Ein Menschenkopf und daneben ein zweiter.

Sein Blick wandte sich vor Grauen ab, doch um ihn herum sah es nicht besser aus. Überall lagen Körperteile verstreut. Sie gehörten einen Mann und einer Frau. Erst jetzt roch er die Fäulnis und das Blut in der Luft, wodurch er spürte, wie sich sein Magen umdrehte.

Wie konnte solch ein Massaker unbemerkt bleiben? Sebastian verstand es nicht, dennoch zwang er sich die Köpfe noch einmal genau anzusehen.

Es dauerte lange bis seine Augen in der spärlichen Beleuchtung etwas erkannten, doch dann traf es ihn wie ein Blitz: Seine Eltern!

Sein Körper begann zu zittern und die Farbe wich aus seinem Gesicht, bevor er trocken schluckte. „Vater? Mutter?“

Seine Stimme war nur ein krächzender Laut und er spürte, wie Tränen in seine Augen krochen, als erneut diese menschliche Präsenz zu ihm sprach: „Es tut mir Leid.“

So lange hatte sie nun geschwiegen und jetzt wagte sie es erneut zu sprechen. Sebastian konnte diese Unverschämtheit gar nicht fassen, wodurch er spürte, wie sich sein gesamter Körper anspannte und im nächsten Moment begann er wie wild auf das Biest vor sich einzuschlagen. „Was hast du mit ihnen gemacht?! Ich werde dich umbringen! Wo hast du meine Schwester versteckt?! Rück sie sofort raus!“

Seine Schläge waren unkoordiniert und gingen deswegen oft ins Leere, wodurch Sebastian nach einer Weile schwer atmend auch aufgab und das Lächeln auf den Lippen der Bestie zurückkehrte.

Dieses selbstgefällige und siegessichere Grinsen, was Sebastian schon den ganzen Kampf über sah und ihm immer wieder unter die Nase rieb, wie schwach er und wie hoffnungslos seine Gegenwehr doch war.

Aber er war nicht schwach. Er war stark und er würde kämpfen. Solange er lebte, würde er kämpfen. Immer und immer wieder. Dieses Grinsen wollte er ihr aus dem Gesicht schlagen und bevor er diesen Gedanken zu Ende geformt hatte, schnellte seine Faust schon wieder nach vorne und traf.

Es war ein Kinnhaken. Hart und direkt, wodurch der Kopf der Bestie in den Nacken geschleudert wurde und im nächsten Moment die Stille von einem dunklen Knurren durchdrungen wurde.

Als der Kopf in seine Ausgangsposition zurückging, blickte Sebastian in ein rot glühendes Auge, das nur noch töten wollte. Ihn töten. Sie würde ihn dafür bestrafen, dass er sich so gegen sie gewehrt hatte. Dass er es gewagt hatte sie zu schlagen. Und Sebastian würde sich dann wünschen, dass er einfach vorher gestorben wäre. Schon bei der ersten Jagd, bevor er seine toten Eltern gesehen hatte.

Langsam hob sie eine Pranke und hielt den Jungen ohne große Mühe mit einem Arm fest, wodurch Sebastian seine Arme schützen vor sich erhob und zu beten begann: „Bitte lass mich nicht so enden wie meine Eltern. Ich muss doch noch meine Schwester befreien.“

Die Luft wurde von den gewaltigen Klauen durchschnitten. Sebastian wusste, dass er jetzt sterben würde. Er sah seine Eltern, wie sie ihn verließen, als sie der Sache auf den Grund gehen wollten. Diese Bestie war ihr Ziel und sie hatten sie gefunden. Doch auch gleichzeitig mit ihren Leben bezahlt.

Seine Schwester. Er sah sie, wie sie ihn anlächelte. So unschuldig und engelsgleich. Wer würde sie jetzt retten? Niemand wusste mehr von ihrer Existenz. Das Dorf würde sterben. Die Bestie hatte gewonnen.

Als er sich sicher war, dass der tödliche Schlag kommen müsste, kam nichts. Er hatte nur kurz ein Zischen und einen dumpfen Aufprall gehört, wodurch er irritiert seine Augen öffnete und die Arme leicht senkte.

Die Bestie hatte in seiner Bewegung inne gehalten und Entsetzten war in ihr Auge eingebrannt, als erneut das Zischen und der Aufprall folgte, wodurch ein Ruck durch das Monster ging.

Sebastian sah über ihre Schulter zurück und erkannte einen Schatten zwischen den Bäumen, der etwas Längliches in der Hand hielt, wo er etwas hineinlegte und im nächsten Moment erklang erneut das Zischen und kurze Zeit später der Aufprall.

Erst jetzt bemerkte der Junge, dass jemand mit Pfeilen auf den Wolf schoss, der kurz röchelte und Blut spuckte, bevor er den Jungen mit einem Knurren von sich stieß, um sich umzudrehen und auf den Fremden zu zulaufen.

Jetzt flogen die Pfeile in einem schnelleren Rhythmus auf das Biest zu, doch es stoppte keinen Augenblick. Wich nur hin und wieder leicht zurück, doch es kam den Fremden gefährlich nahe.

Sebastian traute seinen Augen nicht. Jemand kämpfte gegen dieses Monster und er hatte ihn damit vorerst vor dem Tod gerettet, doch statt zu fliehen näherte sich Sebastian immer weiter den Kampfschauplatz.

Irgendetwas zog ihn magisch dorthin und er spürte erneut eine fremde Präsenz, die sich in seine Gedanken schlich. Sich viel tiefer in ihn grub und seine Gedanken besetzte, wodurch er nicht mehr Herr über sich selbst war.

Doch es war eine andere Präsenz. Eine viel dunklere, als die menschliche Stimme der Bestie und sie kontrollierte ihn. Eigentlich wollte er weglaufen. So weit ihn seine Füße trugen und seine Schwester suchen. Sie aus der Hölle befreien. Doch er konnte nicht. Man zwang ihn sich den Kampf anzusehen.

Kaum war die Bestie zu nah für die Pfeile zog der Fremde ein Schwert, das silbern unter den Mondstrahlen glänzte. Er ließ sich nicht davon beeindrucken, als sich das Monster auf seine Beine stellte und ihn somit um einige Köpfe überragte. Doch der Mann rückte nicht zurück, sondern nahm eine Kampfhaltung ein und kaum versuchte die Bestie nach ihm zu schlagen, verpasste er ihr einen tiefen Schnitt in der Bauchgegend, die sie kurz schmerzerfüllt aufschreien ließ.

Doch das Monster stoppte nicht in seiner Bewegung und versuchte ihn mit einem Klauenhieb von den Füßen zu reißen, der wurde jedoch durch die Schwertklinge pariert. Sebastian war mittlerweile an dem Ort des Geschehens angekommen, wodurch er seine Stimme erhob.

Er formte Worte, die er sich nicht selbst ausgedacht hatte. Man zwang ihn dazu dies zu sagen: „Hört auf. Das bringt doch nichts. Wer immer du bist, lass meinen Freund in Ruhe! Oder du bekommst es mit mir zu tun!“ Er begriff es nicht und auch der Fremde schien von den Worten verwirrt zu sein. „Was hast du gesagt? Dieses Biest hätte dich getötet! Ist dir das eigentlich klar?!“

Sebi spürte einen Kloß in seinem Hals, als er merkte, dass er einfach nickte. Er fühlte sich wie ein Gefangener im eigenen Körper. Was geschah hier mit ihm? Er begriff es nicht mehr. Niemals würde er diese Bestie als seinen Freund betiteln. Sie wollte ihn doch umbringen.

Seine Füße bewegten sich von selbst, als er sich dem Monster näherte und legte eine Hand auf das struppige Fell des Tieres. „Es ist mein Freund. Er hat es sich nicht ausgesucht ein Monster zu sein, sondern man hat ihn verflucht und ich versuche ihm beizustehen in dieser Zeit. Denn dafür sind Freunde da. Also lass ihn in Ruhe.“

Warum sagte er das? Das empfand er doch gar nicht und sein Geist wurde von der Panik überrannt, als er sein Gesicht in dem Fell des Wolfes vergrub, wodurch dieser langsam wieder auf alle Vier ging.

Der Atem des Monsters ging schwer und er sah auf den Jungen, wodurch sein Auge menschlich war. Menschlicher als es für solch ein Wesen eigentlich möglich war und es begann feucht zu glänzen, wodurch sich Sebastian plötzlich schuldig fühlte, dennoch kuschelte sich sein Körper noch näher an das Biest.

„Nein.“ Es war zuerst nur ein Hauch, der von der nächtlichen Brise beinahe ungehört davon geblasen worden wäre, doch dann wurde die Stimme fester und zorniger: „Nein! Nein! Ich kann es nicht am Leben lassen! Ich will Rache! Rache für meine Familie, die es hinterhältig und brutal ermordet hat! Es muss sterben!“

Der Schwertgriff wurde fester umschlossen, als sich der Körper des Kriegers anspannte und er im nächsten Moment mit einem Kampfschrei auf das Monster zustürmte. Bereit es zu töten und Sebastian sah das Kommende, als würde er irgendwo zwischen den Bäumen stehen.

Sein Körper bewegte sich. Trat zwischen den Kämpfer und das Biest. Er fing die tödliche Klinge ab und der Schmerz raste durch sein Bewusstsein, bevor er nichts mehr spürte. Nur einen Glücksrausch, der alles auslöschte. Sein gesamtes Sein und das, was in der Wirklichkeit passierte nicht mehr zu ihm durchließ. Nicht einmal den kurzen Aufprall auf den Boden und das feuchte Gras unter seinem Gesicht, das nun von seinem Blut bedeckt wurde.

Die Wärme und sein Leben verließen ihn durch die klaffende Wunde quer über seinen Oberkörper. Sein Blick war auf das Monster gerichtet, das genauso wenig verstand wie er und im nächsten Moment erfüllte Hass seinen Blick. Sie wollte sich auf den Fremden stürzen, doch die leise Stimme von Sebastian erfüllte den Wald zum letzten Mal, bevor sein Leben endgültig erlosch. „Nein, Kevin, tu es nicht.“

Der Kämpfer verschwand in der Nacht, die sich gegen die aufgehende Sonne wehrte. Er sagte kein Wort und hatte auch das Schwert wieder in die Scheide gesteckt. Der Kampf war erloschen als Sebastian leblos zu Boden sank und das Blut den Boden tränkte.

Kein Wort kam über die Lippen der Anwesenden. Niemand wollte auch nur ansatzweise aussprechen was hier gerade passiert war. Und der Hass und die Wut, die in der Luft gelegen haben, schienen niemals existiert zu haben.

Langsam trat Kevin an den toten Körper heran und stupste ihn leicht mit der Schnauze an. Er wusste, dass er keine Reaktion bekommen würde, dennoch hoffte er es. Dieser Junge war der Erste, der in ihm kein Monster mehr sah. Wieso musste er sterben? Er und so viele andere.

Er wollte sich gerade neben den Toten legen, als das Rascheln des Gebüsches ihn hochschrecken ließ und er seinen Kopf in die Richtung wandte.

Es war ein Junge mit hüftlangen braunen Haaren, der auf die Lichtung trag. Seine Kleidung wirkte abgenutzt und dreckig. Das rote Leinenhemd und die hellblaue Hose schienen von einer langen Reise zu erzählen.

Seine Bewegungen wirkten schlapp und müde. Immer wieder hatte Kevin das Gefühl, dass der Neuling vor seinen Augen einfach zusammenbrechen würde, wobei dies nicht geschah und er schließlich vor ihm zum Stehen kam.

Doch egal wie sehr sich Kevin auch anstrengte. Er konnte die Augen des Jungen nicht sehen, denn sie versteckten sich hinter der braunen Haarpracht, wodurch er bedrohlich wirkte und ein Knurren von dem Monster forderte.

„Habe keine Angst. Ich bin nicht hier um dich zu töten.“ Die Stimme war so leise, dass sie Kevin ohne sein gutes Gehör wohl kaum vernommen hätte, doch so traute er seinen Ohren kaum, wodurch sein Knurren noch tiefer wurde. „Ich habe keine Angst. Es gibt nichts, was ich zu fürchten habe. Nur will ich jetzt niemanden sehen und deswegen fordere ich dich hiermit auf zu gehen.“

„Dann sind wir uns dort ja einig, denn ich fürchte mich auch nicht vor dir. Du bist ein menschliches Wesen und wirst mir nichts tun. Dieser Junge hat deine Menschlichkeit geweckt und somit ist das Monster aus dir verschwunden. Du wirst niemanden mehr ohne Grund töten. Schade, dass er dafür sterben musste. Das hätte es nicht gebraucht. Aber ich kann dich beruhigen. Er musste nicht lange leiden. Er war auf der Stelle tot. Der Hieb hat sein Herz getroffen und noch einige weitere Organe. Wahrscheinlich wäre dieser Angriff auch für dich tödlich gewesen.“ Ein Lächeln zeigte sich auf den Lippen des Jungen, wodurch sich das Monster noch unbehaglicher fühlte. Denn es wirkte falsch. Irgendetwas stimmte mit diesem Neuling nicht. Nur konnte er noch nicht sagen, was es war.

„Niemand kann mich töten“, widersprach Kevin sofort, doch ein sanftes Lachen erklang, wie das eines wahnsinnigen Engels. „Oh doch. Man kann dich töten. Nicht viele. Aber dieser Krieger hätte es geschafft. Du lebst nur noch dank dem Jungen.“

Langsam hob der Neuling seinen Arm und streckte die Hand nach dem Monster aus, wodurch ein dunkles Knurren aus der Brust des Tieres erklang und im nächsten Moment schnappte es nach der Hand, doch er wollte sie nicht treffen, wodurch er kurz davor stoppte.

Es sollte eine Warnung sein und Kevin hoffte, dass der Fremde dies auch verstehen würde, doch erneut kam nur ein Kichern. „Siehst du? Ich hatte Recht. Du wirst mir nichts tun. Dazu bist du einfach nicht mehr in der Lage. Man hat dich gezähmt, Monster.“

„Was? Was willst du von mir? Willst du meinen Tod?“ Kevin ging absichtlich nicht auf die Provokation ein, sondern starrte den Jungen weiter an. Angriffsbereit oder fluchtbereit, je nachdem was er brauchen würde.

„Nein, ich will nicht deinen Tod. Ich möchte dir helfen.“ Das Monster traute seinen Ohren nicht, als es die Antwort des Jungen hörte, wodurch es diesen verwirrt und überrascht ansah. „Du willst was?“

„Dir helfen“, wiederholte der Braunhaarige ruhig seine Antwort, jedoch konnte Kevin dies immer noch nicht glauben. „Mir kann man nicht mehr helfen.“

„Doch ich kann es. Vorausgesetzt dass du mich auch helfen lässt“, beharrte der Junge weiter auf seinem Wunsch, wodurch Kevin nur knurrte: „Auch du nicht.“

„Doch, lass mich dir einfach helfen. Was hast du schon zu verlieren?“ Da hatte der Mensch vor ihm direkt recht. Kevin hatte nichts mehr zu verlieren. Sein Messias lag hier tot im Gras. Das Dorf hasste ihn und nun kamen schon Fremde, um ihn zu töten. Es konnte nicht mehr wirklich schlimmer werden. Außer er starb. Doch ob dies wirklich eine Verschlechterung war, da war er sich nicht mehr sicher.

Kevin kämpfte innerlich mit seinen Erfahrungen, als er plötzlich eine Hand auf seiner Schnauze fühlte und er in das Lächeln des Jungen blickte. „Bitte lass mir dir helfen. Ich will nur dass du wieder so wirst, wie du einst warst.“

Sein Herz fühlte sich warm an. Er spürte die Tränen in seinem Auge, als ihn ein wohliges Gefühl überrannte. Seit seiner Verwandlung hatte er so etwas nicht mehr gefühlt. Man wollte ihm helfen. Seinen innersten Wunsch endlich erfüllen.

Dennoch wanderte sein Blick zurück zu der Leiche. „Man kann mich nicht retten. Er hat es auch versucht. Nein, er hat es schon getan. Mehr kann man nicht retten. Er hat sein Leben für meines gegeben. Wir kannten uns nicht und dennoch betitelte er mich als Freund. Und all das, obwohl ich ihn vor einer Stunde noch töten wollte. Einfach so sein Licht auslöschen. Ich habe ihn alles genommen. Seine Familie und sein Leben. Und er hat nie etwas von mir dafür bekommen. Nein, man kann mich nicht mehr retten. Ich bin verloren. Ja, wenn du mir helfen willst, dann töte mich. Töte mich hier und jetzt.“

Das Lächeln erlosch und der Junge seufzte tief, bevor er dann eine Strähne aus seinem Gesicht strich und das Monster die grünen Augen dahinter erblickte. So warm und einladend wie ein Wald. Aber Kevin wusste, was für eine Gefahr dort auch lauern konnte. Versteckt hinter all dem Grün.

„Nein, das kann ich nicht tun. Denn dann wäre dieser Junge umsonst gestorben. Du solltest dich erheben und meine Hilfe annehmen. Mache etwas aus dem Leben, dass er dir durch seinen Tod geschenkt hatte. Das bist du vielleicht nicht dir schuldig, aber ihm.“

Ohne es zu wollen, sah Kevin noch einmal auf den leblosen Jungen, bevor ein Seufzer über seine Lippen schlich und er dann nickte. „In Ordnung. Nur eine Frage. Wie willst du mir helfen?“

„Keine Sorge. Ich kenne deinen Feind besser als mir lieb wäre. Und ich weiß, wie ich ihn besiegen kann. Denn ich habe auch noch eine Rechnung mit ihm offen.“ Mit diesen Worten wandte sich der Junge ab, doch Kevin wollte ihn noch stoppen. „Was? Eigene Rechnung? Wieso? Was hat er dir angetan?“

Doch er bekam keine Antwort. Der Junge schritt einfach in Richtung Dorf, wodurch der Wolf keine andere Wahl hatte, als ihm hinterher zu eilen. Er brauchte nur wenige Schritte, um zu seinem unverhofften Helfer aufzuholen, wodurch er diesen irritiert ansah.

Er wirkte so schwach, als würde er jeden Moment zusammenbrechen. Das lange Haar wiegte sich sanft unter seinen Schritten, wo jeder so wirkte, als wäre er der Letzte, den dieser Junge tun würde.

Wie sollte dieser Mensch Kevin überhaupt helfen? Er war so dürr und zierlich, dass man das Gefühl hatte er würde unter der geringsten Belastung zerbrechen. Kevin schätzte ihn auch ungefähr auf sein eigenes Alter ein. Mehr als sechzehn Sommer wird er wohl nicht gesehen haben, wenn nicht sogar weniger.

Ohne sein Zutun sah er noch einmal zurück zu Sebastians Leiche. Das Gras war dunkel von dem vielen Blut, das es aufnehmen musste. Er starb für ihn. Gab sein Blut für den Mörder seiner Familie. Für das Monster, das ihn selbst töten wollte. Er war sein Messias. Das war Kevin nun klarer als jemals zuvor. Doch wenn der Messias tot war, welche Rolle nahm dann dieser Junge ein?

Warum lief er ihm überhaupt nach? Was erhoffte er sich dadurch? Dieser Junge konnte sich doch nicht einmal selbst verteidigen, wie sollte er dann gegen den Zauberer bestehen? Das war doch gar nicht möglich.

Seine Schritte wurden langsamer. Er war sich nicht sicher, ob er das wirklich tun konnte. Wollte er sich wirklich für einen weiteren Tod verantwortlich machen? Konnte er sich ein weiteres unschuldiges Leben auf sein Mordkonto schreiben lassen?

„Was ist los, Kevin? Hast du Angst?“, ertönte die Stimme des Jungen, doch der Angesprochene schüttelte nur den Kopf. Der Kerl musste nun wirklich nicht all seine Gedanken wissen.

„Du wirkst so unsicher. Was bedrückt dich?“, stocherte der Junge weiter nach. Er schien einfach nicht loslassen zu wollen, wodurch Kevin nur schnaubte und dann an diesem vorbei schritt.

Auf dem Gesicht des Jungen war ein Lächeln gezaubert, doch als dieser der Meinung war, dass Kevin ihn nicht mehr sehen würde, verschwand die Wärme aus dieser kleinen Mimik und sie wurde kalt und höhnisch. Ein eisiger Schauer rannte über den Rücken des Tieres, als er dann stoppte und sich zu dem Jungen umdrehte.

„Wer bist du?“ Die Frage war stechend und auch wenn es Kevin gerne gewollt hätte, die Furcht konnte er nicht gänzlich aus seiner Stimme vertreiben, dennoch trieb das Tier in ihm ihn dazu an, sich auf den Jungen zu stürzen und ihn unter sich zu begraben.

Seine Klaue lag auf der Brust, wobei er seine Krallen in den Stoff grub, sodass er den Menschen binnen weniger Sekunden einfach umbringen konnte, wenn es denn wirklich sein musste.

„Wer ich bin, willst du wissen? Ich habe schon darauf gewartet, dass du mir diese Frage stellst“ Das Lächeln verschwand nicht von den Lippen des Jungen und es wurde voller Siegessicherheit noch breiter. Wieso hat das Kind keine Angst? Kevin verstand es nicht.

„Mein Name ist Cido. Cido Hiwatari“, stellte er sich schließlich vor, „und jetzt habe ich eine Frage an dich: Du hast doch bestimmt diesen Deckenhaufen gesehen und die Leiche darunter gerochen. Diese Leiche war meine Mutter und sie wartet darauf, dass man sie rettet. Du hast sie nicht gerettet. Niemand hat das. So wie sie keiner davor gewarnt hat in dieses Haus zu gehen. Warum hast du sie nicht gerettet? Hast du ihre verzweifelten Schreie nicht gehört? Du bist unbesiegbar und wagst es dennoch nicht in ein Haus um eine gepeinigte Seele zu retten? Wie kannst du dir selbst noch in die Augen sehen?“

Kevin wusste nicht, was da gerade geschah, als er spürte wie sich eine gewaltige Energie um den Jungen herum sammelte und im nächsten Moment wurde er einfach von dem Körper herunter an den nächsten Baum geschleudert.

Schmerz durchströmte seinen gesamten Leib und ein kurzes Winseln verließ seine Lippen, als er die Worte des Jungen nur noch am Rande wahrnahm: „Du bist schwach. So schwach. Du hast es nicht verdient zu leben. Niemand hier hat das. Sie alle haben sie getötet. Meine Mutter, die doch niemanden etwas angetan hatte. Dafür werdet ihr alle bezahlen und du, Kevin, wirst der Erste sein.“

Die Schritte des Jungen näherten sich und er blieb vor dem Werwolf stehen. Die gewaltige Haarpracht wurde von der Energie leicht nach oben geweht, wodurch sie sanft darunter tanzte.

Kevin konnte nicht auf diese Anwesenheit reagieren. Der Schmerz, den er das erste Mal fern von dem Haus in diesem Körper wieder wahrnahm, benebelte seine Sinne und machte das Denken für ihn fast unmöglich.

„Warum hast du ihr nicht geholfen?“ Mit dieser Frage hatte Kevin nicht gerechnet, wodurch er nur schwer ein- und ausatmete, um Kraft zu sammeln. „Ich durfte nicht. Meine Eltern haben es mir verboten zu diesem Haus zu gehen. Und als ich kam, war es schon zu spät. Es tut mir Leid.“

„Was für ein Unsinn. Das werde ich dir bestimmt nicht glauben. Du lügst doch nur, um deine Haut zu retten. Ja, du bist wie alle anderen Mörder in diesem Dorf. Ihr habt sie im Stich gelassen. Allesamt! Und jetzt bin ich hier. Hier um sie zu rächen! Und du wirst der Erste sein, der von ihnen sterben wird!“ Erneut wurde die Energie fester und greifbarer, als die Wut des Jungens zunahm, doch Kevin war es nur recht.

Erschöpft legte er seinen Kopf auf den Boden und schloss das Auge. Seine Brust zitterte unter den Schmerzen, die ihm das Atmen noch schwerer machten, bevor er seine Stimme sanft erhob: „Tu es. Töte mich. Erlöse mich. Solange habe ich mich danach gesehen. Einfach zu sterben. Diese Existenz zu beenden. Ich will mich nicht mehr so sehen. Einfach kein Monster mehr sein. Ich habe so viele Leben genommen. So viel Leid zugefügt. Ich möchte nur noch sterben. Doch ich will, dass du es weißt. Ich habe nach der Verwandlung noch einmal versucht zurück zu gehen. Zurück in dieses verfluchte Haus. Doch ich konnte es nicht. Es hätte mich getötet.“

„Was? Wieso wolltest du noch einmal zurück?“ Die Verwirrung in der Stimme des Jungen ließ das Energiefeld langsam verschwinden, wodurch Kevin nur erschöpft sein Auge wieder öffnete. Er würde doch nicht sterben. Noch länger so existieren. Wie lange würde Gott ihn noch bestrafen wollen?

„Ich wollte zurückgehen, um mich für die Verwandlung zu rächen. Doch immer wenn ich mich dem Haus nähere, wird mein Körper von Schmerzen gestürmt, die mich fast in die Bewusstlosigkeit treiben. Ich konnte deine Mutter nicht befreien, weil ich gestorben wäre, bevor ich sie auch nur gesehen hätte“, erklärte Kevin die Situation.

Erneut atmete er schwer, bevor er seinen Kopf wieder zurück auf das Gras legte. „Man verwandelte mich, als ich in das Haus kam und deine Mutter beinahe gesehen hätte. Und seitdem kann ich nicht mehr zurück. Aber du wolltest deinen Rachedurst stillen. Nur zu. Töte mich. Lass mich leiden. Erlöse mich von meiner Qual. Ich will nicht mehr leben und wenn du dadurch noch deinen Zorn freien Lauf lassen kannst, soll es mir nur Recht sein.“

„Nein, das wäre Unrecht. Denn ich kannte nicht die ganze Wahrheit. Man hat mich getäuscht. Es tut mir Leid. Ich werde meine Mutter selbst holen gehen. Auch wenn es mich mein Leben kosten sollte. Ich werde sie holen und falls ich nicht zurückkommen sollte. Vergiss mich bitte nicht.“ Cido wandte sich ab und verschwand dann auf den Weg zum Dorf, wodurch Kevin nur enttäuscht aufwinselte, bevor er sein Auge schloss und unter den Schmerzen das Bewusstsein verlor. Er wurde schon wieder nicht erlöst. Wann würden seine Qualen endlich ein Ende finden? Er konnte und wollte nicht mehr...

Unter der schwerfälligen Bewegung jaulten die Angeln der Tür auf, als man sie langsam öffnete und ein zierlicher Schatten durch den Spalt schlüpfte. Kurz darauf fiel sie auch schon wieder ins Schloss und so kehrte das Zwielicht in das Gebäude zurück.

Das hüftlange Haar ließ die Umrisse des Jungen breiter wirken, als sie wirklich waren, doch es war ihm egal, denn er sah sich in den leicht erhellten Zimmer um. Die Möbel standen alle noch so da, wie sie es bei seinem ersten Besuch getan hatten. Niemand hatte etwas umgestellt oder gar entfernt. Also würde sie auch immer noch hier liegen.

Ein enttäuschter Seufzer schlich sich über seine Lippen, doch er schüttelte den Kopf, um dann dem Fäulnisgeruch ins Wohnzimmer zu folgen. Auch dort ist alles gleich geblieben. Der Deckenhaufen lag immer noch auf der Couch und darunter würde sie auf ihn warten: Die Leiche seiner Mutter.

Eigentlich hatte er gehofft, dass er sie hier lebendig antreffen würde. So lange hatte er nach ihr gesucht. So oft gehofft, dass sie ihn wieder abholen würde. Doch es geschah nicht. Es würde nie wieder geschehen. Sie war für immer fort.

Ihr Lächeln würde für ihn für immer unerreichbar bleiben. Nie wieder würde er ihre Stimme hören. Nur noch der kalte Stein ihres Grabes würde seine Familie sein. Zumindest die Familie zu der er zurückkehren möchte.

Er schluckte schwer, als er sich dazu zwang näher an den Haufen zu gehen und sich endlich der Wahrheit zu stellen. Sie war tot und er musste sie beerdigen. Das war er ihr schuldig. Schließlich war er ihr einziger Sohn.

Gerade wollte er seinen Arm nach der Decke ausstrecken, als er plötzlich eine Diele hinter sich krächzen hörte, wodurch er sich panisch umdrehte und den Schlag in letzter Sekunde ausweichen konnte.

Er hechtete an der Geschalt in schwarzer Kleidung vorbei und rannte auf die Tür zu, denn er wusste, dass sie sich niemals bei Tageslicht im Dorf zeigte. Sie konnte es nicht ohne ihre Identität preis zu geben und das schien sie mit aller Macht verhindern zu wollen.

Doch als seine Hand die Türklinke umfasste und das Holz aufdrücken wollte, bewegte sie sich keinen Zentimeter. Sie war verschlossen. Er war hier gefangen, wodurch er die Schritte näher kommen hörte und im nächsten Moment tauchte schon der Schatten in der Tür zum Wohnzimmer auf. Verdammt! Wo sollte er hin? Was war die nächste Möglichkeit?

Die Panik trieb Cido nach oben in den ersten Stock. Er nahm gleich immer zwei Treppenstufen auf einmal, um so schnell wie möglich das Ende der Treppe zu erreichen, wobei er dann nicht einmal wusste, wohin er eigentlich fliehen sollte.

Das Haus war ihm unbekannt. Er kannte sich hier keinen Zentimeter aus, wodurch er einfach mal nach Links abbog. „Hoffentlich kann ich dort irgendwo raus. Ich muss diesem Zauberer entkommen.“

Ohne lange nach zudenken, sperrte er sich in das nächstbeste Zimmer ein, wobei er sich an die Tür gelehnt zusammenkauert und hoffte, dass der Kerl daran vorbeigehen würde.

Er wollte hier nicht sterben. Er durfte hier einfach nicht sterben. Schließlich musste er doch seine Mutter befreien. Er war der Letzte, der sie kannte und es für sie tun konnte. Das war er ihr schuldig. Damit ihr Geist in Frieden ruhen konnte. Sie durfte hier nicht für alle Zeit gefangen sein. Das hatte sie nicht verdient. Nicht sie.

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9783754174104
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