Читайте только на ЛитРес

Книгу нельзя скачать файлом, но можно читать в нашем приложении или онлайн на сайте.

Читать книгу: «Wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen», страница 46

Шрифт:

51
Silber im Meer

Samstag, 8. Oktober

Wie wir alle wissen, ist das Meer wild und anmaßend, und der seinen Angriffen am meisten ausgesetzte Teil Schwedens ist deshalb schon vor langer, langer Zeit durch eine lange und breite steinerne Mauer geschützt worden, die Bohuslän heißt. Die Mauer ist ungefähr so breit, daß sie das ganze Land zwischen Dalsland und dem Meere ausfüllt, aber sie ist nicht besonders hoch, wie das bei den Uferdämmen und Wellenbrechern meistens zu sein pflegt; sie ist aus gewaltigen Felsblöcken errichtet, und an manchen Stellen sind ganze Bergrücken eingefügt worden. Das Bauen mit kleinen Steinen hätte auch gar keinen Wert gehabt, wo es sich darum handelte, einen Schutzwall gegen das Meer aufzurichten, der sich vom Iddefjord bis zum Götaälf erstrecken sollte.

Solche großen Bauwerke werden ja in unsern Tagen nicht mehr hergestellt; diese Mauer ist auch ungeheuer alt, und es kann nicht geleugnet werden, daß der Zahn der Zeit tüchtig an ihr genagt hat. Die großen Felsblöcke liegen nicht mehr so dicht beieinander, wie dies im Anfang wohl der Fall gewesen war. Dazwischen haben sich tiefe und breite Spalten gebildet, in denen Häuser und Felder Platz gefunden haben. Die Felsblöcke liegen aber doch nicht gar zu weit voneinander; man kann noch gut sehen, daß sie einst zu der obengenannten Mauer gehört haben.

Auf ihrer Landseite ist die große Mauer noch am besten erhalten. Da führt sie lange Strecken weit ununterbrochen und unzerstört hin. Aber in ihrer Mitte sind lange tiefe Risse mit Seen auf dem Grunde, und gegen die Küste zu ist sie ganz verfallen, da liegt jeder einzelne Felsblock wie ein Hügel für sich da.

Erst wenn man die große Mauer unten von der Küste aus sieht, versteht man, daß sie nicht nur zu ihrem Vergnügen gerade an dieser Stelle steht. Wie stark sie auch im Anfang gewesen sein mochte, an sechs bis sieben Stellen ist das Meer durchgebrochen und hat Fjorde gebildet, die mehrere Meilen lang sind. Der äußerste Teil steht überdies ganz unter Wasser, und man sieht nur die Gipfel der Felsblöcke über dem Meere aufragen. So haben sich allmählich viele große und kleine Inseln, die Schären, gebildet, und diese müssen den schlimmsten Angriffen des Sturmes und des Meeres standhalten.

Nun könnte man vielleicht glauben, eine Landschaft, die eigentlich nur aus einer steinernen Mauer bestehe, müsse ganz und gar unfruchtbar sein, und die Menschen dort könnten sich gar nicht fortbringen; aber damit ist es trotzdem nicht so ganz schlecht bestellt; wenn auch die Hügel und Hochebenen in Bohuslän nackt und kahl sind, so hat sich dafür in allen den Schluchten fruchtbares Erdreich angesammelt, das sich, wenn auch die Felder selbst nicht gerade sehr groß sind, doch vortrefflich zum Ackerbau eignet. In der Regel ist der Winter an der Küste auch nicht so kalt wie weiter drinnen im Lande, und an den vor dem Wind geschützten Stellen gedeihen gegen Kälte empfindliche Bäume und Pflanzen, die sich sonst kaum weiter droben als in Schonen finden.

Und ebensowenig darf man vergessen, daß Bohuslän an der Grenze der großen Flur liegt, die allen Menschen auf der Welt gemeinsam gehört. Die Leute von Bohuslän können Wege benützen, die sie nicht erst zu bauen, noch im Stand zu halten brauchen. Sie können Herden einfangen, die sie nicht zu bewachen noch auf die Weide zu führen haben, und ihre Beförderungsmittel werden von Zugtieren gezogen, denen sie weder Futter noch Obdach gewähren müssen. Deshalb sind sie auch nicht so abhängig vom Ackerbau oder von der Viehzucht wie die Bewohner andrer Bezirke, und sie fürchten sich nicht, ihr Heim auf sturmgepeitschten Schären aufzuschlagen, wo kein Grashälmchen wächst, oder auf den schmalen Streifen Uferland am Fuße der Berge, wo kaum Platz zu einem kleinen Kartoffelfeld ist; denn sie wissen, daß das große reiche Meer ihnen alles geben kann, was sie bedürfen.

Aber wenn es wahr ist, daß das Meer unendlichen Reichtum birgt, so ist es nicht weniger wahr, daß der eine schwierige Aufgabe hat, der sich mit ihm abgeben muß. Wer sein Auskommen vom Meere gewinnen will, muß alle Fjorde und Buchten, alle Untiefen und Strömungen kennen, kurz gesagt, er muß von jedem Stein auf dem Meeresgrunde Bescheid wissen. Durch Sturm und Nebel hindurch muß er sein Boot führen und in der schwärzesten Nacht seinen Weg finden können. Er muß es verstehen, die Zeichen in der Luft zu deuten, die böses Wetter verkünden, und er darf sich aus Kälte und Nässe nichts machen. Er muß wissen, wo der Zug der Fische geht und wo die Hummern kriechen, er muß schwere Netze hereinziehen und auch die Netze bei unruhiger See auswerfen können. Zuerst und vor allem aber muß er ein mutiges Herz in der Brust tragen, das nichts danach fragt, ob im Kampf gegen das Meer jeden Tag das Leben aufs Spiel gesetzt wird.

An dem Morgen, wo die Wildgänse über Bohuslän hinflogen, war es still und friedlich zwischen den Schären. Sie sahen mehrere kleine Fischerdörfer; aber es war kein Leben auf den schmalen Gassen, niemand ging in den hübsch angestrichenen Häuschen aus und ein. Die braunen Fischnetze hingen in guter Ordnung auf dem Trockenplatze, die schweren grünen oder blauen Fischerboote lagen mit angeschlagenen Segeln auf dem Strand. Keine Frauen arbeiteten an den langen Tischen, wo man sonst Dorsche und Heilbutten zu reinigen pflegte.

Die Wildgänse flogen auch über mehrere Lotsenstationen hin. Die Lotsenhäuser waren schwarz und weiß angestrichen, die Signalstange ragte daneben empor, und der Lotsenkutter lag vertäut an der Brücke. Dort war ringsumher alles still, nirgends war ein Dampfer in Sicht, der in dem engen Fahrwasser Hilfe gebraucht hätte.

Die kleinen Küstenorte, über die die Wildgänse hinflogen, hatten ihre großen Badehäuser geschlossen, ihre Flaggen eingezogen und die schönen Sommerhäuser verriegelt. Niemand war zu sehen, als einige alte Schiffskapitäne, die auf den Brücken hin und her spazierten und sehnsüchtig aufs Meer hinausschauten.

Auf der östlichen Seite der Inseln, sowie drinnen in den Buchten am Ufer sahen die Wildgänse einige Bauernhöfe, und auch dort lagen die Verkehrsboote ganz ruhig an den Landungsbrücken. Der Bauer und seine Knechte hackten Kartoffeln aus oder sahen nach, ob die Bohnen, die an großen Holzgestellen hingen, noch nicht dürr genug seien.

In den großen Steinbrüchen und auf den Schiffswerften waren viele Arbeiter tätig. Sie schwangen ihre Schmiedehämmer und Äxte recht fleißig, aber immer und immer wieder wendeten sie den Kopf dem Meere zu, wie wenn sie auf irgendeine Unterbrechung hofften.

Und die Schärenvögel verhielten sich ebenso ruhig wie die Menschen. Einige Scharben, die auf einer steilen Felsenwand geschlafen hatten, verließen eine nach der andern die schmalen Felsenvorsprünge und begaben sich mit langsamem Flug zu ihren Fischplätzen hin. Die Möwen waren vom Meere hereingezogen und spazierten wie richtige Krähen auf dem Ufer umher.

Aber mit einem Schlage veränderte sich alles. Eine Schar Möwen flog plötzlich von einem Acker auf und sauste mit solcher Hast südwärts, daß die Wildgänse sie kaum fragen konnten, wohin sie wollten, und die Möwen sich nicht Zeit nahmen, ihnen eine Antwort zu geben. Nun flogen die Scharben vom Wasser auf und folgten den Möwen mit schwerfälligen Flügelschlägen. Die Delphine schossen plötzlich wie schwarze Spindeln eiligst durchs Wasser, und eine Schar Seehunde stürzte sich von einer flachen Schäre in die Wellen und schwamm südwärts.

„Was ist denn los? Was ist denn los?“ fragten die Wildgänse; und schließlich bekamen sie Antwort von einer Eisente.

„Die Heringe sind in Marstrand eingetroffen! Die Heringe sind in Marstrand eingetroffen!“ rief sie.

Aber nicht allein die Vögel und Seetiere waren in Bewegung gekommen, die Menschen hatten offenbar auch Nachricht von dem Eintreffen der ersten großen Heringzüge zwischen den Schären erhalten. Auf den glatten Steinen der Fischerdörfer liefen die Leute rasch hin und her. Die Fischerboote wurden zur Abfahrt bereit gemacht und die langen Heringnetze vorsichtig hineingeschafft. Die Frauen verstauten Proviant und die Ölkleider in die Boote, und die Männer kamen so eilig aus ihren Häusern heraus, daß sie, schon auf der Straße angekommen, erst in den Rock hineinfuhren.

Schon nach ganz kurzer Zeit waren alle Sunde zwischen den Schären voll brauner und grauer Segel, und zwischen den Booten wurden lustige Zurufe und Fragen gewechselt. Junge Mädchen waren auf die Klippen hinter den Häusern hinaufgeklettert und winkten den Abziehenden nach. Die Lotsen hielten scharf Ausguck und waren ganz sicher, daß bald nach ihnen geschickt werde; sie hatten deshalb schon ihre Wasserstiefel angezogen und den Kutter klar gemacht. Aus den Fjorden heraus fuhren kleine mit Tonnen und Kisten beladene Dampfschiffe. Die Bauern hatten eilig die Kartoffelhacke weggeworfen, die Schiffsbauer die Werften verlassen, und die alten Schiffskapitäne mit den wetterharten Gesichtern konnten natürlich nicht zurückbleiben, sondern fuhren mit den Dampfschiffen südwärts, um den Heringfang wenigstens mitanzusehen.

Schon nach kurzer Zeit erreichten die Wildgänse Marstrand. Die Heringzüge kamen von Westen her und zogen am Leuchtturm auf der Hafenschäre vorbei dem Lande zu. In dem breiten Fjord zwischen der Marstrandinsel und der Paternosterschäre fuhren die Fischerboote immer zu drei und drei nebeneinander her. Da, wo die See dunkler aussah und in kleinen kurzen Wellen aufschäumte, waren die Heringe. Die Fischer wußten dies wohl und warfen an diesen Stellen vorsichtig die langen Netze ins Wasser, faßten sie ringsum zusammen und schnürten sie unten zu, so daß die Heringe nun wie in einem ungeheuren Sack drinnen lagen; dann zogen und schnürten sie sie enger und enger zusammen, so daß der Raum immer kleiner wurde und das Schleppnetz schließlich mit glitzernden Fischen gefüllt herausgezogen werden konnte. Bei einigen Schiffsgruppen war der Fischfang schon so weit gediehen, daß ihre Boote bis an den Rand mit Fischen gefüllt waren. Die Fischer standen bis an die Kniee in Heringen, und von dem Südwester an bis zum untersten Rande ihres Ölrockes glänzten sie von lauter Heringschuppen.

Dann sah man neuangekommene Schiffsgruppen, die umherfuhren und loteten und nach Heringen suchten, und wieder andre, die mit großer Mühe ihr Netz ausgeworfen, es aber leer wieder herausgezogen hatten. Wenn die Boote voll waren, fuhren einige von den Fischern nach den großen im Fjord liegenden Dampfschiffen hin und verkauften ihren Fang, andre fuhren nach Marstrand und luden da ihre Ladung am Kai aus. Dort waren die Heringweiber schon an langen Tischen in voller Arbeit; die Heringe wurden in Tonnen und Kisten verpackt, und die ganze Straße lag voller Heringschuppen.

Ja, jetzt war Leben und Bewegung da! Die Menschen waren ganz außer sich vor Freude über all dieses Silber, das sie aus den Wogen des Meeres herausschöpften, und die Wildgänse flogen viele Male über Marstrand hin und her, damit der Junge alles recht genau sehen könnte.

Aber schon nach kurzer Zeit bat er, sie möchten nur weiterfliegen. Er sagte nicht, warum er weiter wollte, aber es war vielleicht nicht so schwer zu erraten. Unter den Fischern sah er viele schöne, kräftige Leute. Mehrere von ihnen waren überaus stattliche Männer mit kühnen Gesichtern unter dem Südwester, und sie sahen gerade so keck und verwegen aus, wie jeder Junge gerne sein möchte, wenn er selbst einmal erwachsen ist. Ja, für einen, der niemals größer werden konnte als ein Hering, war es in der Tat vielleicht nicht so vergnüglich, diese prächtigen Gestalten zu betrachten!

52
Ein großer Herrenhof

Der alte und der junge Herr

Vor einer Reihe von Jahren lebte in einem Kirchspiel in Westgötland eine überaus gute, liebe kleine Volksschullehrerin. Sie gab nicht allein einen sehr guten Unterricht, sondern verstand es auch, musterhafte Ordnung in ihrer Klasse zu halten, und die Kinder liebten sie so sehr, daß sie niemals in die Schule kamen, ohne ihre Aufgaben gelernt zu haben. Die Eltern der Kinder schätzten sie auch, und es gab überhaupt nur einen einzigen Menschen, der nicht wußte, wie gut sie war, und dieser eine war sie selbst. Sie hielt alle andern für viel klüger und tüchtiger als sich selbst und grämte sich in dem Gedanken, nicht auch so sein zu können wie die andern.

Nachdem die Lehrerin einige Jahre an der Schule unterrichtet hatte, erging von der Schulbehörde die Aufforderung an sie, in dem Slöjdseminar1 auf Nääs einen Lehrgang mitzumachen, damit sie später die Kinder lehren könne, nicht allein mit dem Kopfe, sondern auch mit den Händen zu arbeiten. Niemand kann sich vorstellen, wie überrascht die Lehrerin war, als sie diese Aufforderung erhielt. Nääs lag nicht sehr weit von ihrer Schule entfernt, sie war wiederholt an dem schönen, stattlichen Gute vorübergegangen und hatte über den Slöjdkurs, der auf dem großen, alten Herrenhof stattfand, viel Lobenswertes gehört. Aus allen Teilen des Landes wurden da Lehrer und Lehrerinnen versammelt, damit sie sich eine gewisse Kunstfertigkeit der Hände aneigneten, selbst vom Ausland kamen die Leute zu diesem Zweck herbeigereist; aber wie schön diese Aussicht nun auch für die Lehrerin war, so wußte sie doch schon im voraus, wie schrecklich ängstlich es ihr unter so vielen ausgezeichneten Menschen zumute sein würde, ja es war ihr gerade, als könne sie es einfach nicht durchmachen.

Aber der Schulbehörde eine abschlägige Antwort zu geben, das wagte sie auch nicht; so reichte sie also ihr Gesuch ein und wurde als Schülerin angenommen. An einem schönen Juniabend, am Tage, bevor der Sommerunterricht beginnen sollte, packte sie ihre Kleider und was sie sonst brauchte in eine kleine Reisetasche und wanderte nach Nääs; und wie oft sie auch unterwegs anhielt und wie sehr sie sich auch weit wegwünschte, sie kam schließlich eben doch an ihrem Ziele an.

Auf Nääs ging es lebhaft zu. Allen Teilnehmern an dem Lehrgang, die von den verschiedensten Seiten her eintrafen, mußten in den Häusern, die zu dem Gute gehörten, Zimmer angewiesen werden. Allen war es in der ungewohnten Umgebung etwas seltsam zumute; aber die kleine Lehrerin dachte wie immer, nur sie allein benehme sich ungeschickt und töricht; so hatte sie sich schließlich in eine solche Angst hineingearbeitet, daß sie weder sehen noch hören konnte. Und sie hatte auch wirklich Schweres durchzumachen: in einer schönen Villa wurde ihr ein Zimmer angewiesen, in dem sie mit noch einigen jungen Mädchen, die ihr gänzlich unbekannt waren, zusammen wohnen sollte! Und mit siebzig fremden Menschen zusammen mußte sie zu Abend essen! Auf ihrer einen Seite saß ein kleiner Herr, der im Gesicht ganz gelb war und ihr mitteilte, er sei aus Japan, und auf ihrer andern Seite befand sich ein Schullehrer aus Jockmock droben in Lappland! Und vom ersten Augenblick an ertönte lebhaftes Geplauder und Scherz und Lachen an den langen Tischen. Alle sprachen miteinander und machten gegenseitig Bekanntschaft. Sie war die einzige, die den Mund nicht aufzutun wagte.

Am nächsten Morgen fing die Arbeit an. Wie in allen Schulen, begann auch hier der Tag mit Gesang und Gebet; dann hielt der Vorstand des Seminars eine Ansprache über den Slöjd und gab einige kurze Verhaltungsmaßregeln, und dann, ohne daß sie recht wußte, wie es zugegangen war, stand sie vor einer Hobelbank, ein Stück Holz in der einen Hand und ein Messer in der andern, während ein alter Slöjdlehrer ihr zu zeigen versuchte, wie man einen Pflanzenstab machte.

Eine solche Arbeit hatte sie noch nie probiert; sie kannte die Handgriffe gar nicht und war außerdem so verwirrt, daß sie gar nichts von dem Gehörten verstand. Als der Lehrer weitergegangen war, legte sie Messer und Holz auf die Hobelbank und starrte nur immer geradeaus.

Ringsherum im Saal standen lauter Hobelbänke, und an allen sah sie Menschen, die mit frischem Mut an die Arbeit gingen. Einige von ihnen, die schon etwas bewandert in der Kunst waren, kamen herbei und wollten ihr helfen; aber sie war nicht imstande, die gegebenen Winke zu benützen, denn sie hatte das Gefühl, als ob alle miteinander aufmerksam darauf geworden seien, wie ungeschickt sie sich anlasse, und das machte sie furchtbar unglücklich; sie war wie gelähmt.

Die Frühstückszeit kam heran, und nach dem Frühstück kam neue Arbeit. Zuerst hielt der Vorstand einen Vortrag, dann folgte eine Turnstunde, und dann fing der Slöjdunterricht wieder an. Hierauf wurde Mittagspause gemacht. In dem großen, hellen Versammlungssaal wurde zu Mittag gegessen und Kaffee getrunken, und am Nachmittag ging man wieder an die Slöjdarbeit; dann kamen Singübungen an die Reihe und schließlich Spiele im Freien. Die Lehrerin war den ganzen Tag hindurch in Bewegung und immer mit den andern zusammen, fühlte sich aber immer noch ebenso unglücklich.

Wenn sie später an diese ersten auf Nääs verbrachten Tage zurückdachte, war ihr, als sei sie wie in einem Nebel herumgegangen. Alles war düster und verschleiert gewesen; sie hatte weder gesehen noch verstanden, was um sie her vorging. Dieser Zustand dauerte zwei Tage; am Abend des zweiten Tages jedoch fing es plötzlich an, hell um sie zu werden.

Nachdem das Abendessen an diesem zweiten Tag vorüber war, erzählte ein alter Volksschullehrer, der früher schon mehrere Male auf Nääs gewesen war, einigen neuen Schülern, wie das Slöjdseminar entstanden war, und da die kleine Lehrerin in der Nähe saß, hörte sie unwillkürlich auch zu.

Der Volksschullehrer erzählte, Nääs sei ein sehr altes Gut, sei aber früher nie etwas andres gewesen als ein großer, schöner Herrenhof, wie so viele andre auch, bis der alte Herr, dem er jetzt zu eigen gehöre, hierher gezogen sei. Dieser sei ein sehr reicher Mann, und die ersten Jahre seines Aufenthalts habe er nur darauf verwendet, das Schloß und den Park zu verschönern und die Häuser seiner Untergebenen zu verbessern.

Aber dann sei seine Frau gestorben, und da sie keine Kinder hätten, habe der alte Herr sich oft sehr einsam auf dem großen Gute gefühlt. Deshalb habe er einen jungen Neffen, den er sehr lieb hatte, überredet, zu ihm zu kommen und sich auf Nääs niederzulassen.

Von Anfang an war bestimmt gewesen, daß der junge Herr bei der Bewirtschaftung des Gutes Hand anlegen sollte; als er aber aus dieser Veranlassung bei den Untergebenen seines Oheims umherging und sah, welches Leben sie in ihren ärmlichen Hütten führten, kamen ihm allerlei wunderliche Gedanken. Es fiel ihm auf, daß sich in den meisten dieser Wohnungen an den langen Winterabenden weder Männer noch Kinder, ja oft nicht einmal die Frauen mit irgendeiner Handarbeit beschäftigten. In den frühern Zeiten hatten die Leute ihre Hände fleißig rühren müssen zur Herstellung ihrer Kleider und ihres Hausgeräts, aber jetzt, wo man alle diese Dinge kaufen konnte, hatte diese Art von Arbeit aufgehört. Und da glaubte der junge Herr zu sehen, daß in den Häusern, wo man dieses häusliche Gewerbe aufgegeben hatte, sich auch das häusliche Behagen und der häusliche Wohlstand verabschiedet habe.

Ein einzelnes Mal kam er doch auch in ein Haus, wo der Vater Tische und Stühle zusammenzimmerte und die Mutter webte; und soviel war sicher, diese Leute waren nicht nur wohlhabender, sondern auch glücklicher als die in den andern Häusern.

Der junge Herr sprach mit seinem Oheim, und der alte Herr sah ein, welch ein großes Glück es wäre, wenn sich die Leute in ihrer freien Zeit mit irgendeiner Handarbeit beschäftigen würden. Um aber dies zu erreichen, müßten sie ohne Zweifel von Kind auf gelehrt werden, die Hände zu gebrauchen. Die beiden Herren meinten, zur Erreichung dieses Zieles könnten sie nichts Besseres tun, als eine Slöjdschule für Kinder einzurichten. Die Kinder sollten da lernen, einfache Geräte aus Holz herzustellen, denn, meinten die beiden Herren, diese Art Arbeit werde allen am leichtesten fallen. Sie waren überzeugt, wer von den Leuten einmal gelernt hätte, das Messer ordentlich zu gebrauchen, werde dann später leicht lernen, auch den großen Schmiedehammer und den kleinen Schuhmacherhammer zu führen. Wessen Hand aber von Kindheit auf an nichts gewöhnt sei, werde vielleicht niemals darauf kommen, daß der Mensch darin ein Werkzeug besitzt, das mehr wert ist als alle andern.

Sie hatten also angefangen, Kinder im Handslöjd auf Nääs zu unterrichten, und bald sahen sie, wie nützlich und gut es für die Kleinen war, so nützlich und gut, daß sie nur wünschten, alle Kinder in ganz Schweden könnten einen ähnlichen Unterricht bekommen.

Aber wie sollte das ausführbar sein? Ringsum in ganz Schweden wuchsen ja viele hunderttausend Kinder heran; diese konnten doch nicht alle auf Nääs versammelt werden, um da Slöjdunterricht zu bekommen? Das war ganz und gar unmöglich.

Da kam der junge Herr mit einem neuen Vorschlag. Wie, wenn man, anstatt die Kinder zu unterrichten, ein Slöjdseminar für deren Lehrer einrichten würde? Wie, wenn die Lehrer und Lehrerinnen vom ganzen Lande in Nääs zusammenkämen, da Slöjd lernten und nachher mit allen den Kindern, die sie in ihren Schulen hatten, Slöjd treiben würden? Auf diese Weise gelänge es schließlich vielleicht doch, daß bei allen Kindern die Hände ebenso geübt würden wie das Gehirn.

Als dieser Gedanke in den Herzen der beiden Herren einmal Wurzel geschlagen hatte, ließ er sie nicht mehr los, und sie suchten ihn zu verwirklichen.

Die beiden Herren halfen einander treulich. Der alte Herr baute Arbeitssäle, Versammlungshäuser, den Turnsaal und sorgte für Wohnung und Unterhalt der Neuankommenden. Der junge Herr wurde der Vorsteher des Seminars; er arbeitete den Unterrichtsplan aus, überwachte die Arbeit und hielt Vorträge. Und damit noch nicht genug: er lebte auch beständig mit den Schülern zusammen, machte sich mit den Verhältnissen des einzelnen bekannt und wurde ihnen ein aufrichtiger, treuer Freund.

Und wie groß war von Anfang an die Zahl der Teilnehmer! In jedem Jahre wurden vier Kurse gehalten, und zu allen meldeten sich mehr Schüler, als aufgenommen werden konnten. Die Schule wurde auch bald im Auslande bekannt, und aus aller Herren Länder kamen Lehrer und Lehrerinnen nach Nääs, um zu lernen, wie sie es machen müßten, ihre Hände auszubilden. Kein Ort in Schweden war im Ausland so bekannt wie Nääs, und kein Schwede hat je so viele Freunde ringsum auf der ganzen Welt gehabt, wie der Vorsteher des Slöjdseminars auf Nääs.

Die kleine schüchterne Lehrerin hörte dieser Erzählung zu, und je länger sie zuhörte, desto heller wurde es um sie her. Bis jetzt hatte sie gar nicht gewußt, warum die Slöjdschule auf Nääs war, sie hatte sich nicht klar gemacht, daß sie von zwei Männern geschaffen worden war, die ihrem Lande etwas Gutes tun wollten, hatte keine Ahnung davon gehabt, daß sie ihre Arbeit ohne Lohn taten, daß sie alles opferten, was sie opfern konnten, um ihren Mitmenschen zu helfen, besser und glücklicher zu werden.

Als sie jetzt über die große Güte und Nächstenliebe nachdachte, die hinter allem diesem lag, rührte es sie fast bis zu Tränen; so etwas hatte sie noch nie erlebt.

Am nächsten Tag ging sie mit einem ganz andern Verständnis an ihre Arbeit. Wenn ihr das alles aus lauter Güte geboten wurde, mußte sie mit einem ganz andern Fleiß daran gehen als bisher. Sie vergaß nun, an sich selbst zu denken; die Arbeit und das große Ziel, das erreicht werden sollte, nahmen sie jetzt ganz in Anspruch. Und von diesem Augenblick an machte sie ihre Sache ganz ausgezeichnet; sobald ihre Schüchternheit ihr nicht hindernd in den Weg trat, war sie sehr geschickt und fingerfertig.

Jetzt, wo ihr die Schuppen von den Augen gefallen waren, erkannte sie überall das wunderbare, große Wohlwollen. Jetzt sah sie, wie liebevoll im ganzen Seminar alles für die Teilnehmer an den Kursen eingerichtet war. Diese Teilnehmer wurden bei weitem nicht nur in Handarbeit unterrichtet; der Vorstand hielt Vorträge über Erziehung, er gab Turnunterricht, er bildete einen Gesangverein, und beinahe jeden Abend vereinigte man sich zu Musik und Vorlesungen. Und außerdem standen Bücher, Boote, Badehäuser und Klaviere zur Verfügung; alle sollten es gut haben, sich wohl befinden und vergnügt sein.

Allmählich wurde der Lehrerin klar, welch ein unschätzbarer Vorteil das war, wenn jemand die schönen Sommertage auf einem solchen großen schwedischen Herrenhofe verbringen durfte. Das Schloß, in dem der alte Herr wohnte, lag auf einem fast ganz von einem See umgebnen Hügel, und eine schöne steinerne Brücke bildete die Verbindung mit dem Lande. Die Lehrerin hatte noch nie etwas so Schönes gesehen, wie die Blumenbeete auf den Terrassen vor dem Schlosse, wie die alten Eichen im Park, wie den Weg dem Seeufer entlang, wo die Bäume sich über das Wasser neigten, oder wie den Ausblick vom Aussichtspavillon auf dem Felsen über den See hin. Die Schulgebäude lagen auf dem Festland, dem Schloß gerade gegenüber auf grünen, schattigen Wiesen, aber es stand den Schülern frei, sich ganz nach Belieben im Schloßpark zu ergehen. Der Lehrerin war es, als wisse sie erst jetzt, wie schön der Sommer sei, da sie ihn an einem so wunderschönen Ort wie Nääs genießen durfte.

Doch muß man nicht meinen, es sei nun eine große Veränderung mit ihr vorgegangen; nein, mutig und selbstbewußt wurde sie nicht, aber sie fühlte sich froh und glücklich. Diese Güte hier erwärmte sie bis ins innerste Herz hinein. An einem solchen Orte, wo es alle gut mit ihr meinten und ihr nützlich zu sein suchten, konnte sie sich unmöglich ängstlich fühlen. Und als der Lehrgang zu Ende war und die Schüler Nääs verließen, war sie ganz neidisch auf alle, die dem alten und dem jungen Herrn richtig danken und das, was sie fühlten, in schönen Worten ausdrücken konnten. Ach, so weit brachte sie es gewiß in ihrem ganzen Leben nicht!

Sie kehrte nach Hause zurück, nahm ihre Arbeit in der Schule wieder auf und war ebenso befriedigt davon wie vorher. Von Nääs war sie nicht weiter entfernt, als daß sie an einem freien Nachmittag zu Fuß hin und zurück gelangen konnte, und im Anfang tat sie das auch ziemlich oft. Aber es war eben immer wieder ein andrer Jahrgang, immer andre Gesichter, ihre Schüchternheit überfiel sie aufs neue, und so wurde sie allmählich ein immer seltenerer Gast in der Slöjdschule. Aber die Zeit, wo sie selbst Schülerin auf Nääs gewesen war, stand trotzdem immer als das beste, was sie je erlebt hatte, in ihrer Erinnerung.

Im Frühling hörte sie eines Tages, daß der alte Herr auf Nääs gestorben sei. Da gedachte sie des schönen Sommers, den sie auf seinem Gute verbracht hatte, und das Herz wurde ihr schwer, weil sie sich niemals so recht bei ihm bedankt hatte. Er hatte ja sicherlich Dankesbezeugungen genug erhalten, von Hohen wie von Niederen; aber sie selbst würde sich jetzt glücklicher gefühlt haben, wenn sie ihm einmal mit ein paar Worten ausgedrückt hätte, wieviel er für sie getan habe.

Auf Nääs wurde der Unterricht ganz in derselben Weise fortgesetzt wie vor dem Tode des alten Herrn. Er hatte nämlich das ganze schöne Gut der Schule vermacht; sein Neffe aber blieb auch fernerhin der Vorsteher und verwaltete alles miteinander. So oft die Lehrerin nach Nääs kam, war irgend etwas Neues zu sehen. Jetzt handelte es sich nicht mehr allein um Slöjdkurse; der Vorsteher wollte auch die alten Gebräuche und die alten Volksvergnügungen wieder ins Leben rufen, und so richtete er auch Lehrgänge für Singspiele und viele andre Arten von Spielen ein. Aber in einer Hinsicht blieb alles beim alten; noch immer wurde den Leuten von dem Wohlwollen, das sie hier überall umgab, das Herz warm, und sie fühlten, wie sehr doch alles darauf eingerichtet war, daß sie sich nicht allein Kenntnisse erwürben, sondern auch Arbeitsfreudigkeit mitnähmen, wenn sie zu den kleinen Schulkindern ringsum im Lande zurückkehrten.

Nur wenige Jahre nach dem Tode des alten Herrn hörte die Lehrerin eines Sonntags in der Kirche, der Vorsteher auf Nääs sei gefährlich erkrankt. Sie wußte, daß er seit einiger Zeit an schweren Herzkrämpfen litt, hatte aber an keine Lebensgefahr für ihn gedacht. Jetzt aber hieß es, diesmal stehe es sehr schlecht.

Von dem Augenblick an, wo die Lehrerin dies hörte, konnte sie nichts andres mehr denken, als daß am Ende der Vorsteher jetzt auch sterben würde wie der alte Herr, ohne daß sie ihm ihren Dank ausgesprochen hätte, und sie überlegte hin und her, was sie doch tun könnte, um ihren Dank darzubringen.

Am Sonntag nachmittag ging die Lehrerin bei den Nachbarn umher und fragte, ob die Kinder sie nicht nach Nääs begleiten dürften. Sie habe gehört, der Vorsteher sei krank, und sie denke, es werde ihn freuen, wenn die Kinder hinkämen und ihm ein paar Lieder sängen. Es sei allerdings schon ziemlich spät am Tage, aber es sei ja jetzt gerade heller, klarer Mondschein, deshalb könnte man gut noch gehen. Die Lehrerin hatte das Gefühl, daß sie an diesem Abend durchaus noch nach Nääs müsse; und sie fürchtete, es könnte am nächsten Tag zu spät sein.

1.Eine Art Gewerbeschule, hauptsächlich für Holzverarbeitung.
  Anmerkung des Übersetzers
Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
28 сентября 2017
Объем:
790 стр. 1 иллюстрация
Переводчик:
Правообладатель:
Public Domain

С этой книгой читают