Читать книгу: «Engel und Dämon», страница 2

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„Nein, du darfst nicht gehen.“ Die Frau klammerte sich verzweifelt an den Arm ihres Mannes, als dieser seine Armbrust packte und dabei war das Haus zu verlassen. „Es wird auch dich töten.“

„Das kann durchaus sein, aber wenn ich es nicht davon abhalte die Tiere zu töten, dann wird der Winter uns umbringen.“ Er stieß sein Weib sanft von sich, sodass sie von ihm ablassen musste und ein paar Schritte zurückwich.

Dann verschwand er aus der Tür und ließ seine Ehefrau leise weinend zurück. Der Knall der Armbrust durchriss die Nacht. Einmal, zweimal und sogar ein drittes Mal. Dann hörte man seinen dunklen Schrei, bevor er gurgelnd erstarb.

Das Wimmern der Frau wurde zu einem verzweifelten Schrei, bevor sie der Heulkrampf packte und sie in sich zusammenfiel, während die Tränen ihren Körper durchschüttelten. Kaum erstarben die gepeinigten Schreie der Tiere, erklangen die Schritte der Bestie, die sich aus dem Dorf entfernten und somit die Stille zurückkehrte, die nur von dem Weinen der frisch verwitweten Frau durchbrochen wurde. Keiner rührte sich. Es blieb ruhig und dunkel. Man spürte nur diese eisige Klaue der Angst, die sich tief in diese Gemeinde grub und dabei Wunden schlug, die nie wieder verheilen würden. Sie waren alle verloren...

Es zogen einige Tage in das Land und die Dorfbewohner kamen nicht weiter. Die Tiere wurden immer weniger. Niemand hatte die Bestie gesehen, denn wer sich ihr stellte, überlebte das Zusammentreffen nicht.

Dennoch gab es Gerüchte von Menschen, die ihren Schatten gesehen haben wollten. Sie beschrieben die Bestie, als eine buckelige, mit langen, scharfen Klauen ausgestattete Wolfsgestalt, die sich trotz der Verformungen sehr geschmeidig und schnell bewegen konnte. Ihr Anblick sollte einen das Blut in den Adern gefrieren lassen. So voller Grausamkeit und kaum lebensfähig, aber doch so stark und unbezwingbar. Ein wahrer Fluch.

„Ältester! Wir müssen etwas unternehmen! Bald haben wir kein Vieh mehr!“, begehrte ein Bewohner bei der Versammlung, die mittlerweile jeden Morgen stattfand, auf, wobei ihm eine weitläufige Zustimmung zuteil wurde. So konnte es nicht mehr weitergehen, sonst würden sie den Winter nicht überleben können.

„Der Winter kommt immer näher! Wenn wir es nicht bald aufhalten, dann werden wir sterben!“, erhob der nächste Einwohner seine Stimme, während der alte Mann schwer seufzte: „Ich weiß, meine Kinder. Aber wir sind machtlos. Die Götter meinen es gerade nicht gut mit uns.“

Er wollte noch etwas sagen, doch ein wütender Bürger unterbrach ihn: „Kevin! Daran ist bestimmt Kevin Schuld! Die Bestie ist erst seit dem Abend da, an dem der Junge verschwunden ist. Bestimmt hat der Bengel irgendwas getan, was die Götter erzürnt hat. Das Balg war noch nie zu irgendetwas nutze!“

„Nein! Kevin war das nicht! Er ist ein lieber Junge! Niemals würde er etwas tun, was uns schaden könnte“, widersprach die Mutter von Kevin sofort, wobei man ihr ansah, dass der Kummer auch sie gezeichnet hatte. Sie wirkte wie eine alte, schwache Frau, die mit ihren zitternden Händen verzweifelt ein Taschentuch umklammert hielt.

„Euer Vieh lebt doch noch, oder? Und das obwohl ihr so nah am Rand wohnt. Wie kommt das denn?“, schaltete sich nun ein weiterer Bewohner ein, wobei die Frau diesen verunsichert ansah und somit meldete sich der Vater zu Wort: „Das hat nichts zu bedeuten. Wir hatten einfach Glück. Aber mein Junge ist zu so etwas nicht fähig. Er kann ja nicht einmal vernünftig Holz hacken.“

„Jetzt fällt es mir wieder ein. Ich habe Kevin an dem Tag, bevor er verschwunden war, bei dem verfluchten Haus gesehen. Bestimmt ist er in der Nacht dort hinein gegangen und hat somit den Zorn des Gemäuers auf uns gezogen!“ Kaum war dieser Anklagepunkt ausgesprochen, richteten sich alle Augen voller Hass und Zorn auf die verzweifelten Eltern.

„Ihr seid an diesem Unheil Schuld! Ihr alleine! Wegen euch werden wir alle sterben! Ihr habt uns verflucht!“ Die Worte vermischten sich und die Stimmung drohte umzukippen, wodurch der Dorfälteste laut mit seinem Stock auf den Boden schlug, um die Aufmerksamkeit zurück zubekommen.

„Das Letzte, was wir jetzt noch brauchen können, ist, dass wir uns nun gegenseitig abschlachten. Wir haben keine Beweise dafür, dass Kevin das Monster ist. Aber was ich vorher sagen wollte, bevor man mich unterbrach.“ Sein Blick legte sich zornig auf den Bauern, der ihn vorhin ins Wort gefallen war. „Ich habe mit unseren Nachbardörfern geredet. Sie werden uns ein paar ihrer Vorräte abgeben, dass wir den Winter überleben können. Natürlich nicht umsonst. Ich habe ihnen versprochen, dass wir ihnen im nächsten Jahr bei den Feldarbeiten ein wenig unter die Arme greifen werden. Das ist ein geringer Preis dafür, dass wir den Winter überleben werden.“

Die Stimmung lockerte sich durch diese gute Nachricht ein wenig auf, doch der Hass blieb. Und als sich die Versammlung auflöste, wurden die verachtenden Blicke, die man den Eltern von Kevin zuwarf, nicht weniger, sondern schienen sich sogar mit Mordlust zu füllen. Sie waren für alle schuld. Sie alleine und dafür würden sie bezahlen...

Der Schnee begann mittlerweile zu schmelzen, als eine neue Familie in das Dorf kam. Sie hatten zwei Kinder, eine Tochter und einen Sohn, die ungefähr das gleiche Alter wie Kevin hatten.

Der Sohn schritt ruhig durch die Straßen des Dorfes um sich ein wenig um zu sehen. Die Blicke der Menschen bemerkte er sehr wohl. Sie waren voller Groll und Misstrauen. Keiner sprach ihn an. Jeder wandte sich ab, wenn sich ihre Augen trafen, derweil sah er nicht ganz so merkwürdig aus. Seine roten, schulterlangen Haare waren nichts Besonderes. Auch seine Kleidung bestand aus einfachem Leinenstoff, der nicht sonderbar gefärbt war.

„Von was ernährten sich die Dorfbewohner hier überhaupt?“, schoss es ihn in den Kopf, als er weder Vieh noch Ackerfelder sah und erst jetzt bemerkte er die eingefallenen Gesichter und die mageren Körper.

„Sie waren am verhungern!“, schoss es ihn voller Entsetzen in den Kopf. Warum war seine Familie nur hier her gezogen? Er begriff es immer weniger. Dieser Ort hatte nichts zu bieten. Es war nur ein trauriger Flecken Erde. Nicht mehr und auch nicht weniger. Er wollte hier nicht länger als nötig bleiben. Hoffentlich hatten das auch seine Eltern vor.

Sein Blick fiel ebenfalls auf ein Haus, das einsam in der Mitte des Dorfes stand, wobei er sich diesem langsam näherte. Es wirkte alt und verfallen, doch der Garten darum war gepflegt und gehegt. Nur die Mauer war von Efeu überwachsen und schien das Menschenwerk langsam wieder in die Natur einzufügen.

„Wer dort wohl wohnt? Er scheint das Haus ja nicht sonderlich zu mögen“, sprach er eher zu sich selbst, als er näher trat, aber bevor er das Grundstück betreten konnte, wurde er hart am Arm gepackt.

"Autsch!", verließ ein Schmerzenslaut seine Lippen, als er sich zu jenem umdrehte und in das schwache Gesicht eines Bauers sah, welches gar nicht vermuten ließ, dass so viel Kraft noch in diesem Arm steckte.

„Nicht, Junge. Das Haus ist verflucht. Niemand darf sich ihm nähern. Verstehst du? Niemand. Du würdest Unheil über dich und deine Familie bringen. Bitte, Junge, bleib davon fern.“ Die Augen des Mannes wurden flehend und sie füllten sich langsam mit Tränen, bevor er den Arm des Jungen wieder losließ und dann einen Schritt nach hinten ging.

„Sei bitte vernünftiger als er.“ Die Worte waren fast zu leise, um verstanden zu werden, allerdings gelang es dem Jungen. Jedoch noch bevor dieser etwas erwidern konnte, drehte sich der Bauer um und ging zurück an seine Arbeit.

Noch ein Mal sah der Junge zurück zu dem Haus, bevor er den Kopf schüttelte und sich abwandte. Er konnte spüren, dass etwas Unheimliches davon ausging und er wollte dies nicht erforschen. Dafür war er nicht mutig genug. Noch nie hatte er Abenteuer gesucht, sondern war froh, wenn er seine Ruhe hatte. Er wollte nirgends hineingezogen werden, sondern nur sein Leben beschreiten. Die Welt war schon grausam genug, da musste man sich nicht noch verzweifelt in jedes Problem stürzen.

Ein Seufzer schlich sich über seine Lippen, als er sich dann auf den Heimweg machte, denn schließlich musste er noch seine Sachen auspacken und irgendwie hatte ihm die Reaktion des Bauers Angst gemacht. Sein Oberarm schmerzte noch an der Stelle, an der er gepackt wurde und so strich er ein wenig darüber. Irgendwas stimmte hier nicht. War das der Grund, warum sie hierher gekommen waren? Wollten seine Eltern diesen Fluch lösen? Hoffentlich schafften sie es, denn irgendwie hatte er das Gefühl, dass es dieses Mal anders war. Bedrohlich anders...

„Und, Sebi, wie ist das Dorf so?“ Seine Schwester saß neben ihm auf dem Boden und half ihm die letzte Kiste auszupacken. Der Junge besaß nicht fiel, doch dafür hing sein Herz an seinen Sachen. Dank der häufigen Umzüge hatte er es sich angewöhnt nicht zu viel zu besitzen. Erleichterte die Sache des Ein- und Auspacken ungemein.

„Es ist tot.“ Seine Stimme war leise und deprimiert, wobei er seinen Blick senkte und kurz in seiner Handlung innehielt.

„Wieso ist es tot? Es laufen doch noch genügend Leute draußen herum. Also wie ausgestorben hat es nicht auf mich gewirkt.“ Das Mädchen lächelte und strich sich eine ihrer taillenlangen, blauen Strähnen hinters Ohr, damit sie ihr nicht im Weg umging.

„Ja, es leben noch Menschen hier, Sarah. Aber sie sind dürr, ausgehungert und schwach. Sie werden nicht mehr lange überleben. Hier gibt es nichts zu essen. Kein Tier und kein Getreide.“ Sebastian seufzte schwer und räumte schließlich eine kleine Schleuder in eines seiner Regale. Sie war das Letzte und somit war er hier eingezogen. Die Frage war nur für wie lange.

„Der Winter ist ja jetzt vorbei. Sie werden es schon schaffen. Mach dir da keine Sorgen.“ Sie winkte mit einem Lächeln ab und erhob sich schließlich, wobei sie ihr braunes Kleid glatt strich.

„Ich würde es gerne, aber da ist ein Haus.“ Sebi wollte weiter sprechen, doch seine Schwester unterbrach ihn spöttisch: „Ach wirklich? Ein Haus? Stell dir vor, in einem Dorf gibt es mehr als nur ein Haus.“

Ihr Bruder strafte sie dadurch mit einem bösen Blick, bevor er dann schwer seufzte: „Nein, so meinte ich das nicht. Als ich mich dem Gebäude nähern wollte, hielt man mich auf und warnte mich davor, dass es Unglück bringen würde. Ich frage mich, ob es an dem Leid der Bauern schuld ist.“

„Du wirst es aber nie herausfinden. Warum zerbrichst du dir dann den Kopf darüber?“ Sie sah ihn fragend an, wobei er ihren Blick verwirrt erwiderte. „Wie kommst du denn darauf?“

„Na ja, du bist ein Feigling. Niemals würdest du den Mut dazu aufbringen, auch nur einen Fuß in dieses Gemäuer zu setzen. Vor allem wenn man dich davor gewarnt hat, dass es dort gefährlich sein könnte“, spottete sie weiter über ihn, wodurch sein Blick sich verfinsterte.

„Ein Mensch kann sich ändern“, grummelte er leise in sich hinein, wobei seine Schwester kurz auflachte: „Ja, dass kann er vielleicht, aber nicht, wenn er ein so großer Angsthase ist wie du. Du traust dich ja nicht einmal eine Spinne zu entfernen und rennst vor allem davon, was auch nur ansatzweise für Probleme sorgen könnte. Seien es nun Lehrer, Mitschüler oder Mutproben. Du bist und bleibst ein Feigling, Sebastian Hudo.“

Sebastian spürte einen Kloß in seinem Hals. Sie hatte ihm sämtliche Argumente genommen, wodurch er sie nur entgeistert anstarrte, was sie mit einem kurzen Lächeln das Zimmer verlassen ließ. „Schach matt, Bruderherz. Lass die Bauern lieber selber damit klar kommen. Du bist der Letzte, der ihnen helfen kann.“

Sie war gemein und Sebi spürte, wie er einen Groll gegen seine Schwester entwickelte. Warum machte sie sich so über ihn lustig? Ja, er war früher ein Feigling gewesen und ist den Problemen, wo es nur ging, aus dem Weg gegangen. Aber hatte er nicht auch eine Chance verdient, zu beweisen, dass er sich ändern konnte?

Er starrte in sein Zimmer, bevor er sich langsam auf sein Bett fallen ließ und die mit Holz verkleidete Decke betrachtete. Ja, seine Familie war nicht arm gewesen. Sie gehörten zu der Oberschicht, deswegen war ihnen Bildung zuteil geworden, die anderen Kindern verweigert wurde.

Seine Eltern waren hierher gezogen, um den Bauern zu helfen, ihre Krise zu überstehen, denn sie waren Abgesandte des Herzogs von diesem Landstrich. Sie zogen oft um. Viel zu oft. Wodurch sie sich darauf geeinigt hatten so wenig Gepäck wie nötig mitzunehmen, damit sie nicht allzu viel Zeit mit Ein- und Auspacken verschwendeten.

Ein Seufzer stahl sich über seine Lippen, als er weiter über das Haus und die Bevölkerung nachdachte. Es schien ein wirklich gravierendes Problem zu sein, wenn seine Eltern gerufen wurden. Und die abgemagerten Bewohner bestätigten diese Vermutung sogar.

Er wollte gar nicht wissen, wie viele kleine Kinder in dem Winter gestorben waren. Alleine bei dem Gedanken fröstelte es ihn, wodurch er nach der Decke aus Lammfell griff, um sich kurzerhand in sie einzuwickeln.

Ob er diesen Leuten auch irgendwie helfen konnte? Wenn er nur wüsste, was sie heimgesucht hatte und nun plagte. Er spürte in sich den Wunsch diesen Leuten zu helfen. Egal wie. Einfach nur etwas für sie tun, dass sie wieder einen Funken Hoffnung bekamen. Dass sie wieder die Chance verspürten, doch noch irgendwie weiterleben zu können.

War er dazu wirklich in der Lage? Er fühlte sich plötzlich so alleine und schwach. Niemand stand hinter ihm. Seine Freunde waren nicht hier und seine Schwester verspottete ihn nur.

Keiner war hier, der an ihn glaubte. Sein bester Freund nicht und die beiden anderen auch nicht. Es waren nur drei gute Freunde, aber Sebastian war immer schon der Meinung, dass er lieber wenig gute, als viele schlechte Freunde haben wollte, deswegen ließ er nur die wenigsten an sich heran.

Sie fehlten ihm und er spürte, wie dieses Gefühl sich immer tiefer in seine Brust bohrte. Wie gerne würde er jetzt einfach zu ihnen gehen und sie um Rat fragen. Bestimmt würden sie ihm sogar behilflich sein, diesen Menschen zu helfen.

Eine einzelne Träne lief über seine Wange, als er langsam seine Augen schloss und sich zusammenrollte. Er wollte einfach nur schlafen. Ein wenig schlafen und diese Einsamkeit und Hilflosigkeit vergessen, wodurch er sich in die Traumwelt geleiten ließ, um den Problemen erneut zu entkommen…

Ein lauter Schrei ließ Sebastian aus seinen Schlaf hochschrecken. Erst glaubte er, dass er sich das Geräusch eingebildet hat, doch als weitere Geräusche des Chaos an sein Ohr drangen, war er hellwach.

Er dachte nicht viel nach, als er aus dem Bett sprang und nach unten stürzte. Immer wieder drang ein kurzer Schrei zu ihm hindurch. Sie gehörten alle seiner Schwester und die Panik wuchs mit jedem weiteren Geräusch, das er vernahm.

Nicht jetzt. Nicht jetzt durfte er zu spät kommen. Schneller. Er musste schneller laufen, sonst würde er sie nicht retten können und das durfte nicht passieren. Nein, er musste einfach rechtzeitig ankommen.

Die Treppenstufen nahm er gleich mehrfach und sprang mehr, als dass er lief. Weit ausgreifende Schritte brachten ihn immer näher an sein Ziel, wobei er sich an dem Geländer festhalten musste, als er um die Ecke bog.

Dennoch wurde er abrupt gestoppt. Irgendetwas lag im Weg und brachte ihn somit zu Fall. Hart prallte er längs auf den Boden auf. Sein Kopf schnellte in die Höhe und er sah in das Gesicht von Sarah. Ihr Körper war erschlafft und ihre Augen geschlossen. Anscheinend war sie ohnmächtig geworden. Der Stress war wohl zu viel für sie gewesen oder sie hatte den Anblick ihres Entführers nicht verkraftet.

Ein Kloß bildete sich in seiner Kehle als er sah, wer oder besser gesagt was Sarah gerade über seiner Schulter trug. Eine behaarte Bestie stand auf zwei Beinen in der Mitte des Zimmers und erfüllte den Raum mit dem Geruch von nassem Hund.

Der Wolfsschwanz peitschte unruhig hin und her, während immer wieder Blut auf den Boden tropfte. Das eine Bein war länger als das andere, genauso wie die Arme unterschiedlich aussahen. Hier und da erblickte man einen Knochen, der durch das Fleisch brach.

Plötzlich kam Bewegung in den Koloss und Sebastian konnte sehen wie der Geifer von dem Maul tropfte und eine Pfütze auf den Boden bildete, wobei ihn ein eisiger Schauer durchstreifte, als er in das Gesicht der Bestie sah.

Der Kiefer wirkte ausgerenkt, und war voller scharfer und krummer Zähne. Hellrosaner Schaum klebte an den Lefzen und im Fell. Das Gesicht war voller Narben, während ein einzelnes giftgrünes Auge den Jungen fixierte. Die andere Augenhöhle war leer. Das dunkelgraue Fell wurde immer wieder von Wunden, Knochen und Narben durchbrochen, weshalb sich der Brustkorb schwerfällig hob und senkte.

„Wenn du deine Schwester wiedersehen willst, dann komm zu mir in den Wald. Ich werde auf dich warten.“ Das Maul bewegte sich nicht, dennoch erfüllte die dunkle Stimme den Raum und Sebastian wollte gerade antworten, doch mit einem Satz war die Kreatur auch schon durch das Fenster verschwunden.

„Warte.“ Sebastian streckte seine Hand aus, doch seine Bitte blieb unerhört, wodurch er sich langsam erhob und in dem Raum umsah. Der Tisch und die Stühle waren umgestoßen. Sämtliche Teller und Bestecke waren quer über den Boden verteilt.

Anscheinend hatte es Sarah der Bestie nicht unbedingt einfach gemacht. Dennoch wurde sie gefangen und es lag an ihm sie zu befreien. Doch konnte er das wirklich? Er lauschte in sein Inneres. Hörte das schnelle Schlagen seines Herzens und wie der Puls in seinen Ohren pochte.

Dennoch verspürte er keine Angst. Er hatte keine Furcht vor diesem Tier. Denn auch wenn es grausam aussah, es wirkte nicht so. Es hatte in keiner Sekunde Bedrohung ausgestrahlt und wahrscheinlich hatte es auch seine Gründe, warum es Sarah entführt hatte.

Sebastian atmete noch einmal tief ein und aus, bevor er sich dann abwandte und das Haus verließ. Seine Schritte führten ihn zielstrebig zu dem Wald, der das Dorf umschloss, um dann in dessen Schatten einzutauchen. So schnell wie möglich, bevor die Angst zurückkam und den Mut verschlang. Er musste sie retten. Nur er alleine. Das wollte die Bestie so und auch wenn Sebastian es nicht verstand. Vielleicht war jetzt der Tag gekommen, an dem er sich verändern konnte. An dem er endlich beweisen konnte, was in ihm steckte...

Der Weg war matschig von dem Tauwasser des Schnees und ließ die Füße des Jungen immer wieder ein Stück weit versinken. Sebastian wusste nicht, wo er hin musste, doch er folgte einfach seiner Nase. Irgendein Gefühl sagte ihm, dass es der richtige Weg war.

Vielleicht lag es daran, dass es nur diesen einen zu geben schien. Die Bäume wichen vor ihm zurück. Öffneten sich oder verschlossen sich vor ihm. Unbekannte Geräusche drangen an sein Ohr, die ihn das Blut in den Adern gefrieren ließen.

Die Bäume schienen immer näher zu kommen. Sebastian begann bei jedem Geräusch zusammen zu zucken und sich panisch umzudrehen. Doch er erkannte in der Dunkelheit nichts außer tanzenden Schatten, die sich in seinem Geist zu grausigen Gestalten formten.

„Weitergehen. Immer weitergehen, Sebastian. Du darfst keine Angst haben. Nichts in diesem Wald kann dir gefährlich werden. Einfach weitergehen. Du musst deine Schwester befreien. Sonst ist doch niemand da, der das tun könnte. Sie verlässt sich auf dich. Du darfst jetzt nicht kneifen“, versuchte er sich selbst Mut zuzureden, wobei er plötzlich ein lautes Knacken hinter sich hörte und mit einem Schrei umfuhr.

Doch dort war nichts. Nur die Dunkelheit mit ihren flackernden Schatten. Sebastian atmete erleichtert aus und war dabei sich zu entspannen. Er drehte sich wieder um und erneut entfuhr ihm ein Schrei, denn vor ihm auf dem Weg stand das Wesen. In sicherere Entfernung und so dass er nur ihre Umrisse erkannte.

„Du bist doch kein Feigling. Hast dich getraut in der Nacht hier in meinen Wald zu kommen. Wusstest du nicht, dass ich jeden töte der ihn in der Nacht betritt? Ja... Ich bin das Monster, das die Bewohner verzweifeln lässt. Und ich bin auch daran schuld, dass es kaum noch Wild hier in den Wäldern gibt. Denn ich habe Hunger. So unsagbar viel Hunger.

Doch wenn ich dann etwas gefunden und gefangen habe, bin ich satt. Ich brauche nur meine Zähne in ihr Fleisch bohren und das warme Blut auf meiner Zunge schmecken, dann bin ich satt. Doch kaum lass ich von ihnen ab, verstärkt sich wieder mein Hunger. Selbst wenn ich sie esse. Später kotze ich sie wegen zu vollem Magen aus. Ich bin verflucht. Verflucht von einem Wesen, das du nicht kennst. Und nur einer kann mich erlösen.

Doch diese Person habe ich noch nicht gefunden. So oft wollte ich mich töten lassen. Doch kaum haben sie mich angegriffen, schlug ich sie tot. Ich hab es nicht leicht. Nur weil ich zu neugierig war. Weil ich jemanden helfen wollte, den man nicht mehr helfen konnte. Bitte... finde diese Person für mich. Ich habe schon viel zu viel opfern müssen.

Ein Auge zum Beispiel. Aber ich sehe noch genauso gut wie mit zwei. Schmerzen spüre ich keine mehr. Was bin ich nur für ein Monster geworden? Sieh mich an und sag mir was oder wer ich bin!“, hörte er eine dunkle Stimme, die voller Verzweiflung und Schmerz war.

„Du bist ein verstümmeltes Tier. Siehst aus wie ein Wolf aber gehst auf zwei Beinen. Hast nur ein Auge und überall Narben. Deine Glieder sind ungleich lang. Tja, ich würde sagen, dass du ein Werwolf bist, der ein wenig zu viel einstecken musste“, erwiderte er.

„Du bist ehrlich. Das muss ich dir wirklich lassen. Darum werde ich dich nicht umbringen. Aber wenn ich dich jetzt zu deiner Schwester bringe, dann versprich mir, dass du mir hilfst wieder ein ganz normaler Junge zu werden. Denn ich habe das Leben als Bestie wirklich satt“, sagte das Biest, zu Sebastians Überraschung ohne jegliche Wut.

„Ich würde gerne erst einmal meine Schwester sehen und dann können wir ja besprechen, wie es weitergeht. Denn ich bin mir nicht sicher, ob ich dir wirklich helfen kann“, meinte der Junge ruhig und das Biest sah ihn gelassen an: „Ich verstehe. Folge mir. Aber komm mir bitte nicht zu nahe. Das könnte dir nicht gut tun.“

Sie wandte sich ab und schritt voraus, wobei Sebastian zur Verfolgung ansetzte. Der Wald veränderte sich in der Nähe des Monsters. Es wirkte, als würde er vor ihr zurückweichen und neue Wege entstanden, die vorher nicht da waren. Da war sich Sebastian mehr als sicher.

Dennoch verwirrte ihn das Verhalten der Bestie viel mehr als das Verhalten des Waldes. Warum war sie plötzlich so freundlich? Warum wollte sie auf einmal, dass er ihr half? Eigentlich war sie doch sein Feind. Warum sollte er sich mit ihr verbrüdern? Aber was würde wohl mit seiner Schwester passieren, wenn er diesem Monster nicht zur Seite stand? Würde es sie einfach umbringen oder noch viel schlimmere Dinge mit ihr machen?

Sebastian schauderte es alleine bei der Vorstellung, was dieses Biest bereit war zu tun. Er konnte es nur sehr schlecht einschätzten. Zu verschieden waren ihr erstes Auftreten und das jetzige Verhalten.

Dennoch freute sich Sebastian, seine Schwester zu sehen. So sehr, dass er unbewusst seine Schritte beschleunigte. Er wollte so schnell wie möglich bei ihr sein und ihr sagen, dass alles wieder gut werden würde. Das war er ihr doch irgendwie schuldig. Denn so wie es aussah, war er der Grund, warum man sie entführt hatte.

Plötzlich ging er einen Schritt zu weit und die Umgebung kühlte spürbar ab. Es geschah alles in Zeitlupe vor seinen Augen. Wie in dem Moment, in dem man sterben müsste. Das Biest drehte sich um, wobei ein dunkles Knurren aus ihrer Brust grollte und seine Zähne waren weit auseinander gerissen. Die Pranken tödlich erhoben, dennoch war das Auge anders. Es passte nicht zu diesem Bild des Angriffs, denn es war erfüllt von Enttäuschung und Trauer.

Sebastians Körper reagierte eher instinktiv, als er versuchte zu flüchten. Doch er war zu langsam, denn die Bestie kam über ihn und begrub ihn unter sich.

Noch im Fall drehte er sich um, damit er sich verteidigen konnte und es war mehr Glück als Können, dass seine Hand beim Aufprall einen Ast ertastete, den er fest umschließen konnte und in die Höhe riss.

Die gewaltigen Kiefer, die eigentlich für seinen Hals bestimmt waren, bohrten sich mit einer enormen Kraft in den erhobenen Stock und drückten weiter dagegen. Sebastian brauchte all seine Energie, um diesem Monster etwas entgegen setzen zu können. Doch er konnte sich anstrengen, wie er wollte. Die Bestie kam näher und näher. Er würde verlieren.

„Ich bin verflucht. Dieser Körper gehört mir nicht mehr. Es tut mir Leid, dass ich dich gleich töten werde“, erklang erneut diese Stimme, die eindeutig der Bestie zu gehören schien, doch sie klang viel zu menschlich dafür.

Geifer tropfte auf Sebastian herab, wodurch er sich angewidert wegdrehte und sich weiter gegen die Bestie stemmte. Er würde verlieren. Wenn jetzt nicht bald ein Wunder geschah, dann war er dazu verdammt hier und jetzt zu sterben.

Zerrissen von diesen Monster. Nutzlos gestorben. Er würde seine Schwester nicht retten können. Das Dorf würde untergehen. Er war zu schwach. Einfach zu schwach.

Das Knurren war dunkel an seinem Ohr und er konnte den widerlichen Atem auf seiner Wange spüren. Der Mundgeruch der Bestie trieb Sebastian näher an die Ohnmacht, wodurch er sich zwang so flach wie möglich zu atmen, doch er brauchte den Sauerstoff, um seine Muskeln zu versorgen.

Nein, er durfte hier nicht sterben. Dafür stand viel zu viel auf den Spiel. Er alleine konnte seine Schwester retten. Sonst würde es doch niemand tun. Seine Eltern würden ihr Fehlen wahrscheinlich nicht einmal bemerken.

Noch ein letztes Mal spannte er all seine Muskeln an und befreite sich mit einem gewaltigen Ruck von dem Biest. Rappelte sich sofort in die Höhe und begann die Bestie zu belauern, die ebenfalls um ihn herum zu schleichen begann.

„Was? Du lebst noch? Hey, vielleicht kannst du es ja doch schaffen! Los! Besiege dieses Monster!“, erklang die Stimme erneut, doch Sebastian konnte ihren Ausgangspunkt nicht feststellen, denn der Mund des Wolfes bewegte sich kein Stück.

War er nicht alleine hier? War noch jemand anderes da? Wenn ja, warum half er ihm nicht?

Suchend sah er sich um, doch diese Unachtsamkeit nutzte der Wolf sofort und sprang den Jungen aufs Neue an, wodurch er ihn grob zu Boden riss. Die abgestorbenen Blätter krallten sich in das Fell und die Kleidung des Jungen, während sie sich in dem Laub wälzten.

Immer wieder schnappte der gewaltige Kiefer der Bestie nach dem Hals des Jungen, doch bis jetzt konnte er jedes Mal im letzten Moment ausweichen. Seine Kraft begann schon zu schwinden. Der Abstand zwischen Zähne und Haut wurde immer geringer und im nächsten Moment passierte es.

Ein gleißender Schmerz schoss ihn in den Hals und er spürte wie man ihm ein Stück der Haut abzog, wobei er sah, wie die Bestie dieses kleine Stück Fleisch genüsslich verschlang.

Mit einem lauten Schmatzen ließ sie das Stückchen Nahrung ihre Kehle hinunter gleiten, wobei es leicht sein Auge schloss. Doch Sebastian konnte diesen Moment der Unachtsamkeit nicht ausnutzen, denn die Pranke lag schwer und tödlich auf seiner Brust, als auch schon das Gesicht der Bestie zurückkam.

Ihr Auge leuchtete durch die Vorfreude, die in ihr wütend musste, dass sie nun eine sichere Beute hatte, doch Sebastian wollte nicht glauben, dass er wirklich schon verloren war. Es musste doch noch einen Weg aus diesem tödlichen Gefängnis geben.

Das Monster spielte mit ihm. Seine Zunge schleckte den Jungen ab und immer wenn er über die Wunde leckte, durchfuhr Sebastian ein brennender Schmerz, der ihn zusammenzucken ließ.

Der Kiefer der Bestie war so nah. Er musste nur zuschnappen, dann wäre alles vorbei. Sebastian wäre tot und würde seine Schwester nicht retten können. Er hatte versagt. Oder doch nicht?

Er spürte wie die Kraft auf der Pranke ein wenig nachließ, wodurch er versuchte seine letzten Energiereserven zu mobilisieren, um sich zu befreien. Doch kaum bewegte er sich einen Zentimeter verlagerte der Wolf sein Gewicht zurück auf seine Pfote und Sebastian spürte, wie sich dessen Klauen in den Stoff und leicht in seine Haut gruben.

Das Gesicht des Monsters kam näher und der Junge konnte direkt in das giftgrüne Auge sehen, das ihn finster fixierte. Er spürte, wie sich die Angst in seinen Magen vergrub und ihn zu einem schweren Klumpen machte, als er nur trocken schlucken konnte.

Ja, jetzt war er sich sicher. Er würde hier sterben. Hier auf diesem Waldboden und von dieser Bestie einfach zerfleischt werden. Niemand würde seine Leichen finden. Niemand würde auch nur nach ihm suchen. Denn sie hatten alle Angst. Noch mehr Angst als Sebastian jetzt.

Der Atem roch widerlich und er war gehetzt und schwerfällig, als hätte die Bestie vor kurzem einen langen Lauf hinter sich gebracht, doch ihr Kampf war dafür eigentlich zu schwach gewesen. Niemals hätte sie so schwer atmen dürfen. Zumindest nicht wegen der kleinen Rangelei. Aber er fand keine Erklärung für diesen unnatürlichen Zustand.

Vielleicht fiel es ihr einfach wegen dem verkrüppelten Brustkorb generell schwer zu atmen? Wenn er ehrlich war, konnte er nicht einmal verstehen, wie dieses Wesen überhaupt leben konnte. So viele Knochen, wie aus der Haut heraus ragten. Genauso wie die vielen klaffenden Wunden, die schwach vor sich hin bluteten. Das Tier müsste eigentlich irgendwann daran sterben. Aber sie schien nicht eine Sekunde schwächer zu werden. Warum?

„Du bist es also auch nicht“, durchbrach eine enttäuschte Stimme seine Gedanken. „Wer bin ich nicht?“, hakte Sebastian nach. „Der Auserwählte. Du bist zu schwach. Wenn du nicht einmal gegen mein zweites Ich ankommst, wie willst du ihn dann besiegen?“, erklärte sie es ihm. „Wen denn?“ Er ließ nicht locker.

„Den Mann in dem Haus“, antwortete sie. „Aber was hat das Ganze mit ihm zu tun?“ Sebastian verstand überhaupt nichts mehr. „Er… Er hat mich zu dem gemacht, was ich jetzt bin“, stotterte die Stimme. „Also muss ich zu ihm?“, fragte er weiter. „Ja.“ Die Stimme wurde immer leiser. „Wenn sonst nichts Weiteres dabei ist, dann verlass dich ruhig auf mich. Ich werde das Kind schon schaukeln“, sagte Sebastian siegessicher.

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9783754174104
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